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Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde gegen den Auskunftsbeschluss des Bundeskartellamtes vom 15. Januar 2002 (B 11 - 41/01) anzuordnen, wird zurückgewiesen, soweit sich die Beschwerde gegen den Ausspruch in Ziffer 11 Absatz 1 (Vorlage der Netznutzungsentgelt-Kalkulation und Erläuterung der Kalkulationsgrundlagen und -methoden, so dass die einzelnen Kosten den jeweiligen Kostenstellen und Kostenträgern im Netzbetrieb zugeordnet werden können, gegebenenfalls unter Angabe der Verteilungsschlüssel und Herleitung der Entgelte aus den Kostenblöcken ) wendet.
Im übrigen, d.h. hinsichtlich des Ausspruchs zu Ziffer 11 Absatz 2 des Auskunftsbeschlusses, soll eine Entscheidung erst ergehen, nachdem die Parteien zur Erforderlichkeit und sachlichen Rechtfertigung der dort verlangten Angaben Stellung genommen haben.
G r ü n d e
2I.
3Die Beschwerdeführerin unterhält in ihrem Versorgungsgebiet ein Stromleitungsnetz, das sie anderen Energieversorgungsunternehmen gegen Entgelt zur Verfügung stellt.
4Das Bundeskartellamt überprüft zur Zeit die Netznutzungsentgelte auf dem Elektrizitätssektor. In diesem Zuge hat es mit Schreiben vom 26. September 2001 (Anlage 1) auch die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts missbräuchlich überhöhter Nutzungsentgelte zur Erteilung von Auskünften aufgefordert. Den Anfangsverdacht hat das Bundeskartellamt aus der Tatsache hergeleitet, dass die "E. R. AG" und die "R. N. AG" die Stromdurchleitung zu erheblich niedrigeren Entgelten als die Beschwerdeführerin anbieten. Die durchschnittliche Preisdifferenz belief sich nach den unangegriffenen Feststellungen des Bundeskartellamtes für leistungsgemessene Kunden per 29. Juni 2001 im Niederspannbereich auf 55 bis 57 % und im Mittelspannbereich auf 48 % bis 55 % sowie für nichtleistungsbemessene Kunden je nach Abnahmemenge zwischen 17 % und 27 %. Unter Hinweis auf diese erheblichen Preisunterschiede hat das Bundeskartellamt die Beschwerdeführerin zu - näher bezeichneten - Auskünften aufgefordert, um auf der Grundlage des (räumlichen und zeitlichen) Vergleichsmarktkonzepts die Angemessenheit der Durchleitungsentgelte der Beschwerdeführerin überprüfen zu können. Die Beschwerdeführerin hat die diesbezüglich erbetenen Auskünfte erteilt. Darüber hinaus hat das Bundeskartellamt die Absicht bekundet, die Netznutzungsentgelte auch einer Kostenkontrolle zu unterziehen; es hat die Beschwerdeführerin insoweit aufgefordert, ihre Preiskalkulation offenzulegen. Dem hat die Beschwerdeführerin unter dem 20. November 2001 (Anlage 3) widersprochen. Sie hat geltend gemacht, zum 1. Juli 2001 die Durchleitungsentgelte gesenkt zu haben, so dass sich die vom Bundeskartellamt angenommene Preisdifferenz um mehr als die Hälfte reduziere. Sie hat außerdem die Ansicht vertreten, dass die Methode der Kostenkontrolle gegenüber dem Vergleichsmarktkonzept subsidiär sei und allenfalls dann in Betracht komme, wenn jenes nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führe.
