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Der Angeklagte ist des Totschlags schuldig.
Er wird zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
Angewendete Vorschrift:
§ 212 Abs. 1 StGB
G r ü n d e
2I. (Persönliche Verhältnisse)
3Der zur Tatzeit 35-jährige Angeklagte wurde in L. geboren und wuchs bei seinen Eltern, die ursprünglich aus dem Libanon stammen und nach Deutschland migrierten, in N. auf. Diese – wie auch seine insgesamt vier Geschwister, ein älterer und zwei jüngere Brüder sowie eine jüngere Schwester – wohnen weiterhin dort.
4Der Angeklagte besuchte die Grund- und später eine Hauptschule. Den genauen Schulverlauf und ob bzw. ggfs. welchen Schulabschluss der Angeklagte erreichte, konnte nicht näher geklärt werden. Ebenfalls offen blieb, ob er im Anschluss eine Berufsausbildung begonnen oder abgeschlossen hat. Sicher ist hingegen, dass er in der Folge – bis kurz vor der Tat – immer wieder als Automechaniker tätig wurde und sich hierfür grundlegende Fähigkeiten aneignete. Teils arbeitete er dabei in wechselnden Anstellungen, teils auch selbständig. Als er noch in N. lebte, half er zudem hin und wieder in dem Gastronomiebetrieb der Mutter des Zeugen Q. aus, den er über seinen älteren Bruder näher kennengelernt und mit dem er sich später – etwa im Alter von 20 Jahren – angefreundet hatte.
5Zu dieser Zeit lernte der Angeklagte auch seine (erste) Ehefrau, die F., eine Frisörin, kennen. Wie sich deren Beziehung entwickelte konnte nicht näher aufgeklärt werden. Zunächst jedenfalls blieb das Paar in N., heiratete nach deutschem Recht und bekam zwei Töchter. Zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 2016 zog die Familie nach P., wo F. jedenfalls noch bis zur Tat lebte. Dort lernte der Angeklagte die später Getötete Y. kennen und ging mit dieser eine Beziehung ein. Er heiratete sie am 10.07.2016 nach islamischem Recht. Aus dieser Ehe ging ein Sohn hervor, nämlich der am 07.01.2019 geborene Nebenkläger J.. Wegen der Einzelheiten zu den sich teils parallel geführten Beziehungen wird – soweit von Relevanz – auf die nachfolgenden Feststellungen zur Sache – II. – Bezug genommen.
6Strafrechtlich ist der Angeklagte noch nicht in Erscheinung getreten.
7II. (Feststellungen)
81) Vorgeschichte
9a) Y.
10Die später getötete deutsche Staatsangehörige Y. wurde am 10.05.1988 in X. geboren, wo sie auch aufwuchs. Dort lernte sie den knapp zwölf Jahre älteren Zeugen H. kennen, mit dem sie im Jahr 2003 nach islamischem Recht verheiratet wurde und mit welchem sie unmittelbar danach nach W. zog. Aus dieser Beziehung gingen drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn, hervor – die Nebenkläger D. H (geboren 2005), V. H (geboren 2006) und S. H (geboren 2010). Ohne Ankündigung und für ihren Mann überraschend verließ sie in der Nacht zum 28.08.2013 mit ihren Kindern die gemeinsame Wohnung und fuhr zu ihrer älteren Schwester, der Zeugin K., die damals in P. wohnte.
11Grund hierfür dürfte ein Streit darüber gewesen sein, ob die Familie, wie es der Mann wünschte, die Frau aber ablehnte, in den Libanon ziehen soll. Ob es in diesem Zusammenhang oder im Allgemeinen zu Gewalttätigkeiten in der Ehe gekommen ist, konnte die Kammer nicht endgültig feststellen. Die von ihr bei ihrer Ankunft in P. erstattete Strafanzeige, nahm Y. jedenfalls später zurück, weswegen das bei der Staatsanwaltschaft Berlin. unter dem Az. 261 Js 6298/13 geführte Ermittlungsverfahren gegen den sonst nicht strafrechtlich in Erscheinung getretenen Zeugen H. mit Verfügung vom 06.02.2014 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde.
12Auf Grund ihres ursprünglich erhobenen Vorwurfs wurde sie durch die Polizei in ein Frauenhaus nach U. vermittelt, in dem sie sich gemeinsam mit ihren Kindern etwa zwei Monate aufhielt. Noch während oder spätestens kurz nach dieser Zeit kam Y. mit ihrem Ehemann wieder ins Gespräch und man vereinbarte – wegen der Kinder –, zu versuchen, die Beziehung fortzuführen. Bis zur endgültigen – dann einvernehmlichen – Trennung, Ende 2014 lebte Y. wieder in W..
13Auch dann wandte sich Y. an ihre Schwester K., die sie und ihre Kinder zunächst bei sich aufnahm und ihr half, in P. eine eigene Wohnung zu finden. Die Ehe der Zeugin K war zuvor bereits ebenfalls gescheitert und deren Ehemann zog – wie schon länger geplant – nur wenige Tage nach der Ankunft ihrer Schwester aus der gemeinsamen Wohnung aus. Nach nur relativ kurzer Zeit schickte Y. ihren Sohn aus nicht näher aufklärbaren Gründen zu dessen Vater zurück nach W.. Bis zum Frühjahr 2017 entwickelten und pflegten die beiden Geschwister eine sehr enge Beziehung, in der die Zeugin K ihre Schwester nach Kräften unterstützte und diese ihr andersherum offen auch intime Details ihrer späteren Beziehung zu dem Angeklagten anvertraute. Die beiden entwickelten auch gemeinsame Zukunftspläne, die sich aber nicht verwirklichten, nachdem Y. den Angeklagten kennenlernte.
14b) Kennenlernen
15Etwa Ende 2015 lernten sich der Angeklagte und die später getötete Y. über eine Online-Plattform kennen und trafen sich bereits kurze Zeit später das erste Mal in P.. Relativ schnell entwickelte sich daraus eine – auch sexuelle – Liebesbeziehung. Dass der Angeklagte zu dieser Zeit parallel die Beziehung zu seiner ersten Ehefrau fortführte und mit dieser und seinen Töchtern zusammenlebte, offenbarte er nicht. Um sein Doppelleben zu schützen, beschränkte er gemeinsame Treffen mit Y. fast ausschließlich auf deren Wohnung, in der er sie regelmäßig, nicht aber täglich, und nur am späten Abend besuchte. Gleichwohl war der Angeklagte von Beginn an sehr eifersüchtig und betrachtete Y. quasi als seinen ausschließlichen Besitz. Das machte er ihr gegenüber dadurch deutlich, dass er ihr drohte, dass er sie und sich selber umbringen werde, wenn sie ihn verlassen würde. Zudem unterzog er sie mehrfach körperlichen Kontrollen. Er hatte sie glauben gemacht, dass er, in dem er einen Finger vaginal in sie einführen würde, feststellen könne, ob sie zuvor Geschlechtsverkehr gehabt habe.
16Die Zeugin K, die dem Angeklagten von Anfang an skeptisch bis ablehnend gegenüber eingestellt war und ihn nicht für einen guten Partner für ihre Schwester hielt, fand, nachdem sie über dessen damalige Arbeitsstelle einige Erkundungen eingeholt hatte, das Wesentliche über dessen Doppelleben heraus, womit sie ihre Schwester auch konfrontierte. Zunächst versuchte der Angeklagte gegenüber beiden Partnerinnen noch vollständig zu leugnen; so gab er einmal, als er mit seiner Ehefrau in einer Kneipe saß und Y. und ihre Schwester hinzukamen, seiner Frau gegenüber an, dass es sich bei Y., die er sofort wegschickte, um seine Cousine handeln würde. Nach und nach musste er in beiden Beziehungen einräumen, dass er die jeweils andere Partnerschaft verschwiegen hatte. In der Beziehung zu seiner Ehefrau führte das nach einer Weile schließlich zur Trennung. In der Beziehung zu Y. führte das ebenfalls zu Spannungen und war fortan Anlass für immer wieder auftretende Streitigkeiten. Denn auch Y. war eifersüchtig und fürchtete, dass der Angeklagte weiterhin oder in Zukunft wieder ein doppeltes Spiel spielen könnte, zumal er im Hinblick auf Trennung und die behauptete Scheidung von seiner Ehefrau weiterhin unehrlich zu ihr war.
17Aus nicht näher aufklärbaren Gründen schickte Y. im Laufe des Jahres 2016 auch ihre beiden Töchter zu deren Vater nach W. zurück, der sich dann weiter um sie kümmerte. Im selben Jahr wurde die Ehe zu ihrem ersten Ehemann einvernehmlich nach islamischem Recht geschieden. Vermutlich nur kurze Zeit später, am 10.07.2016, heiratete sie dann den Angeklagten (ebenfalls nach islamischem Recht). Diese Bekräftigung der Beziehung stieß in der Familie der Braut auf Missfallen. Insbesondere ihr Vater störte sich daran, dass ihr neuer Partner ebenfalls schon einmal verheiratet war und Kinder aus einer früheren Beziehung hatte. Deshalb blieb er auch der Hochzeitszeremonie fern. Das dürfte auch mit maßgeblich dafür gewesen sein, dass es in der Folgezeit zu keinen persönlichen Kontakten zwischen den beiden kam. Einen ernsthaften Streit gab es hingegen nicht. So hielt Y. mehr oder weniger intensiv telefonischen Kontakt zu ausgewählten Geschwistern und auch ihrem Vater. Zur Familie des Angeklagten erhielt Y. keinen Zugang. Während diese von Y. zunächst schlicht nichts wusste, weil der Angeklagte die neue Beziehung geheim hielt, stand einem Kontakt später entgegen, dass die Familie sie nicht akzeptierte und deshalb ignorierte.
18c) R Zeit
19Etwa Ende 2017 zogen der Angeklagte und Y. nach R und wohnten zunächst in einer gemeinsamen Wohnung in der Straße G.-straße. Im gleichen Haus lag auch die Wohnung des Zeugen I., mit welchem sich die beiden anfreundeten. Zum Freundeskreis gehörte bald auch die Zeugin C. die die beste Freundin der Y. wurde und die zeitweise mit dem Zeugen I. liiert war, sich nach einem Streit im April 2021 dann aber von ihm trennte. Die Clique, die noch weitere Personen umfasste und auch nach dem Umzug des Angeklagten und seiner Frau in die nur etwa 400 Meter entfernt gelegene Wohnung in der B.-straße Straße unverändert blieb, verbrachte viel Zeit miteinander, weswegen die wechselseitigen Probleme untereinander gut bekannt waren.
20Die Beziehung des Angeklagten zu seiner Y. war durch eine Vielzahl von Streitigkeiten geprägt, die von beiden Seiten ausgingen. Einer der zentralen Aspekte blieb die wechselseitig stark ausgeprägte Eifersucht. Y. argwöhnte stets, dass der Angeklagte mehr Kontakt zu seiner ersten Frau hatte, als er es ihr gegenüber zugab und dass er sich, was letztlich auch zutraf, anders als behauptet, nicht von ihr scheiden ließ bzw. die Scheidung nicht vorantrieb. Gleichzeitig fühlte sie sich dadurch zurückgesetzt, dass der Angeklagte bei seiner Familie nicht für sie eintrat, mit der dort beliebten F. brach und sie dort offiziell als seine neue Frau vorstellte. Dem Angeklagten hingegen waren insbesondere die vielen (insbesondere männlichen) Kontakte seiner Frau in den sozialen Medien ein Dorn im Auge. Die Beziehung war auch davon geprägt, dass der Angeklagte genaue Vorgaben machte, was Y. tun durfte bzw. wen sie treffen durfte oder nicht. Zwar hielt sich seine Frau nicht immer an diese Beschränkungen, weitgehend war sie aber bereit, diese zu akzeptieren. Dazu gehörte auch, dass der Angeklagte sie kontrollierte, ihr Handy oder ihre Social Media-Accounts durchsah und über die Finanzen bestimmte. Schließlich war der Angeklagte der Auffassung, dass er berechtigt sei, seine Frau zu schlagen, wenn sie ihm widersprechen würde.
