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I.
Der auf die Anträge der Antragstellerinnen zu 1. und 2. erlassene Senatsbe-schluß vom 11. Juli 2002 wird zu Ziffer I. der Beschlußformel bis zur Be-schwerdeentscheidung aufrecht erhalten.
II.
Auf die Anträge der Antragstellerinnen zu 3. und 4. ergehen folgende einstweilige Anordnungen:
1.
Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden, die die Antragstellerinnen zu 3. und 4. gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 5. Juli 2002 – Gesch.-Z.: I B 1 –220840/129 - (Erlaubnis zu den vom Bundeskartellamt mit Beschlüssen vom 17. Januar 2002 [E./G.] und vom 26. Februar 2002 [E./B.] untersagten Zusammenschlußvorhaben unter Auflagen) eingelegt haben, wird angeordnet.
2.
Die Anordnung zu II. 1. bedeutet zugleich, daß es den Beteiligten zu 1. bis 15. untersagt ist, die angemeldeten Zusammenschlüsse zu vollziehen und einen schon begonnenen Vollzug fortzusetzen oder am Vollzug einschließlich der Fortsetzung eines schon begonnenen Vollzugs dieser Zusammenschlüsse mitzuwirken. Ergänzend wird der Beteiligten zu 1. ferner untersagt, Anteile an den Beteiligten zu 3., zu 4. und zu 14. zu erwerben, die – allein oder zusammen mit Anteilen, die der Beteiligten zu 1. im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB gehören – 25 vom Hundert oder mehr des Kapitals oder der Stimmrechte der Beteiligten zu 3., zu 4. oder zu 14. erreichen oder die Beteiligte zu 1. in die Lage versetzen, unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erheblichen Einfluß (im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB) auf die Beteiligte zu 3., zu 4. oder zu 14. auszuüben.
3.
Für den Fall, daß die Beteiligten zu 1. bis 14. schon mit der Vollziehung der angemeldeten Zusammenschlüsse begonnen oder diese (auch teilweise) schon vollzogen haben, wird
a)
der Beteiligten zu 1. untersagt, Stimmrechte aus Anteilen an den Beteiligten zu 3. und zu 14. und damit mittelbar an der Beteiligten zu 4. auszuüben oder Einfluß auf die Geschäftsführung der Beteiligten zu 3., zu 14. und/oder zu 4. (einschließlich etwaiger Tochtergesellschaften) zu nehmen,
b)
der Beteiligten zu 1. untersagt, Aufsichtsrats-, Geschäftsführungs- und Vor-standsämter bei den Beteiligten zu 3., zu 14. und/oder zu 4. mit Organmitglie-dern oder Mitarbeitern der Beteiligten zu 1. oder ihrer Konzerngesellschaften zu besetzen,
c)
der Beteiligten zu 2. untersagt, sich einer Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten als Gesellschafter der Beteiligten zu 3. zu enthalten,
d)
den Beteiligten zu 5. bis 13. untersagt, sich einer Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten als Gesellschafter der Beteiligten zu 14. zu enthalten.
III.
Die in der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2002 gestellten Anträge des Antragsgegners und der Beteiligten zu 1. bis 4., die Anträge der Antrag-stellerinnen zu 1. bis 4. zurückzuweisen und die vom Senat am 11. Juli 2002 vorläufig erlassenen einstweiligen Anordnungen aufzuheben, werden zurückgewiesen.
G r ü n d e
2Gegen die mit Schreiben vom 15. 2. und vom 4. 3. 2002 beantragte Erlaubnis, die der Antragsgegner mit Verfügung vom 5. 7. 2002 zu den zuvor vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschlußvorhaben E./G. und E./B. erteilt hat, haben die Antragstellerinnen zu 1. bis 4. jeweils Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerinnen waren vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (fortan: BMWi) zum Verwaltungsverfahren beigeladen worden (Verfügungen vom 12. 3. und 2. 5. 2002). Der Senat hat auf die bei ihm unmittelbar gestellten Anträge der Antragstellerinnen zu 1. und 2. vom 5. 7. und 10. 7. 2002 durch Beschluß vom 11. 7. 2002 - im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes ohne Anhörung der übrigen Verfahrensbeteiligten - gemäß den §§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3, 64 Abs. 3, 60 Nr. 3 GWB die aufschiebende Wirkung der Beschwerden dieser beiden Antragstellerinnen angeordnet und ergänzende einstweilige Anordnungen erlassen, deren Inhalt den aus der vorstehenden Beschlußformel unter II. 2. und 3. ersichtlichen Anordnungen entspricht. Mit Schriftsätzen vom 12. 7. und 16. 7. 2002 haben auch die Antragstellerinnen zu 3. und 4. einstweilige Anordnungen – mit dem gleichen Ziel wie die Antragstellerinnen zu 1. und 2. – beantragt.
3Über die vorgenannten Anträge der vier Antragstellerinnen ist am 24. 7. 2002 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 4. haben jeweils die Zurückweisung der Anträge und die Aufhebung der einstweiligen Anordnungen des Senats vom 11. 7. 2002 beantragt. Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
4Die Anträge der vier Antragstellerinnen haben Erfolg. Die aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerden gegen die vom Staatssekretär Dr. T. erlassene und unterzeichnete Erlaubnisverfügung vom 5. 7. 2002 (fortan auch als "Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002" bezeichnet) ist anzuordnen. Daher bestätigt der Senat seine am 11. 7. 2002 zugunsten der Antragstellerinnen zu 1. und 2. beschlossenen vorläufigen Anordnungen und erläßt inhaltlich gleiche einstweilige Anordnungen zugunsten der Antragstellerinnen zu 3. und 4.
5I. Beschwerdeberechtigung
6Bedenken gegen die Beschwerdeberechtigung der Antragstellerinnen, die aus den §§ 63 Abs. 2 (i. V. m. Abs. 1 und 4 sowie §§ 48 Abs. 1 und 42), 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB folgt, sind in der mündlichen Verhandlung nicht hervorgetreten. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 11. 7. 2002 darauf hingewiesen, daß nach der Rechtsprechung des Kammergerichts (Beschluß vom 9. 5. 2001 – Kart 18/99 -, WuW/E DE-R 688, 689) und des Senats (Beschluß vom 19. 9. 2001 – Kart 22/01 (V) -, WuW/E DE-R 759 ff., 762 f.) für die Zulässigkeit einer Beschwerde, die ein Beigeladener gegen die vom Bundeskartellamt ausgesprochene Freigabe eines Zusammenschlusses erhebt, eine durch die Freigabe verursachte materielle Beschwer des Beigeladenen erforderlich ist. Die Anforderungen an die Feststellung einer solchen materiellen Beschwer müssen vom Zweck der Fusionskontrolle her bestimmt werden. Mit Blick auf das Ziel der Fusionskontrolle, die Märkte möglichst offen zu halten und Verschlechterungen der Wettbewerbsbedingungen auf den Märkten infolge übermäßiger Unternehmenskonzentrationen vorzubeugen, ist die Zulässigkeit der Beschwerde des Beigeladenen davon abhängig, daß er als Träger eigener Interessen in seinem unternehmerischen und wettbewerblichen Betätigungsfeld und Gestaltungsspielraum auf dem relevanten Markt durch die negative Veränderung der Wettbewerbsbedingungen, die durch die Freigabe eines Zusammenschlusses droht, betroffen ist. Der Senat hat im Beschluß vom 11. 7. 2002 ferner seine Ansicht zum Ausdruck gebracht, daß bei der Anfechtung einer Ministererlaubnis (§ 42 GWB) durch einen Beigeladenen für die Zulässigkeit seiner Beschwerde im Prinzip nichts anderes gelten kann, weil die Ministererlaubnis die – vom Bundeskartellamt versagte – Freigabe des Zusammenschlusses ersetzen soll. Dagegen sind in der mündlichen Verhandlung am 24. 7. 2002 Einwände von Substanz nicht vorgebracht worden. Im Gegenteil: Der Antragsgegner hat ausdrücklich erklärt, die durch seine Erlaubnisverfügung vom 5. 7. 2002 verursachte materielle Beschwer der Antragstellerinnen werde nicht in Frage gestellt. Damit hat der Antragsgegner in dem Zusammenhang, in dem er dies erklärt hat ("zwar materielle Beschwer, aber kein Obsiegen der Antragstellerinnen in der Interessenabwägung mit Blick auf die einstweilige Anordnung"), zugleich zu erkennen gegeben, daß er die Zulässigkeit der Beschwerden insgesamt nicht in Zweifel zieht. Daher kann der Senat hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerden der Antragstellerinnen zu 1. und 2. einschließlich ihrer materiellen Beschwer auf die vorläufigen Feststellungen im Senatsbeschluß vom 11. 7. 2002 Bezug nehmen. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerden der Antragstellerinnen zu 3. und 4. einschließlich ihrer materiellen Beschwer genügt im jetzigen Verfahrensstadium der Hinweis auf die Begründung, mit der das BMWi in seiner Verfügung vom 2. 5. 2002 die Beiladung dieser beiden Antragstellerinnen gerechtfertigt hat: Diese seien durch das Zusammenschlußvorhaben in ihren wirtschaftlichen Interessen als Wettbewerber der Beteiligten zu 1. und 4. (E. AG und R. AG) oder ihrer Konzern- und Beteiligungsunternehmen erheblich berührt und der geplante Zusammenschluß könnte ihre Verhaltensspielräume beim Absatz von Gas einschränken. Daß diese Befürchtungen nicht nur theoretischer Natur sind, sondern Realitätsbezug haben, hat die Antragstellerin zu 4. in ihrer Antragsschrift vom 16. 7. 2002 (S. 13 – 15) dargelegt (unbestritten). Die Antragstellerin zu 3. hat in ihrer Antragsschrift vom 12. 7. 2002 (S. 12, 13) die ihr konkret drohende Verschlechterung der Marktchancen im Wettbewerb auf der Gasbeschaffungsseite dargelegt (unbestritten). Demzufolge ist nicht ersichtlich, daß Zweifel an der Zulässigkeit der vier Beschwerden berechtigt sein könnten.
7II. Grundsätzliche Bedenken gegen den Erlaß einstweiliger Anordnungen
8Der Antragsgegner macht grundsätzliche Bedenken dagegen geltend, daß vor der Beschwerdeentscheidung überhaupt die aufschiebende Wirkung der Beschwerden von Beigeladenen gegen die Erlaubnisverfügung vom 5. 7. 2002 – nebst ergänzenden einstweiligen Anordnungen – durch das Beschwerdegericht hergestellt wird, mit dem Ergebnis, daß auf Antrag von Wettbewerbern den Zusammenschlußbeteiligten verboten wird, den Zusammenschluß zu vollziehen, obwohl dieser von ihm (dem Antragsgegner) erlaubt worden ist:
91. Wenn die einstweiligen Anordnungen aufrecht erhalten würden, könne das dazu führen, daß (schon aus zeitlichen Gründen) das gesamte Zusammenschlußvorhaben scheitere. Damit werde den Wettbewerbern eine Position zugestanden, die ihnen nach dem Rechtsschutzsystem des GWB und ihrer verfahrensmäßigen Stellung nicht zukomme. Die Antragstellerinnen seien zum Verfahren vom BMWi nach § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB beigeladen worden, weil ihre Interessen, nicht etwa ihre Rechte, durch die Entscheidung als erheblich berührt angesehen worden seien. Das Gesetz habe die Beteiligung von Wettbewerbern am Verfahren (hier: über den Antrag auf Erteilung der Ministererlaubnis) und ihre Beschwerdebefugnis bewußt nicht von der Verletzung subjektiver Rechte abhängig gemacht, sondern eine [erhebliche] Interessenberührung (für die Beiladung) oder Interessenbeeinträchtigung (für die materielle Beschwer) ausreichen lassen. Das unterscheide das Beschwerdeverfahren des GWB grundsätzlich vom Klageverfahren nach der VwGO, in dem die Anfechtung einer Verfügung nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht nur die Interessenbeeinträchtigung, sondern die Verletzung subjektiver Rechte des Klägers voraussetze; dementsprechend könne ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung beim Verwaltungsgericht regelmäßig nur Erfolg haben, wenn der Antragsteller eine Verletzung subjektiver Rechte darlegen könne. Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in mehrpoligen Rechtsverhältnissen sei anerkannt, daß nicht allein darauf abgestellt werden könne, wie derjenige, der eine Belastung abwehren möchte, im Verhältnis zur öffentlichen Gewalt ausreichenden (effektiven) Rechtsschutz erhalte. Vielmehr gehe es um die Ausbalancierung widerstreitender Grundrechtspositionen, die in ein angemessenes Verhältnis zueinander zu bringen seien. Diese Überlegungen müßten erst recht im Fall der Beschwerde eines Dritten gegen eine Ministererlaubnis gelten: Beim Empfänger der Erlaubnis sei eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition betroffen (Art. 12 und 14 GG); dies sei bei dem Dritten, der keinen (verfassungsrechtlichen) Schutz vor einer Verschlechterung seiner Wettbewerbssituation genieße, nicht der Fall. In einem Verfahren, das entweder durch eine Freigabeentscheidung des Bundeskartellamts oder durch eine Ministererlaubnis abgeschlossen werde, gebe es keinen Anlaß, dem lediglich seine eigenen Interessen verfolgenden Beschwerdeführer [Beigeladenen] eine so starke Position einzuräumen, daß er durch Anträge auf einstweilige Maßnahmen der Entscheidung der Behörde vorläufig, materiell aber möglicherweise endgültig, die Wirkung nehmen könne. Das gelte umso mehr, als die Erlaubnisentscheidung bei den unmittelbar betroffenen Unternehmen Rechtspositionen verwirkliche und damit der Aufschub der Erlaubnisentscheidung in Rechte dieser Unternehmen eingreife. In diesem Zusammenhang werde auch geltend gemacht, daß die gegen die Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 vorgebrachten Gründe keinesfalls so schwer wögen, daß die einstweiligen Anordnungen des Senats vom 11. 7. 2002 auch über die mündliche Verhandlung hinaus aufrecht erhalten bleiben könnten. Selbst wenn für den Senat weiterhin "Zweifel" an der Rechtmäßigkeit der Verfügung bestehen sollten, könnten diese nicht als "ernstlich" bewertet werden.
