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1. Der Angeklagte wird wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, vorsätzlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung, sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung unter Einbeziehung der durch rechtskräftiges Urteil des AG Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds 42/21 (921 Js 1053/21)) verhängten Einzelfreiheitsstrafen von drei Monaten und von zwei Monaten und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
2. Der Angeklagte wird weiterhin wegen Bedrohung sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit einem sexuellen Übergriff unter Einbeziehung der durch rechtskräftiges Urteil des AG I. vom 22.11.2022 (Az.: 12 Ds 43/22 (10 Js 2238/22)) verhängten Geldstrafe von 100 TS zu je 15 € zu einer weiteren
Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten
verurteilt.
3. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung gelten betreffend der Gesamtfreiheitsstrafe unter Ziffer 1 der verhängten Strafe 2 Monate als vollstreckt.
4. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die der Nebenklägerin erwachsenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Strafvorschriften: §§ 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1, 223 Abs. 1, 230, 239 Abs. 1, 241 Abs. 1 a.F., 241 Abs. 2, 303 Abs. 1, 303c, 52, 53, 54, 55 StGB
Gründe:
2I.
3(Persönliche Verhältnisse)
4Der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 30-jährige Angeklagte wurde in I. geboren und besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
5Die Eltern des Angeklagten leben gemeinsam mit dem jüngeren, 23 Jahre alten Bruder des Angeklagten in Wuppertal. Die Mutter des Angeklagten leidet unter einer Gehbehinderung, sie ist zu 80 % schwerbehindert und pflegebedürftig. Die Pflege der Mutter des Angeklagten übernimmt dessen Vater. Die Eltern des Angeklagten erhalten staatliche Unterstützungsleistungen sowie Pflegegeld. Der Bruder des Angeklagten hat eine Berufsausbildung als Industriemechaniker erfolgreich abgeschlossen. Sowohl zu seinen Eltern als auch zu seinem Bruder pflegt der Angeklagte einen sehr guten Kontakt.
6Der Angeklagte ist regelgerecht beschult worden und hat einen Hauptschulabschluss nach dem 10. Schuljahr erlangt. Hiernach hat er eine Ausbildung zum Garten- und Landschaftsbauer bei einem Betrieb in I. begonnen, diese aber nach 2 Jahren abgebrochen, weil er mit dem schulischen Teil der Ausbildung überfordert war. Dennoch arbeitete der Angeklagte in seinem Ausbildungsbetrieb noch für ca. 5-6 Jahre weiter. Danach war er ca. 1-2 Jahre lang arbeitslos, bevor er für ca. zwei bis drei Jahre als Hilfsarbeiter im Garten- und Landschaftsbau in einem Betrieb arbeitete, welcher sich im Hinterhof seiner damaligen Wohnung in der Z.-straße. befand.
7Im Zeitpunkt des Beginns der Hauptverhandlung übte der Angeklagte seit zwei Wochen einen „Minijob“ bei der Firma „A.“ in I. aus. Der vorgenannte Betrieb verlegt in ganz Deutschland Glasfaserkabel. Der Angeklagte, welcher am 04.03.2024 einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit der vorgenannten Baufirma für eine Vollzeit-Anstellung als Bauhelfer ab dem 15.03.2024 unterzeichnet hat, ist im Rahmen von Montagetätigkeiten auf wechselnden Baustellen in Deutschland tätig und würde in Vollzeit ca. 2.000,00 - 2.400,00 € brutto verdienen. Vor der Anstellung bei der Firma „A.“ erhielt der Angeklagte für mehrere Monate Leistungen vom Jobcenter.
8Der Angeklagte ist im Zeitpunkt der Hauptverhandlung wohnungslos und übernachtet abwechselnd bei einer Freundin oder seinem Cousin. Zudem befindet er sich aufgrund seiner neuen Tätigkeit bei der Firma „A.“ regelmäßig für mehrere Wochen auf Montage, wo ihm durch die vorgenannte Firma eine Unterkunft gestellt wird. Darüber hinaus befindet sich der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung auf Wohnungssuche.
9Der Angeklagte lebt derzeit nicht in einer festen Beziehung.
10Er hat von Geburt an eine Gehbehinderung linksseitig und ist infolgedessen zu 40 % schwerbehindert. Unter psychischen Erkrankungen leidet der Angeklagte nicht.
11Der Angeklagte trinkt unregelmäßig Alkohol, zumeist zum „Feiern“. In diesem Zusammenhang kann es auch mal dazu kommen, dass der Angeklagte härteren Alkohol oder Alkohol in erheblichen Mengen konsumiert. Er trinkt allerdings nicht jede Woche oder jedes Wochenende, Abhängigkeitssymptome sind weder in der Vergangenheit aufgetreten noch treten solche aktuell auf. Im Tatzeitraum kam es häufiger, aber weiterhin nicht täglich zum Alkoholkonsum, insbesondere dann, wenn sich der Angeklagte mit der Nebenklägerin gestritten hatte. Ob mit der Häufigkeit des Alkoholkonsums auch eine Mengensteigerung einherging, konnte in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden.
12Im Alter von 17 oder 18 Jahren begann der Angeklagte mit dem Konsum von Marihuana. Allerdings fand er an diesem Konsum – er konsumierte Cannabis ein bis zwei Mal im Monat – keinen Gefallen und beendete ihn – bis auf ganz wenige Ausnahmen – bereits nach ca. ein bis zwei Jahren wieder. Durch seinen Freundes- und Bekanntenkreis kam der Angeklagte vor etwa drei bis vier Jahren erstmalig mit Kokain in Berührung. Ab diesem Zeitpunkt konsumierte er zum „Feiern“ mehrfach in der Woche nasal Kokain, allerdings weder dauerhaft noch täglich. Falls der Angeklagte konsumierte, belief sich der Konsum zumeist auf 1 - 1,5 Gramm pro Tag, dessen Wirkung bei dem Angeklagten für ca. drei bis vier Stunden anhielt. Betreffend den Tatzeitraum ist die Kammer zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass es häufiger zum Konsum gekommen ist; ob mit der Häufigkeit des Kokainkonsums auch eine Mengensteigerung einherging, konnte in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden. Die Einnahme von Kokain führte bei dem Angeklagten dazu, dass dieser sich wacher und aktiver fühlte. Letztmals konsumierte der Angeklagte Kokain ca. einen Monat vor der Hauptverhandlung, Entzugserscheinungen traten bei dem Angeklagten zu keinem Zeitpunkt auf; bevor er die Nebenklägerin kennenlernte, konsumierte er für ein Jahr gar nicht.
13Der Angeklagte ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten:
14Das Amtsgericht Wuppertal verurteilte den Angeklagten am 20.11.2015 wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Az.: 23 Ds 170/15 (10 Js 776/15)) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 €, am 07.03.2016 wegen Erschleichens von Leistungen in zwei Fällen (Az.: 23 Cs 43/16 (522 Js 7006/15)) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15,00 €, am 29.04.2016 wegen Erschleichens von Leistungen (Az.: 23 Cs 134/16 (722 Js 1143/16)) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 €, am 17.11.2016 wegen Erschleichens von Leistungen (Az.: 23 Cs 350/16 (622 Jsw 6291/16)) zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15,00 €, am 28.05.2018 wegen Betruges (Az.: 12 Cs 120/18 (422 Js 1479/18)) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 € und am 21.01.2020 wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln sowie Erschleichens von Leistungen (Az.: 12 Ds 109/19 (10 Js 237/19)) zu einer Geldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 15,00 €.
15Am 07.12.2020 (Az.: 12 Cs 336/20 (722 Js 6719/20)) und am 07.09.2021 (Az.: 12 Cs 159/21 (922 Js 1961/21)) erließ das Amtsgericht Wuppertal zwei Strafbefehle gegen den Angeklagten, jeweils wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Die in den vorgenannten Strafbefehlen verhängten Geldstrafen wurden mit Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 14.01.2022 (Az.: 12 Cs 159/21 (922 Js 1961/21)) zu einer nachträglich gebildeten Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 20,00 € zusammengeführt. Wegen Nichtzahlung der vorgenannten Gesamtgeldstrafe verbüßte der Angeklagte vom 25.04.2023 bis zum 02.05.2023 eine Ersatzfreiheitsstrafe. Im Anschluss daran tilgte der Angeklagte die (Rest-) Gesamtgeldstrafe vollständig.
16Am 16.11.2021 wurde der Angeklagte von dem Amtsgericht Wuppertal wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt (Az.: 12 Ds 42/21 (921 Js 1053/21)). Die Bewährungszeit läuft noch bis zum 23.11.2024. In den Urteilsgründen stellte das Amtsgericht I. zur Sache folgendes fest:
17„1.
18Am 26.11.2020 führten der Angeklagte und seine Lebensgefährtin, die Zeugin V. in der Wohnung der Zeugin Q.-straße in I. eine streitig geführte Auseinandersetzung. Hintergrund war eine gesteigerte Eifersucht des Angeklagten. Im Verlauf der Auseinandersetzung schlug der Angeklagte der Zeugin V. mit der flachen Hand in das Gesicht, so dass sie – wie beabsichtigt – Schmerzen erlitt.
192.
20Als die Zeugin daraufhin die Wohnung über den Flur verlassen wollte, versperrte er ihr für eine Dauer von etwa fünf Minuten den Weg. Sodann verständigte der Angeklagte die Polizei und die Zeugin V. wartete im Badezimmer hinter verschlossener Tür, bis die Polizei eintraf.“
21Zur Strafzumessung führte das Amtsgericht Wuppertal im weiteren Verlauf wie folgt aus:
22„Im Rahmen der Strafzumessung ist vom Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB auszugehen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsieht. Für die Freiheitsberaubung sieht § 239 Abs. 1 StGB einen entsprechenden Strafrahmen vor.
23Zugunsten des Angeklagten konnte seine geständige Einlassung wie auch der Umstand berücksichtigt werden, dass er sich bei der Geschädigten entschuldigt und mit ihr versöhnt hat. Zu seinen Lasten muss sich auswirken, dass er bereits mehrfach, obgleich nicht einschlägig, vorbestraft ist.
24Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hält das Gericht für die vorsätzliche Körperverletzung eine kurze Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten und für die Freiheitsberaubung eine kurze Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Monaten für tat- und schuldangemessen. Die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen war zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich gem. § 47 Abs. 2 StGB. Der Angeklagte, der in der Vergangenheit zahlreiche Geldstrafen erhalten hat, wäre mit einer erneuten Geldstrafe nicht mehr hinreichend zu beeindrucken gewesen.
25Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da die berechtigte Erwartung besteht, dass sich der Angeklagte diese erste Freiheitsstrafe zur Warnung dienen lasse und künftig auch ohne Strafvollstreckung keine neuen Straftaten mehr begehen wird.“
26Zuletzt verurteilte das Amtsgericht Wuppertal den Angeklagten am 22.11.2022 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 € (Az.: 12 Ds- 10 Js 2238/22-43/22)). In den gemäß § 267 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz StPO abgekürzten Urteilsgründen führte das Amtsgericht folgendes aus:
27„Der festgestellte Sachverhalt und das angewendete Strafgesetz ergeben sich aus dem zugelassenen Anklagesatz, auf den Bezug genommen wird. Angewendet wurden die im Urteilstenor aufgeführten Bestimmungen.“
28Das Amtsgericht Wuppertal hat in dem vorgenannten Urteil unter Bezugnahme auf den Anklagesatz der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 05.08.2022 festgestellt, dass der Angeklagte am 22.05.2022 gegen 09:10 Uhr in seiner Wohnung, Z.-straße. in I., insgesamt 0,70 Gramm (netto) Marihuana sowie 0,30 Gramm (brutto) Marihuana-Tabak-Gemisch verwahrt hat.
29Die vorgenannte Geldstrafe ist zum Zeitpunkt der hiesigen Hauptverhandlung noch nicht vollständig beglichen.
30II.
31(Feststellungen zur Sache)
321. (Tat zu Ziffer 1. der Anklageschrift vom 12.01.2023)
33a. Vortatgeschehen
34Der Angeklagte, zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt, und die 20-jährige Nebenklägerin lernten sich Anfang des Jahres 2020 kennen und gingen wenig später, im Januar 2020, eine Beziehung ein. Ganz zu Beginn handelte es sich um eine harmonische Beziehung, aufgrund welcher die Nebenklägerin, die im Jahr 2018 einen Selbstmordversuch begangen hatte, sich danach kurzzeitig wegen Depressionen in therapeutischer Behandlung befand und seitdem Antidepressiva einnahm, eine derartige Stabilisierung erfuhr, dass sie die Einnahme der Antidepressiva beenden konnte. Spätestens seit Anfang Mai 2020 war die Beziehung des Angeklagten und der Nebenklägerin von Streitigkeiten geprägt. Auslöser dieser Streitigkeiten war regelmäßig die gesteigerte Eifersucht des Angeklagten.
35Während ihrer Beziehung probierten der Angeklagte und die Nebenklägerin an einem Abend, an welchem die Nebenklägerin Alkohol getrunken hatte und dadurch etwas lockerer geworden war, mittels einer App Sexspiele aus. Hierbei kam es auch zum Analverkehr. Die Nebenklägerin stellte dabei fest, dass sie Analverkehr nicht mochte und teilte dies dem Angeklagten auch mit. In der Folgezeit kam es zu keinem weiteren, einvernehmlichen Analverkehr.
36Am 02.05.2020 trennte sich die Nebenklägerin von dem Angeklagten. Zur Begründung gab sie dem Angeklagten gegenüber an, dass sie wieder Single sein, dass sie wieder „frei sein wolle“. Der Angeklagte, der diese Trennung nicht akzeptieren wollte und die Nebenklägerin im Nachgang zu der Trennung massiv bedrohte, schrieb der Nebenklägerin am 09.05.2020 wiederholt Nachrichten, in denen er sie anbettelte, zu ihm in seine Wohnung in der N.-straße in I. zu kommen. Gegen 04:00 Uhr gab der Angeklagte an, dass er Suizidgedanken habe. Solche Gedanken hatte er zuvor noch nicht gegenüber der Nebenklägerin geäußert; vielmehr wollte er die Nebenklägerin unter diesem Vorwand zu sich in die Wohnung locken, um sich für die Trennung zu rächen.
37Die Nebenklägerin machte sich daher mit dem Taxi auf den Weg zu dem Angeklagten. Auf seinen Wunsch hin unterbrach die Nebenklägerin ihre Taxifahrt und kaufte für den Angeklagten an einer Tankstelle eine große Flasche Desperados.
38b. Tatgeschehen
39Als die Nebenklägerin die Räumlichkeiten in der N.-straße in I. betrat, begrüßte der Angeklagte – nachdem er die Wohnungstür von innen abgeschlossen und den Schlüssel eingesteckt hatte – sie mit den Worten: „So, jetzt bist Du hier und jetzt siehst Du!". Der Angeklagte hatte von Beginn an geplant, die Nebenklägerin unter dem Vorwand des Suizides in seine Wohnung zu locken, was er der Nebenklägerin nunmehr auch offenbarte. Als die Nebenklägerin ihn daraufhin aufforderte, die Tür aufzuschließen, damit sie gehen könne, lachte der Angeklagte und sagte, dass sie die Wohnung nicht verlassen werde.
40Der Angeklagte forderte die Nebenklägerin auf, ihm ihr Mobiltelefon auszuhändigen, um Chatverläufe und Nachrichten der Nebenklägerin lesen und kontrollieren zu können. Die Nebenklägerin, welche tatsächlich nach der Trennung von dem Angeklagten am 02.05.2020 auch mit anderen Männern gechattet hatte, weigerte sich, worauf der Angeklagte ihr mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Er forderte erneut das Mobiltelefon, woraufhin die Nebenklägerin wahrheitswidrig angab, dass der Akku leer sei. Dies glaubte ihr der Angeklagte nicht und holte das Mobiltelefon der Nebenklägerin aus deren Handtasche heraus.
41Da die Nebenklägerin laut weinte und der Angeklagte Sorge hatte, entdeckt zu werden, zog er ein Butterflymesser mit einem orangenen Griff und einer 6 cm langen, schwarzen Klinge aus der hinteren Hosentasche, klappte es auf und hielt es der Nebenklägerin im Oberschenkel- und Bauchbereich vor. Das vorgenannte Butterflymesser führte der Angeklagte gemeinsam mit einem weiteren Klappmesser regelmäßig bei sich.
42Der Angeklagte schaltete das Mobiltelefon der Nebenklägerin ein, stellte zunächst fest, dass die Nebenklägerin wegen des Akkustandes gelogen hatte und durchsuchte nachfolgend sämtliche Chatverläufe und Kontakte der Nebenklägerin. Als der Angeklagte in dem Mobiltelefon der Nebenklägerin einen Chatverlauf mit einem anderen Mann auffand, wurde er sehr wütend und schlug immer wieder mit der flachen Hand und Fäusten auf den Kopf der Zeugin ein, bis diese in einer Ecke des Raumes zu Boden ging. Der Angeklagte warf der Nebenklägerin vor, „dreckig“ zu sein, weil sie mit einem anderen Mann schreibe und dann noch zu ihm komme.
43Als die Nebenklägerin versuchte, aus dem Fenster zu fliehen, boxte der Angeklagte ihr schmerzhaft auf den linken Oberarm und schubste sie auf die Couch.
44Im weiteren Verlauf musste die Nebenklägerin die Toilette aufsuchen. Hierbei begleitete sie der Angeklagte. Im Anschluss setzte sich die Nebenklägerin wieder auf den Boden und nahm eine Beruhigungstablette ein.
45Der Angeklagte forderte die Nebenklägerin nunmehr auf, sich zu entkleiden. Er äußerte: "Ich werde Dich gleich noch in den Arsch ficken!" und fügte hinzu, dass die Nebenklägerin die Wohnung erst verlassen werde, wenn er seine Ankündigung in die Tat umgesetzt habe. Die Nebenklägerin erwiderte, dass sie dies nicht wolle. Zudem wusste der Angeklagte aufgrund früherer Äußerungen der Nebenklägerin, dass diese Analsex nicht mochte und nicht wollte. Der Angeklagte zog daraufhin erneut das Butterflymesser aus der hinteren Hosentasche, klappte es auf, hielt es mit der Spitze an das Bein und den linken Oberschenkel der Nebenklägerin und sagte: "Du hast die Wahl!".
