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Der Bundesgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung mit Recht, dass die Frage, ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den formellen Anforderungen genügt, der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden habe (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2021 – IV ZR 250/29 –, Rn. 17, juris). Daher lässt sich aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht schließen, dass jede andere Auslegung der Erhöhungsverlangen unvertretbar wäre (vgl. dazu auch OLG Dresden, Beschluss vom 13.09.2022 – 4 U 1484/22 –, Rn. 16, juris). Folglich ist der jeweilige Tatrichter aufgerufen, eine eigene Wertung unter Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens zu treffen, bei einem bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch sowie einer damit zusammenhängenden Zwischenfeststellungsklage trifft auch in Prämienverfahren gemäß den allgemeinen prozessualen Grundsätzen den Versicherungsnehmer als Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast für das fehlen eines Rechtsgrundes.
Es ist nicht erkennbar, dass der 4. Senat des Bundesgerichtshofes von den anerkannten Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast - ohne konkrete Auseinandersetzung und Begründung - zulasten der Versicherer abweichen wollte. Die in diesem Zusammenhang üblicherweise genannten Entscheidungen beziehen sich entweder auf den Fall – wie hier nicht – einer negativen Feststellungsklage bzw. den Substanziierungsanforderungen im Zusammenhang mit der Verjährung.
Eine Abweichung von den anerkannten Grundsätzen zugunsten der Klägerseite und damit zulasten der Beklagtenseite lässt sich auch nicht pauschal mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes begründen. Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass es überaus effektiv für sie wäre, wenn sie von jeder Vortrags- und Nachweislast befreit würde. Dem steht aber der Anspruch der Beklagtenseite auf ein faires Verfahren gegenüber, demgemäß vergleichbare Sachverhalte gleichbehandelt werden müssen.
Etwaige Wissensdefizite können - bei Vorliegen der Voraussetzungen - gemäß den allgemeinen Grundsätzen hinreichend über eine sekundäre Darlegungslast kompensiert werden. Eine weitergehende Privilegierung bedarf es nicht.
Ein Verweis auf angeblich nicht eingehaltene Rechtsvorschriften stellt kein Sachvortrag dar, sondern ist erst Ergebnis der Bewertung des Sachvortrages.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten vorgenommenen Beitragsanpassungen in der privaten Krankenkostenversicherung.
3Die Parteien sind seit dem 01.01.2006 durch eine substitutive private Krankenversicherung miteinander verbunden. Dem Vertragsverhältnis lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Beklagten zugrunde. In § 8b AVB wird die Möglichkeit einer Beitragsanpassung geregelt, die zu dem gesetzlichen Anpassungsrecht hinzutreten soll. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage 1 zur Klageerwiderung verwiesen.
4Die Beklagte passte die Beträge des Klägers – soweit hier von Belang – zwischen 2015 und 2021 in den Tarifen EL Bonus, KHT2, ZPRO und TV 42 an, weil die Gegenüberstellung der erforderlichen Versicherungsleistungen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen bei der Überprüfung jeweils eine Veränderung von mehr als fünf Prozent ergab und die Abweichung als nicht nur vorübergehend anzusehen war. Eine Anpassung aufgrund geänderter Sterbewahrscheinlichkeit erfolgte nicht. Den Anpassungen stimmte jeweils ein Treuhänder zu.
5Über die Beitragsveränderungen informierte die Beklagte den Kläger vorab durch die Übersendung eines Anschreibens nebst Nachtrag zum Versicherungsschein und weiteren Mitteilungen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut 3 zur Klageerwiderung verwiesen.
6Der Kläger zahlte monatlich die Beiträge in der von der Beklagten festgesetzten Höhe.