10Die Beteiligte zu 1. hat sich in der mündlichen Verhandlung den vorstehenden grundsätzlichen Bedenken des Antragsgegners angeschlossen. In Zweifelsfällen dürfe die aufschiebende Wirkung von Beschwerden gegen eine Ministererlaubnis nicht angeordnet werden.
112. Den grundsätzlichen Bedenken kann nicht beigepflichtet werden. Sie beruhen auf einer Verkennung der Rechtslage und sind auch in sich unschlüssig.
12a) Vorab sei darauf hingewiesen, daß es durchaus fragwürdig erscheint, die etwaige Rechtsposition der Zusammenschlußbeteiligten (insbesondere der Beteiligten zu 1.), in die im vorliegenden Verfahren über die Beschwerden gegen die Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 durch einstweilige Anordnungen eingegriffen wird, als eine sogar "grundrechtlich geschützte" zu qualifizieren. Als Vorgabe für das vorliegende Verfahren ist festzuhalten, daß die von den Zusammenschlußbeteiligten beabsichtigten Zusammenschlüsse nach den Entscheidungen des Bundeskartellsamts marktbeherrschende Stellungen verstärken und daher den Untersagungstatbestand des § 36 Abs. 1 GWB erfüllen, mit der Rechtsfolge, daß die Zusammenschlußbeteiligten gemäß den §§ 35 bis 41 GWB gerade kein Recht auf Freigabe ihres Vorhabens und auf Vollziehung der geplanten Zusammenschlüsse haben. An diese Feststellungen des Bundeskartellamts ist der Antragsgegner im Verfahren gemäß § 42 GWB gebunden (das ist jedenfalls dann, wenn die Feststellungen des Bundeskartellamts - wie hier [s. Rdnr. 83, 94 der angefochtenen Verfügung] - nicht "offensichtlich unplausibel, spekulativ oder widersprüchlich" sind, ganz herrschende Meinung, vgl. Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 42, Rdnr. 21 und 29 m.w.Nachw.; Ruppelt in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 42 GWB, Rdnr. 2 m.w.Nachw.). Die §§ 35 bis 41 GWB sind zweifellos regelnde, Schranken bildende Gesetze im Sinne der Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Bis zu diesem Punkt der Überlegungen kann also im vorliegenden Verfahren von einer "grundrechtlich geschützten" Rechtsposition der Zusammenschlußbeteiligten keine Rede sein. Die Schranke des § 36 Abs. 1 GWB, deren Existenz und Berechtigung das Bundeskartellamt verbindlich (für das vorliegende Verfahren) festgestellt hat, kann nur durch Gemeinwohlvorteile im Sinne des § 42 Abs. 1 GWB, die der Antragsgegner als Folgen der beabsichtigten Zusammenschlüsse erkennen und (mit einer nachvollziehbaren Prognoseentscheidung) feststellen muß, überwunden werden. Auf diesen durch eine politische Instanz (vgl. Ruppelt a.a.O., Rdnr. 1; Mestmäcker/Veelken a.a.O., Rdnr. 27) zu erkennenden und festzustellenden Gemeinwohlvorteilen beruht die Ministererlaubnis (vgl. auch Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 42, Rdnr. 2). Man wird schwerlich sagen können, daß diese Gemeinwohlvorteile etwas mit dem (gar grundrechtlichen) Schutz der Rechtsposition der Zusammenschlußbeteiligten zu tun haben. Vielmehr sind die Interessen der am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen im Zusammenhang mit den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses nur erheblich, wenn und soweit sie mit dem öffentlichen Interesse an der ausnahmsweisen Zulassung von Marktbeherrschung durch Zusammenschluß übereinstimmen (Mestmäcker/Veelken a.a.O., Rdnr. 26). Mit den vorstehenden Erwägungen soll nicht in Zweifel gezogen werden, daß die am Zusammenschlußvorhaben beteiligten Unternehmen – nach allgemeiner Rechtsansicht (vgl. Bechtold a.a.O., Rdnr. 5; Mestmäcker/Veelken a.a.O., Rdnr. 41; Ruppelt a.a.O., Rdnr. 1) – bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 42 GWB einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Ministererlaubnis haben. Das rechtfertigt es aber noch nicht, diesem Rechtsanspruch, dessen Grundlage wesentlich in Gemeinwohlvorteilen und öffentlichen Interessen zu sehen ist, die überhöhende Qualifizierung eines grundrechtlichen Schutzes der Zusammenschlußbeteiligten beizumessen. Daß ein Rechtsanspruch gemäß § 42 GWB anerkannt wird, bedeutet für sich nur, daß die Ministererlaubnis kein Akt politischen Ermessens, sondern – bei einem weiten Beurteilungsspielraum in der Feststellung der Gemeinwohlvorteile – ein rechtlich gebundener Verwaltungsakt ist (vgl. Mestmäcker/Veelken a.a.O., Rdnr. 41).
13Ebenso fragwürdig an der Argumentation des Antragsgegners (und der Beteiligten zu 1.), mit der der absolute Vorrang der etwaigen Rechtsposition der Zusammenschlußbeteiligten gegenüber der Position der (beschwerdeberechtigten) Beigeladenen für das Verfahrensstadium bis zur Beschwerdeentscheidung gerechtfertigt werden soll, ist es, daß die schutzwürdigen Interessen dieser beigeladenen Unternehmen (im Vergleich mit den Zusammenschlußbeteiligten) herabqualifiziert werden [vgl. insb. S. 5 und 7 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 22. 7. 2002: es gehe "nur um Interessen" der Beschwerdeführer, die "keinen (verfassungsrechtlichen) Schutz vor einer Verschlechterung ihrer Wettbewerbssituation genießen"]. Es kann (zumindest nach dem jetzigen Sach- und Streitstand) nicht in Zweifel gezogen werden und ist vom Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich anerkannt worden, daß die wettbewerblichen und unternehmerischen Interessen der Antragstellerinnen durch die Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 in kartellrechtsspezifischer Weise beeinträchtigt werden. Weshalb nun diese Beeinträchtigung keine Bedeutung für das durch Art. 14 GG (ebenso wie bei den Zusammenschlußbeteiligten prinzipiell) geschützte Recht an ihrem Unternehmen und für die durch Art. 12 GG (ebenso wie bei den Zusammenschlußbeteiligten prinzipiell) geschützte Freiheit ihrer unternehmerischen Betätigung haben soll, begründet der Antragsgegner nicht näher. Die Erteilung der Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB, die die zum Schutze des Wettbewerbs nach der grundsätzlichen gesetzgeberischen Wertung in § 36 Abs. 1 GWB errichtete Sperre überwindet, ist ganz wesentlich ein Akt politisch, zumeist wirtschaftspolitisch planender und lenkender Staatstätigkeit (vgl. auch Ruppelt a.a.O., Rdnr. 1; Mestmäcker/Veelken a.a.O., Rdnr. 27 m.w.Nachw.). Wie insbesondere Grimm (NVwZ 1985, 865, 867) treffend herausgearbeitet hat, wird die planende und lenkende Staatstätigkeit in ihrer Bedeutung für die durch das Grundgesetz prinzipiell geschützten individuellen Freiheiten oft unterschätzt, weil Planungs- und Lenkungsakte selten in subjektive Rechtspositionen eingreifen. Indessen – so fährt Grimm (a.a.O.) fort – stecken sie den Möglichkeitsrahmen ab, in dem individuelle Freiheit sich überhaupt entfalten kann, und wirken dadurch weit nachhaltiger als die meisten punktuellen Eingriffe. Diese Erwägung läßt sich ohne weiteres auf die Art und Qualität der durch die Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 verursachten Beeinträchtigung der Antragstellerinnen übertragen, weil die Ministererlaubnis geeignet ist, die wettbewerblichen und unternehmerischen Möglichkeiten der Antragstellerinnen erheblich in negativer Weise zu beeinflussen. Läßt sich ein Eingriff des staatlichen Planungs- und Lenkungsakts in subjektive Rechtspositionen (im engeren Sinne) nicht feststellen und läßt sich überdies das Gefahrenpotential solcher Staatsakte (für die individuelle Freiheit davon Betroffener) durch Ergebnisnormierung und –kontrolle nicht mehr hinreichend begrenzen, dann muß – so die sich anschließende überzeugende Mahnung von Grimm (a.a.O.) – der Grundrechtsschutz bei der Ergebnisherstellung ansetzen: Grundrechte als Verfahrensgarantien seien die Antwort auf die Freiheitsrelevanz des Verfahrens selbst (Grimm a.a.O., m.w.Nachw.). Das bedeutet für das vorliegende Verfahren, daß der vom Antragsgegner eingeforderte Nachrang der (Verfahrens-) Positionen der Antragstellerinnen hinter den Rechtspositionen der Zusammenschlußbeteiligten nicht besteht (jedenfalls aber so fragwürdig ist, daß von einer überzeugenden Darlegung des Antragsgegners nicht die Rede sein kann).
14b) Selbst wenn man aber das vom Antragsgegner formulierte Gegensatzpaar – hier: grundrechtlich geschütztes Recht der Zusammenschlußbeteiligten auf Durchführung des beabsichtigten Zusammenschlusses nach Erteilung der Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB, dort: bei Beeinträchtigungen in Betracht kommender einfachgesetzlicher Schutz der unternehmerischen Interessen (unterhalb der Schwelle subjektiver Rechte i.e.S.) der Wettbewerber - der weiteren Beurteilung zugrunde legt, führt dies nach der Gesetzeslage nicht zu dem Ergebnis, daß der Erlaß einstweiliger Anordnungen auf Antrag eines (beschwerdebefugten) Beigeladenen gegen eine Ministererlaubnis von Rechts wegen ausgeschlossen ist.
15aa) "Grundrechtlich geschützt" kann allenfalls das Recht der Zusammenschlußbeteiligten auf den Zusammenschluß im Falle der Erfüllung aller Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 GWB sein. Die gesamte Argumentation des Antragsgegners (und der Beteiligten zu 1.) leidet darunter und büßt dadurch jede Überzeugungskraft ein, daß sie wie selbstverständlich davon ausgeht, daß der Beteiligten zu 1. und den übrigen Zusammenschlußbeteiligten das Recht auf den bzw. die beiden beabsichtigten Zusammenschlüsse materiellrechtlich gemäß § 42 Abs. 1 GWB wirklich zusteht (vgl. z. B. den letzten Satz auf S. 3 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 22.7.2002:
16"Das gilt um so mehr, als die Entscheidung [Anm.: damit ist gemeint eine Freigabeentscheidung des Bundeskartellamts oder eine Ministererlaubnis] bei den unmittelbar betroffenen Unternehmen Rechtspositionen verwirklicht, und damit der Aufschub der Entscheidung in Rechte dieser Unternehmen eingreift." [Unterstreichungen im Original]).