5Mit Rücksicht auf die Weigerungshaltung der Beschwerdeführerin hat das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 15. Januar 2002 (Anlage 5) ergänzende Auskünfte angefordert. Es hat - soweit vorliegend von Interesse - der Beschwerdeführerin in Ziffer 11 Absatz 1 aufgegeben, ihre Kalkulation der Netznutzungsentgelte vorzulegen und die Kalkulationsgrundlagen und -methoden zu erläutern, und zwar dergestalt, dass die einzelnen Kosten den jeweiligen Kostenstellen und Kostenträgern im Netzbetrieb zugeordnet werden können. Es hat die Beschwerdeführerin in Ziffer 11 Absatz 2 darüber hinaus aufgefordert, bei einer Abweichung der Entgeltkalkulation von den Grundsätzen des § 12 Bundestarifordnung Elektrizität die bestehenden Unterschiede zu benennen und zu erläutern sowie die Auswirkungen dieser Abweichungen auf die Höhe des Netznutzungsentgelts zu quantifizieren, und ferner für den Fall, dass der Kalkulation der Tarifstrompreise nicht die Grundsätze der "Arbeitsanleitung zur Darstellung der Kosten- und Erlösentwicklung in der Stromversorgung vom 10./11. Juni 1997" zugrunde liegen, auch diese Unterschiede zu benennen und ihre Auswirkungen auf die Netznutzungsentgelte zu quantifizieren. Zur Rechtfertigung des Auskunftsbegehrens hat das Bundeskartellamt ausgeführt, die Angemessenheit der Durchleitungsentgelte könne nicht nur nach Vergleichsmarktgesichtspunkten, sondern gleichrangig auch nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten auf der Grundlage einer Kostenbetrachtung beurteilt werden. Zwar biete sich bei stark voneinander abweichenden Entgelten zunächst ein Vergleich der Netznutzungsentgelte mit inländischen Vergleichsunternehmen an. Die Vergleichsbetrachtung müsse jedoch um die Kostenbetrachtung erweitert werden, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Entgeltniveau im Inland generell überhöht sei.
6Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde. Zur Begründung trägt sie vor: Wie sich § 19 Abs. 4 Nr. 2 und 3 GWB entnehmen lasse, sei das Vergleichsmarktkonzept die vorrangige Methode zur Feststellung eines Preismissbrauchs. Auf das Instrument der Kostenkontrolle dürfe erst dann zurückgegriffen werden, wenn das Vergleichsmarktkonzept zu keinem eindeutigen Ergebnis führe. Diese Voraussetzung sei bislang nicht erfüllt. Überdies sei die vom Bundeskartellamt beabsichtigte umfassende Kostenkontrolle unzulässig. Die Offenlegung der Kostenkalkulation dürfe nur in demjenigen Umfang gefordert werden, wie dies erforderlich sei, um die nach Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts offen gebliebenen Fragen zu klären.
7Die Beschwerdeführerin beantragt,
8die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde anzuordnen.
9Zur Begründung verweist sie auf ihre Rechtsausführungen zur Rechtfertigung der Beschwerde. Außerdem - so meint sie - habe die sofortige Vollziehung des angefochtenen Auskunftsbeschlusses für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Belange gebotene Härte zur Folge. Denn bei der Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen müsse sie sensible Unternehmensdaten preisgeben.
10Das Bundeskartellamt beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Es verteidigt mit Rechtsausführungen den angefochtenen Beschluss. Insbesondere macht es geltend: Die Kostenkontrolle sei in Fällen der vorliegenden Art - in denen die Anbieter der zur Beurteilung stehenden Leistung über natürliche Monopole (hier: Stromleitungsnetze) verfügen, so dass ein echter Wettbewerbspreis nicht entstehen könne - eine unverzichtbare Methode zur Preiskontrolle.
13II.
14Der Antrag der Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde anzuordnen, ist entscheidungsreif, soweit sich der Rechtsbehelf gegen den Ausspruch in Ziffer 11 Absatz 1 des Auskunftsbeschlusses wendet. In diesem Umfang bleibt der Antrag allerdings erfolglos. Soweit die Beschwerde den Ausspruch in Ziffer 11 Absatz 2 des angefochtenen Beschlusses bekämpft, bedarf es vor einer Senatsentscheidung des ergänzenden Sachvortrags der Parteien.
15A. Der Antrag der Beschwerdeführerein hat, soweit er das Auskunftsverlangen gemäß Ziffer 11 Absatz 1 des angefochtenen Beschlusses betrifft, keinen Erfolg.
16Gemäß § 65 Abs. 3 GWB kann das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung einer sofort vollziehbaren Entscheidung der Kartellbehörde (u.a.) dann anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung bestehen (Nr. 2) oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (Nr. 3). Im Entscheidungsfall ist keine dieser Alternativen erfüllt.
171. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 11 Absatz 1 getroffenen Anordnung. Das diesbezügliche Auskunftsbegehren des Bundeskartellamtes findet seine Grundlage in § 59 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 i.V.m. §§ 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 2 und 4 GWB.
