Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Angeklagte ist in sechs Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in drei Fällen davon in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen ohne Körperkontakt schuldig.
Er wird deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
2 Jahren
verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften:
§§ 176 Abs. 1 (in der Fassung vom 27.12.2003 bzw. vom 31.10.2008), 176 Abs. 4 Ziffer 1 (in der Fassung vom 31.10.2008), 176 Abs. 4 Ziffer 4 (in der Fassung vom 27.12.2003); § 174 Abs. 1 Ziffern 1 und 3, Abs. 2 Ziffer 1 (in der Fassung vom 27.12.2003 bzw. in der Fassung vom 31.10.2008), 52, 53, 54, 56 Abs.1 und 2 StGB.
Gründe:
2I.
3Der heute 50-jährige Angeklagte wuchs gemeinsam mit drei Brüdern im elterlichen Haushalt in F. auf.
4Nach dem Besuch der Grundschule wechselte er auf eine sogenannte „Sonderschule“, auch mit der ihm dort erteilten Förderung gelang es ihm jedoch nicht, in ausreichender Weise das Lesen zu lernen, sodass er als funktioneller Analphabet durchs Leben gehen musste. Die Sonderschule verließ der intellektuell schlicht gestrickte, jedoch keinesfalls schwachsinnige Angeklagte mit 17 Jahren mit dem Abgangszeugnis nach der zehnten Klasse. Sein Versuch, eine Ausbildung als Maler zu machen, scheiterte. Schließlich arbeitete er bei einem Onkel als ungelernter Gipser und Stuckateur, später in einem anderen Stuckateurbetrieb.
5Nach einem Ortswechsel nach L arbeitete der Angeklagte bei einer Feuerschutzfirma, sowie bei der Firma J., wo er Lichtschalter verpackte. Schließlich fand er seinen Wunscharbeitsplatz bei der Stadt L , wo er als Müllwerker tätig war. Diesen Arbeitsplatz gab er jedoch infolge eines Bandscheibenvorfalls auf. Er ist nunmehr seit etwa vier Jahren arbeitslos. Ein Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente ist von ihm gestellt worden, derzeit lebt er mit seiner zweiten Frau, der Mutter der beiden vorliegend Geschädigten, von Bürgergeld.
6Seine nach einer siebenjährigen Beziehung geschlossene erste Ehe scheiterte nach bereits zehn Monaten und wurde geschieden. Zu den aus dieser Beziehung hervorgegangenen beiden, heute erwachsenen, Kindern unterhält der Angeklagte lediglich noch telefonischen Kontakt.
7Nachdem der Angeklagte nach L umgezogen war, lernte er etwa um den Jahrtausendwechsel seine heutige Ehefrau kennen, die bereits ein Kind aus einer früheren Verbindung hatte, nämlich die am 09.02.1994 geborene, spätere Geschädigte T.
8Aus der Beziehung gingen zwei leibliche Kinder des Angeklagten und seiner Lebensgefährtin hervor, die am 21.06.1998 geborene K., die weitere Geschädigte des vorliegenden Verfahrens und die im Jahr 2001 geborene Tochter L.. Ein weiteres Kind verstarb im Alter von etwa 14 Monaten am plötzlichen Kindstod. Dies hatte zur Folge, dass die Lebensgefährtin des Angeklagten (seine heutige Ehefrau) in eine schwere Depression verfiel und schließlich die Familienwohnung über viele Jahre hinweg gar nicht mehr verließ, weswegen der Angeklagte ihr sämtliche aushäusigen Tätigkeiten, wie etwa Einkaufen oder Wahrnehmung von Terminen, abnahm und sich auch aktiv in die Erziehung aller Kinder, auch seiner Stieftochter T, einbrachte. Dabei scheute er auch nicht davor zurück, im häuslichen Umfeld gelegentlich Gewalt – etwa Schläge und Tritte – als Erziehungsmittel einzusetzen.
9Die beiden leiblichen Töchter K und L. wuchsen jedoch über längere Zeit hinweg nicht in der Familie auf. Denn sie wurden im Jahr 2011 vom Jugendamt mit dem vor dem Familiengericht erklärten Einverständnis des Angeklagten und seiner Ehefrau, die wegen ihrer psychischen Verfassung als nicht handlungsfähig betrachtet wurde, wegen Vernachlässigung in einem Wohnheim untergebracht. Auch in diesem Zeitraum hatten T und K bereits Missbrauchsvorwürfe gegen den Angeklagten erhoben, die sie jedoch jeweils wieder zurückgezogen hatten, sodass diese ungeklärt blieben.