17Das steht aber gerade – mit Blick auf die gravierenden Verfahrensfehler, unter denen die angefochtene Erlaubnisverfügung zustande gekommen ist (vgl. nachfolgend III.) – nicht fest. Demzufolge ist es derzeit völlig offen und ungeklärt, ob die von den Antragstellerinnen beantragten einstweiligen Anordnungen – materiellrechtlich betrachtet – in wirkliche Rechtspositionen oder nur in Scheinpositionen der Zusammenschlußbeteiligten eingreifen.
18bb) Hinzu kommt folgendes: Der Antragsgegner (und ebenfalls die ihm ausdrücklich zustimmende Beteiligte zu 1.) bezweifelt nicht, daß die Antragstellerinnen kraft ihrer vom Gesetz eingeräumten Beschwerdebefugnis – wenn auch ohne Verletzung eigener subjektiver Rechte, sondern nur auf Grund der fusionsbedingten Beeinträchtigung ihrer wettbewerblichen und unternehmerischen Interessen – die Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 zu Fall bringen können, sofern diese auf Grund von Fehlern, deren Nachprüfung das Gesetz dem Gericht ermöglicht, nicht aufrecht erhalten werden kann. Hierzu meint der Antragsgegner (in der mündlichen Verhandlung), daß dann, wenn die Antragstellerinnen mit ihren Beschwerden obsiegen sollten und seine Erlaubnis endgültig aufgehoben werden sollte, der schon vollzogene Zusammenschluß entflochten werden müsse; folglich brauche man sich bei dem von ihm für richtig gehaltenen völligen Ausschluß des Rechtsbehelfs der einstweiligen Anordnung "keine Sorgen" wegen der Konsequenzen zu machen.
19Diese Argumentation greift zu kurz und kann nicht richtig sein. Wenn die Ministererlaubnis als rechtswidrig (endgültig) aufgehoben wird, so steht [abgesehen von dem eher seltenen, hier nicht in Rede stehenden Ausnahmefall, daß sich zwischen Erteilung und Aufhebung der Ministererlaubnis der Sachverhalt und/oder die Prognosemöglichkeiten geändert haben] zugleich fest, daß die Ministererlaubnis von vornherein rechtswidrig war. Dann aber fehlt es materiellrechtlich an jeder Rechtfertigung und erst recht an der "Verwirklichung" einer "grundrechtlich geschützten" Rechtsposition der Zusammenschlußbeteiligten, wenn sie auf Grund der rechtswidrigen Ministererlaubnis den Zusammenschluß zunächst vollzogen und damit auch die Ursache für die – die Beschwerdebefugnis auslösenden – Beeinträchtigungen der wettbewerblichen und unternehmerischen Interessen von Wettbewerbern gesetzt haben. Aus welchem triftigen materiellrechtlichen Grund die Wettbewerber gleichwohl solche Beeinträchtigungen bis zur Beschwerdeentscheidung sollen hinnehmen müssen, falls man den verfahrensrechtlichen Rechtsbehelf der einstweiligen Anordnung – wie der Antragsgegner fordert – ausschließt, hat der Antragsgegner nicht dargelegt und ist auch nicht erkennbar. Mit irgendwelchen subjektiven Rechten der Zusammenschlußbeteiligten, die sich nach (endgültiger) Aufhebung der Ministererlaubnis als nicht existent erweisen, läßt es sich jedenfalls nicht rechtfertigen. Die vorstehenden Erwägungen führen zu der Erkenntnis, daß es in sich widersprüchlich und sachlich nicht begründbar wäre, den in ihren unternehmerischen Interessen durch den Zusammenschluß beeinträchtigten Beigeladenen die prozessualen Möglichkeiten, die das Gesetz ihnen im Beschwerde-Hauptverfahren eröffnet, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes völlig vorzuenthalten. Vielmehr kann es nur darum gehen, die prozessualen Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sachgerecht zu bestimmen.
20cc) Diese Aufgabe hat der Gesetzgeber in § 65 Abs. 3 GWB gelöst. Für die hier zu treffende Entscheidung kann sich der Senat damit begnügen, sich mit Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. Satz 3) des § 65 Abs. 3 GWB zu befassen. § 65 GWB enthält keine auf die Ministererlaubnis (oder auf Freigabeverfügungen des Bundeskartellamts, § 40 Abs. 2 Satz 1 GWB) bezogene Ausnahmevorschrift, also keine Vorschrift des Inhalts, daß Abs. 3 oder speziell Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. Satz 3) des § 65 GWB auf die Ministererlaubnis nicht anwendbar sei. Das hat auch seinen guten Grund, wie aus dem vorstehenden Absatz unter bb) hervorgeht. Das Vorbringen des Antragsgegners (S. 5 seines Schriftsatzes vom 22. 7. 2002), der Gesetzgeber habe sich bei der Einführung der fusionskontrollrechtlichen Freigabeverfügung (§ 40 Abs. 2 GWB in der Fassung der 6. GWB-Novelle) von der Vorstellung leiten lassen, daß "die Beschwerde Dritter . . . . . jedenfalls keine aufschiebende Wirkung (habe)", ist eine unverbindliche Spekulation, die jedes Anhalts im Gesetz selbst (und sogar in den Materialien) entbehrt. Selbst wenn der historische Gesetzgeber (der 6. GWB-Novelle) keinerlei Vorstellungen über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerden Dritter gehegt haben sollte, ist für die Auslegung des § 65 Abs. 3 GWB allein maßgeblich, daß es keine Norm gibt, die die Ministererlaubnis (sowie Freigabeverfügungen des Bundeskartellamts) aus dem Anwendungsbereich herausnimmt, und daß die Anwendung des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 (und – hier nicht weiter behandelt – Nr. 3) i.V.m. Satz 3 GWB auf die Ministererlaubnis (sowie Freigabeverfügungen des Bundeskartellamts) sinnvoll und zweckentsprechend ist.
21In der Kollisionslage zwischen den Interessen der Zusammenschlußbeteiligten, von einer zwar erlassenen, aber noch nicht bestandskräftigen Ministererlaubnis baldmöglichst Gebrauch zu machen, und den Interessen der durch einen Vollzug des Zusammenschlusses wettbewerblich und unternehmerisch beeinträchtigten Beigeladenen daran, daß der Vollzug möglichst weit aufgeschoben werde, hat sich der Gesetzgeber für folgende Lösung entschieden: Er hat in § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. Satz 3) GWB als Grundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Beschwerdeverfahren – anders als in der Normsituation des § 65 Abs. 1 GWB (vgl. dazu Bechtold a.a.O., § 65 Rdnr. 2; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 65 Rdnr. 7) – nicht eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern eine schon jetzt vorzunehmende eingeschränkte Rechtsprüfung, nämlich das "Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung" normiert. Wenn die Rechtsprüfung zu diesem Ergebnis der ernstlichen Zweifel führt, hat das Beschwerdegericht trotz des Wortes "kann" kein Ermessen und auch nicht die Möglichkeit, mit einer Abwägung der Interessen der Beteiligten die aus den ernstlichen Zweifeln resultierende Folge abzuwenden, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde anzuordnen, sondern muß auf Antrag eine solche einstweilige Anordnung erlassen (vgl. Bechtold a.a.O., § 65 Rdnr. 5; Schmidt a.a.O., Rdnr. 11). Das Wort "kann" in § 65 Abs. 3 Satz 1 GWB normiert nur die Kompetenz des Beschwerdegerichts, gibt ihm (nach der Feststellung "ernstlicher Zweifel") aber keinen Ermessens- oder Abwägungsspielraum. Da an die Feststellung "ernstlicher Zweifel" hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. Bechtold a.a.O., § 65 Rdnr. 3, m.w.Nachw.), werden durch diese gesetzgeberische Lösung, die vor dem einstweiligen Rechtsschutz eine hohe Hürde errichtet, für den Fall der Drittbeschwerde gegen eine Ministererlaubnis (oder eine Freigabeverfügung des Bundeskartellamts) tendenziell die Interessen der Zusammenschlußbeteiligten privilegiert. Bei diesem relativen Vorrang der Interessen der Zusammenschlußbeteiligten muß es dann aber auch sein Bewenden haben. Wenn das Beschwerdegericht zu dem Ergebnis gelangt, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis bestehen, ist daher die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auf Antrag (auch eines "nur" in seinen unternehmerischen Interessen beeinträchtigten, beschwerdebefugten Beigeladenen) anzuordnen.
22Das müßte sogar dann gelten, wenn die konkrete Gefahr bestünde, daß das Zusammenschlußvorhaben nach Erlaß der einstweiligen Anordnung aus zeitlichen Gründen scheitern kann. Daß ein Zusammenschlußvorhaben im konkreten Einzelfall nur in einem engen zeitlichen Rahmen realisiert werden kann, gehört zu den unternehmerischen Risiken der Zusammenschlußbeteiligten und fällt nicht in den Verantwortungsbereich der beschwerdebefugten Beigeladenen, denen daher auch nicht zugemutet werden kann, in einem solchen Fall die Durchsetzung oder Ausnutzung der Freigabeverfügung trotz ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit weiter hinzunehmen. Im übrigen sei für den vorliegenden Fall zu der Warnung des Antragsgegners, die Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnungen könne schon aus zeitlichen Gründen zum Scheitern des gesamten Zusammenschlußvorhabens führen, folgendes bemerkt (auch wenn es nicht entscheidungserheblich ist): Nachdem die Beteiligte zu 1. den (mittelbaren) Erwerb der Mehrheit an den Aktien der Beteiligten zu 4. (R. AG) von langer Hand vorbereitet hat
23(der erste Vertrag mit R. über den Erwerb von B.-Geschäftsanteilen datiert schon vom 13. 6. 2000; der grundlegende Vertrag mit der B. p.l.c., der Muttergesellschaft der Beteiligten zu 2., über den Erwerb der G. AG stammt vom 15. 7.2001),
24ist es nicht glaubhaft und auch nicht durch irgendwelche konkreten Fakten plausibel gemacht worden, daß die Beteiligte zu 1. nunmehr nur noch einen "kurzen Atem" für die Realisierung der Zusammenschlußvorhaben habe. Aus der Sicht des Senats steht auch nicht zu erwarten, daß die Durchführung des Beschwerde-Hauptverfahrens bis zur Beschwerdeentscheidung (mit der auch nach Ansicht des Antragsgegners – prozeßrechtlich betrachtet – ein Außerkraftsetzen der Ministererlaubnis zulässig wäre) ungebührlich lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Es wird jedenfalls nicht am Senat liegen, wenn die mündliche Verhandlung im Hauptverfahren nicht schon vor dem Jahresende 2002 stattfinden sollte.
25Auf Grund der im Vorstehenden dargestellten eigenständigen Regelung des einstweiligen Rechtsschutzes im GWB (insbesondere § 65 Abs. 3) bedarf es keiner Analogien zu den Vorschriften der VwGO über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes durch die Verwaltungsgerichte und auch keiner "Erst-Recht-Überlegungen", die auf diesen VwGO-Vorschriften und der verwaltungsgerichtlichen Praxis aufbauen.
26dd) Der Antragsgegner hat (auf S. 7 seines Schriftsatzes vom 22. 7. 2002) die Beschlußschelte vorgetragen, der Senat habe mit seiner im Beschluß vom 11. 7. 2002 vertretenen Meinung, es liege auch im wohlverstandenen Interesse der Zusammenschlußbeteiligten, den Vollzug des Zusammenschlusses einstweilen zu unterlassen, und mit seinem dementsprechenden "Abwägungsergebnis" die "gesetzliche Regel auf den Kopf gestellt". Zu dieser Schelte ist anläßlich der vorliegenden Entscheidung nur so viel zu bemerken: Der zitierte Satz auf Seite 22 des Senatsbeschlusses vom 11. 7. 2002 steht in dem Abschnitt, in dem der Senat den Erlaß der vorläufigen Anordnungen ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs rechtfertigt und seine Ansicht begründet, es sei wegen der Dringlichkeit der Anordnungen "angemessen und den anderen Verfahrensbeteiligten . . . zumutbar, daß sie erst nachträglich rechtliches Gehör erhalten". Nur für diese einen kurzen Zeitraum bis zur Gewährung rechtlichen Gehörs überbrückende Zumutbarkeitserwägung hat der Senat unterstützend das "wohlverstandene Interesse" der Zusammenschlußbeteiligten (selbstverständlich nach objektiver Betrachtungsweise) bemüht. Die Funktion dieser Erwägung ist nunmehr nach der Gewährung rechtlichen Gehörs erledigt. Die Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnungen vom 11. 7. 2002 sowie der Erlaß einstweiliger Anordnungen aufgrund der Anträge der Antragstellerinnen zu 3. und 4. setzt jetzt nur noch – von dem hier nicht behandelten Fall des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB abgesehen – ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 voraus (§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 GWB).