18a) Soweit dies zur Erfüllung der ihr im GWB übertragenen Aufgaben erforderlich ist, kann die Kartellbehörde von Unternehmen Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse und die Herausgabe der Unterlagen verlangen (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB). Die Befugnis ist nur durch das Ermittlungsziel und durch die Erforderlichkeit der - sowohl insgesamt als auch im Einzelnen - verlangten Auskünfte beschränkt. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzulegen. Während eines bei ihr anhängigen Kartellverwaltungsverfahrens entscheidet alleine die Kartellbehörde darüber, ob und welche Ermittlungen zur Wahrnehmung der ihr im Kartellgesetz übertragenen Aufgaben anzustellen sind. Das Auskunftsersuchen ist ein wesentliches Gestaltungselement dieser Ermittlungstätigkeit. In welchem Umfang von ihm Gebrauch gemacht wird, steht im Ermessen der Kartellbehörde. Der Ermessensspielraum ist dabei notwendigerweise weit gespannt. Denn die Kartellbehörde kann zu Beginn oder während der Ermittlungen in aller Regel nicht wissen, welchen Verlauf die Ermittlungen nehmen und welches Ergebnis sie haben werden. Das Gericht kann einen Auskunftsbeschluss nur daraufhin überprüfen, ob das - von der Kartellbehörde darzulegende - Ermittlungskonzept vertretbar ist und ob die Kartellbehörde die Erforderlichkeit der erbetenen Auskünfte mit vertretbaren Erwägungen bejaht hat (Senat, WuW DE-R 677, 678, 680 m.w.N.).
19b) An diesem Prüfungsmaßstab gemessen begegnet Ziffer 11 Absatz 1 des angefochtenen Auskunftsbeschlusses keinen rechtlichen Bedenken.
20aa) Das Bundeskartellamt hat gegen die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26. September 2001 ein Vorermittlungsverfahren wegen des Verdachts eingeleitet, ihre marktbeherrschende Stellung als Inhaberin des regionalen Stromleitungsnetzes dadurch zu missbrauchen, dass sie von anderen Stromanbietern überhöhte Durchleitungsentgelte fordert. Den Anfangsverdacht hat das Bundeskartellamt mit Recht aus dem Umstand hergeleitet, dass die Netznutzungsentgelte der Beschwerdeführerin erheblich über denjenigen Durchleitungsentgelten liegen, die beispielsweise die Unternehmen "E. R. AG" und "R. N. AG" für vergleichbare Stromdurchleitungen erheben. Die durchschnittliche Preisdifferenz belief sich für leistungsgemessene Kunden zum 29. Juni 2001 im Niederspannbereich auf 55 bis 57 % sowie im Mittelspannbereich auf 48 % bis 55 % und sie beträgt - wenn man den Angaben der Beschwerdeführerin zu einer zwischenzeitlich durchgeführten Preissenkung folgt - seit dem 1. Juli 2001 immer noch zwischen 20 % und 25 %. Für nichtleistungsbemessene Kunden hat das Bundeskartellamt unangegriffen einen Preisunterschied festgestellt, der je nach Abnahmemenge zwischen 17 % und 27 % liegt. Diese Preisdifferenzen hat das Bundeskartellamt zutreffend als gewichtiges Indiz für die Berechnung überhöhter Netznutzungsentgelte durch die Beschwerdeführerin gewertet und sie zum Anlass für die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens nach § 54 Abs. 1 GWB genommen.
21Dagegen erhebt die Beschwerde keine tauglichen Einwände. Ihr Hinweis, das Bundeskartellamt habe mit dem Auskunftsbeschluss das förmliche Verfahren erst eingeleitet, nachdem die Bitte um Offenlegung der Kalkulation zurückgewiesen worden sei, und sie (die Beschwerdeführerin) bezweifele, dass die Weigerung zur Auskunftserteilung ein hinreichender Grund für die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens darstelle, ist nicht stichhaltig. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass der Anfangsverdacht nicht aus ihrer Weigerungshaltung hergeleitet wird, sondern dass er auf den festgestellten erheblichen Preisunterschieden beruht, die zwischen ihren eigenen Durchleitungsentgelten und den Preisen der Anbieter "E. R. AG" und "R. N. AG" bestehen. Da - wie das Bundeskartellamt unwidersprochen geltend macht - die von der Beschwerdeführerin bislang erteilten Auskünfte den Verdacht des Preismissbrauchs nicht ausgeräumt haben, besteht nach wie vor ein hinreichender Anfangsverdacht. Er rechtfertigt zwanglos die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens gegen die Beschwerdeführerin und berechtigt das Bundeskartellamt, von der Beschwerdeführerin die zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts notwendigen Auskünfte anzufordern.
