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Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, von seiner Beanstandung gemäß Ziff. 2 der Zwischenverfügung vom 11.07.2003 Abstand zu nehmen und den Eintragungsantrag neu zu bescheiden.
Wert: 3.000 EUR.
G r ü n d e:
2I.
3Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2003 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 bis 11 die Eintragung einer Änderung der Teilungserklärung in den Grundbüchern beantragt. Gegenstand der begehrten Änderung ist, dass in die Teilungserklärung folgender § 18 a eingefügt wird:
4§ 18 a
5Änderung der Gemeinschaftsordnung
6Die Eigentümerversammlung kann durch Beschluss mit 3/4 Mehrheit der Stimmen aller Sondereigentümer Änderungen der Gemeinschaftsordnung (Teil II der Teilungserklärung) beschließen.
7Sonderrechte oder Vorzugsrechte eines Eigentümers dürfen durch einen solchen Beschluss nur mit dessen Zustimmung entzogen oder beeinträchtigt werden.
8Die Sondereigentümer, auch diejenigen, die an der Beschlussfassung nicht teilgenommen oder dem Beschluss widersprochen haben, sind verpflichtet, Änderungsvereinbarungen, die beschlussmäßig getroffen worden sind, zur Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen. Die Kosten hierfür trägt die Eigentümergemeinschaft.
9Durch die angefochtene Zwischenverfügung hat das Amtsgericht beanstandet, dass die Zustimmung der eingetragenen Grundpfandrechtsgläubiger, ggf. unter Vorlage der Grundpfandrechtsbriefe, beigebracht werden müsse.
10Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat das Landgericht nach Nichtabhilfe durch das Amtsgericht zurückgewiesen. Die Beteiligten haben weitere Beschwerde eingelegt.
11II.
12Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO).
13Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
14Wenn das Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet sei, sei sachenrechtlich dessen Zustimmung zu der Inhaltsänderung gemäß §§ 877, 876 Satz 1 BGB erforderlich. Seine Zustimmung sei nur dann entbehrlich, wenn seine dingliche Rechtsstellung durch die Änderung nicht berührt werde. Es müsse jede rechtliche, nicht bloß eine wirtschaftliche Beeinträchtigung ausgeschlossen sein. Das Amtsgericht habe zutreffend darauf abgestellt, dass die beabsichtigte Änderung der Teilungserklärung die dingliche Rechtsstellung der Gläubiger berühren könne, da sie die Änderung der Gemeinschaftsordnung durch die Eigentümer erleichtere. Unzweifelhaft könne sich eine Änderung der Gemeinschaftsordnung (positiv oder negativ) auf den Wert des betroffenen Sondereigentums auswirken - so könnten z.B. Sondernutzungsrechte vereinbart werden, was wiederum in die Rechtsstellung des Gläubigers dieses Sondereigentums eingreifen würde. In diesem Sinne "berühre" auch eine Änderung verfahrensrechtlicher Grundsätze die Rechtsposition der Gläubiger.
15Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
16Das Wohnungseigentumsgesetz unterscheidet zwischen Angelegenheiten der Wohnungseigentümer, die sie durch Vereinbarung regeln können und zu regeln haben (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG) und solchen Angelegenheiten, über die durch (Mehrheits-)Beschluss zu entscheiden ist. Vereinbarungen sind beispielsweise vorgesehen in § 12 WEG (Veräußerungsbeschränkung eines Wohnungseigentümers) und § 15 Abs. 1 WEG (Gebrauch des Sondereigentums und des Gemeinschaftseigentums); durch Beschluss kann insbesondere der ordnungsgemäße Gebrauch von Sonder- bzw. Gemeinschaftseigentum geregelt werden (§ 15 Abs. 2 WEG), die ordnungsgemäße Verwaltung (§ 21 Abs. 3 WEG) sowie die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums (§§ 21 Abs. 5, 22 WEG).
17Abweichend von § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG können die Wohnungseigentümer durch Vereinbarung einer sogenannten Öffnungsklausel bestimmen, dass über die gesetzlich durch Vereinbarung zu regelnden Angelegenheiten durch (Mehrheits-) Beschluss entschieden werden kann. Die Zulässigkeit von Vereinbarungen über die Einführung von Öffnungsklauseln ist heute anerkannt (vergl. nur BGHZ 95, 137; BGH Z WE 2000, 518, 519; BayObLG WuM 1990, 90; KG OLG Z 1992, 420; Bärmann/Pick/Merle 9. Auflage § 23 Rn. 13; Wenzel Festschrift für Deckert S. 527). Sie ergibt sich aus §§ 10 Abs. 4, 23 Abs. 1 WEG (vgl. Ott, ZWE 2001, 466, 467). Um eine solche Öffnungsklausel handelt es sich bei der hier vorgelegten Klausel § 18 a.