21Tatsächlich kam es im Laufe der Zeit immer wieder zu Drohungen und Tätlichkeiten des Angeklagten. Zwar versuchte Y., sich (auch körperlich) zu widersetzen und schlug teils zurück, letztlich war sie dem Angeklagten körperlich jedoch klar unterlegen. Exemplarisch sind die nachfolgend skizzierten, von der Kammer so festgestellten, Vorfälle.
22- Im August 2019 trat der Angeklagte in der Wohnung der dies beobachtenden Zeugin C seiner Frau, die zu dieser Zeit erneut von ihm schwanger war, mit einiger Wucht in den Unterleib. Ob er die Absicht hatte, das ungeborene Kind, das er zu dem Zeitpunkt nicht wollte, zu schädigen oder gar zu töten, vermochte die Kammer nicht sicher festzustellen. Tatsächlich trieb Y. nach der notwendigen vorherigen Beratung das Kind mittels fachärztlich am 02.09.2019 verabreichtem Medikament ab. Zu vorgesehenen Nachsorge- bzw. Kontrollterminen erschien sie in der Frauenärztlichen Praxis nicht mehr.
23- Im Beisein ihrer jugendlichen Töchter aus erster Ehe, den Zeuginnen D. und V. H, warf der Angeklagte im April 2020 in der gemeinsamen Wohnung ihr Handy gegen eine Wand und schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht, sodass dort ein Abdruck von seinen Fingern sichtbar blieb und sie mit ihrem Kopf gegen eine Schranktür stieß. Bei anderer Gelegenheit, aber im gleichen Zeitraum, schlug er sie erneut so heftig, dass sie mit dem Hinterkopf gegen die Toilettentür in der gemeinsamen Wohnung prallte.
24-
25Im Juni 2021 rief der Angeklagte den Zeugen A. an und forderte diesen auf, dass er seine Schwester, die ihm widersprochen hätte, was er respektlos und ungehörig empfand, zum Schweigen bringe solle, anderenfalls würde er ihr den Schädel zertrümmern.
26-
27Etwa drei Tage vor dem 20.07.2021 waren der Angeklagte gemeinsam mit seiner Frau und dem gemeinsamen Sohn sowie mit dem Zeugen A. in Z. in einem Supermarkt einkaufen. Als der Sohn zu weinen begann, nahm der Angeklagte ihn aus dem Einkaufswagen heraus, in den ihn seine Frau kurz zuvor gesetzt hatte. Als sie sagte, dass er das Kind dort lassen solle, packte er sie fest am Arm und zerrte kräftig an ihr. Anschließend nahm er das Kind, um dieses mit einem Eis zu beruhigen. Als dieses, nachdem der Angeklagte dessen Hand versehentlich in einer Kühltür einklemmte, erneut zu schreien begann, kam es zu einem lautstarken Streit zwischen den Eheleuten. Anschließend äußerte der Angeklagte gegenüber dem Zeugen A. in aggressivem Ton, dass dieser Y wieder zur Vernunft bringen solle oder er (der Angeklagte) ihr den Schädel einschlage. Auf der Rückfahrt fing J wieder an zu weinen und wollte sein Handy – er besaß eines lediglich zum Musikhören – haben, was aber zu Hause lag. Der Angeklagte wies Y. daraufhin an, J ihr „Hurenhandy“ zu geben. Zu Hause angekommen begab sich der Angeklagte allein auf die Couch. Seine Frau und ihr Bruder verließen die Wohnung, was der Angeklagte mitbekam, noch einmal für einen Spaziergang. Nachdem der Angeklagte seine Frau schon unterwegs einmal angerufen hatte, wollte er auch nach der Rückkehr wieder lautstark wissen, wo sie gewesen sei. Mit der Erklärung, dass sie mit ihrem Bruder unterwegs war, gab er sich nicht zufrieden und begann, sie auf Arabisch zu beschimpfen. Unter anderem bezeichnete er sie und ihre Familie als Hure. Dies mündete in einem heftigen Streit, der damit endete, dass Y. ihre Sachen packte und mit ihrem Sohn und ihrem Bruder die Wohnung verließ. Kurzfristig und vorläufig kamen Mutter und Kind bei einer Freundin in Z. unter.
28d) Trennung
29Ausgelöst insbesondere durch den vorangegangenen Vorfall und bestärkt durch ihren Bruder, zu dem sie ab Mai 2021 wieder zunehmend und zuletzt sehr intensiven Kontakt pflegte, dem sie vertraute und der ihr Halt gab und die ihr vom ihm aufgezeigten Rechtschutzmöglichkeiten entschloss sich Y. zur Anzeigenerstattung und endgültigen Trennung von dem Angeklagten. Die Strafanzeige erstattete sie – im Beisein der Zeugin C am 20.07.2021 auf der Polizeiwache Innenstadt in R gegenüber dem Zeugen TL. In der Folge sprach die Polizei gegenüber dem Angeklagten noch am selben Tage eine Wohnungsverweisung mit einem zunächst zehntägigen Rückkehrverbot aus.
30Der Angeklagte wandte sich daraufhin sofort sowohl an den Vater von Y., den Zeugen YT, wie auch an den Zeugen T. einen Freund der Familie YT, den er deshalb kannte, weil er aus demselben Dorf im Libanon stammte, wie die Familie des Angeklagten und bat die Beiden um Hilfe bzw. Vermittlung. Der Zeuge YT, der sich der Zeit im Libanon aufhielt, vertröstete den Angeklagten auf die Zeit nach seiner Rückkehr. Der Zeuge T hingegen sagte – nachdem er sich zuvor von des Einverständnisses des Zeugen YT versichert hatte – zu, mit Y., die er zuvor nicht kannte, zu sprechen. Nachdem er in dem zeitnah geführten Gespräch von Gewalttätigkeiten erfahren hatte, die Y. dem Angeklagten vorwarf, teilte er dem Angeklagten jedoch mit, dass er nichts weiter für ihn tun könne und er auf die Rückkehr des Zeugen YT warten müsse.
31Etwa weitere zwei bis drei Tage später – noch Ende Juli – rief der Angeklagte bei dem Zeugen T erneut an. U.a. bat er den Zeugen dabei darum, auf sein (des Angeklagten) Kind achtzugeben. Art und Inhalt des Gesprächs lösten bei dem Zeugen große Sorge um den Angeklagten aus. Deshalb begann er sofort nach diesem zu suchen. Etwa eine Stunde später führte ihn sein Weg zu der Autowerkstatt des Zeugen M. in E., wo er den Angeklagten in einem Raum alleine und auf dem Boden liegend vorfand. Der Angeklagte war fast eingeschlafen und neben ihm fanden sich Getränkedosen mit einem Jack Daniels-Mixgetränk sowie Tabletten. Ihren genauen Wirkstoff vermochte die Kammer nicht festzustellen. Ausgeschlossen werden kann jedoch, dass die Einnahme der vorgefundenen Medikamente lebensbedrohlich hätte sein können. Gleichwohl wurde der Angeklagte in der Folge in ein Krankenhaus in SU. zwecks Beobachtung eingeliefert.
32Am 09.08.2021 wurde vor dem Amtsgericht Wuppertal über den Antrag auf Erlass einer Gewaltschutzanordnung gegen den Angeklagten mündlich verhandelt (Az. 70 F 172/21). In diesem Termin, bei welchem auch der Angeklagte zugegen war, schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem sie sich u.a. wechselseitig verpflichteten, den jeweils anderen nicht zu bedrohen, zu verletzen oder körperlich zu misshandeln sowie sich wechselseitig einander nicht zu nähern. Daran schloss sich eine Phase an, in der die Beiden tatsächlich keinen Kontakt zueinander hatten. Währenddessen, Ende August oder Anfang September, meldete sich der Angeklagte bei dem Vermieter, dem Zeugen JE. und teilte dort mit, dass man sich getrennt habe und er nicht mehr in der Wohnung wohnen würde.
33e) Erneuter Kontakt / Annäherungsversuche des Angeklagten
34Etwa zu Beginn der letzten Septemberwoche kam es zu einem einvernehmlichen Treffen der Beiden in einer CI.-Filiale in R. Ebenfalls anwesend war der Zeuge I., der das Gespräch begleiten bzw. moderieren sollte. Insgesamt sprachen die Drei mehrere Stunden über die Beziehung des Angeklagten und seiner Frau. Dabei forderte sie wiederholt, dass der Angeklagte sie nicht schlagen dürfe. Auch die wechselseitige Eifersucht sowie der gemeinsame Sohn waren Thema. Trotz der von ihr vorgenommenen Trennung, wollte sie dem Angeklagten ermöglichen, diesen regelmäßig zu sehen. Auch diesem Grund bat sie den Zeugen zudem, den Angeklagten bei ihm in der nahegelegen Wohnung in der G.-straße aufzunehmen, was dieser in der Folge auch tat. Nach dem Gespräch brachte der Zeuge, der noch einen Termin hatte, die Beiden gemeinsam mit deren Sohn jedoch zunächst zur Wohnung der Y.. Wie dieser Abend weiter verlief, konnte die Kammer nicht aufklären.
35Jedenfalls führte aber weder das intensive Gespräch mit dem Zeugen I. noch die möglicherweise nachher gemeinsam verbrachte Zeit dazu, dass Y. von der Trennung Abstand nahm. Im Gegenteil wurde dem Angeklagten mehr und mehr klar, dass seine Frau den Kontakt nur zuließ, um ihm den Umgang mit seinem Sohn zu ermöglichen.
36Deshalb versuchte der Angeklagte etwa eine Woche vor der Tat, über die Cousine ihres Vaters (Zeugin XC.), deren Ehemann, der Zeuge WC., ein guter Freund des Vaters von Y. war, zu letzterem Kontakt aufzunehmen. Auf sein Bemühen wurde er zu einem ohnehin geplanten Abendessen eingeladen, an dem außerdem der Zeuge WC. (Gastgeber) sowie die Zeugen YT und T teilnahmen. An diesem Abend schilderte der Angeklagte gegenüber dem Vater seiner Frau erstmals die Probleme in der Beziehung und, dass diese sich von ihm scheiden lassen wolle. Er sagte, dass er „schwierig“ sei und sie schlagen würde. „Das sei einfach so“. Er äußerte auch, dass er einer Scheidung keinesfalls zustimmen werde. Der Zeuge YT entgegnete, dass er (der Angeklagte) Y nicht sein Leben aufzwingen könne und dass letztlich sie entscheiden müsse. Er sagte dem Angeklagten gleichwohl zu, mit seiner Tochter zu sprechen und sagte, dass er etwa eine Woche benötigen würde, weil bei ihm auch noch Arzttermine anstünden. Bereits drei Tage später rief der Angeklagte wieder an und fragte nach, ob der Zeuge schon etwas erreicht habe. Dieser verwies auf seine Zusage und bat den Angeklagten in der darauffolgenden Woche Donnerstag anzurufen. Er plane, an dem dazwischenliegenden Wochenende (09./10.10.) nach R zu kommen und das Gespräch mit seiner Tochter zu suchen.