10Der Angeklagte führte seine Beziehung mit der Mutter seiner jüngsten Kinder zunächst als langjährige Lebenspartnerschaft, heiratete seine Lebenspartnerin jedoch im Februar 2023. Aus Sicht des Angeklagten ist seine Partnerschaft, nachdem die Töchter – bis auf die jüngste Tochter L., die sich allerdings häufig bei ihrem Freund aufhält – sich verselbstständigt haben, inzwischen „gut“. Auch seine Ehefrau nimmt, therapeutisch begleitet, mehr am Leben außer Haus teil. Nach dem Auszug ihrer älteren Töchter vermieteten der Angeklagte und seine Ehefrau zeitweilig Zimmer ihrer Wohnung an erwachsene Mitbewohnerinnen, eine dieser Frauen der Wohngemeinschaft erhob im Jahr 2020 den Vorwurf der sexuellen Belästigung gegen den Angeklagten (siehe dazu unten 9.).
11Strafrechtlich ist der Angeklagte – hauptsächlich wegen Betruges, der nach seinen Angaben auf Internetbestellungen beruhte – wie folgt in Erscheinung getreten:
121.
13Das Amtsgericht Wuppertal belegte ihn in dem Verfahren 27 Cs 60 Js 2979/05 am 12.07.2005 wegen Betruges mit einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 10 Euro.
142.
15Am 15.04.2008 belegte ihn das Amtsgericht Remscheid (21 Cs 60 Js 363/08 – 234/08) ebenfalls wegen Betruges mit einer Geldstrafe in gleicher Höhe.
163.
17Das vorgenannte Gericht belegte ihn mit Strafbefehl vom 04.10.2011 (21 Cs 422 Js 862/11 – 539/11) erneut wegen Betruges mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 Euro.
184.
19Das Amtsgericht Remscheid verurteilte ihn am 23.07.2013 (9 Ds 422 Js 3765/12 – 140/13) wiederum wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro.
205.
21Außerdem belegte ihn das Amtsgericht Remscheid mit Strafbefehl vom 06.09.2013 (21 Cs 721 Js 1294/13 – 499/13) wegen Betruges in drei Fällen mit einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 €.
226.
23Am 03.12.2013 bildete das Amtsgericht Remscheid aus den unter 4. und 5. dargestellten Verurteilungen im Beschlusswege eine nachträgliche Gesamtstrafe (9 Ds 422 Js 3765/12 – 140/13) von 150 Tagessätzen zu je 13 € Geldstrafe.
247.
25Darüber hinaus belegte ihn das Amtsgericht Remscheid am 08.04.2016 (60 Cs 722 Js 745/16 – 42/16) erneut wegen Betruges mit einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 €.
268.
27Mit Strafbefehl vom 06.09.2022 belegte in das vorgenannte Gericht in dem Verfahren 63 Cs 622 Js 6142/21 – 54/21 wegen Betruges, begangen am 31.01.2021, mit einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 €.
289.
29Zuletzt belegte ihn das Amtsgericht Remscheid (60 Cs 50 Js 581/20 – 43/22) mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 05.10.2022 wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen, begangen am 22.08.2020, mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 €. Der Strafbefehl warf dem Angeklagten vor, eine erwachsene Mitbewohnerin seiner Wohngemeinschaft sexuell belästigt und sich ihr gegenüber exhibitioniert zu haben.
30Alle Geldstrafen sind vollständig vollstreckt.
31II.
32In den Jahren bevor T und K am 14.07.2011 in einer Heimeinrichtung untergebracht wurden, kam es zu sexuellen Übergriffen auf die Mädchen in der von der Familie in L bewohnten Wohnung.