18Öffnungsklauseln müssen, um gegenüber Sondernachfolgern Wirkung zu entfalten, im Grundbuch eingetragen werden. Das folgt aus § 10 Abs. 2 WEG. Dabei stellt sich die Frage, ob die Öffnungsklausel eine beeinträchtigende Inhaltsänderung des jeweiligen Sondereigentums im Sinne der §§ 877, 876 Satz 1 BGB darstellt. Denn wenn das Wohnungseigentum mit dem Recht eines Dritten belastet ist, ist sachenrechtlich dessen Zustimmung zu einer Inhaltsänderung gemäß §§ 877, 876 Satz 1 BGB erforderlich, es sei denn, seine dingliche Rechtsstellung wird durch die Änderung nicht berührt. Es muss jede rechtliche, nicht bloß eine wirtschaftliche Beeinträchtigung ausgeschlossen sein (BGH Z 91, 343).
19Die Notwendigkeit der Zustimmung dinglich berechtigter Dritter bei der Eintragung einer Öffnungsklausel wird in der neueren Literatur - insbesondere seit der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.09.2000 (NZM 2000, 1184 = ZWE 2000, 518) - ganz überwiegend verneint oder zumindest bezweifelt. So hat bereits Lüke (WE 1998, 202, 204) angemerkt, dass die Klausel einen materiell-rechtlichen Bezug zum Grundpfandrechtsinhaber nicht erkennen lasse und unmittelbar nur das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander betreffe. Müller (ZWE 2001, 191, 192) hält es für "äußerst fraglich", ob die dinglichen Gläubiger einer Öffnungsklausel überhaupt zustimmen müssen, da eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit der dinglichen Gläubiger nicht erkennbar sei. Klar ablehnend hat sich Ott (ZWE 2001, 466, 467) geäußert: Die Zustimmung sei nicht erforderlich, weil lediglich verfahrensrechtlich ein anderes Regelungsinstrumentarium - Beschluss statt Vereinbarung - bestimmt werde; eine mögliche rechtliche Beeinträchtigung im Sinne des § 876 BGB finde hierdurch noch nicht statt, da die den gesetzlichen Inhalt des Wohnungseigentums kennzeichnenden Rechte und Pflichten durch die Öffnungsklausel nicht verändert würden; ein Rechtsnachteil könne vielmehr nur durch den aufgrund der Öffnungsklausel gefassten Mehrheitsbeschluss entstehen, weil erst dieser eine konkrete Sachentscheidung enthalte. Diese Auffassung vertritt auch Wenzel (Festschrift für Deckert, S. 517 ff., 528): Die Zustimmung dinglich berechtigter Dritter sei zur Einführung der Klausel nicht erforderlich, weil sie nur einen verfahrensrechtlichen Inhalt habe, indem sie die Regelung von Angelegenheiten, die dem Vertragsprinzip unterfallen, dem Mehrheitsprinzip öffne. Schneider (Rechtspfleger 2002, 503 ff.) hält die Zustimmung dinglich Berechtigter gleichfalls für nicht notwendig und stellt darauf ab, dass ein Drittberechtigter die Beurteilung einer konkreten rechtlichen Beeinträchtigung erst nach einer aufgrund der Öffnungsklausel erfolgten Beschlussfassung vornehmen könne. Hügel (ZWE 2002, 503 ff.) lehnt das Zustimmungserfordernis ab, weil die Vereinbarung einer Öffnungsklausel keine Außenwirkung habe dergestalt, dass dadurch Rechte Dritter verändert werden sollen. Auch Schöner/Stöber Grundbuchrecht 13. Aufl., Rn. 2885 heben hervor, dass es einer Zustimmung dinglich berechtigter Dritter nicht bedürfe, weil ihre Rechtsstellung durch die Öffnungsklausel nicht berührt werde, sie seien daher nicht (möglicherweise) betroffen.
20Auch der Senat ist der Ansicht, dass eine Zustimmung dinglich berechtigter Dritter zur Einführung einer Öffnungsklausel nicht verlangt werden kann. Für die nachträgliche Eintragung einer solchen Klausel in das Grundbuch sind zwar gemäß § 19 GBO die Bewilligungen sämtlicher eingetragenen Miteigentümer erforderlich. Sie bedarf aber nicht der Zustimmung durch die Drittberechtigten, da deren dingliche Rechtsposition durch die Öffnungsklausel noch nicht beeinträchtigt wird.
21Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.