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Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal, 39 C 257/20 vom 30.09.2021 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicher- heitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachge- lassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicher- heitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
2Die Ehefrau des Klägers unterhielt bei der Beklagten eine Reiserücktrittsversicherung mit einer Haftungshöchstsumme von 3.000 € und einen Selbstbehalt von 20 %. Der Kläger war dort mitversichert. Im August 2019 buchte der Kläger Flüge, die er mit 110.000 Meilen aus seinem Miles & More Konto bezahlte. Der Kläger musste diese Reise aufgrund einer unerwarteten schweren Erkrankung stornieren. Bedingungsgemäß wurden die eingesetzten Meilen von der Fluggesellschaft nicht erstattet.Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm den Gegenwert der eingesetzten Meilen erstatten, wobei die Haftungshöchstsumme jedenfalls überschritten werde. Davon abgesehen sei eine Bonusmeile 2,77 Cent wert. Die Meilen seien als geldwerter Vorteil zu sehen. Zudem handele es sich bei ihnen um E-Geld im Sinne des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG).Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2020 zu zahlen sowie ihn von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 334,75 € freizustellen.Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Bei den eingesetzten Bonusmeilen handele es sich nicht um Reiserücktrittskosten im Sinne der Versicherungsbedingungen. Bei dem Prämienflug handele es sich um eine unentgeltlich erlangte Zusatzleistung des Bonusprogramms Miles & More. Es handele sich auch nicht um E-Geld im Sinne des ZAG.Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter.Die Meilen stellten einen geldwerten Vorteil dar, den der Kläger unter anderem durch Käufe bei Vertragspartnern zum Teil teurer erworben habe, als dies bei anderen Anbietern möglich gewesen wäre, um eben in den Genuss der entsprechenden Meilen zukommen. Diese Meilen habe er durch die notwendige Stornierung verloren, könne sie deswegen auch nicht mehr für einen Ersatzflug einsetzen, den er stattdessen bezahlen müsste. Außerdem habe er, der Kläger, einen Teil der eingesetzten Meilen gegen Entgelt gekauft. Weiterhin habe er von seiner Frau auf deren Konto angesammelte Bonusmeilen auf sein Konto übertragen, was grundsätzlich kostenpflichtig sei. Die Meilen hätten einen zu beziffernden Wert, was für einen Anspruch auf Erstattung spreche. Hier hätte der Flug an sich pro Person 2.109,99 € gekostet. Die Klausel betreffend den Selbstbehalt sei überraschend und unwirksam, weil durch sie die Haftungshöchstgrenze nie erreicht werden könnte.
3II.
4Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung; § 513 ZPO.
5Die Voraussetzungen für einen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag liegen nicht vor.Nach § 1 Nr. 1a der Allgemeinen Bedingungen für die Reise-Rücktrittskosten-Versicherung leistet die Beklagte Entschädigung bei Nichtantritt der Reise für die dem Reiseunternehmen geschuldeten vertraglichen Rücktrittskosten (Bl. 24 GA). Beim Schutzbrief F4 sind unter anderem Stornokosten bei Nichtantritt der Reise bis zu 80 % des Reisepreises versichert (Bl. 11 GA).Kosten in diesem Sinne sind dem Kläger aber nicht entstanden. Maßgeblich ist aus Sicht der Kammer insoweit, dass die streitgegenständlichen Bonusmeilen nicht handelbar in dem Sinne sind, dass es für sie einen Markt gibt, auf dem sie gekauft und verkauft werden können. So wie die – im Übrigen wirksam – vereinbarte Selbstbeteiligung die Versichertengemeinschaft davor schützen soll, dass der Versicherungsnehmer unter Vorlage eines Gefälligkeitsattestes ohne Vorliegen eines Grundes im Sinne der Versicherungsbedingungen von einer Reise zurücktritt, ist auch bei der Auslegung des Kostenbegriffes zu beachten, dass eine im vorstehenden Sinne nicht geldwerte Gegenleistung für einen Flug auf dem Umweg über einen Reiserücktritt handelbar wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger vorträgt, höhere Preise für Grundprodukte in Kauf genommen zu haben, um die Meilen erwerben zu können. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Gesichtspunkt überhaupt tragfähig ist. Dagegen spricht nämlich, dass jemand, der nicht an dem Meilenprogramm interessiert gewesen wäre, dieselben Preise bei dem betreffenden Anbieter gezahlt hätte. Jedenfalls erlaubt dieser Vortrag auch nicht im Ansatz und für eine Schätzung nach § 287 II i.V.m. I ZPO ausreichend die Bestimmung der entsprechenden Kosten. Dass die Übertragung von Bonusmeilen von dem Konto seiner Ehefrau auf das Konto des Klägers kostenpflichtig ist, ist ebenfalls unerheblich, weil es sich dabei nicht um eine Gegenleistung für die Bonusmeilen, sondern für die Übertragung handelt. Schließlich hat der Kläger auch nicht konkret dargelegt, inwieweit er die eingesetzten Bonusmeilen tatsächlich gegen Entgelt, wie behauptet, erworben hatte. Von daher war auch nicht seinem auf Ausforschung hinauslaufenden Beweisantritt auf Vernehmung des „Geschäftsführers von Miles & More“ nachzukommen. Darauf hat die Kammer, im Verhandlungstermin vom 20.01.2022 versehentlich nicht protokolliert, hingewiesen.Schließlich liegt kein E-Geld bei Karten mit Treue- und Bonuspunkten im Rahmen von Kundenbindungsprogrammen (zB Miles and More wie hier) vor, da mit ihnen regelmäßig keine Zahlungsvorgänge nach § 675f IV 1 BGB durchgeführt werden (MüKoBGB/Casper, 8. Aufl. 2020, BGB § 675f Rn. 143; str.). Die Geldzahlung des Kunden für das von ihm erworbene Produkt kann nicht künstlich aufgespalten und darin zugleich ein Kauf der Bonuspunkte erblickt werden. Treuepunkte verfügen häufig weder beim Erwerb noch bei ihrer Einlösung über eine feste Korrelation zu Bar- oder Buchgeld (Omlor, Kundenbindung per Zahlungsdienst? Grund und Grenzen der E-Geld-Regulierung bei Treuepunkteprogrammen - Teil II -, WM 2020, 1003, 1008 und 1006). So liegt der Fall auch hier.
6III.
7Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.Streitwert für das Berufungsverfahren: 3.000 € (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)
8Die Revision wird zugelassen, da die Frage, ob sogenannte (Bonus-) Meilen im Rahmen der Reiserücktrittsversicherung erstattungsfähig sind, soweit ersichtlich, bislang nicht höchstrichterlich beantwortet ist.