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b e s c h l o s s e n :
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurück-verwiesen.
G r ü n d e :
2I.
3Das Amtsgericht hat die Angeklagten wegen Förderung der Prostitution in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verstoß gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG jeweils zu - zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafen von vier Monaten verurteilt.
4Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung sachlichen und formellen Rechts rügen, haben mit der Sachrüge - vorläufigen - Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrügen bedarf es nicht, da sie den Rechtsmitteln nicht zu einem weitergehenden Erfolg verhelfen können.
5II.
61.
7Nach den Feststellungen gingen im August 2000 zwei aus Litauen stammende Frauen sowie eine aus der Dominikanischen Republik stammende Frau in einem von den Angeklagten betriebenen Bordell der Prostitution nach. Die Angeklagten gewährten den Frauen gegen Entgelt eine Übernachtungsmöglichkeit in einem Wohnwagen, gaben ihnen bestimmte Arbeitszeiten sowie die für die Erbringung der einzelnen Dienstleistungen jeweils zu verlangenden Preise vor. Das seitens der Kunden gezahlte Entgelt war zunächst an den Angeklagten N............ abzuführen und in ein Notizbuch einzutragen. Nach Prüfung zahlten die Angeklagten die Hälfte des Entgelts an die Frauen aus. Von dem Erlös für verkaufte Getränke erhielten die Frauen eine Provision in Höhe von 50 %. Die Art der vorzunehmenden Sexualpraktiken war den Frauen freigestellt. Auch stand es ihnen frei, mit den Kunden einen höheren Preis als den von den Angeklagten vorgegebenen zu vereinbaren. Die beiden aus Litauen stammenden Frauen verfügten zur Zeit ihrer Beschäftigung in dem Bordell über Touristenvisa, die aus der Dominikanischen Republik stammende Frau über einen "wirksamen Aufenthaltstitel".
82.
9Die Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.
10a)
11Ein nach § 180 a StGB strafbares Verhalten der Angeklagten ist durch die Urteilsgründe nicht belegt.
12Das Amtsgericht hat ausweislich der Urteilsgründe sowie der Liste der angewendeten Strafvorschriften sowohl den Tatbestand des § 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch denjenigen des § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB als erfüllt angesehen. Dabei hat es jedoch verkannt, dass § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB durch das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (ProstG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3983) mit Wirkung zum 1. Januar 2002 ersatzlos aufgehoben wurde. Nach der Neufassung macht sich somit nur noch derjenige strafbar, der gewerbsmäßig einen Betrieb unterhält oder leitet, in dem die dort tätigen Prostituierten in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden. Da § 180 a Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. nur solche Handlungen erfasste, die nicht bereits nach § 180 a Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. strafbar waren (vgl. BGHR StGB § 180 a Abs. 1, Konkurrenzen 1), handelt es sich bei der zum Zeitpunkt des Urteilserlasses geltenden Neufassung um das gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwendende mildere Gesetz.
13Die von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung gemäß § 180 a Abs. 1 StGB (n.F.) nicht. Aus den Feststellungen ergibt sich bereits nicht, dass die von den Angeklagten in dem Bordell beschäftigten Frauen in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten wurden. Gehalten werden Prostituierte in den genannten Abhängigkeitsverhältnissen nur dann, wenn der Zustand durch eine gezielte und fortdauernde Einwirkung einseitig, d.h. gegen den freien Willen der Prostituierten, herbeigeführt oder aufrechterhalten wird (vgl. Schönke/Schröder/Lenckner/Perron, 26. Auflage, § 180 a Rn. 8).