22bb) Ohne Erfolg wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, dem Bundeskartellamt in diesem Rahmen auch die Kalkulation ihrer Netznutzungsentgelte unter Angabe der Kalkulationsgrundlagen und -methoden und unter Aufschlüsselung der jeweiligen Kostenstellen und Kostenträger im Netzbetrieb sowie gegebenenfalls unter Angabe und Quantifizierung der Verteilungsschlüssel sowie Herleitung der Nutzungsentgelte aus den Kostenblöcken offenlegen zu müssen.
23Im Streitfall besteht der Anfangsverdacht eines Preismissbrauchs im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 2 und 4 GWB. Nach § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB liegt ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung (u.a.) dann vor, wenn das marktbeherrschende Unternehmen Entgelte fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei für die Beurteilung insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen sind. Gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB handelt ein marktbeherrschendes Unternehmen (u.a.) missbräuchlich, wenn es sich weigert, einem anderen Unternehmen gegen angemessenes Entgelt Zugang zu den eigenen Netzen zu gewähren, sofern es jenem Unternehmen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ohne die Mitbenutzung nicht möglich ist, auf dem vor- oder nachgelagerten Markt als Wettbewerber des Marktbeherrschers tätig zu werden. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn dieser Vorschriften ist zu entnehmen, dass der Preismissbrauch ausschließlich oder in erster Linie anhand des Vergleichsmarktkonzepts festgestellt werden muss und dass eine Kostenkontrolle allenfalls nachrangig dann in Betracht kommen kann, wenn das Vergleichsmarktkonzept nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Zwar stellt - wie der Gesetzgeber in § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB ("hierbei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wetbewerb zu berücksichtigen") betont hat - die Vergleichsmarktbetrachtung einen besonders wichtigen Maßstab für die Ermittlung des wettbewerbsanalogen Preises dar. Es handelt sich aber nicht um die einzige und auch nicht um die primär statthafte Richtschnur. Vielmehr ist es stets eine Frage des jeweiligen Einzelfalles, inwieweit eine Überprüfung der Preiskalkulation und das dahinter stehende Konzept der Gewinnbegrenzung Aufschluss darüber geben können, ob eine marktbeherrschende Stellung durch eine bestimmte Preisgestaltung missbraucht wird oder nicht (KG, WuW/E OLG 2892, 2895 - Euglucon; Möschel in Immenga/Mestmäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl., § 19 Rdz. 204 m.w.N.; derselbe in WuW 1999, 832, 840/841; Schultz in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 Rdz. 95; Baur/Weyer in Frankfurter Kommentar, § 19 n.F. Rdz. 18; Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 23 Rdz. 65; wohl auch: BGH, WuW/E BGH 1678, 1684 - Valium II). Liegen vertretbare Gründe vor, darf die Kartellbehörde deshalb (neben oder in Einzelfällen sogar an Stelle des Vergleichsmarktkonzepts) eine Kostenkontrolle vornehmen, um den Sachverhalt aufzuklären und den bestehenden Verdacht eines Preismissbrauchs erhärten oder entkräften zu können.
24Solche vertretbaren Gründe stehen dem Bundeskartellamt im Entscheidungsfall zur Seite.