46Die Nebenklägerin versuchte, den Arm des Angeklagten wegzuschieben. Er steckte zunächst das Messer in seine Hosentasche. Als die Nebenklägerin sagte, dass sie sich nicht ausziehen wolle, zog er das Messer erneut hervor und stach ein Loch in die Jacke der Nebenklägerin. Diese zog daraufhin aus Angst ihre Hose aus.
47Als die Nebenklägerin versuchte, den Notruf zu wählen und das Mobiltelefon einen lauten Ton von sich gab, stach der Angeklagte mit dem Messer auf das Mobiltelefon ein, bis es ein Loch in der Mitte des Displays hatte und funktionsunfähig war. Sodann steckte der Angeklagte das Messer erneut weg.
48Er forderte die Nebenklägerin nunmehr auf, ihre Jacke und ihr Top auszuziehen. Lediglich mit einer Unterhose bekleidet lag die Nebenklägerin auf der Couch des Angeklagten. Sie deckte sich mit einer rosafarbenen Decke zu, die sie von dem Angeklagten erhalten hatte. Nachdem der Angeklagte eine Zigarette geraucht hatte, zog er seine Kleidung aus und forderte die Nebenklägerin auf: „Blas mir einen.". Aufgrund der Gesamtumstände kam die Nebenklägerin der Aufforderung aus Angst vor weiteren körperlichen Übergriffen nach und befriedigte den Angeklagten mehrere Minuten oral, wobei dieser kein Kondom trug.
49Der Angeklagte forderte die Nebenklägerin sodann auf, auch ihre Unterhose auszuziehen. Er nahm die Decke, mit der die Nebenklägerin zugedeckt war und forderte sie auf, sich hinzulegen. Als die Nebenklägerin "nein" sagte, entgegnete der Angeklagte, dass er ihr das Messer, welches der Angeklagte jederzeit griffbereit neben sich auf den Couchtisch gelegt hatte, in ihr Bein stechen werde, wenn sie die Unterhose nicht ausziehe. Er nahm dazu das Messer in seine Hand. Die Nebenklägerin kam der Aufforderung aus Angst nach und legte sich – nachdem sie ihre Unterhose ausgezogen hatte – auf den Bauch. Der Angeklagte übergoss die Nebenklägerin sodann mit Wasser und führte seinen erigierten Penis in ihren After ein. Als die Nebenklägerin weinte und versuchte zu schreien, drohte er ihr, dass er sie mit Kabelbindern fesseln würde, wenn sie nicht leise sei. Der Angeklagte penetrierte die Nebenklägerin anschließend für ca. fünf Minuten anal bis zum Samenerguss. Auch hierbei trug er kein Kondom. Die Nebenklägerin wandte sich währenddessen auf Grund massiver Schmerzen unter dem Angeklagten und sagte, dass sie das nicht wolle und er aufhören solle.
50Als die Nebenklägerin im weiteren Verlauf nach einem Toilettenbesuch zurückkehrte, forderte der Angeklagte sie auf, erneut Oralverkehr an ihm vorzunehmen. Dieser Aufforderung kam die Nebenklägerin aus Angst erneut für ca. drei Minuten nach. Danach verlangte der Angeklagte, dass die Nebenklägerin sich wieder hinlegen sollte, woraufhin diese erwiderte, dass sie dies nicht wolle. Daraufhin nahm der Angeklagte erneut das Butterflymesser vom Tisch und hielt es in Richtung der Nebenklägerin. Er forderte sie auf, sich auf den Rücken zu legen und die Beine breit zu machen. Die Nebenklägerin kam dieser Aufforderung aus Angst nach. Der Angeklagte beugte sich über die Nebenklägerin, legte ihre Beine auf seinen Schultern ab, drohte erneut, die Nebenklägerin zu fesseln und drang, ohne Kondom, zunächst anal mit seiner Penisspitze in den After der Nebenklägerin ein. Sodann drang er vaginal mit seinem erigierten Penis in die Nebenklägerin ein. Hiernach erneut anal. Die Nebenklägerin drückte sich weg und warf sich auf den Boden. Der Angeklagte ließ von der Nebenklägerin ab.
51Die Nebenklägerin durfte sich sodann anziehen und beabsichtigte, die Wohnung zu verlassen. Der Angeklagte ließ sie jedoch nicht gehen und verlangte, dass sie bei ihm schlafen solle. Aus Angst kam die Nebenklägerin dieser Aufforderung nach.
52Im weiteren Verlauf fing der Angeklagte immer wieder Gespräche mit der Nebenklägerin an. Sobald ihm die Antworten der Nebenklägerin nicht gefielen, boxte er sie in den Rücken.
53Erst am frühen Abend des 09.05.2020 durfte die Nebenklägerin die Wohnung des Angeklagten unter seiner Drohung, bloß niemandem etwas zu erzählen, verlassen und ist zu sich nach Hause gefahren.
54Zu Gunsten des Angeklagten ist die Kammer davon ausgegangen, dass er in der Tatnacht Kokain und Alkohol konsumiert hat. Welche Mengen der Angeklagte in welchen Abständen zu sich genommen hat, vermochte die Kammer in der Hauptverhandlung nicht aufzuklären mit Ausnahme der von der Nebenklägerin auf Wunsch des Angeklagten mitgebrachten Flasche Desperados, welche der Angeklagte in der Tatnacht getrunken hat.
55Der Angeklagte wirkte bei der gesamten, mehraktigen Tatausführung sehr klar; er litt nicht unter einem Realitätsverlust, Intoxikationsanzeichen waren nicht erkennbar. Auch ansonsten waren weder seine Steuerungs- noch seine Handlungsfähigkeit in irgendeiner Weise eingeschränkt oder gar aufgehoben.
56c. Nachtatgeschehen
57Im Nachgang zu dem zuvor beschriebenen Tatgeschehen kontaktierte der Angeklagte die Nebenklägerin mehrmals und bekundete, dass er bereue, was er getan habe. Daraufhin war sich die Nebenklägerin nicht sicher, ob sie das Tatgeschehen aus der Nacht vom 09.05.2020 bei der Polizei zur Anzeige bringen sollte.
58Erst als sich die Angeklagte im weiteren Verlauf ihrer Tante, Frau O., anvertrauen konnte und diese ihr ihre Unterstützung zusicherte, erstattete die Nebenklägerin am 12.05.2020 gegen 18:20 Uhr Strafanzeige bei der Polizeiwache in I. und stellte Strafantrag wegen aller in Betracht kommender Delikte. Nach Aufforderung durch das zuständige Kriminalkommissariat erschien die Nebenklägerin im weiteren Verlauf des 12.05.2020 gegen 19:00 Uhr erneut auf der Polizeiwache I., um die von ihr am 09.05.2020 getragene Kleidung, darunter einen Slip sowie einen Pyjama, auszuhändigen. Gegen 20:30 Uhr desselben Tages suchte die Zeugin Kriminaloberkommissarin (KOKin) W. die Nebenklägerin bei deren Tante auf und fertigte Lichtbilder der von der Nebenklägerin am 09.05.2020 erlittenen Verletzungen. Die Nebenklägerin wurde anschließend von ihrer Tante in das T. in I. zwecks ärztlicher Untersuchung im Hinblick auf eine Sexualstraftat begleitet. Dort wurden unter anderem ein Vaginalabstrich sowie eine vaginale Ultraschalluntersuchung durchgeführt.
59Sowohl am Vaginalabstrich der Geschädigten als auch im Schrittbereich ihres Slips konnte Sperma des Angeklagten nachgewiesen werden.
60Die Nebenklägerin verspürte aufgrund der wiederkehrenden Schläge in ihr Gesicht und gegen ihren Kopf einen brennenden Schmerz in ihrem linken Ohr, sodass sie am 12.05.2020 einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufsuchte, welcher eine traumatische Trommelfellperforation linksseitig diagnostizierte. Das Ohr wurde daraufhin abgeklebt, schlechter hören konnte die Nebenklägerin dadurch aber nicht. Nach einer Kontrolluntersuchung war eine weitere ärztliche Behandlung nicht vonnöten, dauerhafte Schäden blieben nicht zurück.
61Weiterhin erlitt die Nebenklägerin aufgrund der wiederkehrenden Schläge des Angeklagten Hämatome im Gesicht und an den Oberarmen. Durch den Analverkehr erlitt sie Schmerzen am After.
62Auch erinnerte sich die Nebenklägerin an die Tatnacht in Form von „Flashbacks“; wie oft und wie lange die Nebenklägerin unter solchen „Flashbacks“ litt, vermochte die Kammer nicht aufzuklären. In psychiatrischer Behandlung befand sich die Nebenklägerin zu keinem Zeitpunkt.
63Im Wege der einstweiligen Anordnung erwirkte die Nebenklägerin am 14.05.2020 bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Wuppertal unter anderem ein Näherungsverbot gegen den Angeklagten, welches bis zum 13.11.2020 befristet war.
642. (Tat zu Ziffer 2. der Anklageschrift vom 12.01.2023)
65a. Vortatgeschehen
66Im Oktober 2020 trafen sich der Angeklagte und die Nebenklägerin bei deren Cousine, welche auch der Angeklagte kannte, wieder. Der Angeklagte beteuerte der Nebenklägerin gegenüber wiederholt, dass er den Vorfall aus der Nacht zum 09.05.2020 bereue und es ihm leidtue. Kurz darauf ging die Nebenklägerin erneut eine Beziehung mit dem Angeklagten ein.
67b. Tatgeschehen
68In der Nacht des 12.11.2020 – die Nebenklägerin hatte den Angeklagten zu sich eingeladen und die beiden hatten gemeinsam eine 0,7 Liter Flasche Wodka getrunken – kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin auf der Straße Q.-straße in I. zunächst zu einer verbalen Streitigkeit. Im weiteren Verlauf schlug der Angeklagte der Nebenklägerin mit der flachen Hand in das Gesicht. Als der Angeklagte die Nebenklägerin erneut schlug, verlor diese ihr Bewusstsein.
69Aufgrund der Schläge durch den Angeklagten erlitt die Nebenklägerin Schmerzen sowie eine gerötete linke Wange und eine Prellmarke um das linke Auge herum.
703. (Tat zu Ziffer 3. der Anklageschrift vom 12.01.2023)
71Die Nebenklägerin erwachte im weiteren Verlauf der Nacht auf den 12.11.2020 nackt auf dem Rücken liegend. Der Angeklagte befand sich – ebenfalls nackt – über ihr. Es entwickelte sich erneut eine verbale Streitigkeit. In dessen Verlauf gab der Angeklagte an, die Familie der Nebenklägerin, insbesondere die Geschwister der Nebenklägerin, töten zu wollen, wovon diese sich – wie von dem Angeklagten vorausgesehen und beabsichtigt – bedroht fühlte. Die Nebenklägerin bedrohte den Angeklagten im weiteren Verlauf für wenige Sekunden mit einem Küchenmesser.
72Im Nachgang zu dem Geschehen in der Nacht auf den 12.11.2020 unterzog sich die Nebenklägerin auf Anraten der hinzugerufenen Polizeibeamten einer ärztlichen Untersuchung wegen einer vermeintlichen Sexualstraftat. Anhaltspunkte für eine Sexualstraftat ergaben sich nicht.
734. (Tat zu Ziffer 4. der Anklageschrift vom 12.01.2023)
74a. Tatvorgeschehen
75Nach der unter Ziffer 2. und 3. näher beschriebenen Tat am 12.11.2020 brach die Mutter der Nebenklägerin Ende des Jahres 2020 für insgesamt ca. 3 Jahre lang den Kontakt zu ihrer Tochter ab. Darunter litt die Nebenklägerin sehr, da sie hierdurch auch keinen Kontakt mehr zu ihren jüngeren, bei ihrer Mutter wohnenden Geschwistern hatte. Im Mai des Jahres 2021 zogen der Angeklagte und die Nebenklägerin gemeinsam in eine Wohnung in der Z.-straße. in I..
76b. Tatgeschehen
77In den Morgenstunden des 19.03.2022 gegen 04:00 Uhr – die Nebenklägerin kam von einem Geburtstag zurück, eine Freundin hatte sie mit dem Auto vor die Haustüre der gemeinsamen Wohnung in der Z.-straße gefahren – kam es zu einer weiteren verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin. Grund hierfür war erneut die Eifersucht des Angeklagten, der vom Fenster aus beobachtet hatte, dass sich in dem Wagen der Freundin der Nebenklägerin auch eine männliche Person – hierbei handelte es sich um einen Freund der Freundin der Nebenklägerin – befand. Der Angeklagte rief aus dem Fenster der Wohnung der sich noch vor dem Haus befindlichen Nebenklägerin zu „Ich bringe Deine Familie um! Ich bringe Deine Geschwister um! Ich bringe Dich um!“, wovon die Nebenklägerin sich – wie von dem Angeklagten vorausgesehen und beabsichtigt – bedroht fühlte. Daraufhin rief die Nebenklägerin die Polizei, mit deren Hilfe sie Sachen aus der Wohnung schaffen konnte.
78c. Nachtatgeschehen
79Nachdem die Nebenklägerin die gemeinsame Wohnung verlassen hatte, versuchte sie eine anderweitige Unterkunftsmöglichkeit zu organisieren. Hierzu rief sie unter anderem ihren Vater an, erreichte diesen jedoch nicht.
805. (Tat zu Ziffer 5. der Anklageschrift vom 12.01.2023)
81Ungefähr eine halbe Stunde nach dem Verlassen der gemeinsamen Wohnung – der Nebenklägerin war es nicht gelungen, eine anderweitige Unterkunft für sich zu finden – erhielt die Nebenklägerin einen Anruf des Angeklagten und begab sich erneut in die gemeinsame Wohnung. Dort schlug der Angeklagte ihr unvermittelt mit der flachen Hand auf die linke Wange.
82Im Anschluss daran rauchte der Angeklagte eine Zigarette und die Nebenklägerin legte sich ins Bett. Unmittelbar danach schlug der Angeklagte der Nebenklägerin erneut mit der flachen Hand auf die Wange und versuchte, ihr das Mobiltelefon zu entreißen. Er ließ erst von der Nebenklägerin ab, als diese mit dem Mobiltelefon auf den Kopf des Angeklagten schlug. Im weiteren Verlauf griff der Angeklagte in die Hose der Nebenklägerin und tastete deren Intimbereich ab, um zu erfühlen, ob sie sich rasiert habe. Die Nebenklägerin sagte dem Angeklagten, dass sie nicht angefasst werden wolle. Daraufhin schlug der Angeklagte der Nebenklägerin mit der Faust gegen die rechte Schläfe.
83Die Nebenklägerin erlitt Schmerzen im Bereich des linken Auges sowie Kopfschmerzen und konnte nur verschwommen sehen.
846.
85Bei Begehung sämtlicher vorgenannter Taten war weder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vermindert noch war ein vollständiger Ausschluss der Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit gegeben.
86III.
87(Beweiswürdigung)
881.
89Die unter Ziffer I. getroffenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf dessen insoweit glaubhaften Angaben sowie ergänzend auf der Aussage der Nebenklägerin und den in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunden, namentlich dem Arbeitsvertrag des Angeklagten mit der Firma „A.“ vom 04.03.2024, dem Bundeszentralregisterauszug betreffend den Angeklagten vom 05.03.2024 sowie den auszugsweise verlesenen Urteilen des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds 42/21 (921 Js 1053/21)) und vom 22.12.2022 (Az.: 12 Ds-10 Js 2238/22).
902.
91Die Feststellungen zu dem Tatvorwurf unter Ziffer 1. der Anklageschrift vom 12.01.2023 beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, den glaubhaften Angaben der Nebenklägerin, des Polizeikommissars (PK) M., der KOKin W., der KOKin K., des Kriminalhauptkommissars (KHK) U. sowie auf den belastbaren Bekundungen der Sachverständigen, Frau Dr. D.. Des Weiteren beruhen die unter Ziff. II. 1. getroffenen Feststellungen auf den in der Hauptverhandlung jeweils verlesenen Urkunden, namentlich dem Strafantrag der Nebenklägerin vom 12.05.2020 (Bl. 4 d. A.), dem ärztlichen Untersuchungsbericht wegen einer Sexualstraftat vom 12.05.2020 (Bl. 16-20 d. A.), dem Gutachten aus dem Bereich DNA-Analytik / Serologie vom 28.11.2022 (Bl. 459-463 d. A.), der Abschrift von Audio-Dateien vom 13.05.2020 (Bl. 22-23 d. A.), den Chatverläufen (Bl. 24-29 d. A.) – diese wurden mit den Verfahrensbeteiligten auch in Augenschein genommen –, dem Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 13.05.2020 (Bl. 121-123 d. A.), der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts – Familiengerichts – Wuppertal vom 14.05.2020 (Az.: 63 F 118/20; Bl. 131-133 d. A.) und dem ermittlungsrichterlichen Vernehmungsprotokoll vom 15.12.2021 (Bl. 340-361 d. A.) sowie auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern von den Verletzungen der Geschädigten (Bl. 61-68 d. A.), der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Skizze der Wohnung des Angeklagten (Bl. 102 d. A.) sowie auf dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbild aus der Beiakte Js 5549/20 (dort Bl. 55), wobei die dort enthaltenen Mitteilungen verlesen worden sind.
92a.