37f) Geschehnisse am Tattag
38Am Mittwoch, den 06.10.2021, dem Tattag, hielt der Angeklagte sich vormittags – wie auch schon an den beiden Tagen zuvor – mehrere Stunden in einem Autoteilehandel in E. auf, in welchem er Arbeit suchte, nachdem sein ehemaliger Partner, der Zeuge M., ihm am 30.09.2021, die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte, weil er nach dem Vorfall mit dem Alkohol und den Tabletten in der Werkstatt mit der Arbeitseinstellung und Arbeitsausführung des Angeklagten nicht mehr zufrieden war. Der Bruder des Inhabers des Teilehandels, der Zeuge QU. hatte jedoch auch Bedenken, ihn einzustellen und hielt ihn, ohne eine klare Aussage zu machen, hin. Während der Angeklagte dort wartete, setzte er seinen schon morgens begonnenen WhatsApp-Chat mit Y. fort. Im Wesentlichen tauschten die beiden sich über den gemeinsamen Sohn aus. Zwischenzeitlich kam der Zeuge M. vorbei und sprach und lachte mit dem Inhaber über den Angeklagten, was Letzterer auch mitbekam. Auch darüber beklagte sich der Angeklagte in einer Nachricht. Y. hielt ihm daraufhin vor, dass das (gemeint war etwa der Zeuge M.) alles Leute seien, die in seinem (des Angeklagten) Leben eine große Rolle gespielt hätten, die immer das Beste für ihn gewollt hätten und letztlich „den Dreck“ hätten aushalten müssen, was der Angeklagte nie erkannt habe. Der Angeklagte schrieb sodann um 11:32 Uhr „Verzeih mir“ und schließlich eine Minute später: „Ich bitte dich von Herzen kehr mir nicht den Rücken ich Kämpfe für uns. Und ich scheiss auf alles Wallah“. Um 13:34 Uhr verließ er dann die Örtlichkeit und kehrte in die Wohnung in der G.-straße zurück, wo er etwa eine Stunde später eintraf und den weiteren Nachmittag verbrachte.
39Y. verbrachte den Tag zunächst zu Hause. Nachdem sie, weil ihr Sohn sich in der Nacht übergeben musste, wenig geschlafen hatte, widmete sie sich ab 09:25 Uhr wie üblich intensiv den sozialen Medien. Sie kommunizierte dabei sowohl über Instagram, Snapchat wie insbesondere auch per WhatsApp, wo sie mit zahlreichen Kontakten zig Nachrichten austauschte. In der Regel reagierte sie dabei – wie sonst auch – sofort auf eingehende Nachrichten und beantwortete diese teils schon nach wenigen Sekunden. Parallel rief sie mehrfach (zunächst erfolglos) beim Kinderarzt an, um einen Termin zu vereinbaren, den sie schließlich für 14:00 Uhr erhielt und gemeinsam mit ihrem Sohn auch wahrnahm.
402) Tatgeschehen
41Um 15:27 Uhr kehrt Y. gemeinsam mit ihrem Sohn von einem Besuch beim Kinderarzt in ihre Wohnung zurück. Nachdem sie kurz zuvor den Angeklagten angerufen hatte, erschien auch dieser gegen 15:34 Uhr an ihrer Wohnung. Weil sie ihm – wie telefonisch abgesprochen – ein Dokument übergeben wollte, das jener wohl für einen Amtsgang benötigte, ließ sie ihn auch ein.
42Nur kurze Zeit später rief Y. auf dem Mobiltelefon der F. an. Während ein erster Anruf um 15:37 Uhr scheiterte, kam wenig später eine knapp zwei minütige Verbindung zustande. Sichere Feststellungen zum Inhalt des Telefongesprächs konnte die Kammer nicht treffen. Es liegt jedoch nahe, dass es im weitesten Sinne um das Verhältnis des Angeklagten zu F. bzw. um deren Scheidung bzw. den Stand der Scheidung ging. Jedenfalls verärgerte den Angeklagten dieser Anruf bzw. dessen Verlauf oder Ergebnis, den er mitgehört hatte, so sehr, dass er begann Y. zu beschimpfen, was sodann in einem Streit mündete.
43In dessen Verlauf wurde auch ein etwa ein Jahr zurückliegender Abend zum Thema, an dem die Y. gemeinsam mit ihrer besten Freundin, der Zeugin C. und anderen in eine Shisha-Bar ausgegangen war. Der Angeklagte mutmaßte, dass seine Frau dort etwas mit einem anderen Mann gehabt hätte. Veranlasst durch den Angeklagten, der mithörte, rief sie um 16:34 Uhr die Zeugin C an. Sie bat ihre Freundin, ehrlich auf ihre Frage zu antworten, weil dort jemand sei, der die Antwort hören wolle. Auf Nachfrage teilte sie mit, dass es sich um „Mo“ – den Angeklagten – handele. Daraufhin verlangte die Zeugin, dass dieser selbst fragen solle, was er dann auch tat. Er wollte (bestätigt) wissen, dass Y. ihn vor ca. einem Jahr in einer Shisha-Bar betrogen habe, indem sie betrunken gewesen und mit einem anderen Mann geknutscht habe. Die Zeugin antwortete, dass während sie dabei war, nichts passiert sei und wollte von dem Angeklagten, den sie an seiner ihr gut bekannten Stimme eindeutig erkannt hatte, wissen, wer so etwas behaupten würde. Eine Antwort auf diese Frage erhielt sie nicht. Sie hörte vielmehr den Angeklagten sagen: „Leg jetzt auf! Wir klären das unter uns!“ Danach endete das etwa sechs Minuten dauernde Gespräch. Während dieses Telefonats, welches vom Mobiltelefon der Y. geführt wurde, gingen dort zwei WhatsApp-Nachrichten des Zeugen QG. ein, der unter dem Namen „Habibi♥“ (arabisch: „Schatz“) gespeichert war, und zwar eine um 16:36:42 Uhr mit dem Inhalt „Was ist mit dir passiert, ich denke immer noch an dich“ und eine nur neun Sekunden später mit dem Inhalt: „Ist mit dir was passiert“.
44Weil er die eingehenden Nachrichten wahrgenommen hatte, die den Drang, seine Frau zu kontrollieren, bei ihm auslösten nahm er nach dem Gespräch deren Handy an sich und sah jedenfalls einige Chats durch. Insbesondere nahm er dabei die um 16:24 Uhr eingegangene Nachricht von einem unter dem Namen „RU.“ gespeicherten Kontakt, die verschiedene Emojis, darunter „Herzchenaugen“ und einen „Kussmund“ enthielt sowie den Chatverlauf mit dem Zeugen QG. wahr. Dieser stand an dem Tag schon in regem Austausch mit Y.. Mittags schrieb er ihr etwa, dass er sie liebe, was sie mit „ich liebe Dich auch“ erwiderte. Dann berichtete sie von dem anstehenden Termin beim Kinderarzt und dass es ihr schlecht gehe, woraufhin er schrieb: „Ok meine Geliebte, ich wünschte ich wäre an deiner Stelle“. Sie erzählte ihm weiter davon, dass sie für den 08.10. einen Termin bei einer Hausverwaltung habe, um eine andere Wohnung zu bekommen und dass sie in zwei bis drei Monaten umziehen könne. Sie werde ihre Wohnung leer machen und ein neues Leben beginnen. Er kommentierte dies mit, „ich gratuliere dir meine Seele“ und „Du bist mein Leben“. In einer Sprachnachricht stellte sie ihm in Aussicht, nach der Heimkehr in Ruhe mit ihm zu sprechen. Wohl weil es dazu wegen des Treffens mit dem Angeklagten zunächst nicht kam, meldete sich der Zeuge QG. ab 15:42 Uhr wieder regelmäßig mit kurzen Nachrichten – zunächst der Frage, ob sie zu Hause sei und dann ab 15:58 Uhr mit dem Tenor, ob ihr etwas passiert sei bzw. was los sei.
45Die Einsicht in den Chatverkehr seiner Frau ließ den Angeklagten derart eifersüchtig und wütend werden, dass er sie zunächst spontan mit der flachen Hand mehrfach gegen beide Gesichtshälften schlug, um diese– wie schon früher – auf diese Art zu züchtigen, wobei er die damit verbundenen Verletzungsfolgen jedenfalls billigend in Kauf nahm. Spätestens nach Ausführung dieser Schläge wurde dem Angeklagten jedoch bewusst, dass es gänzlich aussichtslos ist, auf eine Versöhnung mit Y. zu hoffen. Die Chats mit anderen Männern, der in Aussicht genommene Wegzug aus R , der dort anklingt, der gescheiterte Versöhnungsversuch durch den Zeugen I., die Aussage des Zeugen YT, dass er zwar mit seiner Tochter reden werde, diese aber letztlich zu entscheiden habe, der gerade vorangegangene Streit und nicht zuletzt seine erneute Gewalttätigkeit gegenüber seiner Frau ließen ihn das erkennen. Deshalb entschloss er sich spätestens in diesem Moment, aus Eifersucht und Wut darüber, dass sie nicht zu ihm zurückkehren würde und damit auch sein Beziehungsmodell, nach welchem er allein den Ton angeben und vollständig über seine Frau bestimmen wollte, an deren Widerstand gescheitert war, aber auch, um den seiner Meinung nach aus der Ehe folgenden Alleinbesitzanspruch durchzusetzen, diese auf der Stelle zu töten. Hierzu griff er ihr mit einer oder beiden Händen an den Hals und würgte sie, wodurch sie nach nur wenigen Sekunden das Bewusstsein verlor. Die Attacke wurde dabei insgesamt so schnell ausgeführt, dass es der Angegriffenen nicht gelang, sich nennenswert zu verteidigen. Um die von ihm beabsichtigte Tötung sicher zu vollenden, legte der Angeklagte ihr anschließend einen Shisha-Schlauch aus blauem Kunststoff (Durchmesser ca. ein Zentimeter) ein- oder zweimal um den Hals, zog diesen extrem fest zu und verknotete ihn an der Vorderseite des Halses unterhalb des Kehlkopfes doppelt. Wo der Angeklagte den Shisha-Schlauch hernahm, insbesondere ob er ihn erst noch aus dem Wintergarten herbeischaffen musste oder ob sich dieser, etwa zur Reinigung, ohnehin in der Küche befand, konnte die Kammer nicht abschließend klären. Die Angeklagte verstarb kurze Zeit später in Folge von Ersticken.
46Der Angeklagte ließ Y. an Ort und Stelle – rücklings auf dem Küchenfußboden liegend und mit dem um ihren Hals verknoteten Shisha-Schlauch – zurück. Ebenfalls zurück ließ der Angeklagte den zur Tatzeit zwei Jahre und neun Monate alten Sohn der Beiden, den Nebenkläger J., der die die Tat visuell und akustisch in den wesentlichen Zügen miterlebt hatte und der sich später, wohl in der Annahme, seine Mutter schlafe nur, mit einer Bettdecke an sie kuschelte und bis zum Auffinden am nächsten Tag über 21 Stunden alleine an ihrem Leichnam ausharrte.
473) Nachtatgeschehen
48Der Angeklagte begab sich nach der Tat zunächst zurück in die Wohnung an der G.-straße, wo er um 17:03 Uhr ankam und die er bereits zwei Minuten später wieder verließ. Von dort aus fuhr er zu F., in deren Wohnung in der CZ.-straße in P., die er um 18:12 Uhr erreichte und wo er sich bis 23:47 Uhr aufhielt. Währenddessen erhielt er um 20:33 Uhr einen Anruf der Zeugin C. die sich wegen ihrer Freundin sorgte und zuvor immer wieder versucht hatte, Kontakt mit dieser aufzunehmen. So blieben allein zwischen 16:48 Uhr und 20:31 Uhr fünf Anrufversuche sowie fünf WhatsApp-Nachrichten unbeantwortet. Auf Nachfrage teilte der Angeklagte ihr mit, dass er zwei Chatverläufe auf dem Handy der Y. gesehen habe, einen mit einem „RU.“ und einen weiteren. Er habe seiner Frau daraufhin ein schönes Leben gewünscht und die Wohnung fünf bis zehn Minuten nach dem gemeinsamen Telefonat verlassen. Sie habe zu der Zeit Fleisch in der Küche geschnitten. Wahrheitswidrig gab er zudem an, sich in MS. aufzuhalten.
49Auch danach versuchte die Zeugin C weiter, ihre Freundin zu erreichen, schrieb ihr fünf weitere Nachrichten und rief einmal (erfolglos) an. Ihre Bemühungen stellte sie an dem Tag erst um kurz vor 21:00 Uhr ein, nachdem sie mit dem Bruder ihrer Freundin, dem Zeugen A. telefoniert hatte und dieser sie damit beruhigt hatte, dass seine Schwester sich nicht so wohl gefühlt und sie sich bestimmt schon schlafen gelegt habe. Überhaupt beantwortete bzw. reagierte Y. nach Beendigung des Gesprächs mit der Zeugin um 16:42 Uhr auf keine der von verschiedensten Kontakten eingehenden zahlreichen Anrufversuche bzw. Text- oder Sprachnachrichten mehr.
