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GWB §§ 42, 65 Abs. 3 u. 5; VwVfG § 45
Wenn das Beschwerdegericht die aufschiebende Wirkung einer gegen eine Ministererlaubnis (§ 42 GWB) eingelegten Beschwerde anordnet und damit den Vollzug der erlaubten Fusion einstweilen untersagt, weil es wegen festgestellter Verfahrensfehler ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der die Erlaubnis erteilenden Verfügung des Bundeswirtschaftsministers hat, so gilt die einstweilige Anordnung auch gegenüber einer weiteren Verfügung fort, mit der der Bundeswirtschaftsminister ein ausdrücklich so bezeichnetes Verfahren zur Heilung der festgestellten Verfahrensfehler gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG (hier: Nachholung der Teilnahme des Bundeswirtschaftsministers an der – erneut durchgeführten – mündlichen Verhandlung gemäß § 56 Abs. 3 GWB sowie Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs) abschließt. Das gilt nicht nur dann, wenn die weitere Verfügung in der bloßen Bekräftigung der bisherigen Ministererlaubnis besteht, sondern auch dann, wenn sie die Erlaubnis der angemeldeten Fusion im Grundsatz aufrecht erhält, aber die bisherige Erlaubnisverfügung in den Nebenbestimmungen (hier: Auflagen) teilweise abändert. Die erlassene einstweilige Anordnung kann bei dieser Verfahrenslage nur nach einem Aufhebungsverfahren gemäß § 65 Abs. 5 Satz 1 GWB außer Kraft gesetzt werden.
Es bleibt offen, ob § 45 VwVfG im Ministererlaubnisverfahren nach erlassener Er-laubnisverfügung zur Heilung von Verfahrensfehlern überhaupt anwendbar ist.
OLG Düsseldorf (Kartellsenat), Beschluss v. 18. 9. 2002 – Kart 25/02 (V)
1.
Der Senatsbeschluß vom 4. September 2002 wird folgendermaßen ergänzt:
Die zugunsten der Antragstellerin zu 6. erlassenen einstweiligen Anordnungen gelten auch für die weiteren bis zur Beschwerdeentscheidung ergehenden Verfügungen des Antragsgegners, die die angemeldeten Zusammenschlüsse „E./G.“ und „E./B.“ gemäß § 42 GWB – gegebenenfalls auch unter Auflagen und/oder Bedingungen – erlauben.
2.
Der Senat behält sich vor, diesen Beschluß abzuändern oder aufzuheben, wenn die anderen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Anträgen der Antragstellerin zu 6. vom 18. September 2002 gehabt haben werden, wofür eine Frist bis zum 7. Oktober 2002 gesetzt wird.
G r ü n d e
2Die vorliegende Ergänzung des Beschlusses vom 4. September 2002 hat dieselbe Rechtsgrundlage wie der ergänzte Beschluß selbst (§§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3, 64 Abs. 3, 60 Nr. 3 GWB). Nach dem jetzigen Erkenntnisstand des Senats hat die ergänzende Anordnung dieses Beschlusses gegenüber dem Beschluß vom 4. September 2002 nur klarstellenden Charakter.
3Der Antragsgegner hat seine (Ein-)Ladung der Verfahrensbeteiligten zur öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 5. September 2002 dem Senat nachrichtlich zur Kenntnis gebracht. Aus dieser Terminsnachricht (vom 15. August 2002, GA 1563 ff.) geht hervor, daß der Antragsgegner zur Behandlung der vom Senat (in seinem Beschluß vom 25. Juli 2002, auf den der oben genannte Beschluß vom 4. September 2002 Bezug nimmt) festgestellten Verfahrensfehler den § 45 Abs. 2 VwVfG (wohl in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG) für anwendbar hält. Denn in der Terminsnachricht heißt es, der Antragsgegner beabsichtige, unter Wahrung seiner Rechtsauffassung eine erneute öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, um den Bedenken des Gerichts Rechnung zu tragen und "eine Heilung der festgestellten Verfahrensfehler nach § 45 Abs. 2 VwVfG vorzunehmen". Weiter nennt die allen Verfahrensbeteiligten zugesandte Terminsnachricht als "Gegenstand der öffentlichen mündlichen Verhandlung" (vom 5. September 2002) ausdrücklich die Verfügung des Antragsgegners vom 5. Juli 2002. Das bedeutet ferner, daß der Antragsgegner nicht ein neues Ministererlaubnisverfahren eingeleitet hat und derzeit durchführt (wobei der Senat hier nicht dazu Stellung nimmt, ob dies dem Antragsgegner rechtlich möglich gewesen wäre), sondern daß er im Rahmen des bisherigen Ministererlaubnisverfahrens ein Verfahren der Heilung der festgestellten Verfahrensfehler gemäß § 45 VwVfG betreibt.