93Zunächst beruhen die unter Ziff. II. 1. getroffenen Feststellungen, soweit sie den äußeren Tathergang mit Ausnahme der Verwendung des Butterflymessers betreffen, auf der durch den Verteidiger in der Hauptverhandlung verlesenen und mit Zustimmung des Angeklagten als seine eigene Erklärung zu wertenden Einlassung. Hiernach räumt der Angeklagte den Anklagevorwurf ein, wobei er sich an Einzelheiten aufgrund des Konsums von Alkohol, Kokain und Marihuana im Tatzeitraum und des Umstandes, dass die Taten zeitlich länger zurücklägen, nicht positiv erinnern könne. Er sei jedoch sicher, dass die Nebenklägerin in ihren Vernehmungen die Wahrheit gesagt habe und dass ihre in der Ermittlungsakte befindlichen und in der Anklageschrift zugrunde gelegten Aussagen im Wesentlichen zutreffend seien. Sodann erfolgt in Bezug auf die Einlassung des Angeklagten eine erste Einschränkung, indem er angibt, dass er sich gar nicht vorstellen könne, ein Messer verwendet zu haben, er sei sich sogar sicher, kein Messer besessen und auch keines verwendet zu haben. Im weiteren Verlauf seiner Einlassung bekundet der Angeklagte, dass er zutiefst Reue über das empfinde, was er der Nebenklägerin angetan habe. Seine Taten seien nicht aus Bösartigkeit oder aus feindlicher Gesinnung gegenüber den Nebenklägerin erfolgt, vielmehr habe er die Nebenklägerin sehr geliebt, habe sie jeden Tag bei sich haben, habe für sie sorgen wollen und seine ganze Zukunft mit ihr geplant. Hiernach erfolgt die zweite Einschränkung innerhalb der Einlassung des Angeklagten, indem er ausführt, er habe aber auch das Gefühl gehabt, dass die Nebenklägerin solche sexuellen Handlungen im Ergebnis billigen würde. Er habe auch vorher schon, über einen längeren Zeitraum, in ähnlicher Weise mit der Nebenklägerin Sex gehabt, leichte bis mittelmäßige Gewalt im Rahmen von Sexspielen sei in ihrer Beziehung eigentlich normal gewesen. Die Initiative für solche Spiele sei von dem Angeklagten ausgegangen, die Nebenklägerin habe das letzten Endes aber alles gebilligt, insbesondere auch Analsex habe sie gebilligt. Im Laufe der Beziehung habe der Angeklagte gelernt, dass der Wille der Nebenklägerin im Rahmen von Sexspielen habe gebeugt werden können, selbst dann, wenn die Nebenklägerin manche Spiele zunächst abgelehnt habe. Er habe sodann nicht mehr klar trennen können, wann die Nebenklägerin etwas ablehne und wann sie es nach einem bestimmten Drängen des Angeklagten billige. Erst später, nachdem die Nebenklägerin verletzt gewesen sei, habe der Angeklagte erkannt, dass er die Situation völlig falsch erfasst habe. Heute wisse er, an einem völligen Realitätsverlust gelitten zu haben, was sicherlich auch auf seinen Drogen- und Alkoholkonsum zurückzuführen sei. Abschließend schilderte der Angeklagte sein allgemeines Empfinden in Bezug auf die Beziehung zu der Nebenklägerin. Jeder Gedanke, dass die Nebenklägerin sich eines Tages entfernen könnte, habe ihm schlimmste seelische Schmerzen bereitet bis hin zu selbstschädigenden Gedanken. Er habe die Nebenklägerin in Gedanken bereits geheiratet, eine Familie mit ihr gegründet. Der Angeklagte habe sich gedanklich wie emotional vollständig von der Nebenklägerin abhängig gemacht und die Zeit wie in Trance erlebt. Anfangs habe die Nebenklägerin es geschätzt, dass der Angeklagte sie so liebe. Irgendwann habe sie ihn jedoch mit Geringschätzung behandelt; sie habe ihm gezeigt, frei bleiben zu wollen und Interesse für andere Männer zu haben. Sie habe mit anderen Männern geflirtet, was den Angeklagten fast zum Herzstillstand gebracht habe. Letztlich habe sich der Angeklagte in Verlustängsten und anderen negativen Gedanken verloren. Er habe sich selbst nicht mehr steuern können und jeden Tag Alkohol und Kokain konsumiert. Auch die Nebenklägerin habe mit ihm konsumiert. Zudem sei sie immer wieder zu dem Angeklagten zurückgekehrt und habe diesem das Gefühl gegeben, dass sie das alles irgendwie doch möge.
94b.
95Wie bereits näher ausgeführt, hat der Angeklagte den äußeren Tathergang mit Ausnahme der Verwendung des Messers in der Tatnacht eingeräumt. Das insoweit erfolgte Geständnis des Angeklagten deckt sich im Übrigen mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung belastbar bekundet, dass sie wenige Tage vor dem 09.05.20202 mit dem Angeklagten Schluss gemacht habe. Sie habe einfach nicht mehr mit ihm zusammen sein wollen, sie habe wieder frei sein wollen. Sie hätten sich allerdings auch weiterhin geschrieben, auch mal miteinander telefoniert. In der Nacht auf den 09.05.2020 habe der Angeklagte ihr sodann geschrieben, dass er sich das Leben nehmen werde, wenn die Nebenklägerin nicht zu ihm kommen würde. Selbstmordgedanken habe der Angeklagte der Nebenklägerin zuvor gegenüber nicht geäußert. Die Nebenklägerin sei sodann mit einem Taxi zu dem Angeklagten in dessen Wohnung gefahren. Zwischendurch habe sie noch an einer Tankstelle angehalten, da der Angeklagte sie gebeten habe, ihm Alkohol mitzubringen. Zunächst habe der Angeklagte die Nebenklägerin in der Wohnung begrüßt als ob nichts wäre. Dann habe er die Haustür von innen verschlossen und zu der Nebenklägerin gesagt: „Das war alles mein Plan. Ich wollte, dass du hierhin kommst“. Der Angeklagte habe dann sofort das Handy von der Nebenklägerin herausverlangt. Diese habe ihn angelogen und gesagt, dass ihr Akku leer sei, was der Angeklagte nicht geglaubt habe. Der Angeklagte habe dann sein Butterflymesser genommen und die Nebenklägerin unter Vorhalt des Messers erneut aufgefordert, ihm ihr Handy zu geben. Der Aufforderung sei die Nebenklägerin sodann nachgekommen. Der Angeklagte habe das Handy der Nebenklägerin, welches diese kurz zuvor ausgeschaltet habe, eingeschaltet und die Nebenklägerin nach ihrer PIN gefragt. Sie habe ihm die PIN nicht genannt, dem Angeklagten sei es aber dennoch irgendwie gelungen, das Handy zu entsperren. Sofort habe der Angeklagte damit begonnen, das gesamte Handy zu durchsuchen, habe sich insbesondere Chatverläufe sowie die Kontakte der Nebenklägerin angesehen. Nach der Trennung von dem Angeklagten habe die Nebenklägerin auch mit anderen Männern geschrieben, was der Angeklagte nunmehr herausgefunden habe. Er sei sodann sehr sauer geworden, habe das Handy der Nebenklägerin mehrfach vor die Wand geschmissen und letztendlich mit dem Messer durchstochen, sodass das Handy der Nebenklägerin ein Loch in der Mitte des Displays aufgewiesen habe. Hiernach habe der Angeklagte die Nebenklägerin in die Ecke des Raumes geschmissen, sie in ihr Gesicht geschlagen und sie anschließend unter Vorhalt seines Messers gezwungen, sich auszuziehen. Die Nebenklägerin habe sodann zunächst ihren Cardigan ausgezogen, darunter habe sie noch ein Top getragen. Sie habe sich hiernach vorerst geweigert, sich weiter auszuziehen. Als der Angeklagte die Nebenklägerin allerdings unter Vorhalt seines Messers – die Nebenklägerin habe die Klinge des Messers zu diesem Zeitpunkt an ihrem Bein gespürt – dazu aufgefordert habe, sich weiter auszuziehen, sei die Nebenklägerin dem nachgekommen. Während die Nebenklägerin sich ausgezogen habe, habe der Angeklagte wiederholt mit der Hand auf sie eingeschlagen. Irgendwann sei sie dann halt nackt gewesen und habe sich auf die Couch legen sollen. Der Angeklagte habe sich dann ebenfalls ausgezogen und sein Messer neben sich auf den Couchtisch gelegt, sodass es für ihn jederzeit griffbereit gewesen sei. Er habe die Nebenklägerin aufgefordert, sich auf den Bauch zu legen und ihr mitgeteilt, dass sie erst wieder gehen könne, wenn er sie „in den Arsch gefickt habe“. Analverkehr sei in ihrer Beziehung ein „NoGo“ gewesen, die Nebenklägerin möge diese Art des Geschlechtsverkehrs nicht, was der Angeklagte auch gewusst habe. Dennoch sei er anal in sie eingedrungen, was der Nebenklägerin unerträgliche Schmerzen bereitet habe. Sie habe sich immer wieder bewegt, um da rauszukommen. Auch habe sie ihm wiederholt gesagt, dass er aufhören solle, was der Angeklagte aber nicht getan habe. Aufgrund der Drohung des Angeklagten mit seinem Messer habe die Nebenklägerin es irgendwann über sich ergehen lassen; es habe sich „wie die ganze Nacht“ angefühlt. Im weiteren Verlauf sei der Angeklagte mit seinem Penis auch vaginal in sie eingedrungen, sodann nochmals anal. Irgendwann habe es ihm dann gereicht. Die Nebenklägerin habe dennoch nicht gehen dürfen, sie habe nackt mit dem Angeklagten unter einer Decke schlafen müssen. Irgendwann am nächsten Tag gegen 12 Uhr habe sie dann gehen dürfen, sie sei mit dem Taxi zu sich nach Hause gefahren. Der Angeklagte habe ihr zuvor noch gedroht mit dem Worten „Wehe, Du sagst es irgendjemandem“.
96Die Nachfrage des Vorsitzenden, ob es in der Tatnacht auch erzwungenen Oralverkehr gegeben habe, hat die Nebenklägerin verneint. Weiterhin äußerte sie auf Nachfrage, dass der Angeklagte kein Kondom getragen habe und auch gewusst habe, dass die Nebenklägerin nicht verhüte. Ob er zum Samenerguss gekommen sei, könne sie nicht mehr erinnern. Ebenfalls nicht mehr daran erinnern könne sie sich, ob es einen weiteren sexuellen Übergriff durch den Angeklagten gegeben habe. Sie habe das dreimalige Eindringen – anal, vaginal, anal – durch den Angeklagten als einen Vorgang in Erinnerung. Schläge während der Vornahme der sexuellen Handlungen habe es nicht gegeben, allerdings habe das Messer die ganze Zeit griffbereit auf dem Couchtisch gelegen. Zuerst habe die Nebenklägerin mit niemandem über das Tatgeschehen gesprochen. Im Laufe des Tages sei sie mit ihrer Tante verabredet gewesen; dieser habe sie sich sodann anvertraut. Ihre Tante sei es auch gewesen, welche der Nebenklägerin dazu geraten habe, auf jeden Fall zur Polizei zu gehen, womit sie dann auch einverstanden gewesen sei. Die Kriminalpolizei sei im weiteren Verlauf auch mit ihr ins Krankenhaus gefahren.
97Auf Vorhalt, dass sich der Angeklagte unter anderem dahingehend eingelassen habe, dass Sexspiele in der Beziehung mit der Nebenklägerin normal gewesen seien, sie insbesondere Analsex gebilligt habe, führte die Nebenklägerin aus, dass es einen einzigen Abend gegeben habe, an welchem sie mit dem Angeklagten mittels einer App Sexspiele ausprobiert habe. Dort sei es – auch aufgrund des Umstandes, dass die Nebenklägerin etwas getrunken habe und dadurch etwas lockerer geworden sei – zu einmaligem Analverkehr gekommen. Die Nebenklägerin habe im Zuge dessen festgestellt, dass ihr Analverkehr überhaupt nicht gefalle und dies dem Angeklagten auch mitgeteilt.
98Auf weitere Nachfrage des Vorsitzenden beschrieb die Nebenklägerin das durch den Angeklagten eingesetzte Messer als Butterflymesser mit schwarzer Klinge und orangefarbenem Griff.
99Auf die Frage des Vorsitzenden hin, wie es sodann dazu gekommen sei, dass die Nebenklägerin mit dem Angeklagten erneut eine Beziehung eingegangen sei, äußerte die Nebenklägerin, dass sie ungefähr im November 2020 wieder ein Paar geworden seien. Sie hätten sich kurz zuvor bei der Cousine der Nebenklägerin wiedergetroffen, welche der Angeklagte auch gekannt habe. Sie habe damals nicht gewusst, was sie genau gefühlt habe. Er habe gesagt, dass er es bereue und es ihm leidtue.
100Auf Nachfrage des Verteidigers, ob und wann die Nebenklägerin in der Tatnacht des 09.05.2020 eingeschlafen sei, äußerte diese, dass sie eingeschlafen sei, aber nicht mehr wisse, wann. Auf weitere Nachfrage des Verteidigers, ob sie dem Angeklagten klargemacht habe, dass sie keinen Analsex wünsche, entgegnete die Nebenklägerin: „Ja, ich habe das vorher schon thematisiert. Wir haben es ausprobiert, aber er wusste, dass ich es nicht mochte“. Anschließend teilte die Nebenklägerin noch auf Nachfrage des Verteidigers hin mit, dass sie ab Mai 2021 auch für etwa ein Jahr mit dem Angeklagten zusammengewohnt habe.
101Im Hinblick auf die Beziehung zu dem Angeklagten im Allgemeinen und zu der Frage des Vorsitzenden, weswegen die Nebenklägerin immer wieder zu dem Angeklagten zurückgekehrt sei, führte die Nebenklägerin aus, sie sei abhängig von dem Angeklagten gewesen. Er habe ihr immer das Gefühl gegeben, dass sie nur ihn gehabt hätte, was ja auch gestimmt habe. Sie habe damals über einen langen Zeitraum keinen Kontakt zu ihrer Familie gehabt, sie habe keine Freunde gehabt. Sie habe zwar Kontakt zu ihrer Tante gehabt, ihr gegenüber habe sie sich aber geschämt. Zu Beginn der Beziehung zu dem Angeklagten sei es der Nebenklägerin emotional nicht gut gegangen. Sie habe im Jahr 2018 aufgrund von Depressionen einen Selbstmordversuch unternommen, habe seit einem Aufenthalt in der Klinik für Psychiatrie in der S. in H. im Jahr 2018 Antidepressiva genommen. Die vorgenannten Medikamente habe sie kurze Zeit nach Beginn der Beziehung zu dem Angeklagten nicht mehr gebraucht, da ihr die Beziehung am Anfang gutgetan habe. Der Angeklagte sei anfangs aufmerksam gewesen, sie hätten gemeinsam sehr schöne Dinge unternommen. Wenn der Angeklagte nüchtern gewesen sei, sei er der liebste Mensch gewesen, dann habe es auch keine Übergriffe gegeben.
102Auf die Frage hin, wie es ihr heute gehe, antwortete die Nebenklägerin, dass es ihr heute eigentlich ziemlich gut gehe. Sie habe wieder Kontakt zu ihrer Familie, habe eine neue Ausbildung begonnen und sei auch eine neue Beziehung eingegangen. Nach dem damaligen Vorfall am 09.05.2020 sei es ihr eine Zeitlang schlecht gegangen, sie habe die Tatnacht in „Flashbacks“ immer wieder erlebt. Ihr Hausarzt habe sie damals auch an einen Psychologen überwiesen, sie sei aber nie dorthin gegangen.
103c.