7Der Kläger ist der Ansicht, bei der Vornahme der jeweiligen Beitragsanpassung habe die Beklagte ihn nicht die maßgeblichen Gründe im Sinne von § 203 VVG mitgeteilt. Zudem seien die Zustimmungserklärungen der Treuhänder zu den streitgegenständlichen Anpassungen unwirksam. Hierzu behauptet er, den Treuhändern hätten nicht in ausreichendem Umfange die Unterlagen zur Prüfung der Verteilung der Limitierungsmittel vorgelegen. Hierzu meint er, eine Prüfung der Unterlagen könne durch das Gericht selbst erfolgen, da die Prüffähigkeit weder eine versicherungsmathematische noch überhaupt eine kalkulatorische Frage sei, sondern primär eine logisch-rechtliche, die das Gericht in mindestens gleichwertiger Güte selbst erörtern und prüfen könne. Er behauptet im Übrigen, die aktuarielle Unrichtigkeit der Limitierungsmaßnahmen für die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen, hierbei insbesondere das Vorhandensein einer nach aktuariellen Maßstäben ausreichende Limitierung der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen. Weiter ist er der Ansicht, die Beklagte müsse die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmittelvergabe anlässlich der Beitragsanpassungen vollumfänglich darlegen und beweisen, ohne dass besondere über den Vortrag der materiellen Rechtswidrigkeit der Prämienanpassungen hinausgehende Substantiierungsanforderungen an die Klägerseite zu stellen sei. Zum Maß der Substantiierung meint sie, spezialisierte Prozessbevollmächtigte müssten darlegen, wie die anlässlich der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ausgeschütteten Limitierungsmittel übergreifend verteilt worden seien und ob die Logik der Limitierungsmittelvergabe auch den „Treuhänderunterlagen“ zu entnehmen gewesen seien. Die erforderlichen Darlegungen müssten eine Subsumption ermöglichen, ob bei der Limitierungsmittelverwendung die insbes. aus § 155 Abs. 2 VAG beachtet worden seien. Auch sei wegen der seinen Prozessbevollmächtigten bereits bekannten Informationen davon auszugehen, dass sich die Rechtmäßigkeit der erfolgten Limitierungsmaßnahmen nicht führen lasse.
8Der Kläger beantragt:
91)
10Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 001056264C unwirksam sind:
11a) die Erhöhung des Beitrags im Tarif EL BONUS zum 01.01.2015 in Höhe von 34,64 Euro,
12b) die Erhöhung des Beitrags im Tarif KHT 2/ 30,00 zum 01.01.2015 in Höhe von 1,71 Euro,
13c) die Erhöhung des Beitrags im Tarif EL BONUS zum 01.01.2017 in Höhe von 29,31 Euro,
14d) die Erhöhung des Beitrags im Tarif ZPRO zum 01.01.2017 in Höhe von 6,22 Euro,
15e) die Erhöhung des Beitrags im Tarif TV 42/ 30,00 zum 01.01.2017 in Höhe von 1,73 Euro,
16f) die Erhöhung des Beitrags im Tarif EL BONUS zum 01.01.2018 in Höhe von 32,40 Euro,
17g) die Erhöhung des Beitrags im Tarif EL BONUS zum 01.01.2020 in Höhe von 91,80 Euro,
18h) die Erhöhung des Beitrags im Tarif EL BONUS zum 01.01.2021 in Höhe von 45,40 Euro,
19und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen um insgesamt 241,50 Euro zu reduzieren ist.
202)
21Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 9.772,14 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
223)
23Es wird festgestellt, dass die Beklagte
24a)
25der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
26b)
27die nach 3a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
284)
29Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 320,11 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie ist der Ansicht, etwaige Ansprüche seien jedenfalls bis einschließlich des Jahres 2018 verjährt. Sie erhebt die Einrede der Verjährung.
33Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
36Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich des Feststellungsbegehrens die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 256 ZPO vorliegen. Denn selbst wenn diese fehlen würden, wäre die Klage auch insoweit als unbegründet und nicht etwa als unzulässig abzuweisen. Nach Teilen der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich das erkennende Gericht zu eigen macht, handelt es sich bei den von § 256 ZPO geforderten Voraussetzungen nicht um Prozessvoraussetzungen, ohne deren Vorliegen dem Gericht ein Sachurteil verwehrt ist. In einer solchen Konstellation ist dem evidenten Interesse der Beklagtenseite, kein weiteres Mal zu Unrecht in Anspruch genommen zu werden, durch die mit der Abweisung als unbegründet einhergehenden materiellen Rechtskrafterstreckung nach § 322 Abs. 1 ZPO Rechnung zu tragen (vergleichbar OLG Hamm, Urteil vom 19.03.2021 – 11 U 56/20 , Rn. 19, juris unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 26.09.1995 zu KVR 25/94, NJW 1996, S. 193; BGH, Urteil vom 27.10.2009 zu XI ZR 225/08, NJW 2010, S. 361).