25(1) Der Markt der Zurverfügungstellung von Stromleitungsnetzen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die regionalen Leitungsnetze in der Hand eines Stromanbieters - nämlich regelmäßig desjenigen Anbieters, der vor der Liberalisierung des Strommarktes in der betreffenden Region der alleinige Stromlieferant war - befinden. Die natürliche Monopolstellung der Stromnetzbetreiber hat zur Folge, dass auf dem Angebotsmarkt der Stromdurchleitung - nach wie vor - ein Wettbewerb nicht stattfindet und dass sich demzufolge bei den Durchleitungsentgelten bislang auch kein Wettbewerbspreis bilden konnte. Die Vergleichsmarktbetrachtung, die - was nach Lage der Dinge alleine in Betracht kommt - den wettbewerbsanalogen Preis für die Stromdurchleitung anhand der Preise anderer Stromnetzbetreiber bestimmt, ist vor diesem Hintergrund von einem nur eingeschränkten Erkenntniswert. Denn sie ist mit dem ernsthaften Risiko behaftet, dass für die Feststellung eines Preismissbrauchs Netznutzungsentgelte herangezogen werden, die ihrerseits kartellrechtswidrig überhöht sein können. Bei dieser Sachlage ist es ohne weiteres nachvollziehbar und vertretbar, wenn das Bundeskartellamt den Verdacht des Preismissbrauchs nicht alleine an Hand des Vergleichsmarktkonzepts abklären, sondern zur Absicherung ergänzend auch eine Kostenkontrolle vornehmen will (ebenso: Möschel, a.a.O.). Gerade die Überprüfung der konkreten Preiskalkulation kann in Zweifelsfällen Aufschluss darüber geben, ob das zu überprüfende Durchleitungsentgelt missbräuchlich überhöht ist oder nicht. So betrachtet liegt die Absicht des Bundeskartellamtes, die nach dem Vergleichsmarktkonzept zu gewinnenden Erkenntnisse im Wege der Kostenkontrolle zu überprüfen, auch im wohlverstandenen Interesse der Beschwerdeführerin. Die Kostenkontrolle kann die Beschwerdeführerin nämlich davor bewahren, alleine auf der Grundlage der nur bedingt aussagekräftigen Vergleichsmarktbetrachtung - und damit im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht - mit einer Missbrauchsverfügung der Kartellbehörde überzogen zu werden.
26Das Bundeskartellamt ist dabei nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - gehalten, zunächst die Erkenntnismöglichkeiten des Vergleichsmarktkonzepts auszuschöpfen, um erst dann auf die Kostenkontrolle zurückgreifen zu dürfen, wenn die Vergleichsmarktbetrachtung zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hat. Dem Bundeskartellamt ist nach dem Kartellgesetz die Aufgabe zugewiesen, wirksam, effektiv und möglichst zeitnah Maßnahmen zum Schutz der Wettbewerbsfreiheit zu treffen. Dieser Aufgabenstellung widerspricht es, die Befugnisse der Kartellbehörde zur Sachverhaltsaufklärung unnötig einzuschränken und sie ungeachtet der vertretbaren Gründe, die im konkreten Fall eine Kostenkontrolle rechtfertigen, zunächst auf das Vergleichsmarktkonzept festzulegen. Auch das Gesetz gibt für die von der Beschwerdeführerin befürwortete (grundsätzliche) Nachrangigkeit der Kostenkontrolle keinen Anhalt.
27(2) Für die Vertretbarkeit einer Kostenkontrolle spricht überdies die nicht von der Hand zu weisende Gefahr einer Quersubventionierung. Die Beschwerdeführerin ist - wie praktisch alle Stromnetzbetreiber - nicht nur als Anbieterin von Stromdurchleitungen, sondern auch als Stromlieferantin tätig. Auf dem letztgenannten Markt steht sie seit der Öffnung des Strommarktes dabei in Konkurrenz zu anderen Anbietern. Daraus resultiert für die Beschwerdeführerin die Möglichkeit, mit Hilfe überhöhter Durchleitungsentgelte ihre Stromlieferungssparte zu fördern und dadurch auf diesem Sektor ihre Wettbewerbsfähigkeit zu Lasten der Mitbewerber zu verbessern. Ob die Beschwerdeführerin eine solche (unzulässige) Quersubventionierung tatsächlich praktiziert, lässt sich zuverlässig nur durch eine Überprüfung ihrer Preiskalkulation feststellen. Diese Erwägung rechtfertigt es für das Bundeskartellamt zusätzlich, von der Beschwerdeführerin die Offenlegung ihrer Preiskalkulation zu fordern.
28cc) Gegen den Umfang der in Ziffer 11 Absatz 1 begehrten Auskünfte bestehen keine Bedenken. Auch die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass die zur Kostenkontrolle erbetenen Angaben das vertretbare Maß überschreiten.
292. Die Vollziehung der in Ziffer 11 Absatz 1 getroffenen Anordnung hat für die Beschwerdeführerin keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 65 Abs. 3 Nr. 3 GWB).