14Allein der Umstand, dass die von den Angeklagten beschäftigten Frauen in einem von diesen zur Verfügung gestellten Wohnwagen nächtigten, ihnen bestimmte Arbeitszeiten und Preise vorgegeben wurden und ihnen das zunächst abzuführende Entgelt nach einem festgelegten Satz von den Angeklagten ausbezahlt wurde, besagt nichts darüber, ob und in welcher Weise durch diese Arbeitsbedingungen Einfluss auf den Willen der Frauen ausgeübt wurde, die Prostitutionstätigkeit einzustellen, bzw. sie davon abgehalten wurden, sie unter anderen, für sie günstigeren Bedingungen fortzusetzen. Die Urteilsgründe sprechen vielmehr dafür, dass den Frauen bei der Ausübung ihrer Prostitutionstätigkeit trotz der Vorgaben der Angeklagten ein das "Halten in Abhängigkeit" ausschließendes Maß an Entscheidungsfreiheit verblieb. So wurde von dem Angeklagten N........... bei der Arbeitseinteilung Rücksicht auf die zeitlichen Vorstellungen der Frauen genommen. Neben den anzubietenden Sexualpraktiken war es den Frauen darüber hinaus auch freigestellt, mit den Kunden einen höheren als den von den Angeklagten vorgegebenen Mindestpreis zu vereinbaren. Mit einer gegen den freien Willen der Frauen gerichteten Einwirkung der Angeklagten sind diese Feststellungen nicht zu vereinbaren. Vielmehr belegen sie, dass den Frauen trotz der von den Angeklagten zu verantwortenden Organisation des Betriebsablaufs ein hinreichendes Maß an Autonomie verblieb. Insbesondere die ihnen gegebene Möglichkeit, die Art der mit den Kunden durchzuführenden Sexualpraktiken selbst zu bestimmen, belegt, dass es ihnen möglich war, auf ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen selbst dann Einfluss zu nehmen, wenn dies dem Erwerbsinteresse der Angeklagten zuwiderlief.
15b)
16Eine Änderung des Schuldspruchs wegen einer - von der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage angenommenen - Straftat nach § 180 a Abs. 2 Nr. 2 StGB scheidet auf der Grundlage der Feststellungen aus. Nach § 180 a Abs. 2 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer eine andere Person, der er zur Ausübung der Prostitution Wohnung gewährt, zur Prostitution anhält oder im Hinblick auf die Prostitutionstätigkeit ausbeutet.
17Der Begriff des Anhaltens setzt eine andauernde und nachdrückliche Beeinflussung voraus (vgl. BGH NStZ 1983, 220). Eindeutige Feststellungen dazu, ob die Angeklagten die drei Frauen in diesem Sinne angehalten haben, lassen sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Alleine aus den dargestellten Arbeitsbedingungen ergibt sich noch keine nachhaltige Einflussnahme auf den Entschluss der Frauen, ihre Tätigkeit in dem Bordell fortzusetzen. Dass einer der Angeklagten die Frauen hierzu ausdrücklich aufgefordert hätte, ist ebenfalls nicht festgestellt. Auch ansonsten ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, dass die Angeklagten über die Schaffung der Arbeitsbedingungen hinaus Einfluss auf den Willen der Frauen genommen hätten.
18Aus den Feststellungen ergibt sich auch kein strafbares Verhalten nach der Ausbeutungsalternative des § 180 a Abs. 2 Nr. 2 StGB. Der Begriff der Ausbeutung verlangt ein planmäßiges und eigensüchtiges Ausnutzen der Prostitutionsausübung als Erwerbsquelle, das zu einer spürbaren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Prostituierten führt (vgl. BGH NStZ 1989, 67). Ob eine spürbare Verschlechterung der Vermögenslage in diesem Sinne eingetreten ist, ist anhand der Einnahmen und Ausgaben der Prostituierten zu beurteilen und setzt daher Feststellungen zu deren Höhe voraus (vgl. BGH a.a.O.; StV 1984, 334). Vorliegend ist zwar festgestellt, dass die Angeklagten nur 50 % der von den Frauen eingenommenen Beträge an diese auszahlten und den Rest für sich behielten. Weitergehende Angaben zu dem konkreten Verdienst der Frauen und ihrer sich hieraus ergebenden Lebensumstände enthält das Urteil jedoch nicht. Zwar kann die Einbehaltung eines hälftigen Anteils die Annahme nahe legen, es liege Ausbeutung vor (vgl. BGH bei Holtz MDR 1977, 282). Gleichwohl macht dies die Darlegung der Gesamteinnahmen und - ausgaben in einem Fall wie dem vorliegenden nicht entbehrlich. Denn nach den Feststellungen liegt es nahe, dass von dem durch die Angeklagten einbehaltenen Anteil auch die mit der Prostitutionsausübung verbundenen Unkosten gedeckt worden sind, so dass für die Beurteilung, ob eine Ausbeutung vorliegt, nicht alleine auf die Verteilung des Bruttoerlöses abgestellt werden kann (vgl. BGH NStZ 1989, 67).