37In der Sache haben die Klageanträge zu 1) und zu 2) keinen Erfolg, da die Anpassungen auf der Grundlage des Vortrages der Klägerseite nicht zu beanstanden sind. Damit besteht insbesondere kein Abschöpfungsanspruch der klagenden Partei aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1; 818 Abs. 2 BGB (sog. condictio indebiti), weil die angegriffenen Vermögensverschiebungen ihren Rechtsgrund in dem Versicherungsvertrag i. V. m. §§ 1, 203 VVG haben.
38Zu den wesentlichen Erwägungen im Einzelnen:
39Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben (z. B. den Rechnungszins) anzugeben. Das ergibt die Auslegung des § 203 VVG, namentlich dem Wortlaut der Norm, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift (vgl. dazu ausführlich: BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, Rn. 26, juris; BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 314/19 –, Rn. 21, juris; bestätigend: BGH, Urteil vom 10.03.2021 – IV ZR 353/19 –, Rn. 20, juris; erneut bestätigend: BGH, Urteil vom 23.06.2021 – IV ZR 250/20 –, Rn. 17; ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.05.2019 – 7 U 295/17).
40Geleitet von diesem rechtlichen Maßstab hat das Gericht im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden, ob die individuelle Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2021 – IV ZR 250/20 –, Rn. 17, juris, unter Verweis auf die eingeschränkte revisionsrechtliche Überprüfung).
41Die formellen Voraussetzungen für die Anpassungen wurden von der Beklagten bei wertender Betrachtung aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers als Erklärungsempfänger bei allen Anpassungen eingehalten, indem sie die maßgeblichen Gründe für die Veränderung nannte. Die gegebenen Anpassungsinformationen erfüllen den Zweck, einem verständigen Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. In dem jeweiligen Anschreiben wird konkret die Rechnungsgrundlage, welche die jeweilige Erhöhung ausgelöst hatte, genannt. Dies war in allen Fällen klar erkennbar die Steigerung der Leistungsausgaben, was dem Kontext der Mitteilungen, also gesteigerte Kosten für Gesundheitsleistungen bedingen eine Erhöhung der Beiträge, zu entnehmen war. Dabei wies die Beklagte darauf hin, dass eine Prüfung jährlich gesetzlich vorgeschrieben sei, woraus der Versicherungsnehmer ersehen konnte, dass die jeweilige Erhöhung nicht etwa auf einen bei ihm ggf. eingetretenen erhöhten Leistungsaufwand oder einem freien Ermessen des Versicherers beruhte. Zudem beließ es die Beklagte nicht bei der abstrakten Mitteilung der Erhöhungsvoraussetzungen, sondern band diese Informationen auf den vorliegenden Versicherungsfall – mit Ausnahme der Erhöhung zum 01.01.2015 (hierzu sogleich) sprachlich an. An der Aufstellung in dem Nachtrag zum Versicherungsschein war eindeutig zu ersehen, welche Tarife von der Steigerung betroffen waren. Mit den weiteren Informationen bettete die Beklagte zudem die Anpassungen aufgrund der Leistungssteigerungen in gut verständlicher Weise in das rechtliche System ein.