104An der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin hat die Kammer keine Zweifel. Die Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung decken sich in allen wesentlichen Punkten im Kerngeschehen mit ihren in der polizeilichen Vernehmung gemachten Angaben, was für deren Glaubhaftigkeit spricht. In der polizeilichen Zeugenvernehmung vom 13.05.2020, mithin vier Tage nach dem Tatgeschehen, gab die Nebenklägerin an, dass sie sich am 02.05.2020 von dem Angeklagten getrennt habe. Er sei mit dieser Trennung nicht einverstanden gewesen und habe der Nebenklägerin laufend Nachrichten gesendet. Auch in der Tatnacht des 09.05.2020 habe er die Nebenklägerin angebettelt, dass sie zu ihm kommen solle. Irgendwann gegen 4 Uhr morgens habe der Angeklagte der Nebenklägerin geschrieben, dass er sich etwas antue, wenn sie nicht komme. Er habe sodann ein Taxi für die Nebenklägerin gerufen und diese sei zu ihm gefahren. Sie habe auch noch für den Angeklagten zur Tankstelle fahren sollen, um für diesen eine große Flasche Desperados zu kaufen. Als die Nebenklägerin in der Wohnung des Angeklagten angekommen sei, habe dieser direkt gesagt: „So jetzt bist du hier und jetzt siehst Du“. Der Angeklagte habe der Nebenklägerin eröffnet, dass das alles geplant gewesen sei, um sie in seine Wohnung zu locken. Als die Nebenklägerin dies erfahren habe, habe sie sofort wieder gehen wollen. Der Angeklagte habe aber die Tür von innen mit dem Schlüssel abgeschlossen und den Schlüssel eingesteckt. Die Nebenklägerin habe dem Angeklagten die ganze Zeit über zu verstehen gegeben, dass sie gehen wolle. Der Angeklagte habe gelacht und gesagt, dass die Nebenklägerin nicht rauskommen werde. Er habe sodann das Handy der Nebenklägerin kontrollieren wollen, woraufhin diese ihm gegenüber angegeben habe, dass ihr Handy ausgeschaltet sei, da der Akku leer sei. Da habe es auch den ersten Schlag des Angeklagten gegeben. Er habe weiterhin das Handy der Nebenklägerin verlangt, was diese – unter anderem mit dem erneuten Hinweis, dass der Akku leer sei – abgelehnt habe. Daraufhin habe der Angeklagte die Nebenklägerin bis zu 10 Mal ins Gesicht geschlagen und sie gefragt: „Willst Du für diesen Typen sterben?“ Die Nebenklägerin sei irgendwann zu Boden gegangen und der Angeklagte habe ihr Handy aus der Tasche der Nebenklägerin geholt. Weil die Nebenklägerin mittlerweile laut geweint habe, habe der Angeklagte sein Butterflymesser – dieses habe einen silber-orangenen Griff und eine schwarze, ungefähr 6 cm lange Klinge und der Angeklagte trage es neben einem weiteren Klappmesser immer bei sich – aus der Hosentasche geholt, aufgeklappt und vor die Nebenklägerin gehalten. Infolgedessen habe der Angeklagte das Handy der Nebenklägerin eingeschaltet und festgestellt, dass diese wegen des Akkustandes gelogen habe. Daraufhin sei es erneut zu einem Schlag mit der flachen Hand in das Gesicht der Nebenklägerin gekommen. Obwohl die Nebenklägerin dem Angeklagten die PIN für die SIM-Karte nicht mitgeteilt habe, sei es dem Angeklagten gelungen, das Handy zu aktivieren und die Chatverläufe zu lesen. Die Nebenklägerin habe nach der Trennung von dem Angeklagten auch mit anderen Männern geschrieben. Als der Angeklagte im Handy der Nebenklägerin gelesen habe, sei diese aufgestanden und habe versucht, aus dem Fenster zu fliehen. Nach insgesamt drei solcher Fluchtversuche habe der Angeklagte die Nebenklägerin auf die Couch geschubst und ihr einmal schmerzhaft auf den Oberarm geboxt. Danach habe die Nebenklägerin sich wieder in die Ecke auf den Boden gesetzt. Der Angeklagte habe sie gefragt, warum sie so dreckig sei, warum sie zuerst mit einem anderen Mann schreibe und dann zu ihm komme. Als die Nebenklägerin versucht habe, den Notruf zu wählen und das Mobiltelefon einen lauten Ton von sich gegeben habe, habe der Angeklagte mit dem Messer auf das Mobiltelefon eingestochen, bis ein Loch in der Mitte des Displays entstanden sei. Nachdem die Nebenklägerin von der Toilette zurückgekommen sei, sich wieder auf den Boden in die Ecke gesetzt und eine Beruhigungstablette eingenommen habe, verlangte der Angeklagte, dass sie sich ausziehe und erklärte dazu stolz, dass er die Nebenklägerin gleich noch „in den Arsch ficken“ werde. Die Nebenklägerin habe dies abgelehnt, woraufhin der Angeklagte sein Butterflymesser aus der Hosentasche gezogen, dieses aufgeklappt und gesagt habe, die Nebenklägerin habe die Wahl. Dabei habe sich der Angeklagte zu der Nebenklägerin heruntergekniet und die Spitze des Messers an den linken Oberschenkel der Nebenklägerin gehalten. Als die Nebenklägerin es immer noch abgelehnt habe, sich auszuziehen, habe der Angeklagte ein Loch in das schwarze Jäckchen der Nebenklägerin geschnitten. Aus Angst vor dem Angeklagten habe die Nebenklägerin sodann ihre Hose ausgezogen, der Angeklagte habe ihr – weil ihr kalt gewesen sei – eine rosafarbene Decke gegeben. Daraufhin habe der Angeklagte die Nebenklägerin aufgefordert, sich weiter auszuziehen. Die Nebenklägerin sei der Aufforderung nachgekommen, habe sich bis auf die Unterhose ausgezogen und sich mitsamt der Decke auf die Couch gelegt. Nachdem der Angeklagte eine Zigarette geraucht habe, habe auch er sich auf die Couch gesetzt, sich vollständig ausgezogen – hierbei habe er das Butterflymesser auf den Couchtisch gelegt – und zu der Nebenklägerin gesagt: „Blas mir einen“. Die Nebenklägerin sei dieser Aufforderung aus Angst nachgekommen und habe ihn drei Minuten lang oral befriedigt. Sodann habe der Angeklagte die Nebenklägerin aufgefordert, auch ihre Unterhose auszuziehen. Er habe gesagt, dass wenn sie ihre Unterhose nicht ausziehe, der Angeklagte ihr ins Bein stechen werde. Dabei habe er das Messer vom Tisch genommen, es aufgeklappt und in seiner rechten Hand gehalten. Daraufhin habe die Nebenklägerin ihre Unterhose ausgezogen und sich auf den Bauch gelegt, weil sie den Angeklagten nicht habe anschauen wollen. Sodann habe der Angeklagte eine Wasserflasche genommen und den Po sowie die Ritze mit Wasser übergossen. Dann habe der Angeklagte seinen Penis vollständig in den After der Nebenklägerin geschoben. Die Nebenklägerin habe geweint und geschrien, sodass der Angeklagte damit gedroht habe, sie mit Kabelbindern zu fesseln. Die Nebenklägerin habe gesagt, dass der Angeklagte aufhören solle; er aber habe so lange weitergemacht, bis er gekommen sei. Weil es so wehgetan habe, habe die Nebenklägerin sich nach vorne bewegt. Ein Kondom habe der Angeklagte nicht benutzt, der Vorgang habe insgesamt vielleicht fünf Minuten gedauert. Nachdem die Nebenklägerin die Toilette aufgesucht und der Angeklagte eine Zigarette geraucht habe, habe dieser die Nebenklägerin erneut aufgefordert, ihn oral zu befriedigen. Diesem Verlangen sei die Nebenklägerin für ungefähr drei Minuten nachgekommen, der Angeklagte sei hierbei nicht zum Samenerguss gekommen. Hiernach habe der Angeklagte die Nebenklägerin aufgefordert, sich wieder hinzulegen, was die Nebenklägerin zunächst abgelehnt habe. Als der Angeklagte sich wieder das Messer vom Tisch genommen habe, sei die Nebenklägerin dem Verlangen des Angeklagten nachgekommen und habe sich auf den Rücken gelegt. Der Angeklagte habe gesagt, wenn sie sich auf den Rücken legen und die Beine breitmachen würde, werde es weniger weh tun. Der Angeklagte habe sich dann über sie gebeugt, ihre Beine auf seine Schultern gelegt und sei mit seinem Penis zuerst wieder von oben anal ohne Kondom in die Nebenklägerin eingedrungen. Dort sei er nur mit der Spitze drin gewesen und dann sei er mit zwei Bewegungen vaginal reingegangen und dann wieder hinten. Kurz darauf habe die Nebenklägerin sich weggedrückt und sich auf den Boden fallen lassen. Sodann sei sie aufgestanden, habe sich ein „Zewatuch“ in die Unterhose gesteckt, ihre Hose angezogen und habe gehen wollen. Aber der Angeklagte habe sie nicht gehen lassen. Er habe ihren Schlüssel und seinen eigenen Schlüssel unter die Couch geworfen und von der Nebenklägerin verlangt, bei ihm zu schlafen. Schließlich sei die Nebenklägerin der Aufforderung nachgekommen und habe sich neben den Angeklagten auf die Couch gelegt. Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte immer wieder Gespräche mit der Nebenklägerin angefangen. Sobald ihm die Antworten der Nebenklägerin nicht gefallen hätten, habe er sie in den Rücken geboxt. Erst am Abend, so gegen 18 Uhr, sei die Nebenklägerin mit einem Taxi nach Hause gefahren. In den weiteren Tagen bis zur Anzeigenerstattung bei der Polizei am 13.05.2020 habe der Angeklagte der Nebenklägerin immer wieder geschrieben, dass er bereue, was er gemacht habe. Nachdem die Nebenklägerin erwidert habe, dass sie ihn nicht mehr sehen wolle und er sich nicht mehr melden solle, habe der Angeklagte angerufen und der Nebenklägerin damit gedroht, ihr die Kehle aufzuschlitzen und sie umzubringen.
105In der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 15.12.2021 bekundete die Nebenklägerin, dass sie mit dem Angeklagten seit einem Jahr wieder zusammen sei und auch zusammenwohnen würde. Erstmals zusammengekommen sei sie mit dem Angeklagten im Januar 2020, getrennt habe sie sich am 02.05.2020. Ein Grund für die Trennung sei die Eifersucht des Angeklagten gewesen. Zu den Geschehnissen in der Nacht vom 09.05.2020 gab die Nebenklägerin zunächst an, dass die von ihr bei der Polizei getätigte Aussage richtig gewesen sei. Nach der Trennung am 02.05.2020 habe der Angeklagte ihr geschrieben, dass er sie noch einmal sehen wolle, ohne sie nicht leben könne und sich ansonsten etwas antun werde. Daraufhin sei sie mit einem Taxi zu dem Angeklagten gefahren. Dieser habe die Nebenklägerin noch gebeten, bei der Tankstelle vorbeizufahren und eine Flasche mitzubringen. Als die Nebenklägerin an der Wohnung des Angeklagten angekommen sei, sei zunächst noch alles gut gewesen. Er habe gelacht und sie in die Wohnung gebeten. Dann habe er die Tür zugemacht und gesagt „so das war alles geplant, dass du hierher kommst“. Der Angeklagte habe auch direkt das Handy der Nebenklägerin an sich nehmen wollen. Die Nebenklägerin habe ihm dieses Handy zunächst nicht gegeben, habe angegeben, dass der Akku leer sei. Irgendwann habe der Angeklagte das Handy aber doch bekommen und sodann gesehen, dass die Nebenklägerin mit jemand anderem geschrieben habe. Der Angeklagte habe sodann begonnen, die Nebenklägerin in die Ecke zu drängen, sie zu schlagen und zu beleidigen. Auch habe er sein Messer herausgeholt, dieses nach vorne gehalten und von der Nebenklägerin verlangt, sich auszuziehen. Die Nebenklägerin sei dieser Aufforderung nicht direkt nachgekommen, sodass der Angeklagte sein Messer mehrfach aufgeklappt und gesagt habe „mach jetzt, mach jetzt“. Dann habe er den Cardigan der Nebenklägerin mit seinem Messer geschnitten. Hiernach habe der Angeklagte zu der Nebenklägerin gesagt, solange er sie nicht „in den Arsch ficke“, gehe sie nirgendwo hin. Das habe die Nebenklägerin nicht gewollt. Der Angeklagte habe sie immer wieder geschlagen, beleidigt und mit dem Messer gedroht. Aus Angst habe sie dann angefangen, sich auszuziehen. Sie wisse es nicht mehr genau, aber sie meine sich zu erinnern, dass der Angeklagte den Kontakt vom Handy der Nebenklägerin auch noch angerufen habe. Er habe zu demjenigen gesagt „schau jetzt was ich mit ihr mache“ und dann sei das Telefonat auch beendet gewesen. Die Nebenklägerin habe zwischendurch auch immer wieder versucht, durch das Fenster zu entkommen. Es habe aber nicht geklappt, weil der Angeklagte sie immer wieder mit dem Messer bedroht habe. Das Handy der Nebenklägerin habe der Angeklagte zunächst an die Wand geworfen und sodann später mit dem Messer zerstochen. Die Nebenklägerin habe sich dann weiter ausziehen und auf das Sofa legen müssen. Der Angeklagte habe sich dann auch ausgezogen, habe das Messer auf den Tisch gelegt und angefangen. Die Nebenklägerin habe die ganze Zeit geweint und dem Angeklagten gesagt, dass sie das nicht möchte und er aufhören solle. Dann sei der Angeklagte hinten in sie eingedrungen, es habe sich lange angefühlt, es könnten vielleicht fünf Minuten gewesen sein. Sie habe Schmerzen, aber keine sichtbaren Verletzungen im Analbereich erlitten. Auf dem Sofa habe sich ein blaues Lacken befunden, die Nebenklägerin habe sich hinterher mit einer rosafarbenen Decke zugedeckt. Sie habe dem Angeklagten während des Analverkehrs immer wieder deutlich gemacht, dass sie dies nicht wolle. Anfangs habe sie sich auch gewehrt, aber da habe der Angeklagte immer wieder nach dem Messer gegriffen, welches neben ihm gelegen habe, dieses kurz hochgehoben und es dann wieder abgelegt, weil die Nebenklägerin sich nicht weiter bewegt habe. Diese habe auf dem Bauch gelegen mit dem Kopf Richtung Tisch, sodass sie immer habe sehen können, dass er nach dem Messer gegriffen habe. Zuvor habe sie noch keinen Analverkehr mit dem Angeklagten gehabt, er habe gewusst, dass die Nebenklägerin es nicht möge. Ein Messer sei im Rahmen von Sexspielen zuvor noch nie zum Einsatz gekommen, auch SM-Spiele habe es in der Beziehung zuvor nie gegeben. Als es vorbei gewesen sei, habe sie einfach die Augen zugemacht und geschlafen. Sie habe nicht mehr versucht die Wohnung zu verlassen oder deutlich gemacht, dass sie diese verlassen möchte, da der Angeklagte die Tür abgeschlossen habe. Sie wisse nicht mehr genau, wie lange sie noch in der Wohnung des Angeklagten verblieben sei, sie meine bis 12 Uhr mittags. Sie sei zwar mit dem Angeklagten wieder zusammengekommen, habe diesem aber nicht verziehen.
106d.
107Das in der Anklageschrift unter Ziffer 1. wiedergegebene, äußere Tatgeschehen in der Nacht des 09.05.2020 stellt der Angeklagte – mit Ausnahme des Messereinsatzes – nicht in Abrede. Die Kammer hat sich, obwohl insoweit keine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorlag, mit den Abweichungen in den Aussagen der Nebenklägerin gewissenhaft auseinandergesetzt. Im Ergebnis hat die Nebenklägerin in allen Vernehmungen zum Kerngeschehen der Vergewaltigung von Anfang an konstant und damit glaubhaft angegeben, dass der Angeklagte sie unter wiederholten Schlägen und Vorhalten seines Butterflymessers dazu gezwungen habe, sich auszuziehen und sich auf die Couch zu legen. Danach habe der Angeklagte die Nebenklägerin anal vergewaltigt.
108(1)
109Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte – wie unter Ziff. II. 1. festgestellt – die Nebenklägerin auch dazu gezwungen hat, ihn zwei Mal oral zu befriedigen. Ebenfalls hat die Kammer keine Zweifel daran, dass der Angeklagte mit seinem Penis insgesamt drei Mal anal – wobei er bei der ersten analen Vergewaltigung zum Samenerguss gekommen ist – und ein Mal vaginal in die Nebenklägerin eingedrungen ist. Die vorgenannten sexuellen Handlungen bestreitet der Angeklagte nicht, er räumt den Anklagevorwurf insoweit ein. Dass die Nebenklägerin in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung nur den einmaligen Analsex erinnert hat, liegt darin begründet, dass sie nach weiteren sexuellen Handlungen und auch danach, ob der Angeklagte zum Samenerguss gekommen ist, nicht gefragt worden ist. Auch dass die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung den Ablauf der Vergewaltigungshandlungen in der Weise erinnert hat, dass der Angeklagte innerhalb eines Vorgangs hintereinander zunächst für einen längeren Zeitraum anal, dann vaginal und sodann noch einmal anal in sie eingedrungen ist, die Nebenklägerin sich an ein weiteres, anales Eindringen und an einen zweiaktigen Vorgang mit einer Unterbrechung mithin nicht erinnern konnte, ergibt sich zur vollen Überzeugung der Kammer daraus, dass der erste Analsex – welchen sie als besonders erniedrigend und schmerzhaft empfunden hat, beim zweiten und dritten Analverkehr drang der Angeklagte nur mit der Spitze in den After der Nebenklägerin ein – für sie das Kerngeschehen der Vergewaltigung dargestellt hat. Besonders eindrücklich lässt sich dies daran erkennen, dass die Nebenklägerin in allen drei Vernehmungen übereinstimmend ausgesagt hat, dass der Angeklagte ihr gegenüber als Ziel angegeben habe, sie heute noch „in den Arsch zu ficken“. Die Kammer hat sich in der Hauptverhandlung selbst ein Bild davon machen können, wie schwer es der Nebenklägerin gefallen ist, über diese besonders intimen Vorgänge zu berichten. Sie war bestrebt, diesen Teil ihrer Aussage „so schnell als möglich hinter sich zu bringen“. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die ermittlungsrichterliche Vernehmung anderthalb Jahre nach der Tat und die Vernehmung in der Hauptverhandlung sogar fast vier Jahre nach der Tat stattgefunden haben. Auch der Umstand, dass die Nebenklägerin Oralverkehr in der Hauptverhandlung verneint hat und sich an einen Samenerguss des Angeklagten nicht mehr erinnern konnte, spricht vielmehr für eine Erlebnisbasiertheit ihrer Aussage, da nach vier Jahren ein Nachlassen der Erinnerung zu erwarten ist, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Übergriff in der Tatnacht um ein mehraktiges, mehrere Stunden andauerndes Geschehen handelte. Derartige Unschärfen sprechen indiziell dafür, dass es sich um tatsächlich Erlebtes und nicht um die Wiedergabe einer perfekt ersonnenen, bis ins kleinste Detail durchdachten und jederzeit abrufbaren, erfundenen Geschichte handelt. Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung angegeben, dass es ihr gelungen sei, vieles aus der Tatnacht des 09.05.2020 zu verdrängen. In der polizeilichen Vernehmung vier Tage nach den Geschehnissen hat die Nebenklägerin das Kerngeschehen der Ereignisse hingegen – das hat auch die Vernehmungsbeamtin, die KOKin K., belastbar bestätigt – von sich aus im Zusammenhang chronologisch geschildert.
110Abgesehen von den zuvor beschriebenen Abweichungen zwischen den einzelnen Aussagen stimmten aber die Angaben der Nebenklägerin sowohl zur Vorgeschichte wie auch zum Tatgeschehen bei ihrer polizeilichen Vernehmung, der ermittlungsrichterlichen Vernehmung und in der Hauptverhandlung in allen wesentlichen Punkten überein. Die Schilderung der Nebenklägerin war auch in sich schlüssig, erlebnisbasiert und ersichtlich nicht von Belastungstendenz geprägt. Vielmehr war die Nebenklägerin in besonderem Maße in der Hauptverhandlung darum bemüht, nur das wiederzugeben, woran sie sich noch ganz sicher erinnerte.
111Dies zeigt zum Einen, wie erinnerungskritisch die Nebenklägerin bei ihrer Aussage war, und zum Anderen, wie wenig ihre Angaben von Belastungstendenz geprägt waren. Das gilt auch für die Schilderung der Nebenklägerin zu den psychischen und physischen Folgen durch die Tat. Auch insoweit hat sich die Nebenklägerin sehr zurückhaltend geäußert und etwa klargestellt, dass sie zwar eine Überweisung zu einem Psychologen von ihrem Hausarzt erhalten, von dieser aber nie Gebrauch gemacht habe.
112Die Erlebnisbasiertheit der Aussage der Nebenklägerin zeigt sich insbesondere daran, dass sie sich auch vier Jahre nach der Tatnacht in der Hauptverhandlung noch an Details des Tatgeschehens erinnern konnte, die sie deckungsgleich in der polizeilichen Vernehmung vom 13.05.2020 und der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 15.12.2021 geschildert hatte, und die für den eigentlichen Tatvorwurf vordergründig keine Rolle zu spielen scheinen, aber gerade deswegen eindrücklich aufzeigen, dass die Nebenklägerin selbst Erlebtes wiedergegeben hat. Hierunter fällt beispielsweise der Umstand, dass die Nebenklägerin auch in der Hauptverhandlung im Zusammenhang schilderte, dass sie auf dem Weg zu dem Angeklagten noch an der Tankstelle angehalten habe, weil der Angeklagte sie gebeten habe, ihr eine Flasche eines alkoholischen Getränkes mitzubringen. Auch erinnerte die Nebenklägerin noch in der Hauptverhandlung, dass der Angeklagte ihr gegenüber zugegeben habe, dass er sie unter dem Vorwand, er habe Selbstmordgedanken, zu sich in die Wohnung gelockt habe. Ebenfalls in allen drei Vernehmungen konstant schilderte die Nebenklägerin ihre im Zusammenhang mit der Einforderung ihres Handys durch den Angeklagten getätigte Lüge, dass der Akku leer sei.