27ee) In dem I. Kapitel seines Schriftsatzes vom 22. 7. 2002, in dem der Antragsgegner grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einstweiliger Anordnungen im vorliegenden Verfahren erhebt, macht er (auf S. 6) "in diesem Zusammenhang auch geltend", die "Zweifel" an der Rechtmäßigkeit seiner Erlaubnisverfügung, wenn sie denn für das Gericht weiterhin bestehen sollten, könnten nicht als "ernstlich" bewertet werden. Damit verläßt der Antragsgegner der Sache nach den Bereich der grundsätzlichen Bedenken. Denn gemäß § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB (vorbehaltlich des hier nicht behandelten Falls der Nr. 3) versteht es sich von selbst, daß Zweifel an der Rechtmäßigkeit der kartellbehördlichen Verfügung, die das Beschwerdegericht selbst nicht als "ernstlich" qualifiziert, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht rechtfertigen.
283. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß die grundsätzlichen Bedenken des Antragsgegners (und ihm zustimmend: der Beteiligten zu1.) gegen die Zulässigkeit der von den Antragstellerinnen beantragten einstweiligen Anordnungen unberechtigt sind.
29III. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis vom 5.7.2002
30Die ernstlichen Zweifel des Senats an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Erlaubnis der (insbesondere) von der Beteiligten zu 1. betriebenen Zusammenschlußvorhaben sind zum Aspekt der Verfahrensfehler nach der Gewährung rechtlichen Gehörs und aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. 7. 2002 nicht zerstreut, sondern eher noch verstärkt worden.
31Um den jetzt erlassenen Beschluß mit den einstweiligen Anordnungen gemäß § 65 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Nr. 2 GWB zu rechtfertigen, bedarf es im derzeitigen Verfahrensstadium nach wie vor keiner Stellungnahme des Senats zur materiellrechtlichen Seite der Erlaubnisentscheidung (Feststellung der gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses, die die fusionsbedingten Wettbewerbsbeschränkungen aufwiegen, oder Rechtfertigung des Zusammenschlusses durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit). Die ernstlichen Zweifel des Senats an der Rechtmäßigkeit der Verfügung des Antragsgegners resultieren aus der Beurteilung, daß die Verfügung – wie derzeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden muß – unter gravierenden Verfahrensfehlern zustande gekommen ist (nachfolgend 1.). Die Zweifel, ob der Antragsgegner am 5. 7. 2002 gemäß § 35 Abs. 3 GWB in Verbindung mit den Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen vom 21. 12. 1989 (fortan: FKVO) überhaupt (noch) für die Freigabe der angemeldeten Zusammenschlußvorhaben zuständig war, bleiben offen. Diese Zweifel sind jedoch nicht (mehr) Grundlage dieses Beschlusses, also der Aufrechterhaltung der am 11. 7. 2002 getroffenen Anordnungen und des Neuerlasses der einstweiligen Anordnungen auf Grund der Anträge der Antragstellerinnen zu 3. und 4. (nachfolgend 2.).
321. Verfahrensfehler
33Auch im jetzigen Verfahrensstadium problematisiert der Senat nicht, daß der gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB zuständige Ressortminister Dr. M., der eine Selbstablehnungsanzeige erstattet hatte, durch den beamteten Staatssekretär seines Ministeriums, Dr. T., vertreten worden ist. Vielmehr geht der Senat im folgenden nach wie vor von der Hypothese aus, daß Staatssekretär Dr. T. der rechtmäßig berufene Vertreter des Ministers für die Erteilung der Erlaubnis war.
34a) Der Senat hat in seinem Beschluß vom 11. 7. 2002 einen erheblichen Verfahrensfehler der Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 darin gesehen, daß Staatssekretär Dr. T. in der einzigen öffentlichen mündlichen Verhandlung am 29. 5. 2002 überhaupt nicht anwesend war, diese Verhandlung vielmehr durch Beamte des BMWi unter Leitung des Ministerialdirektors Dr. S. hat durchführen lassen (Verstoß gegen § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 GWB). Überzeugende Gegenargumente gegen diese Beurteilung sind in den Schriftsätzen des Antragsgegners und der Beteiligten zu 1. bis 3. (die übrigen Beteiligten haben keine Schriftsätze zur Sache eingereicht) sowie in der mündlichen Verhandlung nicht hervorgetreten.
35Gemäß § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB ist in den Fällen des § 42 im Verfahren vor "dem Bundesministerium für Wirtschaft" u. a. der Satz 1 entsprechend anzuwenden. Satz 1 lautet: "In den Fällen des § 19 entscheidet die Kartellbehörde auf Grund öffentlicher mündlicher Verhandlung; mit Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden" (Hervorhebung durch Kursivdruck hinzugefügt). Die in Satz 3 des § 56 Abs. 3 GWB angeordnete entsprechende Anwendung des Satzes 1 bedeutet, daß über den Antrag auf Erteilung einer Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB – vorbehaltlich eines (hier nicht eingeholten) Einverständnisses aller Verfahrensbeteiligten mit dem Verzicht auf eine mündliche Verhandlung – nicht ohne öffentliche mündliche Verhandlung der zuständigen ("entscheidenden") kartellbehördlichen Instanz entschieden werden darf, und daß die Entscheidung selbst auf der Grundlage ("auf Grund") der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergehen muß. Die Norm bezweckt vor allem, daß eine intensive, dem Interesse sowohl der Kartellbehörde als auch der betroffenen Unternehmen an einer richtigen Entscheidung dienende Erörterung aller Sach- und Rechtsfragen stattfindet und der Anspruch aller Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör gewährleistet ist (so schon für die Fälle des Abs. 1 des § 56 GWB, in denen die mündliche Verhandlung nicht von Gesetzes wegen obligatorisch ist, sondern auf Antrag eines Beteiligten anzuberaumen ist: Schmidt in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 56 Rdnr. 14; Bracher im Frankfurter Kommentar [FK], § 56 GWB 1999, Rdnr. 1; Schultz in Langen/Bunte, a.a.O., § 56 GWB Rdnr. 11 und – speziell zu Abs. 3 – Rdnr. 15).
36In der Tatsache, daß Staatssekretär Dr. T. das vorstehend dargestellte Verfahren, das als zumindest ein Element der eigenen Meinungs- und Überzeugungsbildung nach dem Gesetz obligatorisch ist (falls kein einverständlicher Verzicht auf die mündliche Verhandlung besteht), nicht beachtet und selbst nicht die in § 56 Abs. 3 Satz 1 und 3 GWB normierte Verpflichtung, in welcher Art und Weise er den Anspruch aller Verfahrensbeteiligten einschließlich der Beigeladenen (§ 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB; vgl. auch Bracher a.a.O., Rdnr. 5) auf rechtliches Gehör gewährleisten muß, erfüllt hat, hat der Senat eine Gesetzesverletzung gesehen.
37aa) Zum Zweck der mündlichen Verhandlung gemäß § 56 Abs. 3 GWB, der für die Beurteilung der Abwesenheit des Staatssekretärs Dr. T. bedeutsam ist, stimmt der Antragsgegner (Schriftsatz vom 22. 7. 2002, S. 10) dem Senat in der vorstehend dargestellten Auslegung ausdrücklich zu. Die Beteiligte zu 1. ist der Auslegung jedenfalls in der mündlichen Verhandlung nicht mehr entgegengetreten ("doppelter Sinn der mündlichen Verhandlung: Anhörung und Öffentlichkeitsherstellung"). Im vorbereitenden Schriftsatz vom 22. 7. 2002 (S. 9) hatte die Beteiligte zu 1. allerdings noch argumentiert, gegenüber dem Ziel der Herstellung von Öffentlichkeit und Trans-parenz sei es nicht Sinn und Zweck der mündlichen Anhörung – oder jedenfalls nicht in erster Linie -, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Die Beteiligten zu 2. und 3. meinen, aus der Entstehungsgeschichte des § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 GWB ergebe sich, daß diese mündliche Verhandlung nicht dem Zweck diene, den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren (Schriftsatz vom 19. 7. 2002, S. 11; auf S. 12 dahin abgeschwächt, die Gewährung rechtlichen Gehörs sei nicht die vom Gesetzgeber intendierte Hauptfunktion).
38Diesen Gegenstimmen, die die Bedeutung der mündlichen Verhandlung gemäß § 56 Abs. 3 GWB für die Gewährung rechtlichen Gehörs sowie auch für die Verbesserung der Erkenntnismöglichkeiten des in der Sache entscheidenden Ministers (oder seines Stellvertreters) bagatellisieren, kann nicht beigepflichtet werden. Der Senat verkennt nicht, daß die mündliche Verhandlung gemäß § 56 Abs. 3 GWB mehrere Funktionen haben soll. Indem der Gesetzgeber die Öffentlichkeit der Verhandlung vorgeschrieben hat, strebt er wegen der allgemeinen, gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Angelegenheit ersichtlich eine Publizitätsfunktion und eine Unterrichtung der Öffentlichkeit an (vgl. Schultz a.a.O., § 56 GWB, Rdnr. 15; Bracher a.a.O., § 56, Rdnr. 3, 30; Schmidt a.a.O., § 56, Rdnr. 17). Das kann aber nicht bedeuten, daß diese öffentliche mündliche Verhandlung für die Beteiligten einschließlich der Beigeladenen und auch für die sachentscheidende kartellbehördliche Instanz nicht dieselbe Funktion haben soll, die die auf Antrag anzuberaumende mündliche Verhandlung in den anderen Kartellverwaltungsverfahren (§ 56 Abs. 1 GWB) zweifellos hat: die "intensive Aussprache und besonders umfassende Gewährung rechtlichen Gehörs" (Schmidt a.a.O., Rdnr. 14). Den Beteiligten zu 2. und 3. kann zu folgenden Ausführungen nur zugestimmt werden: Das Kernelement der mündlichen Verhandlung sei die intensive Aussprache. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, nicht nur ihren eigenen Standpunkt zu vertreten, sondern auch auf den Vortrag anderer zu reagieren. Dieses Wechselspiel sei gegenüber Gesprächen mit nur einem Beteiligten ein zusätzliches Erkenntniselement der Kartellbehörde (Schriftsatz vom 19. 7. 2002, S. 12; Hervorhebung durch Kursivdruck hinzugefügt). In diesem Wechselspiel liegt zugleich (zumindest teilweise) die Gelegenheit zum rechtlichen Gehör. Der Senat vermag keinen vernünftigen Grund zu erkennen, weshalb die intensive Aussprache, die damit verbundenen zusätzlichen Erkenntnismöglichkeiten des sachentscheidenden Ministers (oder seines Stellvertreters) und die umfassende Gewährung rechtlichen Gehörs nicht ebenfalls zu den Hauptfunktionen der obligatorischen öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 56 Abs. 3 GWB gehören sollen. Genau diese aus dem "Wechselspiel" intensiver Aussprache resultierenden zusätzlichen Erkenntnismöglichkeiten hat sich Staatssekretär Dr. T. entgehen lassen, indem er der mündlichen Verhandlung fern geblieben ist, anstatt sie selbst durch Fragen und andere, Kritik, Zustimmung und/oder Ergänzung herausfordernde Beiträge maßgeblich mitzugestalten.
39bb) Gegen die Ansicht des Senats, daß die Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung den Staatssekretär Dr. T. (als Stellvertreter des Ministers) personell selbst traf, haben der Antragsgegner und die Beteiligte zu 1. u.a. vorgebracht: Der Ministererlaubnis gehe typischerweise eine äußerst umfangreiche Entscheidungsvorbereitung voran. In einem schriftlichen Verfahren gäben die unterschiedlichen Beteiligten ihre Stellungnahmen und die Monopolkommission ihr Gutachten ab. Die Durchführung eines derart aufwendigen und komplexen Verwaltungsverfahrens könne sinnvollerweise nicht dem Minister (oder Staatssekretär) persönlich aufgebürdet werden, sondern nur der Behörde, dem BMWi. Dieses müsse dem Minister (oder Staatssekretär) bei der Vorbereitung der Entscheidung zuarbeiten. Im Anwendungsbereich des § 67 VwVfG sei nach herrschender Meinung anerkannt, daß eine Behörde nicht verpflichtet sei, ihre Entscheidung ausschließlich auf das Ergebnis der mündlichen Verhandlung zu stützen. Auch im Ministererlaubnisverfahren wäre es praktisch unmöglich, eine außerordentlich komplexe wirtschaftspolitische Entscheidung – wie hier – ausschließlich auf das zu stützen, was in der mündlichen Verhandlung tatsächlich erörtert oder vorgetragen worden sei. Es wäre schlicht unmöglich, die Forderung zu erfüllen, alle Stellungnahmen, Gutachten usw., die im Erlaubnisverfahren zu den Akten gelangt seien, müßten in der mündlichen Verhandlung vorgetragen oder erörtert werden. Die Wahrung der Belange der Beteiligten, nämlich ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu allen Aspekten der Entscheidung zu geben, rechtfertige es nicht, das Gebot aufzustellen, alle entscheidungserheblichen Umstände müßten tatsächlich in der mündlichen Verhandlung erörtert werden.