19c)
20Schließlich belegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils auch keine Straftat nach § 181 a Abs. 1 StGB, so dass eine Änderung des Schuldspruchs auch insoweit nicht in Betracht kommt.
21Hinsichtlich der Tatbestandsalternative des § 181 a Abs. 1 Nr. 1 StGB (ausbeuterische Zuhälterei) fehlt es bereits an der Darlegung einer Ausbeutung (s.o.). Auch ein strafbares Verhalten nach § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB (dirigierende Zuhälterei) lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt in allen Begehungsweisen eine von dem Vorsatz des Täters getragene, bestimmende Einflussnahme auf die Prostitutionsausübung voraus; eine bloße Unterstützung reicht nicht aus (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 232; NStZ 1983, 220; BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2, Dirigieren 2; BayObLG NJW 1977, 1209 [1210]). Erfolgt das Überwachen der Prostituierten oder das Bestimmen der Umstände der Prostitutionsausübung im Rahmen einer betrieblichen Organisation, ohne dass konkrete Anweisungen erteilt werden, so müssen die von dem Täter zu verantwortenden Maßnahmen in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Prostituierte in Abhängigkeit zum Täter zu halten, ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen, sie zu nachhaltiger Prostitutionsausübung anzuhalten oder ihre Entscheidungsfreiheit in sonstiger Weise zu beeinflussen (vgl. BGHR StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2, Dirigieren 2).
22Hierfür fehlt es in dem angefochtenen Urteil jedoch an tragfähigen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand. Zwar führte der Umstand, dass die von den Kunden erhaltenen Entgelte - zunächst - an den Angeklagten N............ abzuführen waren, dazu, dass dieser Kenntnis von der Höhe der jeweiligen Einnahmen erlangte und unmittelbaren Zugriff auf die eingenommenen Gelder erhielt. Ein derartiges Vorgehen ist auch grundsätzlich geeignet, eine tatbestandsmäßige Überwachung im Sinne des § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB zu begründen (vgl. BGH NStZ 1986, 358 [359]; NStZ 1982, 379). Zur Strafbarkeit führt es jedoch nur dann, wenn es auch auf eine Überwachung abzielt. Denn der Begriff des Überwachens setzt einen über die bloße Kenntnis und Billigung der Tatumstände hinausgehenden Überwachungszweck voraus (vgl. Lackner/Kühl, StGB, 24. Auflage, § 181 a Rn. 8), der sich allerdings auch aus den objektiven Umständen ergeben kann. Aus diesem Grunde hat der Tatrichter sämtliche, den Betriebsablauf kennzeichnenden Gegebenheiten im Rahmen einer zusammenfassenden Würdigung daraufhin zu beurteilen, ob sie in ihrer Gesamtheit einer Überwachung der Prostituierten dienen (vgl. BGHR § 181 a Abs. 1 Nr. 2, Dirigieren 1; so im Ergebnis auch BGH NStZ 1986, 358 [359], wo ausdrücklich auf den Zweck des Abrechnungssystems abgestellt wurde). Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Das Amtsgericht hat die betriebliche Organisation des Bordells zwar dargestellt, diese jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt einer hiermit möglicherweise bezweckten Überwachung der Prostituierten gewürdigt. Es versteht sich auch nicht von selbst, dass eine