50Der Angeklagte fuhr nach dem Aufenthalt bei F. in die Eifel nach N., das er am nächsten Tag (07.10.2021) kurz nach 1:00 Uhr erreichte. Während der Fahrt kommunizierte er weiterhin mit F. per SMS sowie auch kurz mit dem Zeugen I., dem er auf entsprechende Nachfrage mitteilte, dass alles gut sei.
51Um 11:56 Uhr rief die Zeugin C den Angeklagten erneut an und fragte ihn, ob er wisse, was mit ihrer Freundin los sei, weil diese nicht antworten würde. Er entgegnete daraufhin, dass ihn das nicht mehr interessiere, wiederholte noch einmal, dass er bei ihr zwei Männer auf WhatsApp gesehen habe und dass den Rest die Rechtsanwälte regeln würden.
52Die weiterhin sehr besorgte Zeugin C verständigte daraufhin die Zeugin ZA., eine gemeinsame Freundin, und verabredete sich mit ihr, gemeinsam zur Wohnung der Y. zu fahren, wo sie schlussendlich gegen 14:00 Uhr ankamen. Nachdem auf ihr Klingeln niemand reagierte, verschafften sie sich über Nachbarn Zugang zum Hausflur. In die Wohnung gelangten sie ohne weitere Hilfe, weil die Eingangstüre lediglich angelehnt war und sich von selbst öffnete, als die Zeugin C sie anfasste. Im Flur bemerkten sie sofort den ihnen gut bekannten Sohn der Y., der mit Lauten und Gesten andeutete, dass seine Mutter schlafen würde und der sie dann in die Küche führte. Dort fanden die Zeuginnen ihre Freundin tot vor. Der Shisha-Schlauch war unverändert um ihren Hals geknotet. Die Zeugin C verständigte über den Notruf sofort den Rettungsdienst, der nur wenige Minuten später vor Ort eintraf. Zwischenzeitlich versuchte die Zeugin ZA. auf Aufforderung der Leitstelle, den Schlauch vom Hals der Y. zu lösen, was ihr jedoch nicht gelang, weil der Knoten zu fest saß. Auch dem Rettungssanitäter YK. gelang es nicht, diesen ohne Hilfsmittel zu entfernen. Weil er es für die schnellste Lösung hielt, entschloss er sich zunächst, diesen mit einem Messer aufzuschneiden, weswegen er eines aus der Küche an sich nahm. Weil ihm das dann aber doch zu riskant erschien, legte er das Messer neben sich und ließ sich eine Rettungsschere reichen, mit der er mit mehreren kleinen Schnitten den Knoten schließlich zerstören und den Schlauch teilweise entfernen konnte. Die noch eingeleiteten Wiederbelebungsversuche wurden nach kürzester Zeit eingestellt, nachdem der Notarzt EG. eingetroffen war und sichere Zeichen des Todes festgestellt hatte. Der Sohn der Getöteten, J., wurde, als die Rettungs- und Polizeikräfte eintrafen, von der Zeugin ZA. vor das Haus verbracht. Er hatte seine Jeanshose vollständig eingenässt. Vorsorglich wurde er – begleitet von der Zeugin – in ein Krankenhaus gebracht.
53Parallel zu diesen Geschehnissen traf der Angeklagte etwa gegen 14:00 Uhr in N. in dem Imbiss der Mutter des Zeugen Q. ein. Diesem erzählte er, dass er jetzt hier bleiben wolle und sich etwas aufbauen werde. Der Zeuge Q., der erfreut war, den Angeklagten wieder zu treffen, verbrachte mit diesem die Mittagspause und nahm ihn danach zu privaten Erledigungen und schließlich zu sich nach Hause mit, wo die beiden eine Pause auf der Couch machten. Der Zeuge schlief dabei etwa zwischen 17:00 bis kurz nach 18:00 Uhr ein. In der Zwischenzeit führte der Angeklagte – unbemerkt vom Zeugen – verschiedene Telefonate. So rief er bereits um 14:25 Uhr auf dem Mobiltelefon des Rechtsanwalts NK. aus HP., seines jetzigen Verteidigers an. Das Gespräch dauerte 2:28 Minuten. Außerdem nahm er um 15:48 Uhr einen Anruf von F. an, der eine knappe Minute dauerte. Schließlich erhielt er um 17:29 Uhr einen Anruf (tatsächlich handelt es sich wegen mindestens eines Verbindungsabbruchs um mehrere unmittelbar aufeinanderfolgende Anrufe) des Vermieters der Wohnung in der B.-straße Straße, des Zeugen JE., der ihn fragte, ob er wisse, dass seine Frau tot sei. Der Angeklagte entgegnete darauf, dass ihn das nicht interessiere. Er sei nicht mehr mit der Frau zusammen und habe sie längere Zeit nicht gesehen. Der Zeuge, der die Reaktion nicht nachvollziehen konnte, fragte mehrfach nach, ob der Angeklagte verstanden habe, was er ihm gesagt habe und wies zudem darauf hin, dass auch das Kind in der Wohnung sei. Auf beides ging der Angeklagte jedoch nicht näher ein, woraufhin der Zeuge schließlich das Gespräch beendete. Auf Wunsch des Angeklagten fuhr der Zeuge Q. ihn dann zu dessen Eltern nach N.. Auf der Fahrt erhielt der Angeklagte um 17:51 und 17:58 Uhr zwei kurze Anrufe von dem Zeugen I., die jeweils auf Arabisch geführt wurden und die der Zeuge Q. deshalb inhaltlich nicht verstehen konnte. Der Zeuge nahm jedoch wahr, dass sich die zuvor normale Stimmung des Angeklagten während der Telefonate erregt und aggressiver wurde. In dem ersten Gespräch warf der Zeuge dem Angeklagten merklich emotional betroffen vor, Y. getötet zu haben und fragte ihn, ob er sich jetzt freue und erleichtert sei. Der Angeklagte entgegnete darauf, dass er nichts gemacht und die Getötete seit zwei Tagen nicht mehr gesehen habe. Auf den Vorhalt, dass er (der Angeklagte) lügen würde und doch noch gestern Abend da gewesen sei, stritt er ein Treffen zunächst weiter ab, räumte es dann aber schließlich doch noch ein. Er gab an, am Mittag bei ihr gewesen zu sein. Erst habe sie ihm ein Papier für das Jobcenter gegeben, dann habe sie Tanja wegen der Scheidung angerufen, woraufhin er sie beschimpft habe. Schließlich sei noch fünf bis zehn Minuten mit C (der Zeugin C) telefoniert worden, bevor man sich geeinigt habe, dass jeder seinen eigenen Weg nimmt und er gegangen sei. Auf die Nachfrage, wo er sei, antwortete der Angeklagte, dass er in MS. sei und dass er „mit den Jungs“ rausgegangen sei. In dem zweiten Gespräch machte der Zeuge dem Angeklagten erneut Vorhaltungen und sprach auch von dem weinenden Kind. Der Angeklagte reagierte, in dem er mehrfach sagte, dass er nicht da gewesen sei und dass er mit seinem Anwalt sprechen werde. Etwa zehn Minuten später rief der Angeklagte, was der Zeuge Q. mithören konnte, erneut seinen Verteidiger an und äußerte diesem gegenüber, dass man seine Frau zu Hause tot aufgefunden habe und ihm jetzt jemand etwas anhängen wolle. Hierdurch erfuhr der Zeuge Q. erstmalig ansatzweise von den Vorgängen aus R. Kurz nach Beendigung des Gespräches erreichten die beiden jedoch ihr Ziel und der Angeklagte vertröstete den Zeugen damit, ihm das Ganze später zu erklären.
54Gegen 20:30 Uhr kehrte der Angeklagte nach vorheriger telefonischer Absprache zu dem Zeugen Q. zurück. Auf dessen Befragen gab er (der Angeklagte) an, dass er von Leuten, die ihn angerufen hätten, erfahren habe, dass seine Frau mit einem Shisha-Schlauch erdrosselt worden sei und dass auch der kleine Sohn dort gewesen sein soll. Auf weiteres Befragen sagte er, dass er am 06.10. nachmittags bei seiner Frau Y gewesen sei. Sie habe ihn zuvor wegen eines Briefes angerufen. Man hätte sich ein bisschen gestritten und dann hätte seine Frau bei F. angerufen, um dort etwas klarzustellen. Danach habe er etwas in ihrem Handy nachsehen wollen und bemerkt, dass ihr zwei Männer geschrieben hätten. Er habe dann das Handy von ihr weggelegt, ihr alles Gute gewünscht und gesagt, dass er hoffe, dass die beiden Männer sie so behandeln würden, wie er sie behandelt habe. Anschließend habe er die Wohnung verlassen und sei dann zu F. gefahren. Von dort sei er später in die Eifel gefahren und sei zunächst bei seinem Bruder BN. und dann gegen 02:30 Uhr bei seinem Bruder BL. gewesen. Während der Angeklagte dem Zeugen dies schilderte, rief der Zeuge BN. F an. Auf dessen Initiative entschlossen sich die drei die Polizeiwache in YR. aufzusuchen, um in Erfahrung zu bringen, ob gegen den Angeklagten etwas vorliege. Gegen 21:00 Uhr trafen sie dort ein und sprachen bei dem diensthabenden Polizeibeamten, dem Zeugen YW., vor. Diesem schilderten sie, dass der Angeklagte Probleme mit der Familie seiner Ex-Frau habe. Diese hätten seine Eltern angerufen und sie dadurch verängstigt, dass gesagt worden sei, dass er (der Angeklagte) polizeilich gesucht würde. Er könne sich das nicht vorstellen, würde aber gerne wissen, ob er gesucht werde. Die von dem Zeugen YW. mangels in diesem Moment verfügbarer PCs am Handy durchgeführte Viva- und INPOL-Überprüfung ergab keine Treffer, was er den Dreien, die die Wache anschließend wieder verließen, mitteilte. Warum die Überprüfung negativ blieb, obwohl zu dieser Zeit bereits in dieser Sache ein Viva-Vorgang angelegt war und im Übrigen ein weiterer Vorgang (Anzeigeerstattung vom 20.07.2021) offen war, konnte nicht abschließend geklärt werden. Möglich ist, dass dem Zeugen bei der Eingabe des Namens auf dem Handy ein Tippfehler unterlief. Für den Zeugen stellte sich die Situation auch als ein eher alltäglicher Fall von Belästigung im familiären Umfeld dar. Hinweise auf eine mögliche Beteiligung an einem schweren oder gar einem Kapitalverbrechen, die ihm zu weitergehender Recherche oder telefonischer Nachfrage Anlass gegeben hätten, ergaben sich für ihn nicht.
55Anschließend kehrte der Angeklagte mit dem Zeugen Q. in dessen Wohnung zurück, wo er übernachten wollte. Kurz nach 0:00 Uhr (08.10.2022) wurde der Angeklagte durch Kräfte des Polizeipräsidiums R dort widerstandlos festgenommen und anschließend nach R verbracht. Dabei verhielt er sich ruhig und auffällig und leistete den Anweisungen der Polizei Folge.
564) Weitere Tatauswirkungen
57Der gemeinsame Sohn von dem Angeklagten und der Getöteten verbrachte zunächst ein paar Tage im Krankenhaus, wo er weiterhin auch von der Zeugin ZA besucht und betreut wurde. Auf ihr Nachfragen, was passiert sei, reagierte er mehrfach in gleicher Art und Weise. Er sagte „Baba, Baba“ – was Papa hieß, von ihm jedoch auch für fremde Männer verwendet wurde – und zeigte Handbewegungen, die so aussahen wie mehrfache Schläge mit der flachen Hand, dazu begann er, deutlich zu röcheln. Wenige Tage nach der Tat wurde für ihn auf Veranlassung des Jugendamtes ein Vormund bestellt.
58III. (Beweiswürdigung)
59Der Angeklagte hat sich weder zu seiner Person noch zur Tat eingelassen. Die getroffenen Feststellungen beruhen daher auf dem sonstigen Ergebnis der Beweisaufnahme, deren genauer Umfang sich aus der Sitzungsniederschrift ergibt.
