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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 22.01.1999 abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.800,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.09.1998 zu zahlen. Die weitergehende Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
2E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
3Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises für die Teppiche in Höhe von 12.800,-- DM nebst Zinsen zu. Der im Rahmen einer Klageerweiterung geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges ist jedoch, ebenso wie die Widerklage, abzuweisen.
4I. Der Kaufvertrag der Parteien unterliegt nach Art. 28 EGBGB dem türkischen Recht, weshalb die Vorschriften des Haustürgeschäftewiderrufsgesetztes (HaustürWG) keine Anwendung finden können.
5Eine nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB grundsätzlich zulässige Rechtswahl haben die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent getroffen. Weder das Kaufvertragsformular noch außerhalb dieser Urkunde liegende Umstände lassen auf eine Vereinbarung, welches Recht Anwendung finden soll, Rückschlüsse zu. Über diesen Umstand besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.
6Es ist deshalb gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB zu ermitteln, zu welchem Recht der Vertrag die engsten Verbindungen aufweist. Dies führt zu dem Ergebnis, daß türkisches Recht Anwendung findet.
7Nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB, der eine widerlegbare Rechtsvermutung eigener Art darstellt (Münchener-Kommentar/Martiny, Internationales Privatrecht, 3. Auflage, Art 28 EGBGB Rn. 17), wird vermutet, daß der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort, bzw. ihre Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung hat. Für die Bestimmung der charakteristischen Leistung ist maßgebend, welche Verpflichtungen für einen Vertrag typisch sind (MK-Martiny, aaO, Rn. 28). Stehen sich eine Geld- und eine Naturalleistung gegenüber, so wird das Vertragsverhältnis in der Regel durch die Leistung der Partei charakterisiert, welche die Naturalleistung zu erbringen hat. Nicht ausschlaggebend ist, welche Leistung stärker normiert ist oder leichter zu Rechtsstreitigkeiten Anlaß geben kann (MK-Martiny, aaO, Rn. 30 mwN). Beim Fahrniskauf ist dieses die Sachleistung (MK-Martiny, aaO, Rn. 32), im zu entscheidenden Fall also die Leistung der Klägerin.
8Auch die Gesamtheit der übrigen Umstände ergibt nicht, daß der Vertrag engere Verbindungen zum deutschen Recht aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB). Die Vertragssprache (Deutsch und Englisch) und die Währung (DM) geben nur einen schwachen Hinweis auf die Rechtsordnung des Landes, in dem sie Verwendung finden (MK-Martiny, aaO, R. 78 und 86). Auch die Vereinbarung, daß die Ware dem Kunden frei Haus geliefert wird (vgl. den Kaufvertrag, Bl.31) läßt keinen Rückschluß auf die Anwendung deutschen Rechts zu. Es handelt sich hierbei um eine übliche Regelung im internationalen Warenverkehr. Im deutschen Handelsverkehr beinhaltet die Klausel "Lieferung frei Haus" keinen typischen eindeutigen Inhalt (BGH, NJW 1984, 567; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1993, 1316 (1317). Sie wird aber mit zunehmender Tendenz nicht nur als Kosten-, sondern als Gefahrtragungsregel ausgelegt (OLG Karlsruhe, aaO, mwN). Doch selbst wenn man davon ausgeht, daß vorliegend eine Bringschuld der Klägerin vorlag mit der Folge, daß ihr Leistungs- bzw. Erfüllungsort beim Wohnsitz des Beklagten lag, ändert dies nichts an der Vermutung, daß die engsten Verbindungen zum türkischen Recht bestehen. Denn der Erfüllungsort bildet keinen selbständigen Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der "engsten Verbindung" gemäß Art. 28 Abs. 1 EGBGB. Vielmehr läßt Art. 28 EGBGB erkennen, daß anderen Faktoren - wie der Niederlassung der Parteien - ein größeres Gewicht zukommt als dem Erfüllungsort (MK-Martiny, aaO, Rn. 81 mwN).
9Soweit der Kaufvertrag darüberhinaus bestimmt, daß die Abnahme der Ware eine Hauptpflicht des Kunden darstellt, ergibt sich auch aus diesem Umstand nichts anderes. Ein Hinweis auf die Anwendung deutschen Rechts ist darin nicht zu sehen, weil nach diesem die Abnahme lediglich eine Nebenpflicht des Käufers ist. Sie kann nur bei ausdrücklicher Vereinbarung zur Hauptpflicht gemacht werden (vgl. nur Palandt-Putzo, BGB, 58. Auflage, § 433 Rn. 36 mwN).