40Dies alles ist weder falsch noch erheblich. Keinesfalls kann daraus die Schlußfolgerung gezogen werden, in Anbetracht der "eingeschränkten Funktion" der mündlichen Verhandlung werde deutlich, daß die Anwesenheit des entscheidenden Ministers oder seines Stellvertreters in der mündlichen Verhandlung nicht gefordert werden könne (so aber der Antragsgegner, S. 12 seines Schriftsatzes vom 22. 7. 2002). Mit einer solchen Schlußfolgerung verkennt man einen der Hauptzwecke der mündlichen Verhandlung (s. vorstehend aa): intensive Aussprache mit gleichzeitiger Gelegenheit zu umfassendem rechtlichen Gehör) und außerdem die Bedeutung der vom alleinverantwortlichen Entscheider ausgehenden individuellen Art der Gestaltung der Aussprache (mit Fragen, Hinweisen usw.) für die Sachverhaltsermittlung oder zumindest für die Sachverhaltswürdigung.
41cc) Der Antragsgegner meint (im Schriftsatz vom 22. 7. 2002, S. 9 f., und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat), allein deshalb, weil der Gesetzgeber die Durchführung des Verwaltungsverfahrens zum Erlaß einer Ministererlaubnis dem BMWi (nicht dem Minister persönlich) zugewiesen habe, was aus den divergierenden Zuständigkeitsregelungen in § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB einerseits und § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB hervorgehe, und weil die mündliche Verhandlung ein Bestandteil des Verfahrens, nicht aber der Entscheidung selbst sei, sei die persönliche Anwesenheit des Staatssekretärs Dr. T. in der mündlichen Verhandlung am 29. 5. 2002 nicht notwendig gewesen. Diese Argumentation ist deshalb nicht stichhaltig, weil sie außer Acht läßt, daß der Gesetzgeber auch bei einer grundsätzlichen Trennung der Zuständigkeiten für das Verfahren (BMWi) und für die abschließende Entscheidung (Minister) durch eine Sondervorschrift einen besonders wichtigen Teil des Verfahrens der Zuständigkeit des Ministers überantworten kann. Das ist hier – wie nachfolgend (dd) nochmals ausgeführt wird – für die obligatorische öffentliche mündliche Verhandlung geschehen. Dafür lassen sich gute Gründe anführen (s. vorstehend unter aa) sowie unter bb) im 2. Absatz). Hervorgehoben sei in diesem Zusammenhang noch, daß in den Erläuterungen zum Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), dessen Vorschriften zur Ausfüllung von Lücken des im GWB geregelten Kartellverwaltungsverfahrensrechts herangezogen werden, die mündliche Verhandlung als das "Kernstück" des förmlichen Verwaltungsverfahrens angesehen wird (Knack/Busch, VwVfG, 6. Aufl., § 67, Rdnr. 2.1; Obermayer/Seegmüller, VwVfG, 3. Aufl., § 67, Rdnr. 3 u. 74). Auch für die Vorschriften des GWB, die Besonderheiten des Ministererlaubnisverfahrens regeln, wird man sagen können, daß § 56 Abs. 3 GWB die öffentliche mündliche Verhandlung als ein zentrales Element aus dem Verfahren im übrigen heraushebt. Wenn der Gesetzgeber dieses zentrale Element eines Verfahrens von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung oder hohem Interesse der Allgemeinheit in die persönliche, politisch-parlamentarisch zu verantwortende Zuständigkeit des Ministers selbst gibt, kann man dies mit Blick auf § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB ohne weiteres als sachgerecht und konsequent bezeichnen.
42dd) Da die Sinnhaftigkeit der gesetzlichen Regel, daß die Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung den Minister (oder den Stellvertreter des an der Entscheidung verhinderten Ministers) selbst trifft, nach den vorstehenden Erwägungen schlechterdings nicht bezweifelt werden kann, stellt sich nunmehr die entscheidende Frage, ob dem GWB entnommen werden kann, daß der Gesetzgeber diese Regel wirklich aufgestellt hat. Der Senat hat dies im Beschluß vom 11. 7. 2002 auf Grund des § 56 Abs. 3 Satz 1 und 3 i.V.m. § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB bejaht. Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 3. vertreten die gegenteilige Ansicht, die sie auf den Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB
43("In den Fällen des § 42 sind im Verfahren vor dem Bundesministerium für Wirtschaft die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden." [Hervorhebung durch Kursivdruck hinzugefügt])
44stützen. Dem Senat war diese Argumentationsweise bei seinem Beschluß vom 11. 7. 2002 bekannt. Er hält sie auch nach erneuter Überprüfung für eine unzutreffende Auslegung des § 56 Abs. 3 GWB.
45Dem Antragsgegner und den Beteiligten zu 1. bis 3. wäre ihre jetzige Argumentationsweise verschlossen, wenn § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB noch exakt denselben Wortlaut hätte wie vor der 6. GWB-Novelle. In der funktionell entsprechenden Vorgängervorschrift des § 53 Abs. 3 Satz 3 GWB a. F. hieß es noch "Verfahren vor dem Bundesminister für Wirtschaft". Die Auswechslung des Wortes "Bundesminister" durch "Bundesministerium" hat sowohl in § 42 Abs. 3 als auch in § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB n. F. nur den Grund einer redaktionellen Überarbeitung; eine materielle Rechtsänderung hat der Gesetzgeber – wie auch der Antragsgegner (Schriftsatz vom 22. 7. 2002, S. 14) und die Beteiligte zu 1. (Schriftsatz vom 22. 7. 2002, S. 11; weniger deutlich die Beteiligten zu 2. und 3. im Schriftsatz vom 19. 7. 2002, S. 10) ausdrücklich einräumen – hiermit nicht verbinden wollen (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der 6. GWB-Novelle, zitiert nach dem WuW-Sonderheft 1998, S. 106 [zu § 42 n.F.] und S. 110 [zu § 56 n.F.]). Wenn man nun, wie der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 3., § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB n. F. dahin deutet, daß die obligatorische öffentliche mündliche Verhandlung vom BMWi ohne notwendige Anwesenheit des Ministers selbst durchzuführen ist, redet man der Sache nach dann doch einer Rechtsänderung das Wort. Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 3. versuchen diese "Klippe" in der Auslegung dadurch zu überwinden, daß sie argumentieren, die in den §§ 42 Abs. 1 Satz 1, 56 Abs. 3 Satz 3 GWB vorgesehene Aufgabenverteilung zwischen dem Minister und dem Ministerium bezwecke offenbar eine Anpassung an die seit langem bestehende Rechtspraxis (Schriftsatz der Beteiligten zu 1. vom 22. 7. 2002, S. 12 [Hervorhebung durch Kursivdruck hinzugefügt]; ebenso die Beteiligten zu 2. und 3., Schriftsatz vom 19. 7. 2002, S. 10; im Ergebnis ebenso der Antragsgegner, Schriftsatz vom 22. 7. 2002, S. 14). Die Schwäche dieser Gedankenführung besteht darin, daß eine Anpassung (!) des Gesetzes an eine bisher vom Gesetz abweichende Verwaltungspraxis etwas anderes als eine bloße redaktionelle Überarbeitung und eben doch eine Rechtsänderung ist, und ferner, daß sich der angebliche Anpassungszweck mit keiner Silbe aus den Gesetzesmaterialien, insbesondere dem Regierungsentwurf zur 6. GWB-Novelle ergibt. Daher kann man einen solchen auf eine Rechtsänderung abzielenden Zweck des bezüglich eines Worts umformulierten § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB dem Gesetzgeber (der auch im Kartellrecht nicht nur aus dem BMWi besteht) nicht unterstellen. Die Auslegungsbemühungen des Antragsgegners und der Beteiligten zu 1. bis 3. sind daher als ungeeignet abzulehnen.
46Im vorliegenden Zusammenhang hält der Senat nach wie vor seine Ansicht für richtig, daß es rechtlich kein beachtliches Argument ist, daß in allen vorangegangenen Ministererlaubnisverfahren der Bundesminister für Wirtschaft selbst (laut Rdnr. 92 der angefochtenen Verfügung) noch nie an einer mündlichen Verhandlung teilgenommen hat. Nach der vom Senat vertretenen Normauslegung (des § 53 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 GWB a.F. vor Inkrafttreten der 6. GWB-Novelle) war die bisherige Praxis der Bundesminister für Wirtschaft gesetzwidrig. Eine gesetzwidrige Praxis der Administrative kann aber nicht aus eigener Kraft eine Norm der ersten Staatsgewalt, der Legislative, außer Geltung setzen. Das gilt selbst dann, wenn die gesetzwidrige Praxis auf einer irrtümlichen Gesetzesauslegung beruht haben sollte (was dem Senat jedoch nicht bekannt ist). Verwaltungspraxis reicht für sich allein zur Schaffung von (eine Gesetzesvorschrift verdrängendem) Gewohnheitsrecht nicht aus. Eine dem Gesetz widersprechende, aus irriger Auslegung resultierende Praxis kann sich allenfalls dann in Gewohnheitsrecht verwandeln, wenn es sich um eine lang dauernde tatsächliche Übung handelt und die Überzeugung aller Beteiligten – im Falle einer Verwaltungspraxis: die Überzeugung nicht nur der Behörde, sondern auch der betroffenen Bürger und/oder Unternehmen – hinzukommt, durch die Einhaltung der geübten Praxis werde bestehendes Recht befolgt (vgl. auch BGH NJW 1962, 2054, 2055 re. Sp.). Diese Voraussetzungen sind hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
47Der Senat meint, daß allein seine Normauslegung, wonach die Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung im Ministererlaubnisverfahren den Minister (oder den Stellvertreter des an der Entscheidung verhinderten Ministers) selbst trifft, sich in einem geschlossenen Gesamtkonzept und bruchlos mit dem Wortlaut der drei heranzuziehenden Vorschriften (Satz 1 und Satz 3 des § 56 Abs. 3 sowie § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB) vereinbaren läßt. Hierzu sollen die wesentlichen Erwägungen aus dem Senatsbeschluß vom 11. 7. 2002 nochmals im Zusammenhang dargestellt werden:
48Nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB (". . . entscheidet die Kartellbehörde auf Grund öffentlicher mündlicher Verhandlung; . . .") ist die Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung mit der Entscheidung verknüpft und damit personell an den Entscheider selbst gebunden. Dieser könnte nicht "auf Grund mündlicher Verhandlung" entscheiden, wenn er nicht selbst mündlich mit verhandelt hätte. Ein Entscheider, der der mündlichen Verhandlung fern bleibt, entscheidet "auf Grund" der Aktenlage und der mündlichen oder schriftlichen Berichte über eine von anderen Personen gestaltete mündliche Verhandlung, aber nicht "auf Grund mündlicher Verhandlung". Daß die sprachliche Formulierung für die dem Entscheider selbst obliegende Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung anders gefaßt ist als diejenigen Bestimmungen der Prozeßordnungen (§§ 309 ZPO, 112 VwGO, 226 StPO), die vorschreiben, daß die das Urteil fällenden Richter auch an der dem Urteil zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben müssen, hat keine Bedeutung, weil § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB das gleiche Normergebnis (hinsichtlich der Personenidentität) sprachlich klar zum Ausdruck bringt. Das zeigt im übrigen in der VwGO auch die Bestimmung des § 101 Abs. 1, die – die Pflicht zur mündlichen Verhandlung normierend, sonst auf der gleichen Linie liegend wie § 112 VwGO – folgenden dem § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB entsprechenden Wortlaut hat:
49"Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung."