60Die festgestellten grundlegenden persönlichen Verhältnisse – I. – beruhen im Wesentlichen auf der Aussage des Zeugen Q., der in demselben Ort wie der Angeklagte aufgewachsen war, diesen seit Kindestagen an kannte und sich später mit ihm anfreundete. Insbesondere konnte der Zeuge auch einige Angaben zu der Schulbildung und Berufstätigkeit des Angeklagten sowie zu dessen Beziehung zu seiner ersten Frau tätigen, die er ebenfalls kannte. Das Datum der nach islamischen Recht vorgenommenen Hochzeit mit seiner zweiten Frau vermochte hingegen deren Vater, der Zeuge YT, zu benennen, der in der Hauptverhandlung hierzu eine arabisch sprachige Urkunde vorlegte, die von dem anwesenden Sprachsachverständigen übersetzt wurde, und die Angaben bestätigte.
61Für die Überzeugungsbildung im Hinblick auf die getroffenen Feststellungen – II. – waren die folgenden Erwägungen für die Kammer wesentlich.
621)
63a)
64Die grundlegenden Feststellungen zur Person der Getöteten, ihrer ersten Ehe und den daraus hervorgegangenen Kindern beruhen auf den Angaben ihres zeugenschaftlich vernommenen Vaters sowie denen ihres ersten Ehemanns, dem Zeugen H. Aus den Zeugenaussagen, die sich inhaltlich decken oder jedenfalls widerspruchsfrei ineinandergreifen, ergibt sich ein plausibles Bild ihres früheren Lebens. Soweit es die Trennung von ihrem ersten Ehemann angeht, stützt die Kammer ihre Feststellungen zusätzlich auf die Bekundungen der Zeugen K, die ihre Schwester zweimal kurzfristig bei sich aufnahm und wegen des sich daraus ergebenden engen Kontakts einen unmittelbaren Einblick in deren damalige Lebenssituation erhielt. Ob die von der Getöteten gegen ihren Ex-Ehemann damals erhobenen Vorwürfe betreffend Gewalt in der Ehe zutreffend waren oder nicht, ist letztlich für die Kammer ohne entscheidende Bedeutung gewesen. Zum einen lässt sich daraus nämlich ein Tatmotiv für eine theoretisch denkbare Täterschaft des Zeugen H nicht ableiten. Wie sich aus dessen Vernehmung sowie der der beiden gemeinsamen Töchter ergeben hat, hat sich das Verhältnis nach der einvernehmlichen Trennung und Scheidung normalisiert und lief völlig frei von Emotionen und Streitigkeiten. So besuchte Y. ihre Kinder in W. regelmäßig, wobei der Zeuge seine Wohnung in dieser Zeit freiwillig räumte und zur Verfügung stellte. Ebenso erlaubte er, dass die Kinder in den Schulferien ihre Mutter in R besuchten und dort auch längere Zeit verbrachten. Zu keiner Zeit beschrieben die beiden inzwischen fast erwachsenen und reflektiert denkenden Töchter die Beziehung als problematisch oder konfliktbehaftet. Zum anderen hätte es auf die übrigen Feststellungen zu den Gewalttätigkeiten und Drohungen in der Beziehung der Y. zu dem Angeklagten keine Relevanz. Denn die Kammer hat ihre diesbezüglichen Feststellungen auf Vorgänge gestützt, die auch von anderen Zeugen wahrgenommen und glaubhaft geschildert wurden. Vorfälle, die die Freunde der Getöteten von dieser nur vom Hörensagen zu berichten wussten, hat die Kammer hingegen – mit einer im Einzelnen näher begründeten Ausnahme, nachfolgend b) – außen vorgelassen.
65b)
66Wie Y. und der Angeklagte sich kennengelernt haben und wie der Beginn ihrer Beziehung verlief, weiß die Kammer durch die Bekundungen der Zeugin K. Die Zeugin hatte zu dieser Zeit einen sehr engen Kontakt zu ihrer Schwester und war – so wie es ihre lebensnahen Schilderungen belegen – für diese, die sonst in der für sie neuen Umgebung keine Freunde oder Bekannte hatte, auch die einzige Vertrauensperson. Die Angaben der Zeugin waren für die Kammer äußerst glaubhaft, den sie schilderte die Vorgänge erkennbar erlebnisbasiert, was auch dadurch deutlich wurde, dass sie immer wieder ihre dabei empfundenen Emotionen zum Ausdruck brachte. Insbesondere verbarg sie nicht die ablehnende und skeptische Haltung, die sie dem Angeklagten von Anfang an entgegenbrachte und auch nicht die Enttäuschung, die damit verbunden war, dass ihre Schwester sich letztlich entschied, ihre weitere Zukunft mit dem Angeklagten zu gestalten und nicht – wie zunächst geplant – gemeinsam mit der Zeugin nach U. zu ziehen. Gleichwohl ließ die Zeugin keine ungerechtfertigten Belastungstendenzen erkennen. Die Schilderung der mit dem Eindringen in deren Körper verbundenen körperlichen Kontrollen ihrer Schwester fiel der Zeugin ersichtlich schwer. Sie war deutlich von nachvollziehbarer Scham erfasst und nur in Abwesenheit ihres Vaters, der sich freiwillig für diesen Zeitraum aus dem Verhandlungssaal entfernte, überhaupt bereit, hierzu Angaben zu machen. Die Kammer hält die der Zeugen nur vom Hörensagen bekannten Vorfälle auch insgesamt für authentisch. Y. schilderte das Geschehen ihrer Schwester zwar als sie belastend, aber letztlich nicht vorwurfsvoll, erst Recht nicht mit dem Ziel, den Angeklagten anzuzeigen, ihn sanktionieren zu lassen oder sich von ihm zu trennen. Im Gegenteil hielt sie trotz alldem gegen den Rat ihrer Schwester an der Beziehung fest.
67c)
68Die allgemeinen Feststellungen zu der Beziehung des Angeklagten mit Y. nach ihrem Umzug nach R beruhen im Wesentlichen auf den Bekundungen der Zeugen C und I.. Bei den beiden handelte es sich um enge Freunde des Paares, die – zunächst auch als Nachbarn in dem Haus G.-straße – einen authentischen und vor allem, weil man viel Zeit miteinander verbrachte, recht lückenlosen Einblick in deren Leben erhielten. Übereinstimmend wussten die Beiden von den vielen Streitigkeiten des Ehepaares zu berichten und benannten hierfür als Ursache im Wesentlichen eine wechselseitige, aber jeweils leicht anders gelagerte Eifersucht, die auch von praktisch allen anderen näheren Freunden, die größtenteils in der Hauptverhandlung zeugenschaftlich vernommen worden sind, beobachtet worden war.
69Zur Überzeugung der Kammer ging es Y. dabei (vor der späteren Trennung) im Wesentlichen darum, dass sich der Angeklagte auch nach außen – insbesondere gegenüber seiner Familie – zu ihr als seine einzige Frau bekannte und die Beziehung zu F. endgültig aufgab. Nachdem der Angeklagte ihr seine Ehe mit F. zunächst vollständig verschwiegen hatte, sie dann nur stückchenweise offenbarte und einen klaren Schlussstrich zu ziehen vermied, war der in den Aussagen der Zeugen immer wieder geschilderte Argwohn und das Gefühl des Zurückgesetztwerdens der Y. nachvollziehbar und lebensnah. Die Eifersucht des Angeklagten stellte sich nach Auffassung der Kammer anders dar. Sie steht im Zusammenhang mit der Vorstellung des Angeklagten, dass seine Frau ihm allein gehöre und (nur) das zu tun habe, was er ihr sagt, einerseits, und dem Umstand, dass diese sich dem letztlich weitgehend widersetzte und für den Angeklagten nicht ausreichend steuerbar war, andererseits. Diese Gemengelage löste bei dem Angeklagten verschiedene Dinge aus, u.a. die Sorge vor einem Gesichtsverlust, weil seine Frau sich nicht entsprechend dem von ihm propagierten Paarbild führen ließ, die Angst vor einem gänzlichen Kontrollverlust über seine Frau und Eifersucht im Hinblick insbesondere auf die von ihr gepflegten Social Media-Kontakte, die ihn nicht ausschließbar ernsthaft befürchten ließen, seine Frau könne ihn betrügen oder verlassen. Das vorerwähnte Frauenbild des Angeklagten trat immer wieder – auch für Dritte erkennbar – zu Tage. Es äußerte sich darin, dass der Angeklagte etwa in Gegenwart der Zeugin C. des Zeugen I. oder später auch des Zeugen A. seiner Frau Vorgaben machte, was sie tun habe und sie versuchte, in ihren Kontakten zu beschränken. Er nahm für sich, etwa auch in Erziehungsfragen, zudem wie selbstverständlich in Anspruch, das letzte Wort zu haben. Öfters unterstrich er dies dadurch, dass er letztlich das genaue Gegenteil von dem tat, was seine Frau zuvor entschieden hatte. Exemplarisch ist insoweit der Vorfall in dem Supermarkt in Z., in dem der Angeklagte den weinenden Sohn, den die Mutter zuvor bewusst in den Einkaufswagen gesetzt hatte, dort wieder herausholte und deren Protest als unmaßgeblich abtat. Das nach seiner Vorstellung bestehende Hierarchieverhältnis benannte der Angeklagte jedoch auch explizit. So äußerte er im Juni 2021 gegenüber dem Zeugen A., nachdem er (der Angeklagte) mit seiner Frau gestritten hatte, dass sie sich ihm respektlos gegenüber verhalten habe, indem sie sich verbal gewehrt und ihm widersprochen habe. Das stehe ihr nicht zu, denn er sei der Mann. Eine Frau dürfe so nicht mit ihm reden. Er versuchte nach den Schilderungen der Zeugen auch, ihr Außenkontakte zu verbieten oder diese jedenfalls einzuschränken, weil seine Frau nach seiner Vorstellung letztlich nur für ihn dazu sein hatte.
70Die beispielhaft einzeln festgestellten Drohungen bzw. Tätlichkeiten beruhen auf dem Folgenden:
71-
72Den Tritt in den Bauch hat die Zeugin C beobachtet, die sich an diesen wie auch den situativen Zusammenhang gut erinnern konnte. So gab sie an, dass diesem ein Streit über einen möglichen Schwangerschaftsabbruch vorangegangen sei. Der Angeklagte habe das Baby nicht gewollt und ihr im Verlauf an den Haaren gezogen und dann in den Bauch getreten. Die Schilderungen der Zeugin sind glaubhaft. Insbesondere hat sie den potentiell äußerst gefährlichen Angriff nicht dramatisiert, sondern nüchtern und unaufgeregt und wenig vorwurfsvoll dargetan.
73-
74Die Feststellungen zu den Vorfällen im April beruhen auf den übereinstimmenden Bekundungen der Zeuginnen D. und V. H, die den Sachverhalt frei von persönlichen Belastungstendenzen und in inhaltlicher Übereinstimmung mit bei Anzeigenerstattung am 20.07.2021 getätigten Angaben ihrer Mutter schildern. Letzteres ergibt sich aus der Aussage des zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten TL.