23Inempfangnahme des Entgelts vor der späteren Auszahlung durch den Bordellbetreiber stets der Überwachung der Prostituierten dient. Eine solche Maßnahme kann auch den im Interesse der Prostituierten liegenden Zweck haben, sie von der Verantwortung für die Aufbewahrung der Geldmittel zu entbinden und zu verhindern, dass sie von Kunden oder von Dritten gegen ihren Willen zur Herausgabe des Geldes veranlasst wird. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die Frauen die vereinnahmten Beträge in ein Notizbuch einzutragen hatten. Denn auch dieser - grundsätzlich zur tatbestandsmäßigen Überwachung geeigneten - Maßnahme muss nicht der Zweck einer bestimmenden Einflussnahme auf die Prostituierten zugrundeliegen. Sie kann vielmehr auch die Funktion haben, eine ordnungsgemäße, unstreitige Abrechnung zwischen den Prostituierten und dem Bordellbetreiber sicherzustellen und damit auch im Interesse der Prostituierten getroffen worden sein.
24Da das angefochtene Urteil eine Gesamtwürdigung des von den Angeklagten zu verantwortenden Betriebsablaufs im Hinblick auf eine damit möglicherweise verbundene tatbestandsmäßige Überwachung gerade in subjektiver Hinsicht vermissen lässt, kann der Senat nicht ausschließen, dass sich in einer neuen Hauptverhandlung Umstände ergeben, die gegen eine von den Angeklagten bezweckte Überwachung der Prostituierten sprechen. Dies gilt umso mehr, als das Amtsgericht den festgestellten Sachverhalt selbst nicht unter § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB subsumiert hat, obwohl er auch nach dieser Vorschrift zur Anklage gebracht worden war.
25d)
26Schließlich tragen die Feststellungen auch nicht die Verurteilung wegen Beihilfe zu einem Verstoß gegen das Ausländergesetz.
27Ausweislich der Urteilsformel sowie der Liste der angewendeten Strafvorschriften erfolgte eine Verurteilung wegen Beihilfe zu einem Verstoß gegen § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Diese Vorschrift stellt denjenigen unter Strafe, der unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um für sich oder einen anderen eine Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung zu beschaffen, oder eine so beschaffte Urkunde wissentlich zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht. Feststellungen hierzu sind jedoch nicht getroffen. Insbesondere ist nicht festgestellt, dass die beiden aus Litauen stammenden Frauen bereits mit der Absicht der späteren Prostitutionsausübung in die Bundesrepublik eingereist sind, dies bei der Beantragung der Einreisevisa verschwiegen haben (vgl. hierzu BGH StV 2000, 357 [359]) und dass die beiden Angeklagten zudem hiervon Kenntnis gehabt hatten.
28Soweit das Amtsgericht die Verurteilung ausweislich der - insoweit in Widerspruch zu der Urteilsformel stehenden - rechtlichen Würdigung darauf gestützt hat, die Angeklagten hätten den beiden aus Litauen stammenden Frauen Beihilfe zu einem unerlaubten Aufenthalt in der Bundesrepublik geleistet (§ 27 Abs. 1 StGB, § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), ist auch dies durch die Feststellungen nicht belegt. Das Urteil führt selbst aus, dass diese Frauen über gültige Touristenvisa verfügten. Da ein Visum eine besondere Form der Aufenthaltsgenehmigung ist (§ 3 Abs. 3 AuslG), ergibt sich bereits aus den Feststellungen, dass die Frauen jedenfalls eine Aufenthaltsgenehmigung im Sinne des § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG hatten, sich die Angeklagten mithin schon aus diesem Grunde nicht der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt der Frauen in der Bundesrepublik schuldig gemacht haben können.
29III.
30Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).