113(2)
114Des Weiteren ist die Kammer auch davon überzeugt, dass der Angeklagte – wie unter Ziff. II. 1. festgestellt – sein Butterflymesser immer wieder als Drohmittel eingesetzt hat. Der Angeklagte hat das Verwenden eines Messers bestritten. Er hat ausgeführt, dass er sich unter keinen Umständen daran erinnern bzw. sich nicht vorstellen könne, ein Messer verwendet zu haben. Er sei sich sicher, kein Messer besessen und auch keines verwendet zu haben. Diese Einlassung des Angeklagten ist nicht glaubhaft. Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer bereits daraus, dass der Angeklagte zum einen angibt, er habe keine positiven Erinnerungen an die Einzelheiten der Tatnacht und habe an einem völligen Realitätsverlust gelitten, sich zum anderen aber sicher sei, kein Messer besessen und auch keines eingesetzt zu haben. Die Einlassung des Angeklagten ist zudem widerlegt durch die auch insoweit belastbare Aussage der Nebenklägerin. Diese hat konstant in allen drei Vernehmungen bekundet, dass der Angeklagte das Butterflymesser dazu eingesetzt hat, den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin zu brechen. Immer dann, wenn die Nebenklägerin einer Aufforderung des Angeklagten nicht nachgekommen ist, hat dieser seinen Worten mit Schlägen sowie mit dem Einsatz des Messers Nachdruck verliehen. Selbst in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung – vier Jahre nach der Tatnacht – konnte sich die Nebenklägerin noch daran erinnern, dass das Butterflymesser einen orangefarbenen Griff und eine schwarze Klinge aufwies. Auch der die Strafanzeige vom 12.05.2020 aufnehmende Polizeibeamte, PK M., schilderte in der Hauptverhandlung belastbar, dass die Nebenklägerin auch bereits bei Aufnahme der Strafanzeige von einem Butterflymesser gesprochen habe, was der Angeklagte der Nebenklägerin unter anderem vorgehalten habe, damit diese sich ausziehe. Ebenso bestätigte die Zeugin KOKin W. in der Hauptverhandlung glaubhaft, dass die Nebenklägerin ihr gegenüber auch am 12.05.2020 – am Abend des vorgenannten Tages suchte die vorgenannte Polizeibeamtin die Nebenklägerin in der Wohnung ihrer Tante zu einer weiteren Befragung auf – ausführlich und detailliiert davon berichtete, dass der Angeklagte in der Tatnacht des 09.05.2020 ein Butterflymesser mit einem orangenen Griff und einer schwarzen Klinge verwendet hat. In ihrer polizeilichen Vernehmung hat die Nebenklägerin zudem ausgesagt, dass der Angeklagte das Butterflymesser neben einem weiteren Klappmesser immer bei sich getragen habe, das Butterflymesser in der Hosentasche. Das Butterflymesser habe er auch bereits zuvor schon in der Nacht auf den 02.05.2020 gegen die Nebenklägerin eingesetzt und sie damit bedroht. Diese Aussage der Nebenklägerin deckt sich im Übrigen mit der Aussage des Zeugen KHK U., welcher in seiner Vernehmung belastbar bestätigte, dass auch zu dem Vorfall in der Nacht des 02.05.2020 eine Strafanzeige gefertigt worden sei, nach welcher der Angeklagte die Nebenklägerin mit einem Messer bedroht habe. Darüber hinaus wurde in der Hauptverhandlung ein Lichtbild in Augenschein genommen, welches im Zuge der Strafanzeige vom 02.05.2020 angefertigt worden ist, und nach den Bekundungen der Nebenklägerin die beiden Messer des Angeklagten, ein Butterflymesser und ein Klappmesser, zeigt. Der Umstand, dass das Butterflymesser bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in der N.-straße in I. am 13.05.2020 nicht aufgefunden worden ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen fand die Durchsuchung erst vier Tage nach der Tat statt, zum anderen hat die Nebenklägerin wiederholt glaubhaft ausgesagt, dass der Angeklagte seine beiden Messer immer bei sich getragen hat. Auch der von der Verteidigung angeführte Umstand, dass der Angeklagte bei den weiteren Taten am 12.11.2020 und am 19.03.2022 kein Messer eingesetzt habe und es unwahrscheinlich sei, dass der Angeklagte nur dieses eine Mal ein Messer verwendet habe, vermag die Überzeugung der Kammer nicht zu erschüttern. Die weiteren, durch den Angeklagten am 12.11.2020 und am 19.03.2022 begangenen Taten waren im Hinblick auf Intention, Art und Dauer der Ausführung nicht vergleichbar mit der Tatnacht des 09.05.2020. Der Angeklagte benötigte bei den Taten am 12.11.2020 und am 19.03.2022 schlichtweg kein Messer, um einen entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin zu brechen.
115(3)
116Auch die weitere Einschränkung des Geständnisses des Angeklagten dahingehend, dass er das Gefühl gehabt habe, dass die Nebenklägerin solche sexuellen Handlungen im Ergebnis billigen würde, dass sie insbesondere Analsex gebilligt habe, ist zunächst nicht glaubhaft. Der Angeklagte lässt sich in diesem Zusammenhang dahingehend ein, dass leichte bis mittelmäßige Gewalt im Rahmen von Sexspielen für den Angeklagten und die Nebenklägerin normal gewesen seien. Diese Einlassung deckt sich schon nicht mit der Art und Weise der Tatbegehung in der Nacht des 09.05.2020. Es handelte sich ganz offensichtlich nicht um eine Art von Sexspiel. Der Angeklagte wollte sich vielmehr an der Nebenklägerin rächen dafür, dass diese sich wenige Tage zuvor von ihm getrennt und im Nachgang mit anderen Männern gechattet hatte. Im Übrigen spricht gegen die Annahme eines Sexspiels auch der Umstand, dass die Nebenklägerin – und dies bestreitet der Angeklagte nach seiner Einlassung gar nicht – den Angeklagten immer wieder gebeten hat, aufzuhören. Auch die Behauptung, leichte bis mittelmäßige Gewalt sei im Rahmen von Sexspielen normal gewesen, findet in der Art und Weise der Tatbegehung keinen Anhalt. Der Angeklagte hat die Nebenklägerin so hart und häufig geschlagen, dass diese unter anderem eine Trommelfellperforation erlitten hat. Dass die Nebenklägerin Analsex im Ergebnis gebilligt haben soll, ist nach Überzeugung der Kammer widerlegt durch ihre Aussage. Die Nebenklägerin hat vielmehr in der Hauptverhandlung glaubhaft ausgesagt, dass Analverkehr für sie ein „NoGo“ gewesen sei und der Angeklagte dies auch gewusst habe. Sie hätten Analsex ein einziges Mal gemeinsam ausprobiert, es habe ihr aber nicht gefallen, was sie dem Angeklagten auch mitgeteilt habe. Dass die Nebenklägerin dieses einmalige Ausprobieren von Analsex in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung verschwiegen hat, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage und führt im Umkehrschluss vor allem nicht dazu, dass die Nebenklägerin Analsex im Ergebnis gebilligt hat. Im Gegenteil wusste der Angeklagte genau, dass die Nebenklägerin Analsex nicht mochte. Deswegen hat er diese Art des Geschlechtsverkehrs in den Mittelpunkt seiner Handlungen gestellt und ausdrücklich – dies hat die Nebenklägerin konstant in allen drei Vernehmungen geschildert – gegenüber der Nebenklägerin angegeben, dass diese die Wohnung erst wieder verlassen werde, wenn er sie „in den Arsch gefickt“ habe.
117Auch die Einlassung des Angeklagten, er habe im Laufe der Beziehung gelernt, dass der Wille der Nebenklägerin im Rahmen von Sexspielen gebeugt werden könne und dass er nicht mehr habe klar trennen können, wann die Nebenklägerin wirklich etwas ablehne und wann sie nach einem bestimmten Drängen des Angeklagten etwas billige, ist erkennbar eine Schutzbehauptung. Aus der Beweisaufnahme haben sich für die vorgenannte Behauptung des Angeklagten keine Anhaltspunkte ergeben. Und auch der Angeklagte selbst hat keine Situationen beschrieben, in denen es zu einer Billigung nach vorheriger Willensbeugung gekommen ist. Insbesondere der Geschehnisablauf spricht im Ergebnis erneut gegen ein solches Sexspiel. Der Angeklagte hat den Willen der Nebenklägerin nicht durch „ein bestimmtes Drängen“ gebeugt, sondern durch massive Gewaltanwendung und unter Vorhalt eines Messers. Und ein weiterer Umstand spricht ebenfalls ganz entscheidend gegen ein Sexspiel: hierfür lockt man seinen Partner nicht unter dem Vorwand, man würde sich etwas antun, in seine Wohnung und schließt diese dann ab.
118(4)
119Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin spricht auch nicht ihr ambivalentes Verhalten in Bezug auf die Person des Angeklagten. Trotz ständiger Streitereien nahezu von Anfang an hat die Nebenklägerin auch nach der alsbald erfolgten Vergewaltigung und nach weiteren Vorfällen zu ihrem Nachteil, u.a. nach der verfahrensgegenständlichen vorsätzlichen Körperverletzung und Bedrohung vom 12.11.2020, die Beziehung zum Angeklagten fortgesetzt und hat mit ihm auch für ein Jahr lang zusammengewohnt.
120Dieses Verhalten der Nebenklägerin mag zwar auf den ersten Blick schwer nachvollziehbar sein, jedoch ist es für die Kammer ohne Weiteres erklärbar aufgrund des Alters der Nebenklägerin – zum Zeitpunkt der ersten Tat befand sich die Nebenklägerin kurz vor ihrem 21. Geburtstag, im Zeitpunkt der letzten beiden Taten kurz vor ihrem 23. Geburtstag –, ihrer damaligen Lebenssituation und aufgrund der Besonderheiten des konkreten Falles.
121Unmittelbar darauf angesprochen, warum sie trotz der Vergewaltigung und der weiteren Übergriffe durch den Angeklagten immer wieder mit diesem zusammengekommen sei und sogar ein Jahr mit ihm zusammengewohnt habe, gab sie an, dass sie abhängig von dem Angeklagten gewesen sei. Er habe ihr immer wieder zu verstehen gegeben, dass sie nur ihn habe. Und das habe auch gestimmt. Sie habe keinen Kontakt zu ihrer Familie gehabt, sie habe auch keine Freunde gehabt. Nur mit ihrer Tante habe sie in Kontakt gestanden. Diese Angaben der Nebenklägerin decken sich mit der belastbaren Aussage der Zeugin B., der Mutter der Nebenklägerin. Diese hat in der Hauptverhandlung ausgesagt, dass sie den Kontakt zu ihrer Tochter Ende des Jahres 2020 für insgesamt ca. 3 Jahre lang abgebrochen hat.
122Gepaart mit der nötigen Durchsetzungsfähigkeit und Penetranz des Angeklagten, welcher der Geschädigten körperlich überlegen war und aufgrund des Umstandes, dass sie durch die besonders schwere Vergewaltigung, die Körperverletzungen und Bedrohungen eingeschüchtert war und auch Angst vor dem Angeklagten hatte, ist dieser ungewöhnliche Ablauf für die Kammer plausibel. Es spricht vielmehr für die Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin, dass sie ihre Vorwürfe zum Tatgeschehen am 09.05.2020 und 12.11.2020 auch in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung aufrechterhalten hat, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt in einer Beziehung mit dem Angeklagten befand und mit diesem auch zusammengewohnt hat.
123(5)
124Anhaltspunkte, dass die Nebenklägerin den Angeklagten durch eine erfundene Geschichte betreffend die Verwendung des Butterflymessers zu Unrecht belasten könnte, haben sich für die Kammer auch im Übrigen nicht ergeben. Ein tragendes Motiv für eine derartige massive Falschbelastung hat sich nicht ergeben. Die Angeklagte hat in allen drei Vernehmungen ohne Belastungstendenzen ausgesagt, im Gegenteil. Sie hat den Angeklagten in der Hauptverhandlung als „liebsten Menschen“ beschrieben, wenn dieser nüchtern gewesen sei. Sie hat darüber hinaus bekundet, dass es in der Beziehung zu dem Angeklagten auch schöne Erlebnisse gegeben habe, dass dieser ihr hinsichtlich ihrer Depressionen geholfen habe.
125(6)
126Auch an der Aussagekompetenz der Nebenklägerin hat die Kammer keine Zweifel. Zwar hat die Nebenklägerin selbst eingeräumt – was im Übrigen für die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage spricht –, dass sie sich 2018 wegen eines Selbstmordversuches aufgrund von Depressionen in therapeutischer Behandlung befunden und Antidepressiva genommen habe. Davon abgesehen, dass auch die Einnahme von Antidepressiva nicht ohne weitere Anhaltspunkte Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin gehabt hätte, hat die Kammer bereits deswegen keine Zweifel an der Aussagekompetenz der Nebenklägerin, weil diese im weiteren Verlauf ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung glaubhaft geschildert hat, dass sie die Einnahme von Antidepressiva kurz nach Beginn der Beziehung zu dem Angeklagten abgesetzt habe.
127Weiterhin hat die Beweisaufnahme keinen Anhalt dafür ergeben, dass die Nebenklägerin in der Tatnacht des 09.05.2020 unter dem Einfluss von Alkohol und/oder Drogen gestanden hat. Dies hat auch der Angeklagte nicht behauptet.
1283.
129Die unter Ziff. II. 2. und 3. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem insoweit vollumfänglichen Geständnis des Angeklagten, den glaubhaften Angaben der Nebenklägerin, der Kriminalhauptkommissarin (KHKin) C. sowie auf den belastbaren Bekundungen der Sachverständigen, Frau Dr. D.. Des Weiteren beruhen die unter Ziff. II. 2. und 3. getroffenen Feststellungen auf den in der Hauptverhandlung jeweils verlesenen Urkunden, namentlich dem ärztlichen Untersuchungsbericht wegen einer – damals im Raum stehenden, sich aber nicht bestätigenden – Sexualstraftat vom 12.11.2020 (Bl. 225-227 d. A.) und dem ermittlungsrichterlichen Vernehmungsprotokoll vom 15.12.2021 (Bl. 340-361 d. A.) sowie auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern von den Verletzungen der Geschädigten (Bl. 229-234 d. A.).
130a.
131Der Angeklagte hat die in der Nacht auf den 12.11.2020 begangenen Taten gestanden. In der durch den Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung verlesenen und mit Zustimmung des Angeklagten als seine eigene Erklärung zu wertenden Einlassung – vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziff. II. 2. a. – schränkt der Angeklagte im Hinblick auf in der Nacht auf den 12.11.2020 begangenen Taten sein Geständnis nicht ein, räumt den Anklagevorwurf demnach insoweit vollumfänglich ein.
132b.
133Das Geständnis des Angeklagten deckt sich im Übrigen mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung belastbar bekundet, dass sie den Angeklagten Anfang November 2020 bei ihrer Cousine – der Angeklagte und die Cousine der Nebenklägerin waren miteinander bekannt – wiedergetroffen habe. Man habe sich ausgesprochen, der Angeklagte habe sich wiederholt für seine Tat in der Nacht vom 09.05.2020 entschuldigt, danach sei man wieder zusammengekommen. Am Abend des 12.11.2020 habe die Nebenklägerin den Angeklagten zu sich in die Wohnung eingeladen, man habe gemeinsam eine 0,7-Liter-Flasche Wodka getrunken. Die Nebenklägerin könne sich nicht mehr daran erinnern, weswegen sie mit dem Angeklagten in Streit geraten sei. Jedenfalls habe der Angeklagte ihr im Verlauf der verbalen Streitigkeit so heftig gegen den Kopf geschlagen, dass sie ohnmächtig geworden sei. Nachdem sie wieder zu sich gekommen sei, habe sich der Angeklagte über ihr befunden. Sowohl er als auch die Nebenklägerin seien nackt gewesen. Als der Angeklagte bemerkt habe, dass die Nebenklägerin ihr Bewusstsein zurückerlangt habe, sei er sofort von ihr runtergegangen und habe gesagt, dass sie ihm nun bestimmt wieder vorwerfen werde, er habe sie vergewaltigt. Hiernach habe der Angeklagte selbst die Polizei gerufen und die Wohnung der Nebenklägerin verlassen wollen. Kurz bevor er die Wohnung verlassen habe, habe der Angeklagte der Nebenklägerin gegenüber noch gedroht, er werde ihre Geschwister töten. Der Angeklagte habe sehr häufig Bedrohungen gegen die Geschwister der Nebenklägerin ausgesprochen, weil er gewusst habe, dass die Nebenklägerin ihre Geschwister – zu welchen sie zu diesem Zeitpunkt keinen Kontakt gehabt habe – sehr vermisst habe und sie diese Bedrohungen immer sehr ernst genommen habe. Im weiteren Verlauf des 12.11.2020 hätten ihr die Polizeibeamten aufgrund des Umstandes, dass sie nackt zu sich gekommen sei und sich der Angeklagte ebenfalls nackt über ihr befunden habe, dazu geraten, sich ärztlich untersuchen zu lassen.