75-
76Die Feststellungen zu den weiteren Vorfällen im Juni bzw. Juli 2021 beruhen auf der Aussage des Zeugen A.. Der Zeuge stellte sich während seiner gesamten, umfassenden und intensiven Befragung als glaubwürdig und seine Bekundungen als sehr glaubhaft dar. Seine Kenntnisse betreffend seine Schwester und deren Beziehung waren sehr weitreichend und detailliert. Das besondere und sich schnell ab April 2021 (wieder) entwickelnde Verhältnis der Geschwister erklärt sich maßgeblich vor dem persönlichen Hintergrund des Zeugen. Dieser hatte unmittelbar vor der Intensivierung des Kontakts eine mehrjährige Haftstrafe wegen eines Drogendelikts verbüßt und sich einer Suchtbehandlung unterzogen. Nach dem Eindruck der Kammer haben Haft und Therapie in positiver Weise auf die Persönlichkeit des Zeugen Einfluss genommen, der sich heute als besonders besonnen und empathisch zeigt. Glaubhaft ist auch, dass sich durch seine Erfahrungen mit den Drogen und den damit einhergehenden strafrechtlichen Konsequenzen seine Prioritäten im Leben deutlich verschoben haben, er genügsamer geworden ist und der Entwicklung persönlicher Beziehungen einen viel höheren Stellenwert einräumt. Diese besondere Situation, die erstmalig seit langem bestehende Möglichkeit sowie das Interesse an dem Persönlichen und der Wille zu helfen, führten in der Folge dazu, dass der Zeuge für seine Schwester schnell und immer mehr zu der wichtigsten Vertrauensperson und auch Leitfigur wurde. Die Art und die Haltung des Zeugen haben andererseits auch zur Folge gehabt, dass er trotz des für ihn besonders schweren Verlustes seiner Schwester, in all seinen Bekundungen in der Hauptverhandlung wie auch zuvor in seinen polizeilichen Vernehmungen sachlich, unaufgeregt und ohne besondere und persönliche Belastungstendenzen berichtete.
77d)
78Die Feststellungen zur von Y. initiierten Trennung sowie der Anzeigenerstattung bei der Polizei beruhen auf den Angaben des zeugenschaftlich vernommenen Polizeibeamten TL sowie den weiteren Zeugen C und A..
79Soweit es die unmittelbare Reaktion des Angeklagten darauf und insbesondere den Vorfall in der Werkstatt angeht, stützt sich die Kammer hingegen auf die Bekundungen des Zeugen T. der diesen ohne erkennbare persönliche Betroffenheit in sich schlüssig geschildert hat. Auch die Annahme, dass die Einnahme der vorgefundenen Medikamente nicht hätte lebensbedrohlich sein können, geht auf dessen Aussage zurück. Darin hat er nämlich geschildert, wie er in nachvollziehbarer Sorge um den Angeklagten auf entsprechende Nachfrage in dieser Weise durch den Notarzt beruhigt worden sei. Auch sonst spricht nichts für eine ernsthafte oder längerfristige Nachwirkung durch den Vorfall, denn der Angeklagte wurde offenbar schon kurze Zeit später aus dem Krankenhaus entlassen und nahm – ohne sichtliche Beeinträchtigungen – am 09.08.2021 an der mündlichen Anhörung vor dem Familiengericht teil, über deren Verlauf und Ergebnis die Zeugin ZU., Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt R, zuverlässig Auskunft gab.
80e)
81Dass es zu einem Gespräch zwischen den Eheleuten Ende September bei CI kam, folgt für die Kammer aus der Aussage des Zeugen I. sowie der der Zeugin C. dem letzterer davon später berichtete. Daran, dass es sich um ein einvernehmliches Treffen handelte und auch daran, dass Y. den Angeklagten anschließend mit in ihre Wohnung nahm, bestehen auf Grund der Angaben des Zeugen I. keine Zweifel. Zu einer Versöhnung hat dies allerdings nicht geführt. Dagegen spricht schon, dass der Angeklagte diesbezüglich nur kurze Zeit später (erneut) bei dem Vater seiner Frau um Hilfe suchte.
82Der Ablauf des Treffens des Angeklagten mit seinem Schwiegervater im Hause des Zeugen WC. konnten die dabei anwesenden Zeugen YT, WC. und T übereinstimmend glaubhaft wie festgestellt schildern. Der Zeuge YT machte dabei detaillierte und nachvollziehbare Angaben zur Kommunikation mit dem Angeklagten.
83f)
84Den Tattag konnte die Kammer zu ihrer Überzeugung durch die Auswertung der verlesenen Bewegungs- und Kommunikationsprofile von dem Angeklagten und seiner Frau sowie durch Vernehmung der Zeugen QU und M. wie festgestellt rekonstruieren.
852)
86Die Feststellungen zur Tat selbst sowie zur Täterschaft des Angeklagten beruhen auf den folgenden Erwägungen.
87a)
88An der Täterschaft des Angeklagten bestanden für die Kammer auf Grund der Zusammenschau der nachfolgende Umstände keine Zweifel.
89Der Angeklagte befand sich am Tattag bei seiner Frau in deren Wohnung in der B.-straße Straße, dem späteren Tatort, als diese um 16:42 Uhr das letzte Mal von Dritten lebend wahrgenommen wurde. Dass er am Nachmittag des Tattages mit dieser zusammen war, folgert die Kammer aus den Angaben der Zeugin C. die detailliert von einem Telefongespräch gegen 16:30 Uhr berichtete, an dem die Beiden, deren Stimmen sie zweifelsfrei identifizieren konnte, teilgenommen hatten und welches ihrer Erinnerung nach wenige Minuten dauerte. Dass die beiden sich zu diesem Zeitpunkt in der Wohnung in der B.-straße Straße aufhielten, folgt daraus, dass das bei dem Telefonat verwendete Mobiltelefon der Y. ausweislich des verlesenen Bewegungs- und Kommunikationsprotokolls zu diesem Zeitpunkt, nämlich seit 15:27 Uhr, in dem zur Wohnung gehörigen WLAN-Router eingeloggt war. Dass der Angeklagte in der Wohnung der Y. das Telefonat mit der Zeugin C geführt hat, wird indiziell zudem dadurch bestätigt, dass der Angeklagte selbst, eben jenes im Nachgang zur Tat gegenüber verschiedenen Zeugen, insbesondere dem Zeugen I., eingeräumt hat. Diese Gespräch dauerte ausweislich der im Bewegungs- und Kommunikationsprotokolls dokumentierten Auswertung des Mobiltelefons der Y. von 16:36 bis 16:42 Uhr.
90Der Angeklagte befand sich auch noch bis zu ihrem wenige Minuten später eingetretenen Tod bei ihr. Hierfür spricht das mit Eintreffen ihres Mannes um ca. 15:34 Uhr veränderte und dann gleichbleibende Kommunikationsverhalten der Y.. Bevor der Angeklagte bei ihr eintraf war seine Frau – wie üblich auf verschiedenen Social Media-Kanälen (Instagram, Snapchat und WhatsApp) äußerst aktiv und kommunizierte intensiv mit einer Vielzahl von verschiedenen Kontakten. Seit 09:25 Uhr, als sie an dem Tag ihre erste eigene Nachricht absetzte, tauschte sie deutlich über 350 Nachrichten aus (empfangen oder versendet), was bis 15:34 Uhr, schon im Durchschnitt eine Frequenz von mehr als einer Nachricht pro Minute entspricht. Auch tatsächlich reagierte Y. – wie es etwa auch die Zeugin C sonst von ihr gewohnt war – teils binnen Sekunden. Selbst um den Zeitpunkt des Kinderarzttermins herum (14:00 Uhr) entstanden keine nennenswerten Kommunikationslücken. Eine solche begann erst 15:34 Uhr. Auf ab dann eingehende Nachrichten oder Anrufe reagierte sie nicht mehr. Das wiederum ist zur Überzeugung der Kammer der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte bei ihr eingetroffen ist. Hierfür spricht das Folgende. Ausweislich seiner später gegenüber dem Zeugen I. getätigten Äußerungen hat er dem Anruf, den seine Frau bei F. tätigte, beigewohnt. Dieser begann um 15:37 Uhr bzw. 15:38 Uhr. Spätestens dann muss er also in der Wohnung gewesen sein. Andererseits telefonierten die Beiden noch bis 15:32 Uhr miteinander, was dafür spricht, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt noch unterwegs war. Um exakt 15:34 Uhr gibt es dann ein kurzes – nur fünfsekündiges – Gespräch, vermutlich, weil der Angeklagte gerade eintraf oder im Begriff war, einzutreffen. Der Zeitablauf ist auch darüber hinaus stimmig. So ist bekannt, dass sich das private Mobiltelefon des Angeklagten um 15:26 Uhr vom WLAN-Router in der Wohnung G.-straße 5 abmeldete, wo der Angeklagte sich zuvor aufgehalten hatte. Der sich ergebende Zeitraum von etwa acht Minuten entspricht einer plausible Laufzeit zu der etwa 400 Meter entfernt gelegenen Wohnung in der B.-straße Straße. Dass es zu einem Kommunikationsstopp kam, als der Angeklagte erschien, ist plausibel, weil die beiden miteinander und zeitweise auch telefonisch mit der F. und der Zeugin C kommunizierten. Es ist auch vor dem Hintergrund des von dem Angeklagten dem Zeugen I. später geschilderten Streit und dem Umstand, dass er einräumte, ihr Handy durchgesehen zu haben, nachvollziehbar, dass Y., sofern ihr das Mobiltelefon überhaupt selbst zur Verfügung stand, keinen Fokus auf die Aufrechterhaltung der Chats hatte. Das ist zudem besonders lebensnah, wenn man bedenkt, dass dort jüngst einige Nachrichten eingegangen waren, die wegen ihres Inhalts jedenfalls geeignet waren, den Angeklagten zu erzürnen und (weiteren) Streit zu provozieren. Ganz und gar lebensfemd und völlig unglaubhaft ist allerdings, dass Y., hätte der Angeklagte die Wohnung ohne Weiteres verlassen, die offenen Kommunikationsfäden nicht zeitnah wieder aufgenommen hätte. Das gilt umso mehr, als etwa der Zeuge QG. schon mehrere sehr besorgte Nachrichten geschickt hatte und sich in Person der Zeugin C und des Zeugen A. auch ihr besonders vertraute Personen meldeten.
91Es kann auch ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte die Wohnung (erst) zu einem Zeitpunkt verließ, in dem es auch für seine Frau möglicherweise nicht mehr üblich wäre, auf zuvor eingegangene Nachrichten zu antworten und eine Reaktion ggfs. auf den nächsten Tag zu verschieben. Denn dessen privates Mobiltelefon, welches er ja – wie vorbeschrieben –, als er um 15:34 Uhr in der Wohnung seiner Frau eintraf, mit sich führte, loggte sich bereits um 17:03 Uhr wieder in der Wohnung in der G.-straße ein, bevor beide Handys anschließend um 17:05 Uhr abgemeldet wurden und sich ihre Spur nach P. verfolgen lässt. Die Tageszeit sprach damit jedenfalls nicht gegen eine Wiederaufnahme der Kommunikation. Dagegen, dass die Tötung zu einem deutlich späteren Zeitpunkt stattgefunden hat, sprechen zudem die folgenden Indizien. Zum einen trugen sowohl Y. als auch ihr Sohn noch normale Tagesbekleidung. Letzterer hatte – jedenfalls am nächsten Tag – auch immer noch eine Jeans an, was für ihn, wenn er zu Hause war, nach Bekundung der Zeugin C sehr ungewöhnlich war. Üblicherweise kleidete seine Mutter ihn in bequemere Sachen um. Auch das zeigt, dass sie nach dem Eintreffen des Angeklagten – sie war mit ihrem Sohn nur einige Minuten vorher vom Kinderarzt zurückgekommen – nicht mehr die Gelegenheit hatte, ihr sonst wichtige Dinge zu erledigen. Zunächst nicht wegen der Diskussion bzw. des Streits mit dem Angeklagten und schließlich nicht, weil dieser sie, bevor er die Wohnung verließ, tötete.
92Die sich so ergebende Tatzeit zwischen 16:42 Uhr und kurz vor 17:00 Uhr ist nach der sachverständigen Einschätzung der Rechtsmedizinerin Dr. WZ. zudem plausibel mit den Feststellungen am Leichenfundort in Einklang zu bringen.
93Für die Täterschaft des Angeklagten sprechen weiter die in den Feststellungen dargestellten Motive. Letztlich hat die Kammer angenommen, dass dieses Motivbündel – Eifersucht, Wut über das am Widerstand gescheiterte Beziehungsmodell und Durchsetzung des ihm seiner Meinung nach zustehenden Alleinbesitzanspruchs – ihn zur Tötung veranlasst haben.