30Die Beschwerdeführerin sieht die unbillige Härte darin begründet, dass es sich bei den zu erteilenden Auskünften um äußerst wichtige Unternehmensinformationen handele, die nur dann herausverlangt werden dürften, wenn die Ermittlungen nicht auf anderem Weg zum Erfolg geführt werden könnten. Dieser Argumentation ist schon im Ansatz nicht zu folgen. Sie beruht nicht nur auf der - unzutreffenden - Annahme, dass die Kostenkontrolle gegenüber der Vergleichsmarktbetrachtung subsidiär ist. Sie verkennt überdies, dass alleine die Befolgung des angegriffenen Auskunftsverlangens gegenüber dem zur Verschwiegenheit verpflichteten Bundeskartellamt noch nicht zu einer unbilligen Härte im Sinne von § 65 Abs. 3 Nr. 3 GWB führt (vgl. nur: Karsten Schmidt in Immenga/Mestmäcker, § 65 Rdz. 14 a.E.).
31B. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Auskunftsverpflichtung gemäß Ziffer 11 Absatz 2 des Auskunftsbeschlusses wendet, ist ihr (Eil-)Antrag noch nicht zur Entscheidung reif.
321. Das Bundeskartellamt hat die Beschwerdeführerin in Ziffer 11 Absatz 2 aufgefordert, bei einer Abweichung ihrer Entgeltkalkulation von den Grundsätzen des § 12 Bundestarifordnung Elektrizität die bestehenden Unterschiede zu benennen und zu erläutern sowie die Auswirkungen dieser Abweichungen auf die Höhe des Netznutzungsentgelts zu quantifizieren, und ferner für den Fall, dass der Kalkulation der Tarifstrompreise nicht die Grundsätze der "Arbeitsanleitung zur Darstellung der Kosten- und Erlösentwicklung in der Stromversorgung vom 10./11. Juni 1997" zugrunde liegen, auch diese Unterschiede zu bezeichnen und ihre Auswirkungen auf die Netznutzungsentgelte zu quantifizieren.
332. Es begegnet durchgreifenden Bedenken, ob diese Angaben von der Verpflichtung der Beschwerdeführerin nach § 59 Abs 1 Nr. 1 GWB gedeckt sind, "Auskunft über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse" zu geben. Die in Ziffer 11 Ab-satz 2 geforderten Angaben gehen über die - bereits in Ziffer 11 Absatz 1 des Auskunftsbeschlusses angeordnete - Offenlegung und Erläuterung der zu überprüfenden (eigenen) Kostenkalkulation der Beschwerdeführerin hinaus. Sie bürden der Beschwerdeführerin darüber hinausgehend eine Bearbeitung und Auswertung des von ihr offenzulegenden Zahlenwerks auf. Augenfällig ist dies bei der Verpflichtung, die Auswirkungen auf die Höhe des Netznutzungsentgelts zu quantifizieren, die sich bei einer etwaigen Abweichung der eigenen Kostenkalkulation von den Grundsätzen des § 12 Bundestarifordnung Elektrizität und der "Arbeitsanleitung zur Darstellung der Kosten- und Erlösentwicklung in der Stromversorgung vom 10./11. Juni 1997" ergeben. Gleiches dürfte für die Anordnung gelten, die Unterschiede zwischen der eigenen Kostenkalkulation einerseits und den Kalkulationsgrundsätzen des § 12 Bundestarifordnung Elektrizität und der "Arbeitsanleitung zur Darstellung der Kosten- und Erlösentwicklung in der Stromversorgung vom 10./11. Juni 1997" andererseits herauszuarbeiten, zu benennen und zu erläutern. Derartige Bearbeitungs- und Auswertungsarbeiten, die zum Verständnis der offenzulegenden Kostenkalkulation nicht erforderlich sind, werden von der Auskunftsverpflichtung aus § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB nicht umfasst.
343. Die Parteien haben den Umfang der Auskunftsverpflichtung der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Anordnungen in Ziffer 11 Absatz 2 bislang nicht problematisiert. Die Sache ist in diesem Umfang deshalb noch nicht entscheidungsreif. Beide Parteien erhalten Gelegenheit, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den vorstehend unter Abschnitt II. B. 2. dargestellten Überlegungen des Senats Stellung zu nehmen und gegebenenfalls zur Erforderlichkeit und sachlichen Rechtfertigung der in Ziffer 11 Absatz 2 verlangten Auskünfte vorzutragen.
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