134An der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin hat die Kammer – wie auch bereits unter Ziff. III. 2. d. ausgeführt – keine Zweifel. Die Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung decken sich zunächst mit dem Geständnis des Angeklagten, der den Anklagevorwurf in Bezug auf die Taten am 12.11.2020 eingeräumt hat, sowie in allen wesentlichen Punkten im Kerngeschehen mit ihren zuvor im gesamten Verfahren gemachten Angaben, was für deren Glaubhaftigkeit spricht. In der polizeilichen Zeugenvernehmung vom 12.11.2020, mithin noch am Tag des Geschehens, gab die Nebenklägerin an, sie habe sich in der vorangegangen Nacht mit dem Angeklagten gestritten, zuvor hätten beide gemeinsam Alkohol konsumiert. Den Angeklagten habe es gestört, dass die Nebenklägerin auf Instagram andere Männerkontakte angenommen habe. Dann sei es losgegangen, dass sie den ersten Schlag in ihr Gesicht bekommen habe. Sie hätten dann eine ganze Zeit weiterdiskutiert und dann sei der nächste Schlag gekommen und ab da könne sie sich nicht mehr erinnern. Es sei alles schwarz geworden. Aufgewacht sei die Nebenklägerin nackt auf dem Rücken, der Angeklagte habe sich ebenfalls nackt über ihr befunden. Sie hätten dann noch weiter gestritten; der Angeklagte habe sich dann angezogen und sei gerade im Begriff gewesen, zu gehen. Er habe dann aber noch gesagt, dass er die Familie der Nebenklägerin, dass er ihre Geschwister umbringen wolle. In der ermittlungsrichterlichen Vernehmung vom 15.12.2021 gab die Zeugin zu den unter Ziff. II. 2. und 3. festgestellten Taten an, dass es sich um einen Abend gehandelt habe, an dem sie und der Angeklagte zusammen getrunken hätten. Es sei dann wieder zum Streit gekommen, worum es gegangen sei, wisse sie nicht mehr. Der Angeklagte habe die Nebenklägerin sodann geschlagen, die Nebenklägerin habe zurückgeschlagen. Daraufhin habe der Angeklagte die Nebenklägerin so fest geschlagen, dass sie umgefallen sei. Sie sei dann kurz weg gewesen. Als sie aufgewacht sei, sei sie nackt gewesen und der Angeklagte habe sich nackt über ihr befunden.
135Die Kammer verkennt nicht, dass die Nebenklägerin in ihrer Aussage in der Hauptverhandlung nur von einem Schlag, welcher zu ihrer Ohnmacht geführt habe, berichtet hat. Dennoch ist die Kammer überzeugt davon, dass der Angeklagte die Nebenklägerin – wie unter Ziff. II. 2. festgestellt – zwei Mal geschlagen hat. Dies ergibt sich zunächst aus dem hinsichtlich der Tat zu Ziff. II. 2. uneingeschränkten Geständnis des Angeklagten. Es ist für die Kammer nachvollziehbar, dass die Nebenklägerin sich ca. dreieinhalb Jahre nach dem 12.11.2020 nicht mehr an jedes Detail erinnern kann, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in der Beziehung mit dem Angeklagten sehr häufig zu verbalen, aber auch körperlichen Auseinandersetzungen gekommen ist. Sowohl in ihrer polizeilichen Vernehmung, welche wenige Stunden nach den Vorgängen am 12.11.2020 stattgefunden hat, als auch in der ermittlungsrichterlichen Vernehmung, welche ca. ein Jahr nach den Vorgängen am 12.11.2020 stattgefunden hat, hat die Nebenklägerin übereinstimmend von zwei Schlägen gesprochen.
136Die Feststellungen zu den Verletzungen der Nebenklägerin beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten und auf dem ärztlichen Untersuchungsbericht wegen einer – damals im Raum stehenden, sich aber nicht bestätigenden – Sexualstraftat vom 12.11.2020 (Bl. 225-227 d. A.) sowie auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern von den Verletzungen der Geschädigten (Bl. 229-234 d. A.).
1374.
138Die unter Ziff. II. 4. und 5. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem insoweit vollumfänglichen Geständnis des Angeklagten, den glaubhaften Angaben der Nebenklägerin, des PK G., auf den belastbaren Bekundungen der Sachverständigen, Frau Dr. D. sowie auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Strafantrag durch die Nebenklägerin vom 19.03.2022 (Bl. 402 d. A.).
139a.
140Der Angeklagte hat auch die in den Morgenstunden des 19.03.2022 begangenen Taten gestanden. In der durch den Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung verlesenen und mit Zustimmung des Angeklagten als seine eigene Erklärung zu wertenden Einlassung – vgl. hierzu die Ausführungen unter Ziff. II. 2. a. – schränkt der Angeklagte im Hinblick auf in den Morgenstunden des 19.03.2022 begangenen Taten sein Geständnis nicht ein, räumt den Anklagevorwurf demnach insoweit vollumfänglich ein.
141b.
142Das Geständnis des Angeklagten deckt sich im Übrigen mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Nebenklägerin hat in der Hauptverhandlung belastbar bekundet, dass sie in jenen Morgenstunden des 19.03.2022 von einem Geburtstag zurückgekehrt sei. Sie erinnere sich noch daran, dass sie Angst gehabt habe, in die gemeinsam mit dem Angeklagten bewohnte Wohnung zu gehen, weil dieser ihr bereits aus dem Fenster heraus gedroht habe. Es seien immer die gleichen Bedrohungen gewesen, gerichtet gegen die Nebenklägerin und deren Familie. Sie habe dann die Polizei angerufen und mit deren Hilfe ihre Sachen aus der gemeinsam Wohnung geholt. Im weiteren Verlauf habe die Nebenklägerin nicht gewusst, wo sie hinsolle. Sie habe versucht, Freunde und auch ihren Vater anzurufen, aber niemanden erreicht. Aus diesem Grund sei sie dann doch wieder in die gemeinsame Wohnung zu dem Angeklagten gegangen. Im weiteren Verlauf habe es dann wieder Streit mit dem Angeklagten gegeben, auch die Nebenklägerin habe den Angeklagten geschlagen. Sie könne sich auch noch daran erinnern, dass der Angeklagte sie im Intimbereich abgetastet habe, um zu erfühlen, ob sie sich rasiert habe. Sie könne diesen Umstand aber zeitlich nicht mehr eindeutig mit den Vorgängen in den Morgenstunden des 19.03.2022 verorten. Es sei allerdings nur ein einziges Mal zu einem solchen „Abtasten“ gekommen, sie habe auch ein Video davon gemacht. Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte ihr so heftig gegen den Kopf geschlagen, dass sie vom Bett gefallen sei.
143An der Richtigkeit der Angaben der Nebenklägerin hat die Kammer – wie auch bereits unter Ziff. III. 2. d. ausgeführt – keine Zweifel. Die Angaben der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung decken sich zunächst mit dem Geständnis des Angeklagten, der den Anklagevorwurf in Bezug auf die Taten am 19.03.2022 eingeräumt hat, sowie in allen wesentlichen Punkten im Kerngeschehen mit ihren zuvor im gesamten Verfahren gemachten Angaben, was für deren Glaubhaftigkeit spricht. Im Zuge der Aufnahme der polizeilichen Strafanzeige gab die Nebenklägerin wenige Stunden nach dem Geschehen an, dass sie von einem Geburtstag in P. zurückgekommen sei. Eine Freundin habe sie mit dem Auto vor die Türe gefahren und dort aussteigen lassen. Der Angeklagte habe unmittelbar im Anschluss „Ich bringe Deine Familie um“, Ich bringe Deine Geschwister um“ und „Ich bringe Dich um“ aus dem Fenster gerufen. Anschließend habe sie gegen 04:15 Uhr das erste Mal die Polizei gerufen. Sie sei durch die Beamten in die Wohnung begleitet worden und habe einige Sachen gepackt. Nachdem sie die Wohnung verlassen habe, habe sie versucht, einige Freunde und ihren Vater anzurufen. Dann habe der Angeklagte sie angerufen und gebeten, wieder hereinzukommen. Dieser Bitte sei sie nachgekommen. In der Wohnung habe der Angeklagte sie dann einmal mit der flachen Hand auf die linke Wange geschlagen. Im Anschluss daran habe der Angeklagte eine Zigarette geraucht und die Nebenklägerin habe sich ins Bett gelegt. Unmittelbar danach habe der Angeklagte sie erneut mit der flachen Hand auf die linke Wange geschlagen und versucht, der Nebenklägerin ihr Handy zu entreißen. Die Nebenklägerin habe versucht dies zu unterbinden und den Angeklagten mit dem Handy auf den Hinterkopf geschlagen. Anschließend habe der Angeklagte gegen ihren Willen in ihre Hose gegriffen und sie im Intimbereich berührt, um zu erfühlen, ob sie rasiert sei. Sie habe dem Angeklagten ausdrücklich gesagt, dass sie dies nicht wolle, woraufhin er der Nebenklägerin mit der Faust gegen die Schläge geschlagen habe.
144Die Kammer verkennt erneut nicht, dass die Nebenklägerin in ihrer Aussage in der Hauptverhandlung nur von einem Faustschlag, welcher dazu geführt habe, dass sie vom Bett gefallen sei, berichtet hat. Auf weitere Schläge angesprochen teilte die Nebenklägerin mit, dass sie sich hieran nicht erinnern könne. Ebenso gab sie an, dass sie das „Abtasten“ des Intimbereichs zeitlich nicht mit den Vorgängen am 19.03.2022 verorten könne. Dennoch ist die Kammer überzeugt davon, dass der Angeklagte die Nebenklägerin – wie unter Ziff. II. 5. festgestellt – insgesamt drei Mal geschlagen hat und das Abtasten des Intimbereichs ebenfalls in den Morgenstunden des 19.03.2022 stattfand. Dies ergibt sich zunächst aus dem hinsichtlich der Tat zu Ziff. II. 5. uneingeschränkten Geständnis des Angeklagten. Zudem konnte sich auch der die damalige Strafanzeige aufnehmende Polizeibeamte, PK G., an die Vernehmung der Nebenklägerin erinnern und bekundete in der Hauptverhandlung, dass seine Niederschrift der damaligen Vernehmung entsprochen habe. Weiterhin sprach PK G. davon, dass es sich bei der Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin um eine für die Polizeibeamten „dauerhafte Geschichte“ handelte. Die beiden seien bei der Polizei bereits bekannt gewesen, es habe immer wieder Einsätze wegen häuslicher Gewalt gegeben. Es ist für die Kammer nachvollziehbar, dass die Nebenklägerin sich zwei Jahre nach dem 19.03.2022, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in der Beziehung mit dem Angeklagten sehr häufig zu verbalen, aber auch körperlichen Auseinandersetzungen gekommen ist, nicht mehr an jedes Detail erinnern konnte. Im Kerngeschehen deckte sich die Aussage der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung mit den Angaben aus der polizeilichen Strafanzeige. Die Kammer hat insbesondere auch keine Zweifel daran, dass es in den Morgenstunden des 19.03.2022 zu dem unter Ziff. II. 5. festgestellten sexuellen Übergriff durch den Angeklagten gekommen ist. Zwar konnte die Nebenklägerin diesen nicht mit den Vorgängen in den Morgenstunden des 19.03.2022 zeitlich in Zusammenhang bringen. Allerdings bekundete sie, dass es nur ein einziges Mal zu solch einem „Abtasten“ des Intimbereichs durch den Angeklagten gekommen sei.
1455.
146Die Feststellung unter Ziff. II. 1. b. und Ziff. II. 6., nämlich, dass bei Begehung sämtlicher festgestellter Taten weder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vermindert noch ein vollständiger Ausschluss der Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit gegeben war, beruht auf dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten der Sachverständigen Dr. D.. Die Sachverständige, eine als Chefärztin der Abteilung für Forensische Psychiatrie in der J.-Klinik Y. tätige Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hat nachvollziehbar ausgeführt, dass bei dem Angeklagten allenfalls ein schädlicher Gebrauch von Alkohol (ICD-10: F10.1) und Kokain (ICD-10: F14.1) in Betracht komme. Nach den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu seinem Alkohol-, Cannabis- und Kokainkonsum könne ein Abhängigkeitssyndrom nicht angenommen werden, da weder in Bezug auf Alkohol noch in Bezug auf Cannabis Entzugserscheinungen bei ihm aufgetreten seien. Der Angeklagte habe sowohl Alkohol als auch Kokain vorwiegend zum Feiern konsumiert, es habe sich um einen sein Leben begleitenden, nicht bestimmenden Konsum gehandelt. Zudem habe es auch abstinente Phasen gegeben; in der Hauptverhandlung sprach der Angeklagte davon, dass er – bevor er die Nebenklägerin kennen gelernt hat – auch mal ein Jahr gar kein Kokain konsumiert habe. Letztmalig habe er ca. einen Monat vor der Hauptverhandlung Kokain konsumiert, an den Zeitpunkt davor erinnere er sich nicht mehr. Nach den plausiblen Einschätzungen der Sachverständigen führt das vorbeschriebene Konsumverhalten des Angeklagten im Hinblick auf Alkohol und Kokain nicht zu der Annahme eines Abhängigkeitssyndroms, sondern allenfalls zu einem schädlichen Gebrauch. Im Hinblick auf Cannabis scheide sogar ein schädlicher Gebrauch nach ICD-10: F12.1 aus, da der Angeklagte in der Hauptverhandlung erklärt hat, im Alter von 17 oder 18 Jahren mit dem Konsum von Marihuana begonnen, diesen allerdings nach ca. ein bis zwei Jahren – bis auf ganz wenige Ausnahmen – wieder beendet zu haben.
147Nach den weiteren, für die Kammer zu jeder Zeit nachzuvollziehenden Ausführungen der Sachverständigen sei weder der Alkohol- noch der Kokainkonsum mit den von dem Angeklagten begangenen, unter Ziff. II. festgestellten Taten in Einklang zu bringen. Es habe sich um einen tatbegleitenden, aber nicht um einen (mit-)ursächlichen Konsum gehandelt. Die Beziehung des Angeklagten zu der Nebenklägerin sei intensiv, aber instabil gewesen. Es habe keine Lösungsmechanismen zur Beilegung von Konflikten gegeben, die Beziehung sei von der Eifersucht des Angeklagten geprägt gewesen. Diese Eifersucht sei auch regelmäßig der Auslöser von Konflikten in der Beziehung gewesen, der Konsum von Kokain und/oder Alkohol sei hierfür nicht monokausal.
148Die Einlassung des Angeklagten, er habe – sicherlich auch bedingt durch seinen Drogen- und Alkoholkonsum – hinsichtlich der Tatnacht vom 09.05.2020 an einem völligen Realitätsverlust gelitten, ist nach den auch insoweit überzeugenden Erläuterungen der Sachverständigen psychiatrisch nicht nachvollziehbar. Ein völliger Realitätsverlust hätte sich einerseits aus einem psychotischen Zustand ergeben können. Dafür, dass sich der Angeklagte bei der unter Ziff. II. 1. festgestellten Tat in einem psychotischen Zustand befunden habe, lägen keine Anhaltspunkte vor. Der zweite Umstand, aus welchem ein völliger Realitätsverlust folgen könnte, sei ein komatöser Zustand, für welchen es bei dem Angeklagten ebenfalls keine Anzeichen gebe. Auch aus der Hauptverhandlung hätten sich keine Hinweise auf einen Realitätsverlust des Angeklagten gegeben. So schilderte die Nebenklägerin – die, obwohl sie einen Kokainkonsum ihrer Aussage zufolge nicht mitbekommen hat, davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte auch in der Tatnacht auf den 09.05.2020 Kokain und Alkohol konsumiert habe – dass der Angeklagte sehr klar auf sie gewirkt habe. Zudem spreche gegen die Annahme eines völligen Realitätsverlustes nach den eingehenden Ausführungen der Sachverständigen, dass es sich bei dem unter Ziff. II. 1. festgestellten Tatgeschehen um ein mehraktiges und über einen längeren Zeitraum andauerndes gehandelt habe. Der Angeklagte sei sehr planvoll vorgegangen, er sei darüber hinaus in der Lage gewesen, auf Handlungen der Nebenklägerin zu reagieren. Relevante Intoxikationszeichen habe man den Handlungen des Angeklagten nicht entnehmen können. Der Angeklagte selbst hat sich zudem in der Hauptverhandlung auf die Frage der Sachverständigen, wie der Konsum von Kokain sich bei ihm ausgewirkt habe, dahingehend eingelassen, dass ihn Kokain wacher und aktiver mache.
149Aufgrund der vorangestellten Ausführungen kommt die Sachverständige Dr. D. zu dem für die Kammer uneingeschränkt nachvollziehbaren Ergebnis, dass weder die Steuerungs- noch die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten hinsichtlich der unter Ziff. II. festgestellten Taten beeinträchtigt war. Es könne kein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 StGB bejaht werden. Die Diagnosen „schädlicher Gebrauch von Alkohol (ICD-10: F10.1) und Kokain (ICD-10: F14.1)“ könnten nicht unter die §§ 20, 21 StGB subsumiert werden, zudem fehle es an einer Tatkausalität. Auch seien in Bezug auf den Angeklagten weder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, noch eine relevante Persönlichkeitsstörung oder eine andere schwere seelische Störung festzustellen.
150Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich darüber hinaus, dass bereits eine der Voraussetzungen des § 63 StGB – jemand begeht eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit – nicht vorliegt.
151Auch im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 64 StGB ist die Kammer den belastbaren Ausführungen der Sachverständigen gefolgt. Bereits ein Hang im Sinne des § 64 StGB – hierbei handelt es sich nach der mit Wirkung vom 01.10.2023 eingeführten Legaldefinition um eine Subtanzkonsumstörung, die eine den Täter treibende oder beherrschende Neigung begründet, das Rauschmittel immer wieder in einem Umfang (Maß und Häufigkeit) zu konsumieren, durch den Lebensgestaltung, Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dauerhaft und schwerwiegend beeinträchtigt werden – liege nicht vor. Der Angeklagte habe nach eigener Aussage in der Hauptverhandlung letztmalig vor einem Monat Kokain konsumiert. Es habe auch bereits längere Phasen der Abstinenz gegeben, zum Beispiel habe er vor dem Kennenlernen der Nebenklägerin ein Jahr gar nicht konsumiert. Aus der Hauptverhandlung ergäben sich keine Anzeichen für das Vorliegen eines Hangs im Sinne des § 64 StGB. Der Angeklagte habe an allen drei Verhandlungstagen einen aufmerksamen Eindruck gemacht, es sei ihm zudem gelungen, wieder eine Anstellung zu finden.
152Die Kammer ist nach eigener Prüfung dem Gutachten der Sachverständigen Dr. D. gefolgt, da sie keine Veranlassung hat, an der Richtigkeit des von ihr gefundenen Ergebnisses zu zweifeln. Die Ausführungen der forensisch erfahrenen Sachverständigen sind widerspruchsfrei und überzeugend. Sie ist bei der Erstattung des Gutachtens auch von zutreffenden Tatsachen ausgegangen.
153Im Ergebnis ist die Kammer damit von einer uneingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der unter Ziff. II. festgestellten Taten ausgegangen; die Voraussetzungen der §§ 63 und 64 StGB liegen nicht vor.
154IV.
155(Rechtliche Würdigung)
1561.