50Der oben (im 1. Absatz dieses Abschnitts dd)) schon wiedergegebene Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB steht dem Auslegungsergebnis, daß auch im Ministererlaubnisverfahren der Entscheider selbst die Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung hat, nicht entgegen. Die Vorschrift ordnet die "entsprechende" Anwendung des Satzes 1 des § 56 Abs. 3 GWB an. Zwar ist gemäß § 48 Abs. 1 GWB das BMWi selbst "Kartellbehörde" (vgl. den Wortlaut des § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB). Da aber in § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB die Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung mit der Entscheidung verknüpft wird, muß bei der entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift, die in Satz 3 angeordnet wird, § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB beachtet werden. Damit ist die an die Person des Ministers (oder seines Vertreters) gebundene Entscheidung untrennbar verbunden ("auf Grund") mit der Verfahrenspflicht der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Auch die Wortwahl in § 56 Abs. 3 Satz 3 GWB ("Bundesministerium für Wirtschaft") läßt sich durchaus sinnvoll erklären: "Kartellbehörde" in den Fällen des § 42 GWB (vgl. den Wortlaut in § 56 Abs. 3 Satz 1 GWB, auf den Satz 3 verweist) ist nicht der Bundesminister für Wirtschaft persönlich, sondern das Bundesministerium für Wirtschaft (vgl. § 48 Abs. 1 GWB). In einem alles umfassenden Sinne (vgl. auch § 42 Abs. 3 und § 59 Abs. 6 Satz 1 GWB) findet das gesamte Verfahren über den Erlaubnisantrag "vor dem Bundesministerium für Wirtschaft" statt, dem die Zuständigkeit im Sinne der sachlichen Zuständigkeitsabgrenzung zukommt. Innerhalb der Kartellbehörde "BMWi" hat der Gesetzgeber (§ 42 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 GWB) zwingend und insoweit absolut vorrangig eine spezielle funktionelle Zuständigkeit des Ministers für die Entscheidung über den Erlaubnisantrag normiert (vgl. das Gutachten von Kirchhof/Puhl vom 29. 6. 2002, S. 11 f.). Diese funktionelle Zuständigkeit des Ministers (oder seines Vertreters) für die Entscheidung verknüpft § 56 Abs. 3 Satz 1 und 3 GWB untrennbar mit der Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung.
51ee) Als weiteres Zwischenergebnis ist festzuhalten: Indem Staatssekretär Dr. T. der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002 fern geblieben ist und damit seine ihm als verantwortlichem Entscheider selbst obliegende Verfahrenspflicht der mündlichen Verhandlung (jedenfalls objektiv) verletzt hat, ist die Erlaubnisentscheidung vom 5. 7. 2002 unter einem erheblichen Verfahrensfehler zustande gekommen.
52b) Auf Grund des Studiums der Verwaltungsakten des BMWi und der mündlichen Verhandlung vom 24. 7. 2002 – unter Berücksichtigung der Schriftsätze der Beteiligten – steht für den Senat inzwischen fest (was am 11. 7. 2002 nur überwiegend wahrscheinlich war), daß Staatssekretär Dr. T. bei der Erlaubnisentscheidung vom 5. 7. 2002 ein weiterer gravierender Verfahrensfehler unterlaufen ist, weil er (jedenfalls) die vier Antragstellerinnen zu (nachfolgend behandelten) entscheidungserheblichen Erklärungen der Beteiligten zu 1. kein rechtliches Gehör gewährt hat. Mindestens ebenso wichtig wie die Anwesenheit des Ministers (oder seines amtierenden Vertreters) in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ist der Normbefehl des § 56 Abs. 3 GWB, daß die Entscheidung selbst nur "auf Grund" der öffentlichen mündlichen Verhandlung ergehen darf. Mit dieser von der Norm bezweckten besonders wirksamen Gewährleistung rechtlichen Gehörs für alle Verfahrensbeteiligten (vgl. Schmidt in Immenga/Mestmäcker a.a.O., § 56, Rdnr. 14) ist das Gebot verbunden, daß der gesamte den Beteiligten nicht ohnehin bekannte entscheidungserhebliche Sachverhalt einschließlich entscheidungsrelevanter Erklärungen, die von einem (oder einigen) Beteiligten gegenüber dem Minister (oder seinem amtierenden Vertreter) oder seiner Behörde abgegeben worden, anderen Verfahrensbeteiligten aber unbekannt sind, Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein muß. Schon aus der allgemeinen Pflicht einer Behörde zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (vgl. auch § 56 Abs. 1 GWB) folgt, daß sie ihrer Entscheidung nur diejenigen Tatsachen, bedeutsamen Erklärungen von Beteiligten und Beweisergebnisse zugrunde legen darf, zu denen sich alle Beteiligten äußern konnten (vgl. u. a. Senatsbeschluß vom 21. 12. 1976 – Kart 4/76 (V), WuW/E OLG 1820, 1821). Bei neuem Vorbringen oder Erklärungen von Beteiligten, das/die aus der Sicht der Kartellbehörde für die Entscheidung erheblich sein kann/können, müssen vor der Entscheidung die anderen Beteiligten noch einmal angehört werden (vgl. Schultz in Langen/Bunte a.a.O., § 56 GWB, Rdnr. 1; Schmidt a.a.O., Rdnr. 1, 4). In den Verfahren mit obligatorischer mündlicher Verhandlung (wie hier) muß außerdem gegebenenfalls die mündliche Verhandlung wiedereröffnet werden (vgl. Bracher a.a.O., Rdnr. 34 i.V.m. Rdnr. 5, 6, 8, 15, 20, m.w.Nachw.).
53Es handelt sich um folgende entscheidungserhebliche Erklärungen der Beteiligten zu 1., die sie erst nach der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002 abgegeben hat, die also nicht Gegenstand dieser mündlichen Verhandlung gewesen sind, die (jedenfalls) den vier Antragstellerinnen vor Erlaß der Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 auch nicht bekannt gegeben worden sind, zu denen sie also bis zum 5. 7. 2002 auch nicht haben Stellung nehmen können:
54aa) Am 3. 7. 2002 hat die Beteiligte zu 1. folgendes (vom Vorstandsvorsitzenden H. und einem weiteren Vorstandsmitglied unterzeichnetes) Schreiben an den Staatssekretär Dr. T. gerichtet (es ist in der mündlichen Verhandlung am 24. 7. 2002 von der Beteiligten zu 1. verlesen worden und stellt auch deshalb kein Geschäftsgeheimnis dar):
55"Sehr geehrter Herr Dr. T.,
56unter Bezugnahme auf die mit Ihnen geführten Gespräche über das Ministererlaubnisverfahren E./R. bestätigen wir hiermit, dass die E. AG im Falle einer Erteilung der Erlaubnis beabsichtigt, der R. AG mittelfristig einen Betrag von 6 bis 8 Mrd. Euro für gaswirtschaftliche Investitionen zur Verfügung zu stellen, die Wirtschaftlichkeit der Vorhaben vorausgesetzt.
57Mit freundlichen Grüßen
58E. AG"
59Staatssekretär Dr. T. hat die Entscheidungsrelevanz dieses Schreibens in folgendem Zusammenhang gesehen: In der angefochtenen Verfügung (u. a. in Rdnr. 156) wird als ein entscheidungserheblicher "gesamtwirtschaftlicher Vorteil" (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB) die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der R. bezeichnet. In diesem Zusammenhang (vgl. Rdnr. 107 ff. der Verfügung) wird die Eignung der von der Beteiligten zu 1. angestrebten Zusammenschlüsse hervorgehoben, die begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Ruhrgas entscheidend zu verbessern. Der eigene Finanzierungsspielraum von R. (beschränkte Eigenfinanzierungsmöglichkeiten und Kreditrahmen) sei vor dem Hintergrund konkret anstehender bzw. möglicher Investitionsprojekte, die im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und der Energieversorgungssicherheit gesamtwirtschaftlich vorteilhaft seien, nicht ausreichend (Rdnr. 112). Allerdings – so heißt es in der Verfügung (Rdnr. 112) weiter – sei die Verfügbarkeit über finanzielle Mittel allein kein hinreichender Gesichtspunkt im Ministererlaubnisverfahren. Erforderlich sei auch die Bereitschaft, als strategischer Investor finanzielle Ressourcen in erheblichem Umfang zugunsten der Entwicklung des Beteiligungsunternehmens einzusetzen. Unmittelbar darauf schließt sich die Feststellung des Staatssekretärs Dr. T. in seiner Verfügung an: "Dies ist hier der Fall. E. hat eine entsprechende schriftliche Erklärung abgegeben, wonach sie bereit ist, mittelfristig finanzielle Mittel in Höhe von 6 bis 8 Mrd. Euro für die Entwicklung der R. aufzuwenden. Dies entspricht auch der objektiv erkennbaren Interessenlage: . . . .".
60In Anbetracht der Bedeutung, die Staatssekretär Dr. T. der schriftlichen Erklärung der Beteiligten zu 1. für die Erteilung der Ministererlaubnis selbst beigemessen hat, hätte er sie (ganz abgesehen von dem Aspekt der obligatorischen mündlichen Verhandlung) vor seiner Entscheidung allen anderen Verfahrensbeteiligten einschließlich der vier Antragstellerinnen bekannt geben und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen müssen. Daß er dies unterlassen hat, stellt eine Verletzung des Gebots zur Gewährung rechtlichen Gehörs dar.
61Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 3. versuchen diesen Vorwurf mit dem Vortrag abzuwehren, die Bereitschaft der Beteiligten zu 1., der R. AG finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, stelle keine neue Tatsache dar, die erst nach der mündlichen Verhandlung entstanden wäre. Schon im Antrag vom 15. 2. 2002 auf Erteilung der Ministererlaubnis seien Aussagen der Beteiligten zu 1. zu ihrer Investitionsbereitschaft betreffend R. AG enthalten. In der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002 habe der Vorstandsvorsitzende H. namens der Beteiligten zu 1. ein Statement zur finanziellen Investitionsbereitschaft abgegeben.
62Indessen waren die sogenannten Aussagen der Beteiligten zu 1. in ihrer Antragsschrift vom 15. 2. 2002 – und zwar auch die Schriftsatzstellen, auf die sich die Beteiligten zu 1. bis 3. in ihren jetzigen Schriftsätzen vom 19. und 22. 7. 2002 berufen – dem Staatssekretär Dr. T. ersichtlich viel zu unbestimmt, um daraus eine klare und faßbare Investitionsbereitschaft zur Steigerung (gerade) der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der R. AG abzuleiten und festzustellen. Die von der Beteiligten zu 1. auf S. 19 ihres Schriftsatzes vom 22. 7. 2002 selbst zitierte Passage aus ihrer Antragsschrift beginnt mit den Worten:
63"E. verfügt . . . über die Finanzkraft, gemeinsam mit R. einen starken Akteur im internationalen Gasmarkt zu schaffen . . ." (Kursivdruck hinzugefügt)
64Hierzu heißt es in der angefochtenen Verfügung (zutreffend), die Verfügbarkeit über finanzielle Mittel allein sei kein hinreichender Gesichtspunkt im Ministererlaubnisverfahren (Rdnr. 112). Der sich anschließende Satz, den die Beteiligte zu 1. immerhin selbst als Beleg für ihre frühzeitige Aussage über ihre Investitionsbereitschaft zitiert hat
65"Deshalb setzt die E.-Strategie im Rahmen der Fokussierung auf das Energiegeschäft neben Strom einen gleichstarken Schwerpunkt im Gas und will auf dieser Grundlage die Weiterentwicklung der R. mit höchster Priorität verfolgen."
66ist derart vage und unbestimmt (z.B.: was heißt konkret "Weiterentwicklung"?), daß sich Staatssekretär Dr. T. außerstande gesehen haben wird, darauf verläßliche Prognosen zur absehbaren Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der R. AG auf Grund des Zusammenschlusses aufzubauen. Die weiteren von den Beteiligten zitierten Schriftsatzstellen aus der Antragsschrift vom 15. 2. 2002 sind von vergleichbarer Qualität. Das Statement des Vorstandsvorsitzenden H. vom 29. 5. 2002 brachte keine weitere Konkretisierung. Es fängt an mit dem Zitat von Stichworten wie "Verbesserung der Versorgungssicherheit" und "Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der R. im Ausland", wobei ergänzend auf die Verfahrensakten Bezug genommen wird, und hört in dem Absatz, den der Antragsgegner jetzt (S. 17 des Schriftsatzes vom 22. 7. 2002) anscheinend für den aussagekräftigsten hält, auf mit den beiden Sätzen:
67"R. hat überzeugend dargelegt, dass sie nicht über ausreichende Finanzmittel verfügt, um im notwendigen Ausmaß in den Upstreambereich zu investieren. Wir können R. derartige Investitionen ermöglichen." (Kursivdruck hinzugefügt)
68Auch mit diesem Satz, dem eine klare Aussage, daß die Beteiligte zu 1. der R. AG auch tatsächlich derartige Investitionen ermöglichen wird (wann? wie hoch? wofür annähernd genau?), nicht zu entnehmen ist, hat sie nur ihre eigene Verfügbarkeit über finanzielle Mittel propagiert, was für die Zwecke des Ministererlaubnisverfahrens nicht ausreicht. Vor allem fällt auf, daß niemals vor dem Schreiben vom 3. 7. 2002 - soweit ersichtlich - Beträge zur Konkretisierung ihrer Investitionsbereitschaft genannt worden sind. Warum nicht schon die Betragsangabe von 6 bis 8 Mrd. Euro ausreicht, um die Erklärung vom 3. 7. 2002 als neue Tatsache im Sinne des Gebots zur Gewährung rechtlichen Gehörs anzusehen, begründen der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 3. nicht.
69Die Beteiligten zu 2. und 3. versuchen die Relevanz der Erklärung vom 3. 7. 2002 mit dem Hinweis zu negieren, daß es in der angefochtenen Verfügung im Anschluß an die Erwähnung dieser Erklärung heißt, die beabsichtigten Investitionen entsprächen auch der "objektiv erkennbaren Interessenlage", was dann noch mit einigen weiteren Sätzen näher ausgeführt wird. Daraus kann jedoch entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2. und 3. nicht geschlossen werden, daß sich die Erlaubnisentscheidung – in dem hier relevanten Entscheidungsteil – nicht auf diese Erklärung stütze. Dagegen spricht schon, daß sich Staatssekretär Dr. T. diese "Bestätigung" von der Beteiligten zu 1. eigens hat geben lassen und in seiner Verfügung besonders herausgestellt hat. Ferner trifft es selbstverständlich nicht zu, daß gerade der in Aussicht gestellte Investitionsbetrag von 6 bis 8 Mrd. Euro der "objektiv erkennbaren (!)" Interessenlage entspricht. Schließlich gilt es, die Funktion der Ausführungen über die "objektiv erkennbare Interessenlage" im Kontext der angefochtenen Verfügung zu erkennen: Damit soll ersichtlich die Schwäche dieser Erklärung für den Zweck, einen benötigten Beitrag zur Rechtfertigung der Erlaubnisentscheidung zu leisten, argumentativ kompensiert werden. Denn das Investitionsversprechen ist nicht einklagbar, ist auch nicht zum Gegenstand einer Auflage gemacht worden (wahrscheinlich wegen der §§ 42 Abs. 2 Satz 2, 40 Abs. 3 Satz 2 GWB) und ist auch nicht mit irgendwelchen Sicherheitsleistungen verfestigt worden.
70Aufgrund aller vorstehenden Erwägungen verbleibt der Senat bei seiner Ansicht, daß Staatssekretär Dr. T. den anderen Verfahrensbeteiligten zu dieser für ihn entscheidungserheblichen Erklärung der Beteiligten zu 1. vom 3. 7. 2002 rechtliches Gehör hätte gewähren müssen.
71bb) Im Ergebnis gilt das Gleiche für das abschließend zwischen dem Antragsgegner und der Beteiligten zu 1. ausgehandelte Auflagenpapier (vom 3. 7. 2002), das die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. dem Antragsgegner am 4. 7. 2002 per E-Mail übersandt haben (Bl. 8567 – 8575 der Verwaltungsakten).
72Zwischen der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002 und dem Erlaß der Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 haben – wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat - drei Gespräche zwischen Staatssekretär Dr. T. (nebst Beamten des BMWi) und dem Vorstandsvorsitzenden der Beteiligten zu 1., H., (nebst weiteren Mitarbeitern) stattgefunden, und zwar am 17. 6., 21. 6. und 3. 7. 2002. Nur über das erste Gespräch existiert in den Verwaltungsakten ein Protokoll (Bl. 8170 – 8174). Staatssekretär Dr. T. leitete dieses Gespräch mit einer skeptischen Bemerkung zu der Frage ein, ob die für eine Ministererlaubnis notwendigen Gemeinwohlgründe bisher hinreichend plausibel gemacht worden seien. Darüber wurde anschließend ohne festes Ergebnis diskutiert. Sodann heißt es im Protokoll: "Unter Offenlassung dieser Frage wurden hypothetisch verschiedene Möglichkeiten für Auflagen diskutiert." Aus dieser Diskussion sind im Protokoll unter den Überschriften "Durchleitungsregime" und "Strukturelle Auflagen" sogleich "Angebot(e) E./R." festgehalten worden, zur letztgenannten Überschrift jedoch nur zur Veräußerung von V.-Anteilen (einschließlich der der R. AG gehörenden V.-Anteile, deren ganze oder teilweise Veräußerung nunmehr denkbar sei). Zum Diskussionsthema der Veräußerung vertikaler Beteiligungen wurde protokolliert, Veräußerungen in diesem Bereich würden im Grundsatz aus der Sicht der Unternehmen die Logik des Konzeptes sprengen; mit der Abgabe der T. (die anscheinend zur Sprache kam) wäre E. überfordert. E. bot sodann ein "Bauernopfer" an (E.-Anteil). Zu weiteren hypothetischen Auflagen (U., G. R.) gab es zurückhaltende ("erst machbar, wenn E. 100 % der R.-Anteile habe") bis ablehnende Stellungnahmen. Staatssekretär Dr. T. hat in diesem Gespräch vom 17. 6. 2002 – laut Vortrag des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vom 24. 7. 2002 – darauf hingewiesen, es komme nur eine Ministererlaubnis mit Auflagen in Frage. Weitere Details zu den Auflagen seien – so der Antragsgegner – zwischen dem BMWi und der Beteiligten zu 1. "auf allen Ebenen verhandelt worden". Das hat die Beteiligte zu 1. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt: Es habe Gespräche über die Auflagen mit mehreren Fassungen des Auflagenpapiers gegeben, bis dann am 3. 7. 2002 der letzte Text der Auflagen fertiggestellt worden sei, der in die Entscheidung vom 5. 7. 2002 eingeflossen sei (Anm.: tatsächlich ist der Verfügungstenor von Ziffer 1.1 bis 1.2.4.4 mit dem letzten Auflagenpapier vom 3. 7. 2002 wortidentisch).
73Dieses letzte, von Staatssekretär Dr. T. ersichtlich als genügend erachtete Auflagen-"Angebot" (so ausdrücklich Rdnr. 140 der angefochtenen Verfügung) oder ausgehandelte Auflagenpapier hätte er als entscheidungserhebliche Erklärung der Beteiligten zu 1. den anderen Verfahrensbeteiligten unbedingt vor seiner eigenen Entscheidung bekannt geben und ihnen dazu rechtliches Gehör gewähren müssen. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
74Im Meinungsstreit der Befürworter und Gegner der Freigabe der Zusammenschlüsse bzw. der Ministererlaubnis waren und sind besonders wichtig die eventuell erforderlichen Auflagen. Innerhalb der gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB unverzichtbaren "Abwägung zwischen Wettbewerbsbeschränkungen und Gemeinwohlgründen" (Verfügung Rdnr. 140 ff.) führt Staatssekretär Dr. T. aus, die von E. angebotenen Auflagen seien geeignet und erforderlich, das Gewicht der vom Bundeskartellamt festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen erheblich zu mindern und das Gewicht der Gemeinwohlvorteile der Fusion E./R. so weit zu erhöhen, daß die Wettbewerbsbeschränkungen von den Gemeinwohlvorteilen aufgewogen werden. Das bedeutet, daß nur allen Auflagen zusammen diese Eignung attestiert wird, und daß, wenn nur eine Auflage ausfiele, erst recht, wenn mehrere Auflagen ausfielen, die mit der Fusion verbundenen Gemeinwohlvorteile unzureichend wären, um die fusionsbedingten Wettbewerbsbeschränkungen in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung zu kompensieren. Die Angebotserklärung der Beteiligten zu 1. oder – mit anderen Worten – das ausgehandelte Auflagenpapier vom 3. 7. 2002 hat Staatssekretär Dr. T. ausweislich Rdnr. 140 seiner Verfügung veranlaßt, die Erlaubnis zu erteilen und dabei die vom "Angebot" gedeckten Auflagen zu machen. Bezüglich der Mehrheit der Angebotselemente
75(ausgenommen also die von der Beteiligten zu 1. schon in den Verfahren vor dem Bundeskartellamt angebotenen Auflagen wie bestimmte eingeschränkte Maßnahmen zur Förderung des Gas-Durchleitungswettbewerbs sowie die Veräußerung folgender E.-eigener Beteiligungen: .. % an B., .. % an G. und .. % an V.; vgl. jeweils Rdnr. 7 der Beschlüsse des Bundeskartellamts vom 17. 1. und 26. 2. 2002)
76steht nach dem Inhalt der Verwaltungsakten und nach den Äußerungen der Beteiligten fest, daß sie – als konkrete Angebots- oder Einverständniserklärung der Beteiligten zu 1. und in dieser Zusammensetzung - nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002 war und auch der Kenntnisnahme der übrigen Beteiligten (jedenfalls der vier Antragstellerinnen) vorenthalten worden ist. Daß gerade diese unter Rdnr. 140 der angefochtenen Verfügung zitierte Erklärung der Beteiligten zu 1. den übrigen Verfahrensbeteiligten hätte bekannt gegeben werden müssen, damit sie einschließlich der Antragstellerinnen Gelegenheit zur Stellungnahme erhielten, ob die jetzt erweitert in Betracht kommenden Auflagen zur Kompensierung der Wettbewerbsbeschränkungen geeignet seien (und dies im Grunde sogar in Form einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, worauf es aber für die Feststellung des Verstoßes gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht mehr entscheidend ankommt), versteht sich nach den vorstehenden Rechtsausführungen (insbesondere unter III. 1. b)) eigentlich von selbst.
77Der Antragsgegner und die Beteiligten zu 1. bis 3. versuchen auch hier, den Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs (durch den Antragsgegner) abzuwehren: Der Umstand, daß die Beteiligte zu 1. noch nach der mündlichen Verhandlung Auflagen "angeboten" habe, sei nicht erheblich. Staatssekretär Dr. T. hätte – unabhängig vom Angebot der Beteiligten zu 1. – die Auflagen erlassen können bzw. – im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – der Erlaubnis hinzufügen müssen, wenn er nach Prüfung des Antrags zu der Einschätzung gelangt wäre, unter Hinzufügung der Auflagen seien die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis erfüllt. Die Kartellbehörde müsse von sich aus prüfen, ob die Genehmigung des Zusammenschlusses unter Auflagen erteilt werden könne. Da dem "Angebot" der Beteiligten zu 1., Auflagen zu akzeptieren, also keine maßgebliche Bedeutung zukomme und die Frage der Erlaubnis unter Auflagen generell Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei, könne nicht der Vorwurf erhoben werden, die Entscheidung sei auf Aspekte gestützt worden (Genehmigung unter Auflagen), die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Im übrigen sei zur Konkretisierung des rechtlichen Gehörs gemäß § 56 Abs. 1 GWB die Vorschrift des § 28 Abs. 1 VwVfG heranzuziehen; danach sei einem Beteiligten nur dann Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern, wenn in seine Rechte eingegriffen werde, also nicht zu Auflagen, die allein die Zusammenschlußbeteiligten belasteten.
78Dem kann nicht beigepflichtet werden. Es kann im jetzigen Verfahrensstadium auf sich beruhen, ob § 28 VwVfG im Kartellverwaltungsverfahrensrecht subsidiär gilt oder durch § 56 Abs. 1 GWB verdrängt wird. Denn es kommt für die Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht auf die isolierte(n) Auflage(n), sondern auf den gesamten Verwaltungsakt an, also auf die Ministererlaubnis unter Auflagen, die die geschützten Interessen der Beigeladenen umso stärker beeinträchtigen, je weniger geeignet die Auflagen sind, die mit dem Zusammenschluß verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen abzumildern und/oder das Gewicht der Gemeinwohlvorteile zu erhöhen. Folglich haben die Beigeladenen, hier: die Antragstellerinnen, ein elementares, unter dem Aspekt des rechtlichen Gehörs geschütztes Interesse daran, vor Erlaß des für sie belastenden Gesamtverwaltungsakts (Erlaubnis unter Auflagen) zu den mit den Zusammenschlußbeteiligten ausgehandelten Auflagen Stellung zu nehmen. Daß dem Auflagen-"Angebot" der Beteiligten zu 1. keine rechtliche ("maßgebliche") Bedeutung zukomme, geht an der Realität vorbei. Vorab ist darauf hinzuweisen, daß in einem gewichtigen Erläuterungswerk die Ansicht vertreten wird, die Zusammenschlußbeteiligten hätten gerade keinen Rechtsanspruch darauf, daß die Kartellbehörde (Bundeskartellamt oder Bundesminister für Wirtschaft) den Zusammenschluß, für den eine Freigabe beantragt worden sei, durch Bedingungen oder Auflagen erlaubnisfähig mache. Die Kartellbehörde könne insoweit Anregungen geben, sei hierzu aber nicht verpflichtet. Vielmehr sei es Sache der Zusammenschlußbeteiligten, auf der Grundlage der von der Kartellbehörde zu konkretisierenden Einwände ihrerseits Vorschläge zur Beseitigung der wettbewerblich bedenklichen Wirkungen des Zusammenschlusses zu unterbreiten (Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 40, Rdnr. 47, und § 42, Rdnr. 43; str.). Selbst wenn man dieser Ansicht nicht folgt und die Kartellbehörde mehr in der Pflicht sieht, an einer Freigabelösung unter Auflagen (mit) zu arbeiten, kann für den Regelfall und konkret für den vorliegenden Fall nicht bezweifelt werden, daß ohne eine Abstimmung mit dem (Haupt-) Zusammenschlußbeteiligten nicht auszukommen ist. Es geht darum, auszuloten, bis zu welcher "Schmerzgrenze" das Unternehmen bereit ist, eine Auflagenlösung mitzutragen, ferner welches von mehreren Auflagenmodellen (Auflagenzusammensetzungen) durchführbar ist oder überhaupt akzeptiert wird (so auch der Antragsgegner, S. 19 seines Schriftsatzes vom 22. 7. 2002), und – vor allem – Ideen des Unternehmens selbst über mögliche Auflagenlösungen aufzugreifen und deren Realisierung mit ihm zu erarbeiten. Demzufolge kann die rechtliche und tatsächliche Bedeutung der letztendlich eine Auflagenlösung anbietenden oder akzeptierenden Erklärung des Zusammenschlußbeteiligten für die in Aussicht genommene Freigabe oder Erlaubnis des Zusammenschlusses – auch und gerade wegen der Variationsvielfalt der in Betracht kommenden Auflagenlösungen (wie der vorliegende Fall instruktiv zeigt) - ernstlich nicht in Zweifel gezogen werden. Dann aber müssen die anderen Verfahrensbeteiligten, deren wettbewerbliche und unternehmerische Interessen durch die Erlaubnis trotz der Auflagen beeinträchtigt werden (wie hier die Antragstellerinnen), zu der konkreten Erklärung des Zusammenschlußbeteiligten (hier: der Beteiligten zu 1.), die die Freigabe/Erlaubnis für die Kartellbehörde (Minister) nach ihrer (seiner) bisherigen Einschätzung erstmals ermöglicht, rechtliches Gehör erhalten. Für die Regeln über die Gewährung rechtlichen Gehörs ist eine solche konkrete Erklärung des Zusammenschlußbeteiligten eine neue Tatsache.
79cc) Als weiteres Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß Staatssekretär Dr. T., indem er es unterlassen hat, den anderen Verfahrensbeteiligten, jedenfalls den vier Antragstellerinnen rechtliches Gehör zu den beiden entscheidungserheblichen (vorstehend unter aa) und bb) behandelten) Erklärungen der Beteiligten zu 1. vom 3. 7. 2002 zu gewähren, beim Erlaß der Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 einen gravierenden Verfahrensfehler begangen hat.
80c) Die Rechtsfolge der unter III. 1. a) und b) behandelten Verfahrensfehler besteht darin, daß die angefochtene Verfügung schon deshalb – wegen jedes einzelnen Verfahrensfehlers - insgesamt (weil unteilbar) rechtswidrig ist (vgl. Bracher a.a.O., Rdnr. 21; Schmidt a.a.O., § 56, Rdnr. 9; Schultz a.a.O., § 56 GWB, Rdnr. 8). Die Erlaubnisverfügung unterliegt (mit hoher Wahrscheinlichkeit) der Aufhebung gemäß § 71 Abs. 2 GWB (vgl. Schmidt a.a.O., § 56, Rdnr. 9), es sei denn, daß als offensichtlich festgestellt werden kann, daß keiner der Verfahrensfehler die Erlaubnisentscheidung in der Sache beeinflußt hat (§ 46 VwVfG). Das hält der Senat für sehr unwahrscheinlich. Dem Minister steht nach verbreiteter Auslegung des § 42 GWB ein weiter Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Vorteile und des überragenden Interesses der Allgemeinheit zur Verfügung (vgl. Mestmäcker/Veelken in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 42 Rdnr. 41). Bei Entscheidungen, für die das materielle Recht der Behörde Beurteilungsspielraum eröffnet (wie hier), wird man in aller Regel nicht annehmen können, es sei offensichtlich, daß Verfahrensfehler, hier vor allem die Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör, die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt haben (allg. Ansicht, vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 46, Rdnr. 32; Knack/Klappstein, VwVfG, 6. Aufl., § 46, Rdnr. 5.1 u. 5.2; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 6. Aufl., § 46, Rdnr. 84, 90 a; ebenso für das Kartellrecht: Bracher, a.a.O., Rdnr. 22). An die Feststellung der Offensichtlichkeit werden hohe Anforderungen gestellt (vgl. Sachs a.a.O., Rdnr. 84 – 86, 89, 90; Obermayer/Schäfer, VwVfG, 3. Aufl., § 46, Rdnr. 30 – 32, mit Beweislast der Behörde, Rdnr. 33 u. 36; Knack/Klappstein, a.a.O., Rdnr. 5.3). Nachträgliche Bekundungen der Behörde (etwa im Prozeß), daß ihre Entscheidung durch diejenigen Stellungnahmen, die vor der Entscheidung verfahrensfehlerhaft nicht eingeholt worden seien, unter keinen Umständen beeinflußt worden wäre, haben keine ausschlaggebende Bedeutung (vgl. BVwerGE 86, 244, 252 f.; Sachs a.a.O., § 46 Rdnr. 87).
81Nach diesen Grundsätzen ist es denkbar unwahrscheinlich, daß dem Antragsgegner der Beweis gelingen wird, es sei offensichtlich, daß keiner der vorstehend behandelten Verfahrensfehler die Sachentscheidung vom 5. 7. 2002 beeinflußt habe. Das gilt auch für das Fernbleiben des Staatssekretärs Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002, nicht zuletzt wegen der verpaßten eigenen individuellen Erkenntnismöglichkeiten, deren Ausmaß von seiner persönlichen Mitwirkung und Gestaltung des Verhandlungstermins mitentscheidend abhing. Das gilt erst recht für die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu den beiden entscheidungsrelevanten Erklärungen der Beteiligten zu 1. vom 3. 7. 2002. Hierzu ist der Einwand des Antragsgegners (und der Beteiligten zu 1. bis 3.) verfehlt, von der Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs durch die Antragstellerinnen wäre kein für die Sachentscheidung erwägenswerter, geeigneter Beitrag zu erwarten gewesen, weil die Antragstellerinnen zuvor grundsätzlich bestritten hätten, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Erlaß der Erlaubnis durch Auflagen hergestellt werden könnten. Der Antragsgegner verkennt, daß sich die Stellungnahmen der Antragstellerinnen auf das "Auflagenpapier" und die konkrete Eignung der angebotenen Auflagen für die mit ihnen erstrebten (Teil-)Ziele konzentrieren konnten und auch die "Investitionserklärung", die in ihrer Unbestimmtheit und dem Fehlen ihrer Durchsetzbarkeit Probleme aufwerfen dürfte, isoliert kritisch würdigen konnten. Daß sich Staatssekretär Dr. T. gegenüber solcher sachlichen Kritik völlig unbeeindruckt gezeigt und verhalten hätte, wird man in der hypothetischen Rekonstruktion des Verfahrens kaum, jedenfalls kaum "offensichtlich" annehmen können.
82Demzufolge muß der Senat bei seiner Ansicht verbleiben, daß aus derzeitiger Sicht und nach dem jetzigen Erkenntnisstand auch bei den gebotenen hohen Anforderungen an die Feststellung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung eine für § 65 Abs. 3 Satz 3 und Satz 1 Nr. 2 GWB hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit für die Aufhebung der Verfügung vom 5. 7. 2002 besteht.
832. Entscheidungszuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft
84Der Senat hatte nach seinen Erkenntnismöglichkeiten im Zeitpunkt des Beschlusses vom 11. 7. 2002 noch in einem weiteren Punkt erhebliche Bedenken (im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB) gegenüber der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung. Da der Antragsgegner ausweislich der schriftlichen Begründung seiner Verfügung überhaupt nicht geprüft hatte, ob er am 5. 7. 2002 gemäß § 35 Abs. 3 GWB in Verbindung mit den Vorschriften der (EWG-) FKVO, insbesondere Art. 1 und Art. 21 Abs. 1 sowie Abs. 2 Unterabsatz 1 FKVO, überhaupt (noch) für die Freigabe der angemeldeten Zusammenschlußvorhaben zuständig war (eine solche Prüfung findet sich im übrigen auch nicht in seinen Verwaltungsakten), und da ferner in den dem Senat zur vorläufigen Prüfung zur Verfügung stehenden Schriftstücken (insbesondere der angefochtenen Verfügung und den beiden Untersagungsbeschlüssen des Bundeskartellamts) immerfort nur von "beabsichtigten" Anteilserwerben und Zusammenschluß-"vorhaben" der Beteiligten zu 1. die Rede war, irgendwelche Vertragdaten aber nicht genannt waren, hatte der Senat ernstliche Zweifel, ob nicht doch – von der Antragstellerin zu 1. vorgetragene und glaubhaft gemachte – Konzernumstrukturierungen im Konzern der Beteiligten zu 1. die Zuständigkeit der nationalen Kartellbehörden in Frage stellten. Die Zweifel sind zwar noch nicht völlig behoben, so daß ihnen voraussichtlich (mit Blick auf die Amtsermittlungsmaxime) im Beschwerde-Hauptverfahren nachgegangen werden muß. Im Hinblick auf die von der Beteiligten zu 1. vorgelegten beiden eidesstattlichen Versicherungen des Herrn Dr. B. H. vom 22. 7. 2002 und des Herrn U. H. vom 22. 7. 2002 (deren näheren Inhalt hier darzustellen kein Anlaß besteht) sind jedoch die Zweifel des Senats an der Entscheidungszuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft (oder seines amtierenden Stellvertreters) zum Zeitpunkt des 5. 7. 2002 auf einen Grad unterhalb der Schwelle "ernstlicher Zweifel" im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB gesunken. Es wird ausdrücklich betont, daß der vorliegende Beschluß und die darin aufrecht erhaltenen und erlassenen einstweiligen Anordnungen nicht (mehr) auf diesen Zweifeln beruhen.
853. Mit Blick auf die die aufrecht erhaltenen und jetzt erst erlassenen Anordnungen bereits tragenden Ausführungen unter III. 1. braucht der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium auf die weiteren Rügen der Antragstellerinnen gegen die angefochtene Verfügung nicht Stellung zu nehmen.
86IV.
87Der erste Absatz des Kapitels III. des Senatsbeschlusses vom 11. 7. 2002 sei hier mit Blick auf die jetzt neu erlassenen einstweiligen Anordnungen zugunsten der Antragstellerinnen zu 3. und 4. der Vollständigkeit halber nochmals wiedergegeben:
88Die unter III. 1. dargestellten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erlaubnis der von der Beteiligten zu 1. angestrebten Zusammenschlüsse rechtfertigen nach dem jetzigen Erkenntnisstand des Senats, die aufschiebende Wirkung der Beschwerden der Antragstellerinnen anzuordnen. Da die der Fusionskontrolle (wie hier) unterliegenden Zusammenschlußvorhaben allenfalls dann wirksam vollzogen werden können, wenn sie vom Antragsgegner – wirksam – erlaubt worden sind, bedeutet die Anordnung des Senats, daß das Vollzugsverbot gemäß § 41 Abs. 1 GWB einstweilen fortdauert (vgl. II. Nr. 2 Satz 1 der Beschlußformel). Die ergänzende Anordnung in II. Nr. 2 Satz 2 der Beschlußformel dient der Unterstützung der Durchsetzung des Vollzugsverbots. Sofern die Beteiligten zu 1. bis 14. mit der Vollziehung der angemeldeten Zusammenschlüsse schon begonnen haben (was nach den Erklärungen der Beteiligten zu 1. bis 3. der Fall ist), bezwecken die weiteren Anordnungen in II. Nr. 3 der Beschlußformel gemäß den §§ 64 Abs. 3, 60 Nr. 3 GWB, den derzeit bestehenden Zustand aufrecht zu erhalten, insbesondere damit die Möglichkeit einer etwaigen Entflechtung nicht tatsächlich weiter erschwert wird.