4Ob § 45 VwVfG im Ministererlaubnisverfahren gemäß § 42 GWB nach erlassener (bekanntgemachter und hier auch zugestellter) Ministererlaubnis zur Heilung von Verfahrensfehlern – d. h. der gerade hier festgestellten Verfahrensfehler – anwendbar ist, kann der Senat im vorliegenden Beschluß offen lassen und läßt er auch offen; denn es kommt hier nur auf die Art des Verfahrens an, das der Antragsgegner nach eigener Qualifizierung beschritten hat und derzeit durchführt. Sofern also § 45 VwVfG hier anwendbar ist, würde eine dem Gesetz in jeder Hinsicht entsprechende Heilung aller Verfahrensfehler bedeuten, daß die der Verfügung vom 5. Juli 2002 anhaftenden Fehler infolge der Nachholung vorher unterbliebener Verfahrenshandlungen unbeachtlich werden (vgl. Obermayer/Schäfer, VwVfG, 3. Aufl., § 45 Rdnr. 76; im Ergebnis ebenso: Knack/Klappstein, VwVfG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 2.5; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 45 Rdnr. 12) und nachträglich die [verfahrensrechtliche] Rechtmäßigkeit der bisherigen Verfügung herbeigeführt wird (vgl. Obermayer/Schäfer, a.a.O., Rdnr. 3; im Ergebnis ebenso: Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rdnr. 12 u. 39). Freilich muß die Verwaltungsbehörde, hier der Antragsgegner, den Verfahrensbeteiligten zum Abschluß des Heilungsverfahrens bekannt geben, ob sie den vorher verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakt – ohne oder mit Änderungen – aufrechterhält (vgl. Obermayer/Schäfer, a.a.O., Rdnr. 75; Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rdnr. 40). Aber auch ein – als Ergebnis des Heilungsverfahrens – im Grundsatz aufrechterhaltener, in Nebenbestimmungen allerdings abgeänderter Verwaltungsakt (wie er im vorliegenden Fall nach den Pressemeldungen im Bereich des Möglichen liegt) ist ein Teil des bisherigen Verwaltungsverfahrens. Eine solche weitere, teilweise abändernde Verfügung übernimmt kraft der von der Behörde (hier: Antragsgegner) erstrebten Heilungswirkung (§ 45 VwVfG) die Funktion des zuvor verfahrensfehlerhaft erlassenen Verwaltungsakts (hier: der Verfügung vom 5. Juli 2002).
5Die vorstehenden Ausführungen zeigen für den Fall eines während des Gerichtsverfahrens durchgeführten Heilungsverfahrens, daß nicht nur eine zum Abschluß des Heilungsverfahrens von der Behörde ausgesprochene bloße Bekräftigung des bisherigen Verwaltungsakts (vgl. dazu BVerwGE 91, 262, 275), sondern auch eine den bisherigen Verwaltungsakt kraft der angestrebten Heilungswirkung teilweise abändernde Verfügung sich – gemäß ihrer Funktion (s. oben) - in das laufende Verfahren einfügt. Dann aber kann eine weitere Verfügung des Antragsgegners, wenn sie im Grundsatz die Erlaubnis der angemeldeten Zusammenschlüsse aufrechterhält, aber die alte Verfügung vom 5. Juli 2002 in den Nebenbestimmungen teilweise abändert (was im Bereich des Möglichen liegt), nicht ohne weiteres – d. h. nicht ohne Aufhebungsverfahren gemäß § 65 Abs. 5 Satz 1 GWB – die erlassenen einstweiligen Anordnungen des Senats praktisch außer Kraft setzen. Vielmehr gelten diese einstweiligen Anordnungen auch gegenüber der (im Bereich des Möglichen liegenden) weiteren Verfügung des Antragsgegners weiter fort.
6Trotz der so vom Senat nach seinem jetzigen Erkenntnisstand beurteilten Rechtslage hält er die mit diesem Beschluß vorgenommene Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 4. September 2002 für geboten, um eine (eventuelle) Rechtsunsicherheit unter den Verfahrensbeteiligten zu vermeiden. Die jetzt beschlossene Ergänzung ist auch, wenn sie eine (eventuelle) Rechtsunsicherheit effektiv verhindern soll, äußerst dringlich, weil die weitere Verfügung des Antragsgegners – wie verlautbart worden ist – schon morgen (19. September 2002) bekanntgemacht werden soll. Daher war eine vorherige Anhörung der anderen Verfahrensbeteiligten unmöglich. Vorsorglich nimmt der Senat aber in Ziffer 2. des Beschlußtenors einen Abänderungsvorbehalt auf, um dem Gebot der Gewährung des (hier nur nachträglich möglichen) rechtlichen Gehörs angemessen Rechnung zu tragen.
7Daß die Ergänzung in diesem Beschluß nur für die zugunsten der Antragstellerin zu 6. erlassenen einstweiligen Anordnungen ausgesprochen worden ist, hängt ausschließlich damit zusammen, daß nur die Antragstellerin zu 6. einen entsprechenden Antrag gestellt hat.
8Es versteht sich von selbst, daß dieser Beschluß – bezogen auf die bisherigen einstweiligen Anordnungen des Senats vom 25. Juli und 4. September 2002 – keine weitere Stellungnahme gemäß § 65 Abs. 5 Satz 1 GWB enthält.