157Nach den unter Ziff. II. 1. getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte wegen besonders schwerer Vergewaltigung gemäß §§ 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) mit Freiheitsberaubung gemäß § 239 Abs. 1 StGB, vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB und Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
158Der Einsatz des Butterflymessers durch den Angeklagten als Drohmittel erfüllt die Qualifikation der Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB, da das vorgenannte Messer nach seiner objektiven Beschaffenheit und in der konkreten Art der Anwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Der Angeklagte setzte das Butterflymesser wiederholt gezielt als Drohmittel ein, um die unter Ziff. II. 1. festgestellten sexuellen Handlungen an der Nebenklägerin vornehmen zu können sowie die Durchführung sexueller Handlungen von der Nebenklägerin an sich vornehmen zu lassen.
159Der Angeklagte handelte auch vorsätzlich und rechtswidrig.
160Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt (oben unter Ziffer III. 5.) war der Angeklagte nach dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten der Sachverständigen Dr. D., dem sich die Kammer nach gewissenhafter, eigenständiger Überprüfung vollumfänglich angeschlossen hat, bei Begehung der unter Ziff. II. festgestellten Taten weder schuldunfähig noch vermindert schuldfähig.
161Den erforderlichen Strafantrag gemäß §§ 230 Abs. 1 Satz 1, 303c StGB betreffend die unter Ziff. II. 1. festgestellten Taten hat die Nebenklägerin am 12.05.2020 gestellt.
1622.
163Darüber hinaus hat sich der Angeklagte nach den unter Ziff. II. 2. getroffenen Feststellungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
164Der Angeklagte handelte vorsätzlich, rechtswidrig sowie – wie bereits unter Ziff. IV. 1. – ausgeführt auch schuldhaft.
165Hinsichtlich der zuvor unter Ziffer 2. geschilderten Vorfälle stellte die Nebenklägerin keinen Strafantrag. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft I. hat in der Hauptverhandlung das besondere öffentliche Verfolgungsinteresse im Sinne des § 230 Abs. 1 StGB erklärt.
166Soweit dem Angeklagten in Bezug auf die Tatnacht auf den 12.11.2020 (Tat zu Ziffer 2 der Anklageschrift vom 12.01.2023) auch zur Last gelegt worden ist, dass er die Nebenklägerin u.a. als „Nutte“ und „Hure“ bezeichnet haben soll, scheidet eine Strafbarkeit nach § 185 StGB bereits mangels Strafantrags (§ 194 Abs. 1 Satz 1 StGB) aus. Zwar kann eine Strafanzeige – vorliegend die Strafanzeige vom 12.11.2020, Bl. 194-196 – auch als Strafantrag auszulegen sein, wenn sich aus ihr ein Strafverlangen unzweideutig ergibt. Allerdings wurde in die Strafanzeige vom 12.11.2020 weder die Beleidigung als Straftat noch der zugrundeliegende Sachverhalt aufgenommen.
1673.
168Weiterhin hat sich der Angeklagte nach den unter Ziff. II. 3. getroffenen Feststellungen wegen Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB a.F. strafbar gemacht.
169Der Angeklagte handelte vorsätzlich, rechtswidrig sowie – wie bereits unter Ziff. IV. 1. – ausgeführt auch schuldhaft.
1704.
171Wegen Bedrohung gemäß § 241 Abs. 2 StGB hat sich der Angeklagte nach den unter Ziff. II. 4. getroffenen Feststellungen strafbar gemacht.
172Der Angeklagte handelte vorsätzlich, rechtswidrig sowie – wie bereits unter Ziff. IV. 1. – ausgeführt auch schuldhaft.
1735.
174Abschließend hat sich der Angeklagte nach den unter Ziff. II. 5. getroffenen Feststellungen wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit einem sexuellen Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
175Der Angeklagte handelte vorsätzlich, rechtswidrig sowie – wie bereits unter Ziff. IV. 1. – ausgeführt auch schuldhaft.
176Den erforderlichen Strafantrag betreffend die unter Ziff. II. 5. festgestellten Taten hat die Nebenklägerin am 19.03.2022 gestellt.
1776.
178Die vorgenannten Taten zu Ziffer 1.-5. stehen zueinander in Realkonkurrenz, § 53 StGB.
179V.
180(Strafzumessung)
1811.
182Bei der Strafzumessung ist die Kammer hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen besonders schweren Vergewaltigung (§§ §§ 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (§ 239 Abs. 1 StGB), vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) und Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB vom Strafrahmen des § 177 Abs. 8 Nr. 1 StGB ausgegangen, der – in Verbindung mit § 38 StGB – Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren bis zu fünfzehn Jahren vorsieht.
183Ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 9, 3. Alt. StGB, der einen Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren eröffnen würde, liegt nicht vor.
184a.
185Für die Frage, ob ein unbenannter minder schwerer Fall vorliegt, ist zu prüfen, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Bewertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleich ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder ihr nachfolgen. Dabei müssen auch die Persönlichkeit des Täters, sein Gesamtverhalten, seine Tatmotive und die seine Tat begleitenden Umstände gewürdigt werden.
186Bei einer Gesamtbetrachtung aller für die Strafzumessung in Betracht kommenden allgemeinen Milderungsgründe im Sinne des § 46 StGB wich das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle nicht in einem so erheblichen Maße positiv ab, dass die Anwendung des für einen minder schweren Fall vorgesehenen Ausnahmestrafrahmens geboten erschien und die Anknüpfung an den Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 8 StGB den Besonderheiten des Falles nicht gerecht und zu hart erscheinen würde.
187b.
188Dabei hat die Kammer insbesondere folgende Strafzumessungsgesichtspunkte gewürdigt, gewichtet und gegeneinander abgewogen:
189aa.
190Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass er sich in Bezug auf die unter Ziff. II. 1. festgestellte Tat – zumindest im Hinblick auf den äußeren Tathergang – teilgeständig eingelassen hat. Diese teilgeständige Einlassung, welche vor Durchführung der Beweisaufnahme erfolgte, hat die Kammer letztendlich zugunsten des Angeklagten gewertet, trotz des Umstandes, dass der Nebenklägerin durch die erhebliche Einschränkung der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten eine Aussage vor Gericht nicht erspart geblieben ist. Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer darüber hinaus berücksichtigt, dass die unter Ziff. II. 1. festgestellte Tat zum Zeitpunkt der Entscheidungsverkündung fast vier Jahre zurückgelegen hat. Ebenfalls strafmildernd zu berücksichtigen war der Umstand, dass die geschädigte Nebenklägerin keine bleibenden körperlichen oder seelischen Schäden davongetragen hat. Des Weiteren hat die Kammer zugunsten des Angeklagten in ihre Entscheidung einfließen lassen, dass er die Tat in der Nacht auf den 09.05.2020 unter dem Einfluss von Alkohol und Kokain begangen hat. Auch wenn die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB aufgrund des Alkohol- und Drogenkonsums des Angeklagten in der Tatnacht nicht vorlagen, so ist die Kammer zugunsten des Angeklagten zumindest davon ausgegangen, dass er durch den vorgenannten Konsum enthemmt war. Strafmildernd hat die Kammer zudem gewertet, dass sich der Angeklagte – dies hat die Nebenklägerin wiederholt bekundet – bei der Nebenklägerin entschuldigt hat.
191bb.
192Zu Lasten des Angeklagten war zunächst zu berücksichtigen, dass er zum Tatzeitpunkt erheblich, wenn auch nicht einschlägig, vorbestraft war. Weiterhin hat die Kammer strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte nicht nur die besonders schwere Vergewaltigung begangen hat, sondern in Tateinheit auch eine Freiheitsberaubung, eine vorsätzliche Körperverletzung sowie eine Sachbeschädigung. Die gesamte Art und Weise der Tatausführung wirkt sich erheblich zulasten des Angeklagten aus. Seine hohe kriminelle Energie zeigt sich bereits darin, dass er die Nebenklägerin unter dem Vorwand, er habe Suizidgedanken, in seine Wohnung lockte, um sie dort sodann für mehrere Stunden festzuhalten und mehrfach zu vergewaltigen. Hierbei ging der Angeklagte äußerst planvoll vor, was er der Nebenklägerin auch kurz nach deren Eintreffen in seiner Wohnung offenbarte, indem er ihr gegenüber äußerte: „So, jetzt bist Du hier und jetzt siehst Du!". Diese Aussage zeigt die Intention des Angeklagten für seine Tat: er wollte die Nebenklägerin bestrafen. Und zwar dafür, dass die Nebenklägerin wenige Tage zuvor mit dem Angeklagten „Schluss gemacht“ hatte und im weiteren Verlauf der Tat auch dafür, dass die Nebenklägerin mit anderen Männern Textnachrichten ausgetauscht hatte. In diesem Zusammenhang strafschärfend berücksichtigt hat die Kammer den Umstand, dass die anale Vergewaltigung durch den Angeklagten für die Nebenklägerin besonderes erniedrigend und schmerzhaft war. Der Angeklagte wusste, dass die Nebenklägerin analen Geschlechtsverkehr nicht mochte und auch nicht wollte. Und genau aus diesem Grund stellte der Angeklagte die anale Vergewaltigung in den Mittelpunkt seiner gesamten Tatausführung, was insbesondere dadurch zum Ausdruck gekommen ist, dass der Angeklagte vor der eigentlichen Vergewaltigung äußerte: „Ich werde Dich gleich noch in den Arsch ficken!" und hinzufügte, dass die Nebenklägerin die Wohnung erst verlassen werde, wenn er seine Ankündigung in die Tat umgesetzt habe. Weiterhin war zulasten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass es sich um Analverkehr ohne Verwendung eines Kondoms und mit Samenerguss handelte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 18. 12. 2002 - 2 StR 402/02 - NStZ-RR 2003, 111). Darüber hinaus wirkte sich strafschärfend aus, dass der Angeklagte mehrfach Regelbeispiele des Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 verwirklichte, indem er die Nebenklägerin zum Oral-, Anal- und Vaginalverkehr zwang. Auch hat die Kammer zulasten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser die Nebenklägerin wiederholt mit der Faust und der flachen Hand in das Gesicht und gegen den Kopf sowie gegen den linken Oberarm geschlagen hat, sodass die Nebenklägerin Hämatome im Gesicht und am linken Oberarm sowie eine schmerzhafte, traumatische Trommelfellperforation erlitt.
193c.
194Im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung weicht das Tatbild aus Sicht der Kammer unter Einbeziehung der zuvor dargestellten allgemeinen Milderungsgründe insbesondere deswegen nicht vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle der besonders schweren Vergewaltigung in einem solchen Maße nach unten ab, dass eine Strafe nach dem Regelstrafrahmen eine unverhältnismäßige Härte bedeuten würde, weil die Art und Weise der Tatbegehung – der Angeklagte hat die Nebenklägerin unter einem Vorwand und in der Absicht, sie für die Trennung von ihm und das „Chatten“ mit anderen Männern zu bestrafen, zu sich gelockt und sie sodann über mehrere Stunden festgehalten und unter Vorhalt eines Messers und unter Einsatz von Gewalt vergewaltigt – eine erhebliche kriminelle Energie des Angeklagten hat zutage treten lassen.
195Die Kammer verkennt im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung nicht, dass in Fällen ambivalenter Täter-Opfer-Beziehungen, die im Grenzbereich des Vorsatzausschlusses liegen, ein minder schwerer Fall gemäß § 177 Abs. 9, 3. Alt. StGB in Betracht kommen kann. Allerdings ist in diesem Zusammenhang immer eine Einzelfallbetrachtung notwendig (vgl. BGH, BeckRS 2022, 4327). Exemplarisch kann eine Zuwendung des Opfers zum Täter trotz vorangegangener massiver sexueller Attacken geeignet sein, den Unrechtsgehalt der Vergewaltigung zwar nicht objektiv, aber aus Sicht des Täters zu vermindern und seine Hemmschwelle zu ihrer Begehung herabzusetzen (vgl. BGH, NStZ-RR 1997, 195). In dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt ging es allerdings um ein ambivalentes Verhalten des Opfers in der Vergangenheit. Dem unter Ziff. II. 1. festgestellten Übergriff am 09.05.2020 ging aber kein anderer sexueller Übergriff voraus; der Angeklagte und die Nebenklägerin waren zudem in der Tatnacht kein Paar mehr und waren zuvor auch erst wenige Monate – seit Januar 2020 – zusammen. Dass die Nebenklägerin im Oktober 2020 – mithin ca. fünf Monate nach der unter Ziff. II. 1. festgestellten Tat – erneut eine Beziehung mit dem Angeklagten eingegangen und im Mai 2021 sogar mit ihm zusammengezogen ist, mag nicht nachvollziehbar sein und ist sicherlich als ambivalentes Verhalten der Nebenklägerin zu charakterisieren. Allerdings führt dieses Nachtatverhalten für sich genommen nicht zu der Annahme eines minder schweren Falles. Vielmehr hat die Kammer dieses ambivalente Nachtatverhalten der Nebenklägerin als einen Umstand innerhalb der erforderlichen Gesamtabwägung gewürdigt. Auch unter Berücksichtigung der ambivalenten Täter-Opfer-Beziehung wich das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit des Angeklagten nicht vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße positiv ab, dass die Annahme eines minderschweren Falles angezeigt gewesen wäre. In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch gewürdigt, dass die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet hat, dass die Ereignisse aus der Nacht des 09.05.2020 immer mal wieder Thema in der Beziehung mit dem Angeklagten gewesen seien, die Nebenklägerin dem Angeklagten die Ereignisse aus der vorgenannten Nacht immer mal wieder vorgeworfen habe. Dies deckt sich mit der Aussage der Nebenklägerin in ihrer richterlichen Vernehmung vom 15.12.2021, wo sich sie dahingehend äußerte, dass sie zwar mit dem Angeklagten zusammenleben würde, sie ihm aber nicht verziehen hätte. Insgesamt kann keine Rede davon sein, dass die Nebenklägerin die Handlungen des Angeklagten in der Nacht des 09.05.2020 in irgendeiner Art und Weise nachträglich gebilligt hat. Zudem hat die Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung der Kammer nicht ergeben, dass der Angeklagte auch vor dem 09.05.2020 schon, über einen längeren Zeitraum hinweg, in ähnlicher Weise Sex mit der Nebenklägerin gehabt und diese leichte bis mittelmäßige Gewalt im Rahmen von Sexspielen sowie Analsex gebilligt hat. Es handelte sich auch nicht – wie vom Angeklagten behauptet – um eine Willensbeugung im Rahmen eines Sexspiels. Im Gegenteil, der Angeklagte handelte in der Absicht, die Nebenklägerin, die sich von ihm getrennt hatte und die er als „dreckig“ bezeichnete, weil sie mit anderen Männern Textnachrichten ausgetauscht hatte, mittels einer besonders erniedrigenden Vergewaltigung zu bestrafen.
196Sinn und Zweck des § 177 Abs. 9, 3. Alt. ist es vor allem, eine unrechtsangemessene Strafe zu ermöglichen, wenn der Strafrahmen in Absatz 8 für einen in der sexuellen Komponente vergleichsweise harmlosen Übergriff zu hoch ausfällt. Vorstellbar wäre dies, wenn die Erniedrigung im Vergleich mit anderen Vergewaltigungen am untersten Rand der Schwereskala anzusiedeln ist (etwa beim kurzzeitigen Eindringen mit einem Finger in die Vagina) und das qualifizierende Element lediglich eine abstrakte Gefahr begründet hat (Absatz 7 Nr. 1, z.B. wegen des Taschenmessers, das der Täter bei sich führt). Nach den unter Ziff. II. 1. getroffenen Feststellungen liegt eine solch unterschwellige Vergewaltigung nicht vor.
197d.
198Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des anzuwendenden Strafrahmens von nicht unter fünf Jahren bis zu fünfzehn Jahren hat die Kammer nochmals alle für und gegen den Angeklagten sprechenden oben aufgeführten Gesichtspunkte, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, im Sinne des § 46 StGB gegeneinander abgewogen und berücksichtigt und hält danach für die unter Ziff. II. 1. festgestellte Tat eine
199Freiheitsstrafe von sieben Jahren
200für tat- und schuldangemessen. Diese Strafe ist erforderlich, aber auch ausreichend, um das Fehlverhalten des Angeklagten zu ahnden und dem Unrechtsgehalt seiner Tat und seiner Persönlichkeit gerecht zu werden.
2012.
202Bei der Strafzumessung hinsichtlich der vom Angeklagten unter Ziff. II. 2. festgestellten, am 12.11.2020 begangenen vorsätzlichen Körperverletzung ist die Kammer vom Strafrahmen des § 223 Abs. 1 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre oder Geldstrafe vorsieht.
203Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer zunächst sein im Hinblick auf die unter Ziff. II. 2. festgestellte Tat vollumfängliches und vor der Beweisaufnahme abgegebenes Geständnis berücksichtigt. Ebenfalls wirkte sich für den Angeklagten betreffend die Strafzumessung positiv aus, dass die unter Ziff. II. 2. festgestellte Tat zum Zeitpunkt der Entscheidungsverkündung ungefähr dreieinhalb Jahre zurückgelegen hat. Ebenfalls strafmildernd zu berücksichtigen war der Umstand, dass die geschädigte Nebenklägerin auch im Hinblick auf die unter Ziff. II. 2. festgestellte Körperverletzung keine bleibenden körperlichen oder seelischen Schäden davongetragen hat. Des Weiteren hat die Kammer zugunsten des Angeklagten in ihre Entscheidung einfließen lassen, dass er die Tat in der Nacht auf den 12.11.2020 unter dem Einfluss von Alkohol begangen hat, da er gemeinsam mit der Nebenklägerin eine 0,7-Liter-Flasche Wodka getrunken hat, wodurch er enthemmt war.
204Strafschärfend stand dem gegenüber, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt erheblich, wenn auch nicht einschlägig, vorbestraft war. Zu Lasten des Angeklagten war zudem zu berücksichtigen, dass er die Nebenklägerin zwei Mal in deren Gesicht schlug, beim zweiten Mal mit solch einer Härte, dass die Nebenklägerin ohnmächtig wurde. Darüber hinaus hat die Kammer im Hinblick auf die unter Ziff. II. 2. festgestellte Tat strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte die Tat in der Wohnung der Nebenklägerin, mithin in deren besonders geschützter Privatsphäre, begangen hat.
205Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens hat die Kammer alle für und gegen den Angeklagten sprechenden oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte im Sinne des § 46 StGB gegeneinander abgewogen und hält danach eine
206Freiheitsstrafe von neun Monaten
207für tat- und schuldangemessen.
2083.