42Die vorstehenden Ausführungen gelten sinngemäß für die Erhöhungen zum 01.01.2015. So heißt es im Anschreiben: „Die Beitragsanpassung in der Krankenversicherung wird durch die Entwicklung der medizinischen Kosten ausgelöst, die in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind.“ Zwar wird hier etwas pauschaler „Die Beitragsanpassung“ formuliert. Allerdings wird aus dem Gesamtkontext des Schreibens für einen verständigen Versicherungsnehmer auch hier deutlich, dass die anstehende Beitragsanpassung zum 01.01.2015 gemeint ist und nicht eine allgemeine Information zum auslösenden Faktor „Leistungsausgaben“ erfolgen soll, die mit der gerade anstehenden Erhöhung (s. Nachtrag zum Versicherungsschein) nichts zu tun hat und sich rein zufällig im Anschreiben und auf Seite 1 zur „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015“ befindet. Für ein anderes Verständnis spricht bei allgemein ausgeprägter Auffassungsgabe nichts.
43Eine andere Beurteilung ist auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Entscheidung vom 16.12.2020 (Az. IV ZR 294/19) gerechtfertigt. Der Bundesgerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung mit Recht, dass die Frage, ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen genügt, der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden habe (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2021 – IV ZR 250/29 –, Rn. 17, juris). Daher lässt sich aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht schließen, dass jede andere Auslegung der Erhöhungsverlangen unvertretbar wäre (vgl. dazu auch OLG Dresden, Beschluss vom 13.09.2022 – 4 U 1484/22 –, Rn. 16, juris). Folglich ist der jeweilige Tatrichter aufgerufen, eine eigene Wertung unter Ausschöpfung des rechtlichen Rahmens zu treffen, was hier zu den vorstehenden Wertungen und Feststellungen führt.
44In materieller Hinsicht sind die Anpassungen gleichfalls nicht zu beanstanden. Die Richtigkeit der zulässigen und gebotenen Neuberechnungen sind von der Klägerseite nicht in erheblicher Weise angegriffen worden.
45Dass die Beitragsanpassungen erforderlich waren, weil die Gegenüberstellung der notwendigen Versicherungsleistungen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen bei der Überprüfung eine Veränderung von mehr als fünf Prozent bzw. zehn Prozent ergab und die Abweichung als nicht nur vorübergehend anzusehen war, stellt die Klägerseite nicht in Abrede.
46Ebenso steht für das Gericht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO bindend fest, dass die Limitierungsmittel entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verteilt worden sind, weil insoweit der Vortrag des darlegungspflichtigen Klägers unsubstantiiert ist. Danach entfällt auch die von der Klägerseite gesetzte Prämisse für eine unrichtig kalkulierte Einzelprämie.
47Denn die Klägerseite legt zwar mit der Klageschrift ausführlich abstrakt dar, welche Vorgaben bei der Verteilung der Limitierungsmittel zu beachten sind, versäumt dann indes auf den konkreten Einzelfall bezogen mitzuteilen, was sie davon nicht eingehalten sehen will. Sie verweist insoweit lediglich nebulös auf Erkenntnisse aus anderen Verfahren, womit sie zum Ausdruck bringt, weiteren Vortrag leisten zu können. Die Einsichtnahme in die Unterlagen der Beklagten hat sie nicht begehrt.
48Den Kläger trifft – als Anspruchssteller – für die Fehlerhaftigkeit einer Beitragsanpassung im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs sowie einer damit zusammenhängenden Zwischenfeststellungsklage sowohl die Darlegungs- als auch die Beweislast gemäß den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen, von denen hier abzuweichen keine Veranlassung besteht. Etwaige Wissensdefizite können – bei Vorliegen der Voraussetzungen – gemäß den allgemeinen Grundsätzen hinreichend über eine sekundäre Darlegungslast kompensiert werden. Eine weitergehende Privilegierung bedarf es zur effektiven Rechtsdurchsetzung nicht.
49Nach dem Verständnis des Gerichts hat der 4. Zivilsenat beim Bundesgerichtshof bislang die Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruchs sowie einer damit zusammenhängenden Zwischenfeststellungsklage für Prämienverfahren – entgegen der Ansicht der Klägervertreter – noch nicht abschließend bewertet. Die von der Klägerseite genannten Entscheidungen beziehen sich entweder auf den Fall – wie hier nicht – einer negativen Feststellungsklage bzw. zu den Substantiierungsanforderungen im Zusammenhang mit der Verjährung. Dass der 4. Senat beim Bundesgerichtshof ohne jegliche Begründung von den allgemein anerkannten Grundsätzen abweichen wollte, die er im Übrigen in anderen Zusammenhängen nicht infrage stellt, liegt fern.
50Eine Abweichung von den Grundsätzen zugunsten der Klägerseite und damit zulasten der Beklagtenseite lässt sich auch nicht pauschal mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes begründen. Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass es überaus effektiv für sie wäre, wenn sie von jeder Vortrags- und Nachweislast befreit würde. Dem steht aber der Anspruch der Beklagtenseite auf ein faires Verfahren gegenüber, demgemäß vergleichbare Sachverhalte gleichbehandelt werden müssen. Im Übrigen konstatieren die Klägervertreter selbst, dass eine spezialisierte Kanzlei konkret vortragen könne, wie die anlässlich der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ausgeschütteten Limitierungsmittel übergreifend verteilt worden seien und ob die Logik der Limitierungsmittelvergabe auch den „Treuhänderunterlagen“ zu entnehmen gewesen seien. Zudem verweisen sie auf Erkenntnisse aus anderen Verfahren. Damit bringen sie klar zum Ausdruck, dass sie – als ebenfalls spezialisierte Kanzlei – durchaus in der Lage wären, konkreten Vortrag zu halten, mithin dem Kläger effektiven Rechtsschutz verschaffen zu können, wenn sie es wollten. Auf ein Wissensdefizit kann sich die Klägerseite auch nicht zurückziehen. Denn die Beklagtenseite hat die Übergabe der technischen Berechnungsunterlagen angeboten, ohne dass die Klägerseite die Einsichtnahme zur Substantiierung verlangte. Ihr diesbezüglicher Vortrag erfolgte immer gestützt auf der rechtlich unzutreffenden Ansicht, dass die Beklagte durch die Vorlage der Unterlagen weiter substantiieren müsse. Das Gericht hatte die Klägerseite auf das abweichende Rechtsverständnis auch ausdrücklich hingewiesen, ohne dass die Klägerseite darauf prozessual reagiert hat. Zudem hat die Klägerseite geltend gemacht, aus anderen Verfahren über Informationen zu der Verteilung der Limitierungsmittel zu verfügen.
51Im Übrigen wäre eingehender Vortrag auch dann notwendig, wenn man die Darlegungslast auf der Beklagtenseite sehen würde, weil deutlich werden muss, welche Tatsachen sie in Abrede stellen will. Ein Verweis auf angeblich nicht eingehaltene Rechtsvorschriften stellt kein Sachvortrag dar, sondern ist erst Ergebnis der Bewertung des – hier fehlenden – Sachvortrages.
52Die weiteren Voraussetzungen der Anpassungen liegen ebenfalls vor, namentlich die Zustimmung eines Treuhänders, die sich aus den von der Beklagtenseite vorgelegten Treuhändererklärungen ergibt. Ernsthafte Anhaltspunkte dafür, dass die Treuhänder sämtlich blindlings ohne jegliche Prüfung und damit grob rechtswidrig zugestimmt haben könnten, sind weder ersichtlich noch werden sie von der Klägerseite auch nur ansatzweise vorgetragen. Ein solcher Lebensvorgang, den die Klägervertreter im Übrigen gleichlautend auch gegen nahezu alle anderen Versicherer bezogen auf die letzten zehn Jahre geltend machen, liegt im Übrigen eher fern. Es tut Wunder, dass zwar den Klägervertretern entsprechende Erkenntnisse vorliegen sollen, die sie indes nicht spezifizieren, offensichtlich aber nicht der BaFin als Aufsichtsbehörde.