33Im Einzelnen konnten zu den jeweils mehr als ein Jahrzehnt zurückliegenden Übergriffen folgende konkrete Feststellungen getroffen werden, wobei jedoch die zeitliche Reihenfolge der einzelnen Übergriffe auf die jeweils betroffene Geschädigte infolge des langen Zeitablaufs nicht festgestellt werden konnte:
341. (1.der Anklageschrift)
35Zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen dem 09.02.2005 und dem 09.02.2006 kam es nachts in der gemeinsamen Wohnung dazu, dass die damals elf- bis zwölfjährige Zeugin T auf Toilette musste. Der Angeklagte, der im Wohnzimmer am PC, der dort hinter der Tür stand, saß und einen Pornofilm schaute, bemerkte dies, rief seine Stieftochter zu sich und gab ihr auf, sich auf seinen Schoß zu setzen. Hierbei trug der Angeklagte, der das Wohnzimmer regelmäßig zum Schlafen nutzte, lediglich eine kurze Hose. Den pornografischen Film, auf dem Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen zu sehen war, spielte er weiter ab, sodass das Kind die dort dargestellten Szenen mit ansehen musste.
36Da er in der Beziehung zu seiner Ehefrau - die, wie auch K und L., zu diesem Zeitpunkt schlafend in ihrem Schlafzimmer der Wohnung lag - sexuell unzufrieden war und ihm der Gedanke gekommen war, sich mithilfe seiner Stieftochter sexuell zu erregen, berührte er unter dem von dem Kind getragenen Oberteil die nackten, bereits entwickelten Brüste des Mädchens, griff ihr an die Hose, fasste an die Vulva des Kindes und fragte T mehrfach, ob ihr „so etwas“ gefalle. Obwohl die Zeugin äußerte, dass sie das nicht wolle, entgegnete ihr der Angeklagte sinngemäß, sie solle sich nicht so anstellen, Frauen gefalle „so etwas“ und setzte sein Tun zunächst ungerührt fort. Sodann entblößte er seinen erigierten Penis. Der Zeugin gelang es, sich zu befreien und auf die Toilette zu fliehen, nachdem der Angeklagte, schließlich von ihr abgelassen hatte.
372. (2. der Anklageschrift)
38Innerhalb des vorgenannten Zeitraumes kam es in der Nacht bei einer weiteren Gelegenheit dazu, dass der allein im Wohnzimmer vor dem PC sitzende Angeklagte T auf seinen Schoß nahm und mit ihr einen pornografischen Film anschaute. Auch hier nutzte der Angeklagte die Situation für einen sexuellen Übergriff. Er führte eine Hand in die Hose des Mädchens. Das Kind entfernte die Hand des Angeklagten jedoch, wodurch ihm wiederum deutlich wurde, dass T das nicht wollte. Auch hier äußerte der Angeklagte jedoch, sie solle sich nicht anstellen und es gefalle ihr doch, obwohl er bemerkte, dass das Kind über sein - des Angeklagten Tun - schockiert war. Gleichwohl ergriff er eine Hand des Mädchens und legte sie über der Kleidung auf seinen erigierten Penis. T zog schließlich ihre Hand zurück und ging weg.
393. (3. der Anklageschrift)
40Ebenfalls innerhalb des vorgenannten Zeitraumes hielten sich T, deren Brüste bereits entwickelt waren, und der Angeklagte gemeinsam im Badezimmer auf. Das Mädchen stand vollständig entkleidet vor dem Spiegel und bat darum, ihm den Rücken einzucremen. Dies kam dem Angeklagten zupass, da er die Vorstellung hatte, sich seiner Stieftochter sexuell zu nähern und die Situation dafür ausnutzen wollte. Als er in Verwirklichung seines Vorhabens den Wunsch äußerte, sie auch von vorne einzucremen, äußerte das Kind ablehnend: „Nein, nein!“, woraufhin der Angeklagte bestimmt entgegnete: „Ist doch egal, machen wir das mal!“, obgleich er bemerkt hatte, dass die Situation dem Kind unangenehm war. Sodann cremte er seine Stieftochter bis zu den Oberschenkeln ein, obwohl diese die Hände des Angeklagten wiederholt wegdrängte. Insbesondere die Brüste des Mädchens cremte der Angeklagte ausgiebig ein und massierte den Bereich. Währenddessen äußerte er, er finde es "geil", da die Situation ihn sexuell erregte. Als T sich anziehen wollte, ließ er schließlich von ihr ab und begab sich zunächst in das Wohnzimmer. Nachdem T kurze Zeit später die Wohnung verlassen hatte, begab der Angeklagte sich erneut ins Bad und masturbierte dort bis zum Samenerguss.
41Da der Angeklagte um die Strafbarkeit seines Tuns wusste, wies er T zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedenfalls nach dem ersten Übergriff auf das Kind, an, Stillschweigen zu bewahren, woran diese sich auch zunächst hielt.
424.(5. der Anklageschrift)
43Zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen dem 21.06.2008 und dem 21.06.2011 kam es dazu, dass der Angeklagte nachts K, die in diesem Zeitraum 10 bis 13 Jahre alt war, aus ihrem Zimmer in das von ihm als Schlafzimmer genutzte Wohnzimmer der Wohnung holte, da ihm die Idee gekommen war, sich auch an seiner leiblichen Tochter sexuell zur eigenen Befriedigung zu vergehen. Dort setzte er sich vor seinen Computer und nahm das Kind auf seinen Schoß. Nachdem er nun die Wiedergabe eines pornografischen Filmes – auch hier war Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen zu sehen – gestartet hatte, begann der Angeklagte, seine Tochter am Hals zu küssen und im Rücken- und Brustbereich zu streicheln, während das Mädchen den Pornofilm mit ansehen musste. Sodann führte er eine Hand in die Schlafanzughose des Kindes und manipulierte mit zwei Fingern an der Vulva des Mädchens. Dies setzte er fort, bis die Zeugin einen Orgasmus hatte. Anschließend äußerte der Angeklagte: „Dir gefällt das ja.“
445.(7. der Anklageschrift)
45Zu einem weiteren, zeitlich nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen dem 21.06.2008 und dem 14.07.2011 beabsichtigte K, sich morgens früh etwas zu trinken zu holen. Der Angeklagte, der im Wohnzimmer auf der Couch saß, forderte das Kind auf, zu ihm zu kommen, da er eine günstige Gelegenheit für einen sexuellen Übergriff sah. Als K bei ihm im Wohnzimmer war, setzte sie sich weisungsgemäß zu dem Angeklagten auf den Schoß, welcher einen Fernsehfilm erotischen Inhalts, der jedoch keinen echten Geschlechtsverkehr zeigte, schaute. Das Kind ließ es zu, dass der Angeklagte es zunächst am Rücken streichelte. Der Angeklagte, der diese Situation zu seiner eigenen Befriedigung erneut ausnutzen wollte, forderte das Mädchen sodann auf, seinen Penis anzufassen. Als das Kind sich weigerte, entblößte er seinen Penis, nahm mehrfach eine Hand des Mädchens und führte sie zu seinem Penis. K zog ihre Hand jedoch zunächst einige Male wieder weg, wodurch für den Angeklagten erneut deutlich wurde, dass seine Tochter dies nicht tun wollte.
46Schließlich nahm der Angeklagte seine Tochter, die mit einem Pyjama bekleidet war, auf seinen Schoß, sodass sie mit ihrem Rücken an seinem Bauch und seinem entblößten Penis lehnte. Nachdem er seine Tochter seitlich auf den Hals geküsst hatte, forderte er sie auf, sich auf seinem Schoß hoch und runter zu bewegen und sich auf diese Weise an seinem Glied zu reiben, denn er wollte so zur sexuellen Befriedigung gelangen. Tatsächlich leistete seine Tochter seiner Anweisung Folge und rieb sich am Glied des Angeklagten, was dazu führte, dass dieser, wie von ihm beabsichtigt, nicht nur eine Erektion bekam, sondern schließlich sogar ejakulierte. Hierbei äußerte er, in Anspielung auf sein aus seiner Sicht unzureichendes Sexualleben mit seiner Ehefrau, aber zugleich auch sein Verhalten herunterspielend und entschuldigend: „Tut mir leid, Mama will nie.“ Ejakulat geriet an den Rücken und auch auf den Bauch des Kindes, das anschließend seinen Pyjama in die Wäsche tat.
47Da dem Angeklagten bewusst war, dass sein Tun strafrechtliche Konsequenzen für ihn haben könnte, wies er auch K an, sie dürfe „der Mama nichts sagen“, wobei er behauptete, K würde „dann Ärger kriegen“, um sich ihres Stillschweigens zu versichern. Tatsächlich offenbarte sich das Kind in der Folgezeit zunächst nicht.
486.(8. der Anklageschrift)
49Zu einem nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen dem 01.01.2010 und dem 14.07.2011 kam es dazu, dass K mittags baden wollte, weswegen sie sich in das Badezimmer begab. Dorthin folgte ihr der Angeklagte, der wiederum eine günstige Gelegenheit für einen sexuellen Übergriff sah. Im Badezimmer zog der Angeklagte seine Jeanshose bis zu den Knien herunter, setzte sich auf die Toilette und masturbierte vor den Augen seiner Tochter bis zum Samenerguss.
507. (9. der Anklageschrift)
51Zu einem weiteren, nicht näher eingrenzbaren Zeitpunkt zwischen dem 21.06.2010 und dem 14.07.2011 kam es dazu, dass K im Badezimmer duschte. Während des Duschens betrat der Angeklagte das Badezimmer und beobachtete seine Tochter. Als das Mädchen der Dusche entstieg, nutzte er die Situation, da er sich sexuell erregen und drückte das Kind gegen die Badezimmertür und saugte an dessen Brüsten. Sodann manipulierte er mit einer Hand an der unbekleideten Vulva des Mädchens. Als er bemerkt hatte, dass das Mädchen zum Höhepunkt gekommen war, ließ er jedoch von ihm ab.
52Der Angeklagte unterhält inzwischen keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter K und seiner Stieftochter T. Beide leben mit ihrem Verlobten bzw. Freund jeweils in einer eigenen Wohnung. Begegnet man sich zufällig auf der Straße, so gehen alle Beteiligten grußlos aneinander vorbei.
53Soweit dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 05.12.2022 darüber hinaus eine gefährliche Körperverletzung (4. der Anklageschrift) sowie ein weiterer sexueller Missbrauch von Kindern (6. der Anklageschrift) jeweils zum Nachteil seiner leiblichen Tochter K. vorgeworfen worden sind, hat die Kammer das Verfahren auf den Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
54Vorliegendes Verfahren fand seinen Ausgang darin, dass Anfang Mai 2021 die Geschädigte K. gemeinsam mit ihrer Schwester L. Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattete, die zum Inhalt hatte, dass dieser u.a. seine inzwischen erwachsenen Töchter dazu veranlasst haben soll, sich gegen Geld zu prostituieren. Im Rahmen der daraufhin erfolgten Ermittlungen machte K. - ebenso wie ihre Halbschwester T - ausführliche Angaben zu den oben dargestellten sexuellen Übergriffen in ihrer Kindheit, sodass das vorliegende Verfahren eingeleitet wurde. L. verweigerte jedoch die Aussage, so dass das wegen des Verdachtes der Zuhälterei geführte Verfahren ist nicht weiter betrieben worden ist.
55Das im Ermittlungsverfahren eingeholte vorläufige aussagepsychologische Gutachten der Sachverständigen Psychologin (M.Sc.) G. vom 21.09.2022 kam nach Exploration der beiden Geschädigten zum Ergebnis, dass im Hinblick auf deren Schilderungen des Tatgeschehens alle Hypothesen, die nicht von einer auf Erleben basierenden Aussage ausgehen, zurückzuweisen sind und der Erlebnishypothese gefolgt werden kann.
56Infolge der Belastung der Kammer u.a. mit vorrangigen Haftsachen konnte die Hauptverhandlung im vorliegenden Verfahren erst am 25.04.2024 beginnen.
57III.
58Die vorstehend getroffenen Feststellungen sowohl zur Person als auch zur Sache beruhen auf der glaubhaften und - angesichts des Umstandes, dass sämtliche Taten langjährig zurückliegen (nämlich hinsichtlich der Geschädigten T mindestens 18 Jahre, hinsichtlich der Geschädigten K mindestens 12 Jahre) und der Angeklagte infolge seiner intellektuell schlichten Persönlichkeit anfänglich Schwierigkeiten in der Darstellung hatte - durchaus detailreichen geständigen Einlassung des Angeklagten sowie den weiteren ausweislich des Sitzungsprotokolls erhobenen Beweisen.. Der stellte Angeklagte stellte sich allen Fragen der Prozessbeteiligten und war ersichtlich bemüht, dieser seiner Erinnerung nach zu beantworten, dabei zeigte er sich überzeugend reuig, einsichtig und therapiewillig.
59Seine Einlassung, die letztlich die Vorwürfe der Anklageschrift vollumfänglich bestätigt hat, steht im Wesentlichen im Einklang mit den Bekundungen der Kriminalbeamtin O.. Diese hat unter anderem die zeugenschaftlichen Vernehmungen der beiden Geschädigten (T am 19.11.2021 und K. am 26.07.2021) durchgeführt. Die Kammer hat die Kriminalbeamtin zur Überprüfung des Geständnisses angehört. Diese wusste anschaulich die ihr gegenüber von den Geschädigten geschilderten mehrmaligen Übergriffe des Angeklagten zu schildern. Dabei war ihr besonders erinnerlich, dass beide Geschädigten auf Fragen ausführliche Antworten in freier Rede gaben, wobei sie Einzelheiten zu deren Aussagen berichtete, die sich zur sicheren Überzeugung der Kammer in ihrer Gesamtheit stimmig zu der Einlassung des Angeklagten fügten. So schilderte die Vernehmungsbeamtin, dass beide Geschädigte jeweils von mehreren Übergriffen zu berichten wussten. So K vier Übergriffe in Einzelheiten schildern konnte, die in zwei Fällen zu nächtlicher Uhrzeit bei Gelegenheiten im Wohnzimmer geschahen, bei denen der Angeklagte sie dazu aufgefordert habe, sich auf seinen Schoß zu setzen, sie zunächst streichelte und sodann dazu überging, sie im Bereich der Brust und auch unter der Hose an der Scheide zu streicheln bzw. anzufassen. Zudem berichtete K von zwei weiteren Übergriffen im Badezimmer. T beschrieb ebenfalls zwei Übergriffe im Wohnzimmer und einen Übergriff im Badezimmer der Familienwohnung. Beide Geschädigte berichteten ihr davon, dass sie während der Übergriffe auch Pornofilme auf dem PC hätten mitanschauen müssen, wobei K sogar freimütig davon berichtete, in zwei Fällen zum Orgasmus gekommen zu sein, was so auch von dem Angeklagten bestätigt worden ist.
60Soweit K gegenüber der Kriminalbeamtin angegeben hat, bei einer Tat - II. 6. (7. der Anklageschrift) - habe der Angeklagte sich schließlich auf sie gelegt und sich bewegt, bis er auf ihren Bauch ejakuliert habe, ist die Kammer vor dem Hintergrund, dass auch diese Tat mehr als zehn Jahre zurückliegt, der Einlassung des Angeklagten gefolgt, der zwar – wie festgestellt – eine andere Körperposition beschrieben hat, jedoch unumwunden auch zugegeben hat, auf den Körper (Rücken und Bauch) des damals elf- bis zwölfjährigen Kindes ejakuliert zu haben. Der Angeklagte hat nämlich in besonderer Weise anschaulich und nachvollziehbar seine Vorgehensweise bei diesem Geschehen zu beschreiben vermocht.
61Darüber hinaus bestätigen auch die in der Hauptverhandlung aus dem aussagepsychologischen Gutachten der Sachverständigen G. vom 21.09.2022, Seite 64 bis Seite 67, auszugsweise verlesenen aussagepsychologischen Schlussfolgerungen die Realitätsgrundlage der Bekundungen der Geschädigten insgesamt und letztlich damit auch die diese insgesamt bestätigende Einlassung des Angeklagten.
62Eine genauere zeitliche Einordnung war der Kammer ebenso wie eine Einordnung der einzelnen Übergriffe auf die beiden Geschädigten der zeitlichen Reihenfolge nach nicht möglich, der Angeklagte hat aber insbesondere auch bestätigt, dass es zeitlich erst zu Übergriffen auf T, später dann auf K gekommen sei und, dass die zeitlichen Angaben der Anklageschrift zutreffen, insbesondere auch der Umstand, dass die Übergriffe auf K stattfanden noch bevor diese in die Heimeinrichtung kam.
63Die Feststellung bezüglich der Verfahrensverzögerung beruht u.a. auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Vermerk vom 28.09.2023 (Bl. 294 der Akte).
64IV.