209Bei der Strafzumessung hinsichtlich der vom Angeklagten unter Ziff. II. 3. festgestellten, am 12.11.2020 begangenen Bedrohung ist die Kammer vom Strafrahmen des § 241 Abs. 1 StGB a.F. ausgegangen, der Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsah.
210Hinsichtlich der konkreten Strafzumessung hat sich die Kammer zugunsten des Angeklagten von den Gesichtspunkten wie unter Ziff. V. 2. ausgeführt leiten lassen. Zudem hat die Kammer positiv gewertet, dass die unter Ziff. II. 3. festgestellt Tat in engem zeitlichen Zusammenhang mit der unter Ziff. II. 2. festgestellten Tat stand.
211Strafschärfend stand dem erneut gegenüber, dass der Angeklagte erheblich – wenn auch nicht einschlägig – vorbestraft war und die Bedrohungen in der Wohnung der Nebenklägerin, mithin in deren besonders geschützter Privatsphäre, ausgesprochen hat.
212Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens hat die Kammer alle für und gegen den Angeklagten sprechenden oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte im Sinne des § 46 StGB gegeneinander abgewogen und hält danach eine
213Freiheitsstrafe von drei Monaten
214für tat- und schuldangemessen.
215Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass eine kurze Freiheitsstrafe im vorliegenden Fall gemäß § 47 Abs. 1 StGB nur verhängt werden darf, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Die Kammer ist jedoch nach einer Gesamtwürdigung der die Tat und Täterpersönlichkeit kennzeichnenden Umstände der Ansicht, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich ist. Die Bedrohung vom 12.11.2020 ist in ein Gesamtgeschehen eingebettet, in welchem der Angeklagte die Nebenklägerin in einem Zeitraum von etwa zwei Jahren wiederholt bedroht sowie körperlich und sexuell angegriffen hat. Zudem war der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung am 12.11.2020 bereits erheblich vorbestraft, sein Bundeszentralregisterauszug wies zu diesem Zeitpunkt sechs Eintragungen auf. Die Verhängung von Geldstrafen hat ihn bis dato nicht von der Begehung der neuerlichen Straftat abhalten können. Eine positive Veränderung in seinem Verhalten war nicht zu erkennen. Vor diesem Hintergrund war die Verhängung einer Freiheitsstrafe aus Sicht der Kammer unerlässlich.
216Gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB hat die Kammer nach zusammenfassender Würdigung der Täterpersönlichkeit und der einzelnen, unter Ziff. II. 1.-3. festgestellten Straftaten aus diesen Einzelstrafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe und unter nochmaliger Berücksichtigung aller vorstehend bereits genannten strafschärfenden und strafmildernden Umständen sowie nach § 55 Abs. 1 StGB unter Einbeziehung der Einzelstrafen (Freiheitsstrafe in Höhe von drei Monaten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Freiheitsstrafe in Höhe von zwei Monaten wegen Freiheitsberaubung) aus dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds-921 Js 1053/21-42/21) – nach Auflösung der in dem vorgenannten Urteil gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe – und unter strafmildernder Berücksichtigung eines Härteausgleichs betreffend die bereits durch Bezahlung erledigten Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Wuppertal vom 07.12.2020 (Az.: 12 Cs 722 Js 6719/20-336/20) sowie vom 07.09.2021 (Az.: 12 Cs 22 Js 1961/21-159/21) – zurückgeführt auf eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 20,00 € aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Wuppertal vom 14.01.2022 (Az.: 12 Cs-922 Js 1961/21-159/21) – eine
217Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten
218gebildet. Sie hat dabei wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs – die unter Ziff. II. 1.-3. festgestellten und die im Wege der nachträglichen Gesamtstrafe einbezogenen Taten fanden allesamt im Zeitraum von Mai bis Ende November 2020 statt – einen straffen Zusammenzug und eine moderate Erhöhung der Einsatzstrafe vorgenommen. Zudem hat die Kammer bei der Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds-921 Js 1053/21-42/21) im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung auch alle für und gegen den Angeklagten betreffend die dort abgeurteilten Taten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte im Sinne des § 46 StGB gegeneinander abgewogen. Hierbei hat die Kammer insbesondere strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte die Taten aus dem einbezogenen Urteil gestanden, sich bei der Nebenklägerin entschuldigt und sich mit dieser versöhnt hat. Darüber hinaus hat die Kammer bei der Bemessung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe zugunsten des Angeklagten dem Umstand Rechnung getragen, dass eine nachträgliche Gesamtstrafe mit den Geldstrafen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Wuppertal vom 07.12.2020 (Az.: 12 Cs 722 Js 6719/20-336/20) sowie vom 07.09.2021 (Az.: 12 Cs 22 Js 1961/21-159/21) – zurückgeführt auf eine Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen zu je 20,00 € aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts Wuppertal vom 14.01.2022 (Az.: 12 Cs-922 Js 1961/21-159/21) – nicht mehr gebildet werden konnte. Zwar kommt ein Härteausgleich bei einer erledigten Geldstrafe grundsätzlich nicht in Betracht. Ein Härteausgleich war zugunsten des Angeklagten vorliegend allerdings auf der Ebene der Gesamtstrafenbildung vorzunehmen, da der Angeklagte die Geldstrafe nicht ausschließlich durch Zahlung, sondern auch durch Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe – der Angeklagte befand sich hierzu vom 25.04.2023 bis zum 02.05.2023 in der JVA Wuppertal – erledigt hat. Die darin für den Angeklagten liegende Härte ist bei der Bemessung der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe strafmildernd berücksichtigt worden.
219Aufgrund der Zäsurwirkung der ersten, unerledigten Vorverurteilung durch das Amtsgericht Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds-921 Js 1053/21-42/21) war zunächst – wie zuvor beschrieben – eine Gesamtstrafe mit den Einzelstrafen für die vor diesem Zeitpunkt begangenen Taten (09.05.2020 und 12.11.2020) zu bilden. Für spätere, also nach dieser ersten Vorverurteilung liegende Taten (19.03.2022) war dann im Wege einer weiteren, nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine weitere, selbständige Gesamtstrafe zu bilden.
2204.
221Bei der Strafzumessung hinsichtlich der vom Angeklagten unter Ziff. II. 4. festgestellten, am 19.03.2022 begangenen Bedrohung ist die Kammer vom Strafrahmen des § 241 Abs. 2 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahre oder Geldstrafe vorsieht.
222Zugunsten des Angeklagten hat die Kammer zunächst sein im Hinblick auf die unter Ziff. II. 4. festgestellte Tat vollumfängliches und vor der Beweisaufnahme abgegebenes Geständnis berücksichtigt. Ebenfalls wirkte sich für den Angeklagten betreffend die Strafzumessung positiv aus, dass die unter Ziff. II. 4. festgestellte Tat zum Zeitpunkt der Entscheidungsverkündung zwei Jahre zurückgelegen hat. Im Hinblick auf die Bedrohung vom 19.03.2022 hat die Kammer nunmehr die ambivalente Täter-Opfer-Beziehung strafmildernd berücksichtigt. Obwohl die Nebenklägerin im Jahr 2020 fünf gerichtlich festgestellte Taten zu ihrem Nachteil durch den Angeklagten zu erleiden hatte, kehrte sie nicht nur wiederholt zu ihm zurück, sondern zog im Mai des Jahres 2021 sogar mit dem Angeklagten in eine gemeinsame Wohnung. Dieses Verhalten der Nebenklägerin war aus Sicht der Kammer geeignet, den Unrechtsgehalt der Bedrohung zwar nicht objektiv, aber aus der Sicht des Angeklagten zu vermindern und seine Hemmschwelle zu ihrer Begehung herabzusetzen.
223Demgegenüber wirkte sich nachteilig für den Angeklagten aus, dass er – zusätzlich zu dem Umstand, dass der Angeklagte erheblich vorbestraft war – die Bedrohung am 19.03.2022 begangen hat, während er aufgrund der Verurteilung des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds-921 Js 1053/21-42/21) unter laufender Bewährung stand, und zwar wegen zweier Taten, die sich ebenfalls gegen die Nebenklägerin richteten.
224Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens hat die Kammer alle für und gegen den Angeklagten sprechenden oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte im Sinne des § 46 StGB gegeneinander abgewogen und hält danach eine
225Freiheitsstrafe von sechs Monaten
226für tat- und schuldangemessen.
2275.
228Bei der Strafzumessung hinsichtlich der vom Angeklagten unter Ziff. II. 5. festgestellten vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit einem sexuellen Übergriff ist die Kammer gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB vom Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht.
229Hinsichtlich der konkreten Strafzumessung hat sich die Kammer zugunsten des Angeklagten von den Gesichtspunkten wie unter Ziff. V. 4. ausgeführt leiten lassen. Zudem hat die Kammer positiv gewertet, dass die unter Ziff. II. 5. festgestellten Taten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der unter Ziff. II. 4. festgestellten Tat standen.
230Strafschärfend hat die Kammer erneut die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten berücksichtigt, der im Hinblick auf die mitverwirklichte vorsätzliche Körperverletzung sowohl einschlägig vorbestraft war als auch unter laufender Bewährung stand. Die Verwirklichung zweier Delikte in Tateinheit wirkte sich ebenfalls zu Lasten des Angeklagten aus.
231Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des Strafrahmens hat die Kammer alle für und gegen den Angeklagten sprechenden oben aufgeführten Strafzumessungsgesichtspunkte im Sinne des § 46 StGB gegeneinander abgewogen und hält danach eine
232Freiheitsstrafe von zehn Monaten
233für tat- und schuldangemessen.
234Gemäß §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB hat die Kammer nach zusammenfassender Würdigung der Täterpersönlichkeit und der einzelnen, unter Ziff. II. 4.-5. festgestellten Straftaten aus diesen Einzelstrafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe und unter nochmaliger Berücksichtigung aller vorstehend bereits genannten strafschärfenden und strafmildernden Umständen sowie nach § 55 Abs. 1 StGB unter Einbeziehung der Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 15,00 € aus dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 22.11.2022 (Az.: 12 Ds 43/22 (10 Js 2238/22)) eine weitere
235Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten
236gebildet. Sie hat dabei wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs – die unter Ziff. II. 4.-5. festgestellten Taten und die im Wege der nachträglichen Gesamtstrafe einbezogene Tat fanden allesamt im einem Zeitraum von knapp zwei Monaten statt – einen straffen Zusammenzug und eine moderate Erhöhung der Einsatzstrafe vorgenommen.
237Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
238Bereits eine positive Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB sieht sich die Kammer nicht in der Lage festzustellen. Eine Erwartung, der Angeklagte werde sich allein die Verurteilung zur ausreichenden Warnung dienen lassen und auch ohne den Vollzug der Strafe künftig keine Straftaten mehr begehen, kann aufgrund der Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung nicht begründet werden. Diese prognostische Zukunftsbeurteilung ist auf der Grundlage einer umfassenden Gesamtbewertung von Tat und Täterpersönlichkeit vorgenommen worden, unter Berücksichtigung aller oben im Einzelnen bereits geschilderten Umstände, die zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen, auf die verwiesen wird, und die auch für die Sozialprognose erheblich sind. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Tatsache, dass der Angeklagte seit kurzer Zeit einer Erwerbstätigkeit als Bauhelfer nachgeht, durchaus stabilisierend auf ihn wirken dürfte. Jedoch ist andererseits festzustellen, dass der Angeklagte keinen festen Wohnsitz vorweisen kann und abwechselnd bei einer Freundin und seinem Cousin übernachtet. Bedacht wurde insbesondere dabei, dass die beiden hier zu berücksichtigenden Taten, begangen am 19.03.2022, noch während der aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Wuppertal vom 16.11.2021 (Az.: 12 Ds-921 Js 1053/21-42/21) andauernden Bewährungszeit begangen wurden.
239Besondere Umstände gemäß § 56 Abs. 2 liegen ferner nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten ebenfalls nicht vor. Die Bedeutung der oben im Einzelnen geschilderten Strafmilderungsgründe ist in ihrer Gesamtheit dabei nicht verkannt worden. Demgegenüber fällt hier entscheidend zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht, dass keine positive Sozialprognose besteht, die ein bedeutsamer Gesichtspunkt für das Vorliegen oder Fehlen „besonderer Umstände“ ist. Trotz sämtlicher Umstände, die für den Angeklagten sprechen, ist der Unrechts- und Schuldgehalt der Taten noch so groß, dass eine Strafaussetzung zur Bewährung unangebracht erscheint.
240Schließlich gebietet die Verteidigung der Rechtsordnung bei dem mehrfach, in Teilen einschlägig in Erscheinung getretenen und auch bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Angeklagten, der während der laufenden Bewährungszeit wieder straffällig geworden ist, die Vollstreckung der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe gem. § 56 Abs. 3 StGB. Es wäre dem wohlinformierten rechtstreuen Bürger in Kenntnis der Umstände des vorliegenden Falles nicht ohne erheblichen Verlust von Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Rechtsstaats zu vermittelten, dass diesem Angeklagten erneut eine Bewährungschance zugebilligt wird. Dies würde vielmehr als unsicheres Zurückweichen der Justiz vor der kriminellen Energie des Angeklagten verstanden werden und das Vertrauen erheblich schädigen.
241VI.
242(Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung)
243Die Kammer hat in ihrem Urteil gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 StGB analog ausgesprochen, dass von der unter Ziffer 1. des Tenors festgesetzten Freiheitsstrafe zwei Monate als vollstreckt gelten.
244Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass ein gegen sie eingeleitetes strafrechtliches Ermittlungsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist durchgeführt und über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb einer angemessenen Frist verhandelt wird. Dieses Beschleunigungsgebot ist Ausfluss des Rechts auf ein faires Verfahren. Zwar führt nicht jede im Strafprozess vorkommende Verzögerung zu einer Verletzung des Beschleunigungsgebotes. Rechtsstaatswidrig sind grundsätzlich vielmehr nur Verzögerungen, die ihre Ursache im Bereich staatlicher Stellen haben. Denn Art. 6 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. EMRK verpflichtet die Regierungen, ihre Gerichtsbarkeiten so zu organisieren, dass sie den Anforderungen, die die EMRK aufstellt, gerecht werden. Ein lediglich vorübergehender Engpass in der Arbeits- und Verhandlungskapazität der Strafverfolgungsorgane stellt keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. EMRK dar, eine dauerhafte Überlastung von Spruchkörpern dagegen schon.
245Im Rahmen der Berechnung der Verfahrensverzögerung ist zunächst die Verfahrensdauer zu bestimmen. Die Berechnung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschuldigte von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn in Kenntnis gesetzt wird und endet mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Wann die Verfahrensdauer noch angemessen ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Eine schematische, ausschließlich am Ablauf starrer Fristen orientierte Beurteilung verbietet sich. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung des Verfahrens vorzunehmen, in die die Komplexität des Falles, die Schwere des Tatvorwurfs, der Umfang und die Ursache der Verfahrensverzögerung sowie die tatsächlich konkret eingetretene Belastung des Beschuldigten einzubeziehen sind. Es gilt, die Interessen der Verteidigung, des Opfers, der Zeugen und des öffentlichen Interesses an einer effektiven Strafrechtspflege gegeneinander abzuwägen.
246Die Verfahrensdauer, die im Hinblick auf die unter Ziff. II. 1. festgestellte Tat von der Wohnungsdurchsuchung bei dem Angeklagten am 13.05.2020 – im Zuge dieser Durchsuchung hat der Angeklagte auch von den Ermittlungen gegen seine Person erfahren – und im Hinblick auf die unter Ziff. II. 2. und 3. festgestellten Taten von der Gefährderansprache am 13.11.2020 jeweils bis zum Urteil am 19.03.2024 zu berechnen ist, beträgt vorliegend in Bezug auf die unter Ziff. II. 1. festgestellte Tat 3 Jahre und 10 Monate und in Bezug auf die unter Ziff. II. 2. und 3. festgestellte Tat 3 Jahre und 4 Monate. Dies ist unter Beachtung der oben aufgestellten Grundsätze nicht mehr angemessen.
247Das Verfahren wurde während des Ermittlungsverfahrens rechtsstaatswidrig verzögert. Vom Beginn der Ermittlungen am 12.05.2020 bzw. am 12.11.2020 bis zur Erhebung der Anklage am 12.01.2023 sind 2 Jahre und 8 Monate bzw. 2 Jahre und 2 Monate vergangen, ohne dass für eine solch lange Ermittlungsdauer nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind. Beispielsweise wurde im Hinblick auf die Tat in der Nacht des 09.05.2020 erst über zwei Jahre später, nämlich am 30.09.2022, ein Antrag auf Einholung eines Gutachtens aus dem Bereich der DNA-Analytik/Serologie eingeholt. Die Kammer hat im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung von anderthalb Jahren angesetzt.
248Im gerichtlichen Zwischenverfahren ist keine weitere rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aufgetreten. Zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 24.01.2023 und dem Beginn der Hauptverhandlung am 06.03.2024 ist zwar mehr als ein Jahr vergangen. Allerdings musste die Hauptverhandlung, nachdem sie bereits am 10.11.2023 begonnen hatte, aufgrund einer nicht im Bereich staatlicher Stellen zugrundeliegenden Ursache ausgesetzt werden. Die eigentliche Dauer des Zwischenverfahrens hätte somit ca. 10 Monate betragen, was nach Dafürhalten der Kammer zu keiner weiteren rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung geführt hat.
249Der als vollstreckt geltende Teil der Gesamtfreiheitsstrafe war mit zwei Monaten zu bemessen. Die jeweils erforderliche Höhe der Kompensation war aufgrund einer wertenden Betrachtung unter Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles – insbesondere des Umfangs der staatlich zu verantwortenden Verzögerung und der konkreten Auswirkungen auf den Angeklagten – zu bestimmen. Die Bemessung hat dabei grundsätzlich restriktiv zu erfolgen und sich nur auf einen Bruchteil der verhängten Strafe zu beziehen. Der Angeklagte befand sich in einer unangenehmen und belastenden Situation des Zuwartens. Er wusste, dass gegen ihn zwei Ermittlungsverfahren geführt worden sind. Die bloße Feststellung der vorstehend berechneten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in den Urteilsgründen war vor diesem Hintergrund für den Angeklagten als Kompensation nicht ausreichend. In der Urteilsformel war daher gemäß § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 2 StGB analog auszusprechen, dass zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer ein genau zu beziffernder Teil der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gilt.
250VII.
251(Kostenentscheidung)
252Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.