94Die intensive Ermittlungstätigkeit der Polizei und die umfangreiche Hauptverhandlung haben überdies keine Hinweise auf einen möglichen Alternativtäter ergeben. Während es auf Grund der Feststellungen zur Tatzeit ausgeschlossen erscheint, dass die Tat durch eine andere Person als den Angeklagten verübt worden sein könnte, ist auch sonst keine Person erkennbar, die ein relevantes Tatmotiv besitzen könnte. Bei der Prüfung hat die Kammer den Exmann der Getöteten in den Blick genommen. Wie festgestellt und von den gemeinsamen Töchtern überzeugend bestätigt, war dieses nicht mehr intime Verhältnis jedoch seit Jahren völlig unbelastet und auch sonst unauffällig. Insbesondere kommunizierte man, soweit es den Umgang mit den Kindern anging, geordnet und respektvoll miteinander und hielt wechselseitig getroffene Absprachen ein. Auch ein Nachwirken der letztlich nicht näher aufgeklärten Vorwürfe aus 2013 hält die Kammer für ausgeschlossen, zumal das Ermittlungsverfahren seit nahezu zehn Jahren eingestellt ist. Die Kammer hat auch bedacht, ob ein Täter aus dem Umfeld der Familie der Getöteten in Betracht kommt. Auch hier ist aber kein Motiv erkennbar. Soweit auf Grund einer Äußerung des Zeugen I. kurzfristig der Verdacht im Raum stand, die Familie der Getöteten könnte sich von ihr abgewendet haben, weil sie etwas mit dem Mann ihrer Schwester NZ., der Zeugin K, gehabt habe, hat sich dieser nicht erhärtet. Im Gegenteil hat die Zeugin K selbst glaubhaft angegeben, dass ihre Ehe schon vor dem Erscheinen ihrer Schwester endgültig gescheitert sei und ihr Mann nur wenige Tage später ausgezogen sei. Wäre dies anders gewesen, wäre zudem zu erwarten gewesen, dass sich das Verhältnis zwischen den beiden Schwestern zeitnah eingetrübt hätte, was aber nicht der Fall war. Im Gegenteil intensivierte es sich ja zunächst noch deutlich. Erst recht wäre für die Kammer aber auch nicht nachvollziehbar, warum dieser Vorfall, der über zehn Jahre vor der Tat gelegen haben müsste, gerade dann wieder akut geworden sein sollte. Auch das Bekanntwerden der Trennung bzw. der beabsichtigten Scheidung stellte für die Mitglieder der Familie YT kein Tötungsmotiv dar. Ihr Vater hat in seiner Vernehmung insofern glaubhaft angegeben, dass die letztendliche Entscheidung seine Tochter alleine zu treffen hätte, was er im Übrigen auch dem Angeklagten mitteilte. Eine Trennung oder Scheidung – auch nach islamischem Recht – stellte für ihn ersichtlich kein großes Problem dar, war er – eigenen Angaben zufolge – doch selbst einmal geschieden. Außerdem hatte er die Scheidung mindestens einer weiteren Tochter, nämlich der Zeugin K, ohne Weiteres akzeptiert. Schließlich hat die Kammer auch den Zeugen I. noch in den Blick genommen, weil er die Getötete in der Vergangenheit bedroht haben soll. Insoweit hat die Vernehmung der Zeuginnen C und ZA. aber ergeben, dass dieser Streit schon länger zurücklag. Im Übrigen befand der Zeuge sich seinen eigenen Angaben zufolge ab dem 01.10. und über die Tatzeit hinaus beruflich bedingt in UO., was dadurch gestützt wird, dass sein Mobiltelefon bei der Funkzellenauswertung am Tattag nicht in der Tatortfunkzelle, die im Übrigen auch dessen Wohnung umfasst hätte, registriert wurde.
95Schließlich spricht indiziell auch das Nachtatverhalten für eine Täterschaft des Angeklagten. Selbst wenn man seinen Besuch bei F. außen vor lässt, erscheint es doch höchst ungewöhnlich, dass der Angeklagte sich entschließt, mitten in der Nacht zu seinen Brüdern bzw. seinen Eltern in die Eifel zu fahren, um dort ein neues Leben zu beginnen. Dagegen spricht bei vernünftige Betrachtung schon, dass er für einen längerfristigen Aufenthalt überhaupt nicht gepackt hatte. Vor allem stellt diese Ankündigung aber einen mit seinem vorangegangenen Verhalten im Hinblick auf die Beziehung zu Y. unerklärlichen Bruch dar. Denn er versuchte bis zuletzt alles, um die Beziehung wieder unter seine Kontrolle zu bekommen. Dazu bemühte er sich um Unterstützung durch den Zeugen I. und auch durch seinen Schwiegervater. Noch am Tattag schrieb er ihr „Ich bitte dich von Herzen kehr mir nicht den Rücken ich Kämpfe für uns. Und ich scheiss auf alles Wallah“. Es ist – außer der Kenntnis von ihrem Tod – schlicht nichts ersichtlich, was den Angeklagten – zumal bevor sein Schwiegervater das zugesagte Gespräch mit dieser geführt hatte – veranlasst haben könnte, so plötzlich seine Haltung zu der Beziehung zu ändern. Ebenfalls nicht recht nachvollziehbar ist, warum der Angeklagte gegenüber verschiedenen Zeugen (I./JE.) auf Nachfrage angegeben hat, seine Frau länger nicht gesehen zu haben und erst recht nicht, warum er sich überhaupt nicht für das Befinden des gemeinsamen Sohnes interessierte. Letzteres kann wohl nur so interpretiert werden, dass er durch die Tat mit allem was mit dieser Beziehung in Verbindung stand, endgültig abgeschlossen hatte.
96b)
97Die Feststellungen zum Tatablauf im Übrigen beruhen zum einen auf den Angaben des Angeklagten gegenüber dem Zeugen I. und der Zeugin C über den Verlauf des Treffens. Soweit er dort angegeben hatte, dass es zwischen ihm und seiner Frau zum Streit gekommen sei und er sie beschimpft habe sowie, dass er ihr Handy durchgesehen und zwei Chats gelesen und das Handy später weggelegt habe, lässt sich das mit den weiteren objektiven Umständen unproblematisch in einen überzeugenden Zusammenhang setzen.
98Die Feststellungen zur eigentlichen Tötungshandlung stützt die Kammer im Wesentlichen auf die sachverständigen Ausführungen der Ärztin für Rechtsmedizin Dr. LF. (Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums VJ. Die der Kammer aus anderen Verfahren als kompetent und gewissenhaft arbeitend bekannte Medizinerin erläuterte in der Hauptverhandlung plastisch, jederzeit gut nachvollziehbar und überzeugend die Ergebnisse der von ihr verantwortlich durchgeführten Obduktion der Getöteten.
99Als todesursächlich sei demnach Ersticken durch Gewalt gegen den Hals im Sinne eines Erdrosselns, ggfs. in Kombination mit einem Erwürgen anzusehen. Für den Tod durch Ersticken sprächen die Zeichen einer massiven Stauung im Gesichts- bzw. Kopfbereich, die zahlreichen punktförmigen Einblutungen an der gesamten Gesichtshaut sowie in der Vor- und Hinterohrregion, den Bindehäuten beidseits und der Mundschleimhaut an der Oberlippe sowie die am Hals aufgefundene Strang- bzw. Drosselmarke. Die Sachverständige führte zum Ablauf insoweit aus, dass die Drosselung am Hals zunächst und unmittelbar zu einer Unterbrechung des Blutflusses in den außen am Hals liegenden Venen führt. Schon ein wenige Sekunden andauernder Verschluss der Venen bringe den Blutkreislauf im Kopf und damit die Sauerstoffversorgung des Gehirns zum Erliegen, was zunächst zur Bewusstlosigkeit und schon kurze Zeit später zum Tod führe. Parallel bleibe zunächst die arterielle Blutversorgung aufrechterhalten, die den Blutdruck im Kopf massiv erhöhe und zu den typischen punktförmigen Einblutungen sowie zum Anschwellen der Kopf- und Halspartien oberhalb der Drosselmarke führe.
100Dass die Getötete gedrosselt wurde, lasse sich zwanglos von der bei der Obduktion gut sichtbaren zirkulär und annähernd horizontal um den Hals verlaufenden, teils regelmäßig bandförmig, teils unregelmäßig begrenzten Abblassung ableiten. Das als Drosselwerkzeug der Schlauch einer Shisha verwendet wurde, ergibt sich hingegen aus den Beobachtungen der Zeugen C. ZA. sowie der Rettungskräfte, die diesen fest am Hals sitzend und doppelt verknotet vorgefunden hatten.
101Dass der Angeklagte seine Frau zuvor mit der Hand gewürgt haben muss, beruht auf folgenden Überlegungen. Wie eine Nachstellung der möglichen Tatsituation durch Polizeikräfte mit einem vergleichbaren Schlauch an einer Puppe eindrücklich gezeigt hat – das hiervon gefertigte Video wurde in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen –, ist es mit einigem Aufwand verbunden, den zwar grundsätzlich flexiblen, aber eben auch ein wenig steifen Kunststoffschlauch um einen Hals zu legen und dort dann zu verknoten. Das wurde schon bei der Puppe ersichtlich und gilt erst recht, für einen Gegner, der sich in Anbetracht einer drohenden Drosselung und erkennbar potentieller Todesgefahr heftig zur Wehr setzen würde. Da einerseits nicht ersichtlich ist, wie der Angeklagte den Schlauch ohne bei seiner Frau Misstrauen zu erregen bzw. ohne erheblichen Widerstand zu provozieren, um deren Hals legen konnte, und anderseits weder an einer der beteiligten Personen noch sonst in der Küche oder sonst in der Wohnung Kampfspuren aufgefunden wurden, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte sein Opfer zunächst mit einer oder beiden Händen zur Bewusstlosigkeit würgte. Dieses Beweisergebnis lässt sich auch mit den rechtsmedizinischen Feststellungen in Einklang bringen. Die Sachverständige hatte insoweit explizit ausgeführt, dass es möglich sei, dass es vor oder zeitgleich zur Drosselung zu weiteren Gewalteinwirkungen gegen den Hals der Y. – etwa in Form eines Würgens mit der Hand bzw. den Händen – gekommen sein kann. Hierfür könnten die unregelmäßigen Hautvertrocknungen und die teils fleckig bis streifig angeordneten Hauteinblutungen innerhalb und in der Umgebung der Strangmarke an der Halsvorderseite sprechen.
102Dafür, dass der Angeklagte seine Frau zuvor oder zeitgleich auch mit der flachen Hand in das Gesicht geschlagen haben muss, sprechen weitere, entsprechend von der Sachverständigen interpretierte, Zeichen stumpfer Gewaltanwendung gegen beide Gesichtshälften und den Kopf des Tatopfers.
1033)
104Die Feststellungen zum Nachtatgeschehen beruhen bezüglich des strukturellen Ablaufs auf der Auswertung der beiden Mobiltelefone des Angeklagten, die über eine Funkzellenabfrage Aufschluss über den Standort bzw. die Veränderung des Standortes gegeben haben und dessen Weg von R über P. in die Eifel nachvollziehbar werden ließen. Diese Parameter konnten v.a. auch durch die Ein- und Ausloggzeiten an verschiedenen WLAN-Routern präzisiert werden. So konnte etwa nachvollzogen werden, dass der Angeklagte nach der Tat um 17:03 Uhr in der Wohnung in der G.-straße ankam (Einloggzeit des privaten Handys) und diese um 17:05 Uhr wieder verließ (Ausloggzeit beider Handys). In das im Haus der F. von der Polizei detektierte WLAN loggten sich beide Mobiltelefone um 18:12 Uhr ein und um 23:47 Uhr wieder aus. Teilweise halfen auch das auf dem Mobiltelefon gespeicherte Anruf- oder Chatprotokoll die Zeiten weiter einzugrenzen oder zu bestätigen. Die Kammer hat diese Daten durch Verlesung insbesondere des Bewegungs- und Kommunikationsprofil RU, welches die Zeugin RE. zudem erläutert hat, wie auch durch Verlesung der Auswertvermerke Route Smartphone Samsung S7 bzw. Smartphone Arbeit Samsung A40 sowie des Auswertebericht Verkehrsdaten des Beschuldigten in die Hauptverhandlung eingeführt.
