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Auf die Berufung des Klägers wird das am 15. November 2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – 1 O 245/00 - teilwei-se abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner 4.183,72 € nebst 4% Zinsen seit dem 21.02.2000 zu zahlen.
Die Beklagten werden darüber hinaus verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.600 € nebst 4 % Zinsen seit dem 21.02.2000 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
2Die zulässige Berufung ist begründet. Zu Recht begehrt der Kläger Ersatz der ihm anlässlich des Unfallgeschehens vom 19.10.1999 entstandenen Schäden in voller Höhe sowie ein angemessenes Schmerzensgeld zum Ausgleich für die von ihm erlittenen unfallbedingten Verletzungen.
3I.
4Der Antrag des Klägers ist dahingehend auszuIegen, dass er in Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 15.11.2002 beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner
51. weitere 2.854,41 € nebst 4 % Zinsen seit dem 21.02.2000 zu zahlen;
62. ein in das Ermessen des Senats gestelltes angemessenes Schmer- zensgeld nebst 4 % Zinsen seit dem 21.02.2000 zu zahlen, mindes- tens jedoch 2.556,46 € (5.000 DM).
7II.
8Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Ersatz aller ihm anlässlich des Verkehrsunfalls vom 19.10.1999 gegen 9.54 Uhr auf der XXX, Fahrtrichtung XXX, auf dem Verzögerungsstreifen zum Autobahnkreuz XXX, Fahrtrichtung XXX entstandenen materiellen Schäden, also auch des an seinem Fahrzeug entstanden Frontschadens, gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG.
9Als Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Mercedes des Klägers unbeschädigt hinter dem Ford-Kombi des Zeugen L. zu stehen gekommen und erst anschließend von dem Porsche des Beklagten zu 1. total beschädigt worden ist.
101. Die Unfalldarstellung des Klägers, er sei mit seinem Fahrzeug hinter dem Ford-Kombi des Zeugen L. rechtzeitig zum Stehen gekommen und erst durch den Porsche des Beklagten aufgeschoben worden, wird in vollem Umfang von den Aussagen der Zeugen A. und A., der Ehefrau des Klägers, bestätigt. Die Aussage der Zeugin A. ist klar und eindeutig. Ebenso verhält es sich mit der Aussage dieses Zeugen in Bezug auf das Anhalten des Mercedes. Die Aussage des Zeugen A. ist lediglich unklar, soweit es darum geht, wo sich der Zeuge L. in dem Moment befand, als der "Mercedes explodierte", ob noch in seinem Wagen, auf der Suche nach dem Warndreieck, oder schon wieder neben dem Fahrzeug. Die Kernaussage des Zeugen A., der Mercedes habe hinter dem Ford-Kombi – unbeschädigt - angehalten, betrifft dies jedoch nicht. Diese Aussage hat er schon im polizeilichen Ermittlungsverfahren gemacht.
11Diesen Aussagen widersprechen die Bekundungen des Zeugen L., anders als das Landgericht meint, nicht. Die Aussage des Zeugen ist für sich genommen unergiebig, da er selbst nicht gesehen hat, ob der Mercedes des Klägers auf sein Fahrzeug aufgefahren ist oder aufgeschoben wurde. Er hat lediglich zunächst einen ersten heftigen Anstoß bemerkt. Für sich genommen kann dieser sowohl durch ein Auffahren des Mercedes, wie die Beklagten meinen, als auch durch ein Aufschieben des Mercedes hervorgerufen worden sein. Beides ist technisch möglich, wie der Sachverständige S. in seinem Gutachten vom 25.05.2001 ausführt (Seite 15 auf der Grundlage der klägerischen Behauptungen; Seite 18 auf der Grundlage der Behauptungen der Beklagten).
12Aber auch in der Zusammenschau mit dem Gutachten des Sachverständigen S. lässt sich der Aussage des Zeugen L. nicht entnehmen, dass die Unfalldarstellung des Klägers und der anderen Zeugen unzutreffend ist. Zu Unrecht ordnet das Landgericht den von dem Zeugen L. bekundeten zweiten leichteren Anstoß einem zweiten Anstoß durch den Mercedes des Klägers zu. Der Aussage des Zeugen L. lässt sich dies nicht entnehmen. Dem entspricht die Tatsache, dass weder der Kläger noch seine Ehefrau von einem zweimaligen Anstoß des Mercedes gegen den Ford-Kombi des Zeugen L. berichtet haben und der Sachverständige sich einen solchen zweiten leichteren Kontakt nicht erklären kann. Aus dem Schadensbild am Fahrzeug des Zeugen L. konnte der Sachverständige keine Schlussfolgerungen ziehen, da diesbezügliche Unterlagen ihm nicht zur Verfügung standen. Unter Zugrundelegung der klägerischen Unfalldarstellung führt der Sachverständige aus, ein zweiter leichter Anstoß des Mercedes des Klägers an dem Ford-Kombi sei ausgeschlossen, weil aus der Endstellung des Kombi, einen Meter vor dem Mercedes, geschlossen werden müsse, dass der letzte Anprall der stärkere gewesen sein muss, um den Kombi und den Opel einen Meter nach vorne zu verschieben. Aber auch bei Berücksichtigung der Darstellung der Beklagten, wonach der erste heftige Anstoß am Pkw des Lange durch ein Auffahren des Klägers verursacht worden sei, könne ein zweiter leichterer Anstoß des Mercedes, verursacht durch die Kollision mit dem Porsche, die Endstellung des Ford-Kombi und des Opel nicht erklären. Um diese so nach vorne zu bewegen, dass der Ford-Kombi einen Meter vor dem Mercedes zum Stehen kam, hätte der zweite Anstoß der heftigere sein müssen.
13Der Senat folgt daher den Aussagen des Zeugen A. und A. Sie sind glaubhaft und bezüglich des Fahrverhaltens des Mercedes klar und nachvollziehbar. Der neutrale Zeuge A. setzt sich nicht in Widerspruch zu seiner Aussage im polizeilichen Ermittlungsverfahren, in dem er, vermittelt durch Dritte, angab, der Mercedes habe nur mit Schwierigkeiten anhalten können. Im Kern bekundete der Zeuge, dass der Mercedes noch angehalten hat.
14Die Aussagen beider Zeugen werden durch das Gutachten des Sachverständigen S. gestützt, der es aufgrund der heckseitigen und frontseitigen Beschädigungen des Ford-Kombi und des Schadens des Mercedes im Frontbereich sowie der Endstellung des Ford-Kombi zum Fahrzeug des Zeugen A. für wahrscheinlicher hält, dass der Mercedes durch den Aufprall des Porsche in einem gegen den Uhrzeigersinn gerichteten Bogen von rechts hinten in den Ford-Kombi geschoben wurde, als dass er so gefahren sei (Seite 15 des Gutachtens).
152. Steht danach fest, dass auch der Frontschaden am PKW des Klägers durch den Beklagten zu 1. verursacht worden ist, sind die Beklagten nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 StVG auch am Frontschaden des Mercedes zu beteiligen.
16Der streitgegenständliche Unfall hat sich zugleich beim Betrieb des vom Kläger gehaltenen und geführten Fahrzeugs sowie des vom Beklagten zu 1. gehaltenen und geführten Fahrzeugs, welches zum Zeitpunkt des Unfalls bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert war, ereignet. Es ist nicht auszuschließen, dass "Idealfahrer" den Unfall hätten vermeiden können, der Kläger etwa durch das Einschalten der Warnblinkanlage, § 7 Abs. 2 StVG a. F.. Daher ist nach § 17 Abs. 1 StVG eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorzunehmen, wobei zu Lasten einer Partei nur solche unfallursächlichen Umstände zu berücksichtigen sind, auf die sich die Partei beruft oder die unstreitig oder bewiesen sind.
17Die Abwägung nach § 17 StVG ergibt, dass die Beklagten zum vollen Schadensersatz verpflichtet sind. Auf ihrer Seite ist das Maß der Verursachung und des Verschuldens so groß, dass demgegenüber die Umstände, die den Kläger belasten könnten, nicht mehr nennenswert ins Gewicht fallen.
18Die Beklagten belastet die erhöhte Betriebsgefahr des PKW Porsche, der mit weit überhöhter Geschwindigkeit in unangepasster Fahrweise von der äußerst linken Spur der BAB XXX zwischen Lkws auf den Verzögerungsstreifen zur BAB XXX wechselnd, so der Zeuge S, auf das Heck des Mercedes aufgeprallt ist. Auch steht ein Auffahrverschulden des Beklagten zu 1. nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises fest. Nach der Lebenserfahrung hat das Auffahren seinen typischen Grund darin, dass der auffahrende Kraftfahrer unaufmerksam und/oder mit zu geringem Sicherheitsabstand gefahren ist, seine Geschwindigkeit nicht angepasst oder verspätet gebremst hat. Diesen gegen den Erstbeklagten sprechenden Anschein konnten die Beklagten schon deswegen nicht ausräumen, weil sich dieser angesichts der von dem Zeugen S. bekundeten Fahrweise des Erstbeklagten zum vollen Beweis verfestigt hat.
19Bezüglich des Klägers ist ein unfallursächliches Verschulden nicht feststellbar. Er muss sich damit lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs entgegenhalten lassen. Diese tritt hier jedoch völlig zurück.
203. Zur Schadenshöhe ergibt sich folgendes:
21a) Der Kläger hat einen Anspruch auf den vollen vom dem Sachverständigen K. in seinem Gutachten vom 02.11.1999 festgestellten Wiederbeschaffungswert (abzüglich Restwert) von 7.350,00 DM. Dieser Wert ist als unstreitig anzusehen. Das Bestreiten der Beklagten in erster Instanz ist unerheblich, da sie, trotzt des ihnen vorliegenden Gutachtens des Sachverständigen K., keine substantiierten Einwendungen gegen die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes vorgetragen haben. Das erhebliche Bestreiten in erster Instanz in Bezug auf den Restwert des Mercedes ohne den Heck- und Seitenschaden steht hiermit nicht im Zusammenhang, da es nur dann relevant wäre, wenn bei der Frage nach der Höhe der Einstandspflicht zwischen Heck- und Seitenschaden einerseits und Frontschaden andererseits differenziert werden müsste. Dies ist hier nicht der Fall.
22b) Der Kläger kann des Weiteren Ersatz der begehrten Umbaukosten für das Radio in Höhe von 150,00 DM verlangen.
23Grundsätzlich sind im Rahmen des Ansatzes der Wiederbeschaffungskosten für ein Fahrzeug auch die Nebenkosten für eine Fahrzeugwechsel zu ersetzen, wozu auch Aufwendungen für die Übernahme von Zubehör aus dem Altfahrzeug zählen. Da üblicherweise ein Radio in dem ermittelten Wiederbeschaffungswert enthalten ist, der Sachverständige K. dies hier jedoch ausgeklammert hat, indem er von einem Umbau des Radios ausgegangen ist, kann der Kläger im vorliegenden Fall auch die entsprechenden Kosten in Ansatz bringen.
24c) Des Weiteren hat der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der unstreitigen Kosten des Sachverständigengutachtens K. in Höhe von 642,64 DM sowie einer Unkostenpauschale von 40,00 DM.
25d) Danach ergibt sich ein Gesamtanspruch von 8.182,64 DM = 4.183,72 €. Hiervon hat das Landgericht dem Kläger 1.329,31 € zugesprochen, so dass die Beklagten zu verurteilen sind, an den Kläger als Gesamtschuldner weitere 2.854,41 € zu zahlen. Diese sind mit dem damaligen gesetzlichen Zinssatz von 4 % seit dem 21.02.2000, der unstreitige Erfüllungsverweigerung durch die Beklagten, zu verzinsen (§§ 286, 284, 291 BGB a. F.).
26III.
27Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500 € aus §§ 823, 847 BGB (a. F.), § 3 Nr. 1 PflVG zu.
281. Der Kläger ist bei dem Aufprall des Porsche auf sein Fahrzeug erheblich verletzt worden. Er hat unstreitig ein HWS-BWS- Syndrom sowie eine Syndesmophytenfraktur C2/C3 erlitten.
29Bestimmende Faktoren für die Bemessung eines angemessenen aber auch ausreichenden Schmerzensgeldes sind vor allem das Ausmaß und die Schwere der unfallbedingten physischen und psychischen Störungen, dabei das Ausmaß und die Dauer der Schmerzen, die Dauer der Behandlung und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie das Alter und die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten sowie der Verschuldungsgrad des Schädigers.
30Der Kläger befand sich vom 19.10.1999 bis zum 27.10.1999 und damit nur kurzzeitig unfallbedingt in stationärer Behandlung. Die Behauptung der Beklagten, der Krankenhausaufenthalt sei auch durch eine Vorerkrankung des Klägers bedingt, (Morbus Bechterew), wird durch den Arztbericht der Unfallklinik vom 28.10.1999 widerlegt. Dieser enthält keinen Hinweis darauf, dass die beim Kläger bestehende Vorerkrankung in der Zeit seines stationären Aufenthalts behandlungsbedürftig gewesen ist. Des Weiteren ergibt sich, dass die Fissur bedingte Blutung, an der der Kläger einmalig während seines Krankenhausaufenthalts litt, keine Verlängerung oder Intensivierung des Krankenhausaufenthalts verursacht hat. Der Kläger war bis zum 25.12.1999 arbeitsunfähig erkrankt. Er beklagt unspezifisch eine fortwirkende Bewegungseinschränkung der Halswirbel. Eine andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit oder andere Beeinträchtigung liegen nicht vor. Bei dieser Sachlage hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.600 € für angemessen.
312. Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 286, 284, 291 BGB a. F..
32IV.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
34Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
35Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug beträgt 5.454,41 €.
36Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.
37Die Beschwer der Beklagten liegt unter 20.000 €.