10Auch der Hinweis in dem Kaufvertragsformular, daß sich die Klägerin keiner unseriösen Haustürgeschäfte bedienen würde, läßt keinen Rückschluß auf die Anwendung deutschen Rechts zu. Vielmehr enthält dieser Passus nur die unverbindliche Anpreisung eines Geschäftsgebarens der Klägerin.
11Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Vertrag dem türkischen Recht unterliegt, da er aufgrund des Sitzes der Klägerin als Verkäuferin in der Türkei mit diesem die engsten Verbindungen aufweist (vgl. auch den vergleichbaren Fall OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1396 f.) und die übrigen im Zusammenhag mit dem Vertragsschluß zu Tage getretenen Umstände die Vermutung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB nicht widerlegt haben. Vielmehr enthält der Kaufvertrag auch den Hinweis darauf, daß ein Rücktritt vom Vertrag nicht möglich sei, da die türkischen Exportbestimmungen eine Wiedereinfuhr der Waren untersagen.
12Eine unmittelbare Anwendung des Art. 29 EGBGB scheidet aus, weil die Klägerin keine Absatztätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland entfaltet hat. Der geschlossene Kaufvertrag fällt mithin nicht in den situativen Anwendungsbereich dieser Vorschrift (vgl. insoweit auch MK-Martiny, aaO, Art. 29 EGBGB Rn. 18).
13Eine entsprechende Anwendung des Art. 29 EGBGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ein Verbraucher, der im Ausland Waren einkauft, kann dort nicht erwarten, daß ihm das Heimatrecht ins Ausland folgt und ihn dort schützt (vgl. die amtl. Begründung, BT-Drucksache 10/504, S. 80; siehe auch BGH, NJW 1997, 1697 (1699); OLG Düsseldorf, aaO). Ein inländischer Kunde, der sich auf den ausländischen Markt begibt, muß sich in der Regel mit dem jeweiligen Standard dieses Marktes zufriedengeben (MK-Martiny, aaO, Art. 29 EGBGB Rn. 18 mwN).
14Auch über Art. 34 EGBGB ist das HaustürWG nicht anzuwenden. Zwar wäre trotz der aus Art. 28 EGBGB folgenden Anwendung türkischen Rechts das HaustürWG anzuwenden, wenn es sich dabei um eine zwingende Vorschrift i. S. von Art. 34 EGBGB handeln würde und Art. 34 EGBGB im vorliegenden Fall anwendbar wäre. Ersteres kann dahingestellt bleiben, denn letzteres ist wegen des Vorranges von Art. 29 EGBGB nicht der Fall. In der amtlichen Begründung zu Art. 34 EGBGB (BT-Drucksache 10/504, S. 83) ist ausgeführt, daß zwingende Vorschriften zum Schutz einzelner nur dann angewendet werden können, soweit in Art. 29 EGBGB für den Bereicht des Verbraucherschutzes nicht schon speziellere Regeln getroffen worden seien; soweit das der Fall sei, seien diese Vorschriften im Verhältnis zu Art. 34 EGBGB Spezialvorschriften, die die allgemeinere Norm verdrängten. Eine Anwendung des Art. 34 EGBGB käme deshalb in Betracht, wenn sich die Regelung des Art. 29 EGBGB als lückenhaft erweise. Im vorliegenden Fall wäre Art. 29 Abs. 1 EGBGB anwendbar, wenn die Klägerin auf dem deutschen Markt tätig geworden wäre. Da dies nicht der Fall ist, beruht die Nichtanwendung des HaustürWG auf einer in sich geschlossenen Regelung des Gesetzes. Auch in solchen Fällen greift der Vorrang des Art. 29 EGBGB gegenüber Art. 34 EGBGB durch (vgl. BGH, NJW 1994, 262 (264). Folglich ist eine Sonderanknüpfung des HaustürWG über Art. 34 EGBGB ausgeschlossen, wenn es an dem in Art. 29 Abs. 1 Nrn. 2-3 EGBGB vorausgesetzten Inlandsbezug fehlt (BGH, NJW 1997, 1697 (1699).
