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Die sofortige weitere Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Be-schluss des Landgerichts Krefeld vom 03.12.2001 wird zurückgewiesen.
Die Landeskasse zahlte an die Betreuerin der am 18.04.2001 verstorbenen Betroffenen eine Vergütung von 5.160,16 DM. Der Bezirksrevisor vertritt die Auffassung, dass die Eltern der Betroffenen als deren Erben auf den nach §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Landeskasse übergegangenen Vergütungsanspruch einen Betrag von 466 DM zu zahlen haben, das ist die Differenz zwischen dem bei Erbfall vorhandenen Aktivvermögen (3.694 DM) und dem den Erben nach § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 92 c Abs. 3 Nr. 1, § 81 BSHG zustehenden Freibetrag von 3.228 DM. Die Erben - Beschwerdegegner - treten dem entgegen und verweisen darauf, dass sie aufgrund des Erbfalls Mietschulden der Erblasserin (1.582,86 DM) und Kosten für die Beerdigung (5.184,64 DM) begleichen mussten.
2Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die aus der Landeskasse gezahlte Betreuervergütung nicht von den Erben zurückzufordern ist.
3Mit seiner als sofortige weitere Beschwerde aufzufassenden weiteren Beschwerde wendet sich der Bezirksrevisor dagegen, dass das Landgericht seine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen hat.
4Das zulässige Rechtsmittel des Bezirksrevisors ist nicht begründet.
5Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 27 Abs. 1 FGG. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht einen Rückzahlungsanspruch gegen die Erben gemäß § 1836 e BGB verneint hat; denn der Nachlass des Betroffenen wies einen Negativsaldo auf.
6Nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB ist die Haftung des Erben auf den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses begrenzt. Die Bestimmung des § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB entspricht der Regelung in § 92 c Abs. 2 Satz 1 BSHG, wonach der Erbe des Sozialhilfeempfängers nur mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe herangezogen werden kann. Mit dieser Begrenzung auf den Nachlass soll vermieden werden, dass der Erbe die Erbschaft ausschlagen (§§ 1942 f BGB) oder seine Haftung nach §§ 1975 f BGB begrenzen muss (BT-Drucksache 13/7158 S.32). Der Erbe soll in die Rechtsposition des Verstorbenen eintreten und genauso haften wie dieser, als er noch lebte. Daraus folgt zunächst, dass der Erbe für die Erblasserschulden, also für die Schulden einzutreten hat, die der Erblasser bereits zu seinen Lebzeiten hatte.
7Umstritten ist dagegen die Frage, wie Schulden, die erst aus Anlass des Todes entstanden sind (sog. Erbfallschulden), haftungsmäßig beim Erben zu behandeln sind. Das sind im vorliegenden Fall nicht nur die Beerdigungskosten, sondern auch die für die Zeit nach dem Tod geschuldete Miete für die Wohnung des Betreuten, weil die Erben trotz sofortiger Kündigung des Mietverhältnisses noch drei Monate Miete zahlen mussten.
8Nach § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB ist auf den Nachlass abzustellen, der "vorhanden" ist, also auf die Differenz zwischen dem in Geld zu veranschlagenden Aktivbestand und den Passiva im Zeitpunkt des Erbfalls (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 61. Aufl., § 2311 Rdnr. 1 bis 3). Passiva sind die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 1 BGB). Dazu gehören auch "die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten" (§ 1967 Abs. 2 BGB), also die Erbfallschulden. Als Grundlage der Haftung der Erben für die Betreuervergütung steht mithin nur der Nachlass abzüglich der Erbfallschulden zur Verfügung (ebenso Soergel/Zimmermann, BGB, 13. Aufl., § 1836 e Rdnr. 16; Deinert, FamRZ 2002, 374, 376; Damrau/Zimemrmann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 e Rdnr. 16; LG Erfurt, FamRZ 1999, 1302; nicht eindeutig: Palandt/Diederichsen, § 1836 e Rdnr. 4). Daher müssen Erbfallschulden, insbesondere die Beerdigungskosten (§ 1986 BGB) - im vorliegenden Fall auch die restlichen Mietkosten - bei der Ermittlung des Nachlasswertes als Passivposten vom Aktivbestand abgezogen werden.
9Die in § 1836 e Abs. 1 Satz 3 BGB enthaltene Verweisung auf § 92 c Abs. 3 BSHG führt zu keiner Erweiterung der Erbenhaftung nach bürgerlichem Recht. Nach § 92 c Abs. 3 Nr. 1 BSHG darf der Anspruch auf Kostenersatz gegen Eltern nicht geltend gemacht werden, wenn der Wert des Nachlasses unter dem Zweifachen des Grundbetrages nach § 81 Abs. 1 BSHG zur Zeit der Entscheidung des Landgerichts, also unter 3.228 DM, liegt. Die Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere die Beerdigungskosten, sind also nicht aus dem Freibetrag zu decken. Vielmehr muss der Freibetrag dem Erben zusätzlich belassen werden (Deinert a.a.O., S. 377). Ein Rückgriff der Staatskasse wegen der Betreuervergütung kommt also nur in Betracht, wenn dem Erben nach Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten mehr als der Freibetrag von 3.228 DM verbleiben würde. Auf die Dürftigkeitseinrede (§ 1990 BGB), auf die der Senat in seinem nicht veröffentlichten Beschluss vom 02.01.2001 - 25 Wx 123/00 - verwiesen hat, braucht sich der Erbe nicht zu berufen.
10Die Gegenmeinung, nach der zur Deckung der Nachlassverbindlichkeiten nur der Freibetrag von 3.228 DM zur Verfügung steht und daher der Anspruch der Staatskasse auf Erstattung der Betreuervergütung vorrangig vor sonstigen Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen sein soll (LG Koblenz, FamRZ 2001, 714; LG Trier, BtPrax 2000, 133), überzeugt nicht. Sie ist mit dem System der Erbenhaftung (§ 1967 f BGB) nicht zu vereinbaren. Zimmermann weist mit Recht darauf hin, dass sie Erbausschlagungen provoziert, was § 1836 e gerade verhindern will (Damrau/Zimmermann a.a.O.).
11Die hier vertretene Ansicht steht im Einklang mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zu dem gleichgelagerten Fall der Erbenhaftung für die dem Erblasser geleistete Sozialhilfe (§ 92 Abs. 2 und Abs. 3 BSHG). Danach gehen die sonstigen Nachlassverbindlichkeiten der Kostenersatzforderung des Sozialhilfeträgers vor. Deshalb sind auch im Sozialhilferecht die Beerdigungskosten (§ 15 BSHG) vom Nachlasswert abzuziehen (BVerwGE 66, 161, 163; OVG Lüneburg, FEVS 31, 197; OVG Münster, NJW 2002, 695).