65Der Angeklagte hat sich demnach wie folgt strafbar gemacht:
66Hinsichtlich der Fälle II. 1., 2., 3., 4., 5. und 7. des sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Absatz 1 StGB (hinsichtlich der Fälle II. 1. bis 5.in der Fassung vom 27.12.2003, hinsichtlich des Falles II. 7. in der Fassung vom 31.10.2008) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Ziffer 1 StGB (hinsichtlich der Fälle II. 1.bis 5. in der Fassung vom 27.12.2003, bezüglich des Falles II. 7. in der Fassung vom 31.10.2008) in drei Fällen davon (II. 1., 2. und 4.) in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt gemäß § 176 Abs. 4 Ziffer 4 StGB (in der Fassung vom 27.12.2003):
67sowie hinsichtlich des Falles II. 6. des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt gemäß § 176 Abs. 4 Ziffer 1 StGB (in der Fassung vom 31.10.2008) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen ohne Körperkontakt gemäß § 174 Abs. 2 Ziffer 1 i.V.m. § 174 Absatz 1 Ziffern 1 und 3 StGB (in der Fassung vom 27.12.2003).
68Sämtliche Taten stehen zueinander in Tatmehrheit (§ 53 StGB).
69Der Angeklagte handelte jeweils vorsätzlich, rechtswidrig und uneingeschränkt schuldhaft.
70V.
71Bei der Strafzumessung ist die Kammer von folgenden Erwägungen ausgegangen:
72Bezüglich der unter II. 1. bis 5. und 7. festgestellten Taten war der Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB (hinsichtlich der unter II. 1. bis 5. festgestellten Taten in der Fassung vom 27.12.2003, hinsichtlich der unter II.7. festgestellten Tat in der Fassung vom 31.10.2008) der in allen Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren vorsieht, zugrunde zu legen;
73im Hinblick auf die unter II.6. festgestellte Tat war vom Strafrahmen des § 176 Abs. 4 Ziffer 1 StGB (in der Fassung vom 31.10.2008) in Höhe von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe auszugehen.
74Diese Strafrahmen drohen nämlich gegenüber den jeweils tateinheitlich verwirklichten Straftatbeständen die schwerere Strafe an (§ 52 Abs. 2 StGB). Denn die jeweils tateinheitlich verwirklichten Tatbestände sehen im Fall des § 174 Abs. 1 Ziffer 1 StGB lediglich einen Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren (Fälle II.1. bis 5. und 7.) bzw. des § 174 Abs.2 Ziffer 1 StGB (Fall II. 6.) von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bzw. in den Fällen II. 1.,2. und 4. hinsichtlich des hier tateinheitlich verwirklichten § 176 Abs. 4 Ziffer 4 StGB, Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.
75Innerhalb der vorgenannten Strafrahmen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten ganz entscheidend berücksichtigt, dass er in der Hauptverhandlung ein vollumfängliches, in Einzelheiten durchaus detailreiches Geständnis abgelegt hat, was dazu geführt hat, dass die Geschädigten sich nicht der äußerst belastenden und in der Regel retraumatisierenden Situation der Vernehmung in der Hauptverhandlung stellen mussten. Außerdem sprach für ihn, dass die Geschädigten durch das Geständnis nunmehr gänzlich ins Recht gesetzt wurden, was es ihnen erfahrungsgemäß für die Zukunft erleichtern wird, das Geschehene zu verarbeiten. Zugunsten des Angeklagten war zudem zu bedenken, dass die in Rede stehenden Taten zwischen über 12 Jahre bis zu mehr als 19 Jahren zurückliegen, er seit über einem Jahrzehnt nicht mehr wegen sexueller Übergriffe auf Kinder aufgefallen ist und letztlich zu seinen Gunsten von einer von Tat zu Tat sinkenden Hemmschwelle, entsprechende Übergriffe zu begehen, auszugehen ist.
76Demgegenüber sprach jedoch zu seinen Lasten, dass die Opfer seiner Übergriffe zum Tatzeitpunkt vom Lebensalter her noch mehrere Jahre von der Schutzgrenze der Vorschriften entfernt waren. Darüber hinaus war besonders im Hinblick auf die unter II. 5. festgestellte Tat zu bedenken, dass die Vorgehensweise des Angeklagten von Variantenreichtum gekennzeichnet war, er die Hand des widerstrebenden Kindes führte und es zudem zu einem für die Geschädigte belastenden körperlichen Kontakt mit Ejakulat gekommen ist, wenn sich auch die Tat nach Art und Ausführung infolge der belastungsgeringeren Körperposition als weniger schwerwiegend als ursprünglich angeklagt darstellt. Den Angeklagten belastet auch, dass er sich auch in den Fällen I.1., 2. und 3. über den für ihn jeweils deutlich erkennbaren Widerwillen seiner Opfer hinwegsetzte und er zudem in allen Fällen tateinheitlich weitere Straftatbestände verwirklicht hat. Hinsichtlich der unter II. 4. bis 7. dargestellten Taten, begangen ab dem 21.06.2008, war zudem zu berücksichtigen, dass er in diesem Zeitraum infolge der unter II. am Ende dargestellten, gegen ihn ergangenen Strafbefehle vom 12.07.2005 und vom 15.04.2008, vorbestraft war, allerdings handelte es sich diesbezüglich um Betrugstaten und nicht um einschlägige Delikte.