53Der Vortrag der Klägerseite, wonach dem jeweiligen Treuhänder nicht alle Unterlagen vorgelegen habe, die für die Prüfung der verteilten Limitierungsmittel erforderlich gewesen seien, hat keinen Erfolg, weil eine – nunmehr lediglich noch – isolierte Prüfung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unabhängigkeit des Treuhänders (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17) nicht veranlasst ist. Es ist nicht ersichtlich, wohin eine solche Überprüfung führen sollte. Denn aufgrund hinreichenden Bestreitens ist gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig, dass die streitgegenständlichen Anpassungen zutreffend erfolgten (s. o.). Zudem hat ein Treuhänder geprüft und zugestimmt. Die Überprüfung der Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften im Sinne des Kollektivs der Versicherten, welches von dem individuellen Versicherungsnehmer zu unterscheiden ist, obliegt grundsätzlich den dafür zuständigen Aufsichtsbehörden und nicht den Zivilgerichten im Rahmen des Versicherungsvertragsrechts (ebenso OLG Köln, Urteil, Az. 20 U 355/22; noch nicht veröffentlich). Deshalb kann es bei der zivilgerichtlichen Überprüfung einer Beitragsanpassung auf eine unzureichende Vorlage der Unterlagen allenfalls nur insoweit ankommen, als sich dies auf die individuelle Prämie ausgewirkt hat. Es würde in eklatanter Weise dem Äquivalenzprinzip widersprechen, wenn ein im Ergebnis unbeachtlicher Fehler im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Prüfung dazu führen würde, dass der Versicherer nunmehr eine unauskömmliche Prämie verlangen müsste (ebenso OLG Köln, Urteil, Az. 20 U 355/22).
54Im Übrigen wäre der Vortrag des Klägers zu der Unvollständigkeit der Unterlagen unsubstantiiert, weil dieser nicht erkennen lässt, welche konkreten Informationen dem Treuhänder nicht zur Verfügung gestanden haben sollen. Ein solcher Vortrag ist nach eigenem Bekunden des Klägers ihm zumutbar, da er davon ausgeht, dass sich dies ohne sachverständige Hilfe feststellen ließe. Er ist somit auf Prozessbehauptungen „ins Blaue hinein“ von vornherein nicht angewiesen (ebenso an OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.04.2023, unveröffentlicht). Die Klägerseite macht geltend, aus anderen Verfahren über Erkenntnisse zu den Limitierungsmaßnahmen der Beklagten und damit dann auch über die entsprechenden Unterlagen zu verfügen.
55Für die Erhöhungen bestand eine hinreichende Rechtsgrundlage, auch soweit es auf die Regelung des § 8b AVB ankommt, die den gesetzlichen Schwellenwert herabsetzt. In seiner Entscheidung vom 22.06.2022 (Az.: IV ZR 253/20) hat der Bundesgerichtshof darauf erkannt, dass die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht zur Folge habe, dass auch § 8b Abs. 1 MB/KK unwirksam sei. § 8b Abs. 1 MB/KK weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab. Die Klausel enthalte dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaube eine Prämienanpassung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist. Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen mache der Versicherer allein von der ihm in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung abzusenken. Der Bestand der Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK werde durch die Streichung von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht beeinträchtigt, da der Sinn der verbleibenden Regelung weiterhin aus sich heraus verständlich sei (BGH, Urteil vom 22.6.2022 – IV ZR 253/20, NJW 2022, 3358, beck-online). Diese Rechtsauffassung wird auch von dem erkennenden Gericht vertreten, wobei die hiesige Beklagte vorliegend die Anpassungsmöglichkeit durch eine abweichende Gestaltung der vorstehenden Klausel ohnehin eingeschränkt hat.
56Damit unterliegen die materiellen Nebenansprüche gerichtet auf Ersatz gezogener Nutzungen und Zinszahlung mangels Hauptanspruch ebenfalls der Abweisung.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
58Der Streitwert wird auf 11.922,94 Euro festgesetzt. Bei der Wertberechnung ist der mit dem Leistungsantrag geltend gemachte Zahlungsantrag zu berücksichtigen sowie der nach §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, § 9 ZPO zu bemessende Wert des Feststellungsantrags. Dies indes nur soweit dieser nicht vom Zahlungsantrag umfasst ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.01.2021 – IV ZR 294/19, juris). Der Antrag im Hinblick auf die gezogenen Nutzungen bleiben gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Ansatz (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.07.2020, Az. 9 U 227/19, juris Rn. 86).