15II. Nach Art 208 des türkischen Obligationengesetzes (OG) ist der Beklagte als Käufer verpflichtet, den Preis entsprechend den Bestimmungen des Vertrages zu bezahlen und die gekaufte Sache abzunehmen. Der Beklagte schuldet mithin die Zahlung des Kaufpreises. Seine Widerklage ist folglich abzuweisen.
16Soweit sich der Beklagte gegen seine Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung wendet, trägt er Gründe vor, die einen Rücktritt nach dem türkischen Gesetz Nr. 4077 zum Verbraucherschutz (Zweiter Teil, Art. 4) rechtfertigen sollen. Sein dahingehendes Vorbringen ist jedoch nicht substantiiert. Der Beklagte behauptet pauschal, ein Teppich (welcher?) sei nicht mit einer Million Knoten pro Quadratmeter geknüpft und enthalte neben Seide auch anderes Fabrikationsmaterial. Woher er diese Kenntnisse hat, gibt er nicht an, vielmehr deutet alles darauf hin, daß er diese Behauptungen "ins Blaue hinein" aufstellt.
17Die Teppiche selbst hat er lediglich anlässlich des Kaufs am 05.01.1998 gesehen, wobei ihm zu diesem Zeitpunkt keine dahingehenden Zweifel kamen. Dies belegt auch sein Schreiben vom 06.01.1998, in dem er als Grund für seinen Rücktritt vom Vertrag lediglich anführte, er habe die Teppiche zu "erheblich überhöhten Preisen gekauft" (Schreiben vom 06.01.1998). Gleiches wiederholt der Beklagte in seinem Schreiben vom 08.03.1998. Auch in dem anwaltlichen Schreiben vom 21.07.1998 werden keine Mängel der Teppiche behauptet, vielmehr beruft sich der Beklagte dort lediglich auf die Anwendung des HaustürWG. Erstmals in der Klageerwiderung vom 22.10.1998 wird vorgetragen, es seien auch andere Materialien als Seide verarbeitet worden und der Teppich sei mit wesentlich weniger Knoten geknüpft als zugesichert. Woher diese Annahme stammt und auf welche Umstände sie sich gründet, gibt der Beklagte nicht an. Deshalb ist sein Vorbringen zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Teppichs bzw. der Teppiche unsubstantiiert.
18§ 138 Abs. 1 ZPO ist im vorliegenden Fall anzuwenden, weil im Prozeßrecht grundsätzlich die lex fori gilt (Zöller-Geimer, ZPO, 21. Auflage, IZPR Rn. 1).
19Ein Rücktrittsgrund des Beklagten folgt auch nicht aus Art. 8 des vorgenannten Gesetzes. Er hat folgenden Wortlaut: "Haustürgeschäfte über mehr als 1.000.000 TL, die außerhalb des Arbeitsplatzes, einer Messe oder Ausstellung abgeschlossen werden, ohne daß dabei die Eignung des Gegenstandes überprüft wird, sind Kaufgeschäfte, die unter der Bedingung der Erprobung und Überprüfung abgeschlossen werden. Bei derartigen Kaufgeschäften darf der Verbraucher die Ware bis zum Ende der 7-Tage-Frist zur Erprobung und Überprüfung zurückgeben, ohne daß es eines Einverständnisses oder der Angabe eines Beweggrundes bedarf. ..."
20Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht ausgegangen werden, da der Vertragsschluß in den Geschäftsräumen der Klägerin erfolgte, die Ware vorlag und der Beklagte somit Gelegenheit zur Überprüfung vor Ort hatte.
21Ein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges des Beklagten steht der Klägerin nicht zu, ihre dahingehende Klageerweiterung ist unzulässig. Zu den Voraussetzungen eines Annahmeverzuges gemäß Art. 90 OG hat die Klägerin in der Berufungsbegründung, in deren Rahmen sie diese Klageerweiterung vorgenommen hat, vorzutragen. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, welcher als lex fori Anwendung findet (s.o.), sind Angaben zum Grund des geltend gemachten Anspruchs zu machen (vgl. Zöller-Greger, aaO, § 253 Rn. 13). Dem genügt das Vorbringen der Klägerin, welches sich mit keinem Wort zu den Voraussetzungen des Annahmeverzuges verhält, nicht.
22Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
23Anlaß, die Revision gemäß § 546 Abs. 1 ZPO zuzulassen, besteht nicht.