77Innerhalb der so eröffneten Strafrahmen hat die Kammer unter Abwägung aller, insbesondere der vorgenannten für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Berücksichtigung der in § 46 StGB niedergelegten Strafzumessungsgrundsätze nachfolgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen, aber auch ausreichend gehalten, um das Fehlverhalten des Angeklagten zu ahnden und dem Unrechtsgehalt seiner Taten einerseits und seiner Persönlichkeit andererseits gerecht zu werden:
78hinsichtlich der Taten zu
79II. 1. und 4. eine Freiheitsstrafe von jeweils
80einem Jahr und drei Monaten;
81bezüglich der Taten zu
82II.2. und 7. eine Freiheitsstrafe von
83einem Jahr;
84im Hinblick auf die Taten zu
85II. 3. eine Freiheitsstrafe von
86acht Monaten;
87II. 5. eine Freiheitsstrafe von
88einem Jahr und sechs Monaten;
89und der Tat zu
90II.6. eine Freiheitsstrafe von
91sieben Monaten.
92Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer sodann gemäß §§ 53, 54 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 StGB auf Grund einer erneuten zusammenfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von
932 Jahren
94durch eine spürbare, aber maßvolle Erhöhung der höchsten verwirkten Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe gebildet.
95Bei der Festsetzung dieser Gesamtstrafe hat die Kammer zum einen den persönlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang der Taten berücksichtigt, zum anderen aber auch bedacht, dass über einen Zeitraum von zumindest vier Jahren zwei Kinder mehrmals Opfer seiner Übergriffe wurden, zugleich aber auch das von dem Angeklagten gezeigte vollumfänglich geständige Prozessverhalten und dass alle Taten zeitlich sehr lange zurückliegen berücksichtigt. Darüber hinaus war zu bedenken, dass es im gerichtlichen Verfahren zu einer im Ergebnis als rechtsstaatswidrig einzustufenden Verfahrensverzögerung von etwa 10 Monaten gekommen ist, die allerdings, da der Angeklagte nicht in Haft war, nicht so erheblich ist, dass sie über eine sogenannte „Vollstreckungslösung“ Berücksichtigung finden müsste.
96Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Absatz 2 StGB zu Bewährung ausgesetzt werden. Denn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten liegen besondere Umstände vor, die erwarten lassen, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.
97So ist vor dem Hintergrund, dass der vollumfänglich geständige Angeklagte seit den in Rede stehenden Taten letztlich nur im Bereich der Bagatellkriminalität und nicht einschlägig strafrechtlich aufgefallen ist, er darum bemüht ist, Verantwortung für die von ihm begangene Taten zu übernehmen und sich auch therapiewillig zeigt, die Prognose gerechtfertigt, dass er unter dem Eindruck des gegen ihn geführten Strafverfahrens ohne Einwirkung des Strafvollzugs nunmehr ein rechtstreues Leben führen wird, wobei die ihm erteilte Therapieweisung (§56c Abs. 2 Ziffer 6 StGB) der Behandlung in Form einer sexual-/verhaltenstherapeutischen Psychotherapie entsprechende Unterstützung geben soll. Dabei hat die Kammer nicht übersehen, dass der Angeklagte wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen zum Nachteil einer erwachsenen Frau, begangen am 22.08.2020, mit einer Geldstrafe belegt worden ist, jedoch bei der Frage der Strafaussetzung entscheidend auch berücksichtigt, dass auch diese Tat inzwischen mehr als dreieinhalb Jahre zurückliegt und deswegen einer positiven Sozialprognose letztlich nicht entgegensteht.
98VI.
99Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs.1 StPO.