105Die mehr inhaltlichen Feststellungen beruhen zu weiten Teilen auf der Aussage des Zeugen Q., mit dem der Angeklagte nach der Tat die meiste Zeit verbrachte und der ihn mehrfach auch an verschiedene andere Orte, etwa zu seinen Eltern oder zur Polizeiwache nach YR. fuhr, und dabei in der Lage war, relativ umfassend über den Angeklagten, seine Äußerungen und seine Kontakte Auskunft zu geben, was er auch in glaubhafter Art und Weise tat.
106Ergänzt werden diese Beobachtungen durch die Aussagen der Zeugen C und I., die jeweils den Inhalt der von ihnen mit dem Angeklagten geführten Telefongespräche, welche sich anhand der Handyauswertung nachvollziehen ließen, detailliert und glaubhaft schilderten.
107Soweit es die Auffindesituation betrifft, beruhen die Feststellungen in erster Linie auf der Aussage der Zeuginnen C und ZA. sowie der vernommenen Rettungskräfte.
1084)
109Die Feststellungen zu den Reaktionen des J. auf die Frage, was passiert sei beruhen auf den entsprechenden Angaben der Zeugin ZA., die diese verständlicherweise vollständig verinnerlicht hatte. Im Übrigen beruhen sie bezüglich dieser Ziffer ergänzend auf der Aussage der Zeugin ZU..
110IV.(Rechtliche Würdigung)
1111)
112Nach den unter II. getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des Totschlags gem. § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
113Das Vorliegen von Mordmerkmalen, insbesondere das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes hat die Kammer geprüft, letztlich aber nicht sicher festzustellen vermocht. So geht die Kammer davon aus, dass die Tat auf ein Bündel verschiedener Motive zurückzuführen ist. Hierzu zählt – wie ausgeführt – auch der Wille, durch die Tat den ihm seiner Meinung nach zustehenden Alleinbesitzanspruch bezüglich seiner Frau endgültig durchzusetzen. Dabei handelt es sich um einen von besonderer Eigensucht und Fremdverachtung geprägten Tatanlass, der nach Auffassung der Kammer nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verwerflich, ja verachtenswert ist und damit das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes erfüllt. Ob dieses eine Einzelmotiv bei Ausführung der Tat allerdings bewusstseinsdominant bzw. handlungsleitend war, vermochte die Kammer nicht sicher festzustellen. In Anwendung des Zweifelssatzes ist sie vielmehr zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass dem nicht so ist. Da das weitere Tatmotiv der Eifersucht jedenfalls im vorliegenden Fall, wegen der kurz zuvor durch Kenntnisnahme der Chats mit fremden Männern nachvollziehbaren Emotionalität, die Schwelle des niedrigen Beweggrundes nicht erfüllt, war eine derartige Einordnung auch für das gesamte Motivbündel ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.01.2004, Az. 4 StR 319/03 = NStZ-RR 2004, 234, 235).
1142)
115Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründe lagen nicht vor.
116Insbesondere war der Angeklagte zur Tatzeit nicht schuldunfähig i.S.d. § 20 StGB oder erheblich in seiner Schuldfähigkeit einschränkt (§ 21 StGB).
117Das wäre nur dann anzunehmen, wenn er bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig bzw. erheblich in der Fähigkeit eingeschränkt war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
118Das ist jedoch nicht der Fall. Es kann nämlich schon nicht festgestellt werden, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der vorgenannten psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB subsumiert werden kann.
119Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Leben des Angeklagten stellt sich lediglich der Vorfall in der Werkstatt, als er mit neben sich liegenden Alkoholika und Tabletten aufgefunden wurde, als ein potentiell relevantes psychiatrisches Ereignis dar. Ob der Angeklagte dabei tatsächlich vorhatte, sich zu suizidieren, was mit den vorhandenen Mitteln wohl unmöglich war, einen Hilferuf aussenden wollte oder schlicht frustriert im Alkohol- und Tablettenrausch abstürzte, ließ sich aus Sicht der Kammer nicht mehr sicher feststellen, ist letztlich aber auch irrelevant. Denn selbst, wenn es sich um den ernsthaften (untauglichen) Versuch der Selbsttötung gehandelt haben sollte, und dies in Ansehung der unmittelbar zuvor erlittenen Trennung des Angeklagten von seiner Frau, die Diagnose einer akuten emotionalen Belastungsreaktion (ICD10 F.43.0) oder die einer depressiven Episode (ICD10 F32.x) rechtfertigen würde, wie es der Sachverständige für möglich hält, geht die Kammer in Übereinstimmung mit dessen weiterer Beurteilung davon aus, dass diese Störung auf Grund der noch überschaubaren Intensität, vor allem aber ihrer absoluten Singularität und dem Fehlen jeglicher weiterer psychischer Auffälligkeiten, jedenfalls nicht eine solche Schwere erreicht, die eine Subsumtion unter das erste Eingangsmerkmal der „Krankhaften seelischen Störung“ ermöglichen würde. Und selbst wenn man auch dies anders beurteilen wollte, gäbe es aber jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Symptomatik über den Ereignistag hinaus fortgedauert und sich am Tattag ausgewirkt hätte.
120Andere unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB subsumierbare Störungen lagen tatzeitlich ebenfalls nicht vor. Insbesondere bestand zur Tatzeit keine relevante tiefgreifende Bewusstseinsstörung. Auch wenn von einer hohen affektiven Erregung des Angeklagten im Tatzeitpunkt auszugehen war, lag sicher kein forensisch relevanter affektiver Ausnahmezustand vor. Gegen einen solchen sprach die Mehraktigkeit des Tatgeschehens. So veränderte er nicht nur die Angriffsweise – zunächst mit den Händen, dann mit dem Shisha-Schlauch –, sondern konnte Letzteren auch als taugliches Tatwerkzeug erkennen und einsetzen. Insbesondere das Anbringen des sehr eng anliegenden und festen Knotens, mit dem er offensichtlich den Eintritt des Todes sicherstellen wollte, stellte ein willensgetragenes und eine gute Koordination erforderndes Verhalten dar. Auch das geordnete, in hohem Maße gesteuerte Nachtatverhalten mit der sofortigen Rückkehr in die eigene Wohnung, der Mitnahme des zweiten Mobiltelefons von dort und der anschließenden Fahrt nach P. zu seiner weiterhin zu ihm haltenden (ersten) Ehefrau zeigten, dass der Angeklagte situationsadäquat reagierte. Schließlich spricht auch die noch am Abend der Zeugin C gegenüber abgegebene Erklärung, er habe die Wohnung kurz nach dem Telefonat mit ihr und nachdem er die Chats auf dem Handy seiner Frau eingesehen habe, dieser noch ein schönes Leben wünschend und sie in der Küche Fleisch schneidend zurücklassend, verlassen, für eine ungestört gebliebene Sinn- und Erlebniskontinuität, zumal er am nächsten Tag die Angaben nahezu identisch auch gegenüber dem Zeugen I. wiederholte.
121V.(Strafzumessung)
122Bei der Strafzumessung ist die Kammer vom Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB ausgegangen, der Freiheitsstrafe von fünf bis 15 Jahren vorsieht.
123Die Tat stellt sich insbesondere nicht als minderschwerer Fall des Totschlags dar. Feststellungen, die die Voraussetzungen von § 213 Var. 1 StGB tragen würden, hat die Kammer nicht getroffen. Es lag auch kein sonst minder schwerer Fall des Totschlags gemäß § 213 Var. 2 StGB vor. Im Rahmen der insoweit zu treffenden Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit erlangten die nachfolgend dargestellten schuldmindernden Umstände nämlich kein solches Gewicht, dass sie den Regelstrafrahmen des § 212 Abs. 1 StGB als unangemessen hart erscheinen ließen.
124Die Kammer hat auch geprüft, ob ein besonders schwerer Fall des Totschlags vorliegt, der die Anwendung des § 212 Abs. 2 StGB bedingt und zur Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe geführt hätte. Auch insoweit hat die Kammer jedoch weder in der einzelnen Tat noch in der Gesamtschau solche Umstände erkannt, die ein dem Mordtatbestand vergleichbares Unrecht ausmachen. Allein die Nähe zu einem (nicht erfüllten) Mordmerkmal – hier der Tötung aus niedrigen Beweggründen – genügt hierfür eben nicht. Auch der Umstand, dass der Angeklagte durch die Tat gleich vier Kindern ihre Mutter genommen hat, ist zwar tragisch, aber letztlich vom Unrechtsgehalt des § 212 Abs. 1 StGB gedeckt. Das Zurücklassen des nicht einmal dreijährigen Sohnes am Leichnam der getöteten Mutter, nachdem dieser die Tat miterleben musste, war aus Sicht der Kammer hingegen grundsätzlich geeignet, einen besonders schweren Fall des Totschlags zu begründen. Im konkreten Fall genügte der Kammer dies gleichwohl nicht, weil sie keine näheren Feststellungen dazu treffen konnte, ob, und wenn ja, in welchem Umfang das Kind die Tat bei ihrer Begehung oder im Nachgang überhaupt erfassen konnte und welche Folgen dies für es nach sich zieht.
125Im Rahmen der konkreten Strafzumessung sprach zuvörderst für den Angeklagten, dass er strafrechtlich als unvorbelastet anzusehen ist. In Rechnung zu stellen war weiter, dass sich im Hinblick auf sein zukünftiges Leben für ihn unmittelbar vor der Tat schmerzhafte Realitäten aufzeigten und er insbesondere erkannte, dass seine Ehe scheitern und er seine Frau endgültig verlieren würde. Mildernd ausgewirkt hat sich schließlich, dass er die Tat dadurch bedingt in einem Zustand erhöhter affektiver Erregung spontan beging.
126Zu Lasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass es sich bei der Tat um eine wiederholte Gewaltanwendung gegenüber seiner Frau handelte. Strafschärfend wirkte zudem, dass er den Tod seiner Frau, wenn auch spontan entschlossen, absichtlich herbeiführte, dieser also bei Tatbegehung sein direktes Ziel war. Gegen den Angeklagten sprachen auch die zur Tat führenden Beweggründe des Angeklagten, die jeder für sich mehr oder weniger, in der Gesamtschau aber deutlich von besonderer Eigensucht und Fremdverachtung geprägt waren. Besonders hervorzuheben, ist dabei der durch die Tat zu Tage getretene Wille des Angeklagten, durch die Tat den ihm seiner Meinung nach zustehenden Alleinbesitzanspruch bezüglich seiner Frau endgültig durchzusetzen. Auch wenn nicht sicher feststellbar war, ob dieses Motiv handlungsleitend war, hat es bei der Tatbegehung gleichwohl eine erhebliche Rolle gespielt. Dieses Teilmotiv ist von Frauenfeindlichkeit bestimmt und so als menschenverachtend anzusehen. Wie ausgeführt würde es nach Auffassung der Kammer für sich genommen als niedriger Beweggrund zu werten sein und rückt damit das gesamte Motivbündel in die Nähe dieses Mordmerkmals. Schließlich ist strafschärfend zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte die Tat im Beisein seines zur Tatzeit erst zwei Jahre und neun Monate alten Sohnes beging, der diese visuell und akustisch jedenfalls in den wesentlichen Zügen miterlebt hatte und der sich später, wohl in der Annahme, seine Mutter schlafe nur, mit einer Bettdecke an sie kuschelte und bis zum Auffinden am nächsten Tag über 21 Stunden alleine an ihrem Leichnam ausharrte, weil es sich hierbei um deutlich außerhalb des Normalen liegende Tatfolgen handelt, unabhängig davon, inwieweit das Kind die Tat in ihrer ganzen Dimension erfassen konnte und unabhängig davon, ob sich, was wahrscheinlich erscheint, aber nicht sicher festgestellt werden konnte, langandauernde psychische Belastungen bei diesem ergeben.
127Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Kriterien hat die Kammer für die Tat eine Freiheitsstrafe von
128– 12 Jahren –
129für tat- und schuldangemessen erachtet.
130VII. (Kosten)
131Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO.