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Der Regelungszweck von § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO kommt nur dann sinnvoll zur Verwirklichung, wenn der „anteilsmäßig absonderungsberechtigte“ Gläubiger auch nur entsprechend seines Anteils mit den Kosten der Feststellung und Verwertung belastet wird.
Die quotale Beteiligung eines absonderungsberechtigten Gläubigers an einer vom Insolvenzverwalter verwerteten Forderung muss im Rahmen der Verteilung der Feststellungs- und Verwertungskosten ihre Entsprechung finden.
Gemäß § 170 Abs. 1 InsO sind zunächst nach Satz 1 vom Gesamtverwertungserlös die Gesamtkosten der Feststellung und Verwertung abzuziehen. Hiernach ist der absonderungsberechtigte Gläubiger nach Satz 2 der Vorschrift aus dem verbleibenden Betrag quotal, entsprechend seines Anteils zu befriedigen.
Eine Lesart des § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO, nach der eine entsprechende prozentuale Verteilung der Kosten der Feststellung und Verwertung zwischen den absonderungsberechtigten Gläubigern und der Insolvenzmasse der Erlösaufteilung nachgelagert wäre, scheidet aufgrund der Wortlautgrenze aus.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.104,69 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit des Abzugs von Feststellungs- und Verwertungskosten sowie der Umsatzsteuer durch den Beklagten von dem Beteiligungsbetrag der Klägerin als Sicherungszessionarin einer vergleichsweise gegenüber der Schuldnerin erfüllten Werklohnforderung durch einen Bauträger.
3Die Klägerin verkaufte der Schuldnerin im Zeitraum vor der Insolvenzeröffnung am 01.03.2011 über viele Jahre regelmäßig Baumaterial und Werkstoffe, die die Schuldnerin vor der Insolvenzeröffnung u.a. in dem Bauvorhaben „Residenz“, für das sie von dem Bauträger „yyy Immobilien GmbH & Co. KG“ (im Folgenden: „Bauträger“ oder „Auftraggeber“) mit Werkleistungen beauftragt worden war, verbaute. Die Zusammenarbeit der Schuldnerin mit dem Bauträger wurde bereits vor der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin durch den Bauträger beendet (Bl. 58). Eine Schlussrechnung über die erbrachten Leistungen der Schuldnerin in dem Projekt existiert nicht (Bl. 65). Detaillierte Informationen zu dem Bauvorhaben verbrannten und sind heute nicht mehr auffindbar (Bl. 66). Den Verkäufen der Baustoffe lagen in allen Fällen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin zugrunde, die in § 6 in 11 Absätzen detaillierte Regelungen zu Eigentumsvorbehalten der Klägerin und Abtretungen ihrer Käufer enthalten (Bl. 79).
4Der Beklagte bewertet das Verhalten des Auftraggebers der Schuldnerin in dem Projekt „Residenz“ in der Gesamtschau als betrügerisch und die vorzeitige Beendigung der Zusammenarbeit als rechtswidrig (Bl. 58). Er verfolgte als Insolvenzverwalter der Schuldnerin die aus den Werkleistungen in dem Projekt Residenz resultierenden Forderungen der Schuldnerin gegen ihren Auftraggeber in zwei Instanzen. Der Auftraggeber des Projektes Residenz zahlte, nachdem er auf die Werklohnklage des Beklagten betreffend vorinsolvenzlich erbrachter Teilleistungen der Schuldnerin, insbesondere aus einer Teilrechnung vom 23.10.2010, erstinstanzlich zur Zahlung von 79.779,99 Euro an die Insolvenzmasse verurteilt worden war, nach Abschluss eines Vergleichs vor dem Oberlandesgericht Dresden in dieser Sache 30.000,00 Euro an die Insolvenzmasse. Das Oberlandesgericht Dresden wies die Parteien dieses Rechtsstreits zuvor darauf hin, dass es an der Prüffähigkeit der Schlussrechnungen der Schuldnerin fehle und möglicherweise nur ein Bereicherungsanspruch in Betracht komme. In einem Hinweisbeschluss vom 09.12.2015 monierte der Senat in dem Verfahren überdies, dass es hinsichtlich des Baumaterials nicht mehr nachvollziehbar sei, in welcher Menge, durch wen, mit Übergabe an wen geliefert und wo die Lagerung konkret erfolgt sei.
5Durch ein Abrechnungsschreiben vom 21.10.2019 (Bl. 65) teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er von den 30.000,00 Euro aus dem Vergleich einen pauschal geschätzten Fremdlieferantenanteil in Höhe von 15% und einen pauschal geschätzten Lohnanteil der Schuldnerin in Höhe von 30% abziehe. In dem vom Beklagten persönlich unterschriebenen Schreiben (Bl. 67) heißt es hierzu: „Um einen Abschluss in der Sache zu erreichen, habe ich in der nachfolgend dargestellten Abrechnung der Absonderungsrechte den Fremdanteil auf 15% und den Lohnanteil auf 30% reduziert. Dem Grunde orientiert sich damit die Abrechnung daran, welchen Anteil die Leistungen Ihrer Mandantin an den gesamten Leistungen hat“ (Bl. 66).
6Von dem daraus erhaltenen Betrag in Höhe von 16.500,00 Euro, die der Beklagte in dem Schreiben wegen bestehender Absonderungsrechte der Klägerin zuerkennt (Bl. 66), zog er sodann unter dem Rechnungsposten „Umsatzsteuer“ 4.789,92 Euro, unter dem Rechnungsposten „4% Feststellungskosten“ 1.200,00 Euro und unter dem Rechnungsposten „5% Verwertungskosten“ 14.728,83 Euro ab (Bl. 66). Daraus ergibt sich ein in der Rechnung ausgewiesener Negativbetrag von -4.218,75 Euro. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem unter dem Begriff „5% Verwertungskosten“ in die Rechnung gestellten Betrag um die ihrer Höhe nach unstreitigen tatsächlichen Prozesskosten für das Verfahren handelt, das mit dem Vergleich vor dem Oberlandesgericht Dresden endete.
7Die Klägerin greift den pauschalen Abzug des Beklagten für Fremd- und Lohnanteile nicht an. Sie meint aber, der übrige Betrag in Höhe von 16.500,00 Euro sei ohne weitere Abzüge an sie auszuzahlen. Im Hinblick auf die abgezogene Umsatzsteuer sei nicht erkennbar, ob diese im Vergleichsbetrag enthalten sei. Sie vertritt die Auffassung, der Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Feststellungs- und Verwertungskosten von dem Beteiligungsbetrag der Klägerin abzuziehen, weil die Vorschriften der §§ 170, 171 InsO nicht anwendbar seien (Bl. 25ff.). Im vorliegenden Fall gehe es nicht um den Einzug von Forderungen, die zur Sicherheit abgetreten worden seien (Bl. 27). Die Lieferung der Baustoffe durch die Klägerin sei vielmehr auf der Grundlage ihrer – zwischen den Parteien inhaltlich unstreitigen – Geschäftsbedingungen erfolgt, die einen verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt an den von der Klägerin gelieferten Baustoffen vorsähen. Durch den Einbau der Baustoffe sei das Eigentum der Klägerin untergegangen (Bl. 27). Daraus folge, dass sich das Eigentum der Klägerin an dem Erlös fortsetze und zu einem Ersatzaussonderungsrecht nach § 48 InsO führe (Bl. 27, 76f.). Entscheidend sei hierbei, dass die Forderung, die aus dem Einbau der Materialien resultiere, vom Beklagten eingezogen worden sei (Bl. 76). Dies sei als Veräußerung im Sinne des § 48 lnsO anzusehen (Bl. 76f.).
8Die Klägerin beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an sie 16.500,00 Euro zuzüglich Zinsen i.H.v. 9 Prozentpunkten über dem jew. Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 sowie 875,50 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte hat in der Klageerwiderung zunächst die Rechtsauffassung vertreten, dass die vorprozessual zu der Aufteilung von 45% zu 55% führende Annahme von verlängerten Eigentumsvorbehalten der Klägerin an Werken der Schuldnerin im Bauprojekt Residenz durch seinen Sachbearbeiter nichts weiter als eine großzügige Unterstellung gewesen sei, weil es sich mangels Identitätsnachweises tatsächlich nur um erweiterte Eigentumsvorbehalte gehandelt habe (Bl. 50). Etwaige Ansprüche der Schuldnerin gegen die Bauherrin seien auch erst durch umfangreiche Substantiierungsbemühungen des Beklagten wieder werthaltig geworden und hätten von der Klägerin eigenständig gar nicht durchgesetzt werden können (Bl. 50). Vorsorglich stelle er deshalb der Klage den Anfechtungs- bzw. Durchsetzbarkeitseinwand entgegen (Bl. 50).
13Im Hinblick auf den frühen ersten Termin der Kammer am 25.02.2022 hat der Beklagte im weiteren Prozessverlauf in seinem Schriftsatz vom 21.02.2022, der der Kammer erst nach der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde, die Identität zwischen dem Vergleichsgegenstand im Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden und den Lieferungen der Klägerin bestritten (Bl. 82ff.). Er behauptet nunmehr, dass „dingliche Sonderrechte“ der Klägerin bei dem Projekt Residenz nur in sehr eingeschränktem Maße in Betracht kämen und dies insbesondere – bezogen auf das Vergleichsergebnis – erst recht für Lieferungen gelte, die erst nach Teil- bzw.- Schlussrechnung vom 23.10.2010 erfolgt seien und wo „MIM“ nach von ihr einseitig abgebrochener Zusammenarbeit später weder irgendetwas bezahlt habe noch der Verbleib der an die Baustelle gelieferten Sachen aufklärbar gewesen sei (Bl. 83). Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.02.2022 hat der Beklagte sodann das von der Klägerin geltend gemachte Absonderungsvolumen von 16.500,00 Euro bestritten (Bl. 91).
14Die Klägerin rügt das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 21.02.2022 sowie sein Bestreiten des Absonderungsvolumens im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.02.2022 als verspätet (Bl. 91, 97 a.E.). Durch nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2022 repliziert sie im Übrigen auf den Schriftsatz des Beklagten vom 21.02.2022 durch Vorlage seines Schreibens vom 15.05.2014 (Bl. 98ff.). Hierzu führt sie aus, der Beklagte habe der Klägerin bereits durch außerprozessuales Schreiben vom 15.05.2014 mitgeteilt, dass sie zum Bauvorhaben Residenz Waren im Wert von insgesamt 21.498,94 Euro geliefert habe und dass er hiervon insgesamt 12.463,09 Euro als mit einem Absonderungsrecht belastet anerkennen könne (Bl. 93). Dass der Beklagte zu einem späteren Zeitpunkt dem Bauprojekt Residenz Warenlieferungen der Klägerin im Gegenwert von 16.500,00 Euro zugeordnet hat, nehme sie hin, zumal sie tatsächlich Waren in erheblich größerem Umfang für dieses Bauprojekt geliefert habe (Bl. 94).
15In dem von der Klägerin zu ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2022 vorgelegten und vom Beklagten persönlich unterschriebenen Schriftsatz vom 15.05.2014 (Bl. 103), in dem der Beklagte von im Hinblick auf das Bauvorhaben Residenz von der Klägerin geltend gemachten Forderungen in Höhe von 21.498,94 Euro und einem Absonderungsrecht der Klägerin in Höhe von 12.463,09 Euro ausgeht (Bl. 99), heißt es: „Zu diesem Bauvorhaben sind bisher keine Einnahmen zur Masse geflossen. Es ist ein Baurechtsstreit anhängig, (…). Im Rahmen des Rechtsstreits können (..) von den von mir anerkannten Forderungen in Höhe von 12.463,09 Euro nur Forderungen in Höhe von 7.702,15 Euro berücksichtigt werden. Auf die darüber hinausgehenden Forderungen werden in diesem Verfahren keine Zahlungen erfolgen. Somit könnte je nach Ausgang des Rechtsstreits das von Ihnen geltend gemachte Absonderungsrecht mit maximal 7.702,15 Euro berücksichtigt werden“ (Bl. 99).
16Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2022 sowie auf die Gerichtsakte nebst Anlagen verwiesen.
17Entscheidungsgründe
18Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
19Die Klägerin kann von dem Beklagten die Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.104,69 Euro gemäß der §§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 170 Abs. 1 Satz 2 InsO verlangen (I.). Mit dem darüber hinaus verlangten Betrag ist die Klage nicht begründet (II.).
20I.
21Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.104,69 Euro aus § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO.
221.
23Zwischen den Parteien ist in der Gesamtschau des Prozessstoffes unstreitig, dass die Klägerin gegen die Schuldnerin aus der Belieferung mit Baustoffen für das Projekt Residenz dem Grunde nach noch offene Forderungen gemäß § 433 Abs. 2 BGB hat. Ausweislich des von der Klägerin als Anlage zu ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2022 vorgelegten Schreibens des Beklagten vom 15.05.2014 beläuft sich die Höhe dieser Forderungen auf mindestens 21.498,94 Euro.
24Diese Ansprüche der Klägerin waren für den Fall der Verarbeitung oder Weiterveräußerung ihrer Baustoffe seitens der Schuldnerin durch die Vorausabtretung der Werklohnforderungen der Schuldnerin gegenüber ihrem Auftraggeber aus § 631 Abs. 1 BGB grundsätzlich bis zur Höhe des Wertes der gelieferten Vorbehaltsware besichert.
25a)
26Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Arbeiten der Schuldnerin im Projekt Residenz mit den von der Klägerin auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die Schuldnerin verkauften Baustoffen erfolgten. Aus den als Anlage zum Schriftsatz vom 27.01.2022 vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (im Folgenden z.T. auch „AGB“) der Klägerin ergibt sich ein verlängerter Eigentumsvorbehalt an den von ihr gelieferten Waren (§ 6 Abs. 1), eine Verarbeitungsklausel (§ 6 Abs. 2), verschiedene antizipierte Konstellationen einer Sicherungsabtretung der künftigen Forderungen ihrer Käufer aus der Weiterverarbeitung der Stoffe (§ 6 Abs. 3 bis 5) und eine Einziehungsermächtigung ihrer Käufer im Hinblick auf die der Klägerin nach § 6 Abs. 3 bis Abs. 5 sicherungszedierten Forderungen (§ 6 Abs. 7). In § 6 Abs. 6 findet sich ferner eine Einwilligung der Klägerin in die Verarbeitung und Veräußerung der verkauften Stoffe im üblichen, ordnungsgemäßen Geschäftsgang unter der Bedingung des tatsächlichen Übergangs der daraus resultierenden Forderungen gegen die Drittschuldner. Sowohl die Einziehungsermächtigung aus § 6 Abs. 7 als auch die in § 6 Abs. 6 formulierte Einwilligung werden schließlich u.a. für den Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen ihrer Käufer in § 6 Abs. 9 widerrufen. Die Regelungen sind zulässig, und diese Geschäftsbedingungen der Klägerin sind auch Bestandteil des zwischen der Schuldnerin und der Klägerin bestehenden Vertrages geworden, §§ 305ff. BGB. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit der Klauseln sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, Urteil v. 10.01.2013 – IX ZR 161/11).
27Die Klägerin hat sich zur Sicherung ihrer Kaufpreisforderung gegen die Schuldnerin aus § 433 Abs. 2 BGB auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen mithin deren künftige Werklohnforderungen insoweit sicherungshalber nach den §§ 241 Abs. 1, 398ff. BGB abtreten lassen, als die die Werklohnforderungen begründenden Arbeiten der Schuldnerin mit den im Eigentum der Klägerin stehenden Baustoffen erfolgten und sie ihre zur Sicherung der Kaufpreisforderung vorbehaltenen Eigentumsansprüche nach der Verarbeitung dieser Stoffe nicht mehr realisieren kann (§ 6 Abs. 1 bis 5 der AGB). Die Wirksamkeit dieser Abtretung steht zwischen den Parteien nicht in Streit.
28b)
29Der Klägerin steht aus der sicherungsabgetretenen Werklohnforderung für den Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin gemäß § 51 Nr. 1 InsO bis zur Höhe des Wertes der von ihr gelieferten Vorbehaltsware i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 ihrer AGB ein Recht auf abgesonderte Befriedigung im Umfang ihres Anteilswertes am Miteigentum an der hergestellten Sache zu (vgl. Ganter in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 47, Rn. 149, § 51, Rn. 171).
30Zutreffend ist noch die Auffassung der Klägerin, dass der vereinbarte Eigentumsvorbehalt nicht die unmittelbare Kaufpreisforderung der Klägerin gegen ihre Käufer sichert, sondern lediglich ihren Herausgabeanspruch im Hinblick auf die verkauften Baustoffe (vgl. Ganter in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 47, Rn. 55). Erst durch die Verlängerung des Eigentumsvorbehalts entsprechend § 6 Abs. 2 ihrer Geschäftsbedingungen wird die Klägerin nach der Verarbeitung oder Vermischung der Baustoffe entsprechend der §§ 946ff. BGB Miteigentümerin, wobei sich ihr Miteigentumsanteil an der neuen Sache gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 ihrer Geschäftsbedingungen nach dem Verhältnis richtet, in dem der Wert der von ihr gelieferten Vorbehaltsware zu dem Wert der weiteren in der hergestellten Sache aufgehenden Waren und Stoffe steht (vgl. Ganter in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 47, Rn. 105ff.; 110; BGHZ 46, 117, 120). Gegen die (antizipierte) Abtretung der künftigen Werklohnforderungen der Schuldnerin bis zur Höhe des Wertes der von ihr gelieferten Vorbehaltsware i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 1 verzichtet die Klägerin aber dann bei einer i.S.d. § 157 BGB am Zweck der Sicherungsabrede orientierten, verständigen Würdigung des § 6 Abs. 6 ihrer Geschäftsbedingungen jedenfalls auf die Geltendmachung ihrer aus dem Miteigentum resultierenden Ansprüche und stimmt der Veräußerung und Verarbeitung der Vorbehaltsware durch ihre Käufer zu (vgl. Ganter in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 47, Rn. 119ff., 123).
31Der zuletzt genannte Zwischenschritt wird von der Klägerin bei ihrer rechtlichen Bewertung übersehen. Die im Voraus abgetretene Werklohnforderung der Schuldnerin ist ein schuldrechtliches Surrogat für den Verlust des Eigentums der Klägerin an der Vorbehaltsware, das nach der zwischen den Parteien vereinbarten Sicherungsabrede an die Stelle der Miteigentumsanteile tritt und das der Höhe nach durch die Höhe des Wertes der Vorbehaltsware begrenzt ist (vgl. Ganter in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 47, Rn. 129). Das ist eine Sicherungsabtretung, die nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in der Insolvenz der Vorbehaltskäufers kein Aussonderungsrecht, sondern ein Absonderungsrecht begründet (vgl. BGHZ 72, 308, 312; BGH WM 1971, 71, 72; BGH NJW 1978, 1632f.; BGH, Urteil v. 28.01.1986 – VI ZR 201/84, NJW 1986, 1174, 1175; BGH, Urteil v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, S. 4; a.A. nur Baur/Stürner, Insolvenzrecht, 3. Aufl. 1991, Rn. 14.9).
322.
33Die Verwertung der Forderung durch den Beklagten lässt keine Fehler zum Nachteil der Klägerin erkennen. Dass der Beklagte die sicherungsabgetretene Werklohnforderung nach der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Schuldnerin vergleichsweise teilverwirklicht und eingezogen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
34a)
35Das durch die Sicherungsabtretung begründete Absonderungsrecht der Klägerin bestand nach dem Abschluss des Vergleichs fort. An die Stelle der Werklohnforderung ist im Wege der dinglichen Surrogation analog § 1247 Satz 2 BGB aber der durch den Vergleich des Beklagten mit dem Auftraggeber der Schuldnerin vor dem Oberlandesgericht Dresden erzielte Zahlungsanspruch in Höhe von 30.000,00 Euro getreten (vgl. Brinkmann in Uhlenbruck, 14. Aufl., § 170, Rn. 10; Sprau in Palandt, 81. Aufl., § 779, Rn. 2). Die Abtretungsklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ist umfassend formuliert und gemessen an ihrem Sicherungszweck gemäß § 157 BGB dahingehend auszulegen, dass sich die Abtretung einschränkungslos auf alle Forderungen erstreckt, die aus der Veräußerung oder Verarbeitung der Vorbehaltsware resultieren. Darunter fällt auch ein im Vergleichswege ausgehandelter Zahlungsanspruch, der an die Stelle der ursprünglichen, durch Verarbeitung oder Veräußerung erworbenen Werklohnforderung tritt (vgl. BGH, Urteil v. 12.12.2019 – IX ZR 27/19, Rn. 18).
36b)
37Der Beklagte war berechtigt, diesen Vergleich zu schließen. Zur Einziehung sicherungsabgetretener Forderungen ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Sicherungszedenten nur der Insolvenzverwalter befugt, § 166 Abs. 2 InsO (BGH, Urteil v. 11.07.2002 – IX ZR 262/01; BGH, Urteil v. 20.02.2003 – IX ZR 81/02; Kern in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 166, Rn. 74ff.). In diesem Rahmen kann er in zweckdienlicher Weise auch über die Forderung verfügen und etwa einen gerichtlichen Vergleich schließen (Kern, a.a.O., Rn. 75). Eine daraus entstehende neue Forderung unterfällt weiterhin dem der Höhe nach durch den Wert der Vorbehaltsware begrenzten Absonderungsrecht des Zessionars, dessen Umfang sich hier aus dem Verhältnis des aufgegebenen Miteigentumsanteils zur hergestellten Sache ergibt (vgl. Kern, a.a.O. m.w.N.).
38c)
39Entgegen den Ausführungen der Klägerin hat der Beklagte ihr Absonderungsrecht nicht vereitelt. Die grundsätzlich anerkannte analoge Anwendung des § 48 InsO auf den Fall der Vereitelung eines Absonderungsrechts durch den Insolvenzverwalter kommt im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Die Einziehung einer zur Sicherheit abgetretenen Forderung stellt zwar eine Veräußerung i.S.d. § 48 InsO dar (BGH, Urteil v. 24.01.2019 – IX ZR 110/17); der Abschluss des Vergleichs durch den Beklagten geschah hier allerdings im eröffneten Insolvenzverfahren und damit nicht unberechtigt (s.o., lit. b).
40Die Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters im Hinblick auf die an die Gläubiger der jeweiligen Insolvenzschuldner zur Sicherheit abgetretenen Forderungen der Insolvenzschuldner gegen ihre Drittschuldner ergibt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dem Gesetz, § 166 Abs. 2 InsO. Der in § 6 Abs. 9 ihrer Geschäftsbedingungen antizipierte Widerruf der Einziehungsermächtigung der Klägerin u.a. für den Fall der Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines ihrer Vorbehaltskäufer lässt diese gesetzliche Rechtsfolge unberührt und macht die Veräußerung durch den Beklagten nicht unberechtigt (vgl. Kern in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 166, Rn. 67ff.).
41Aber selbst dann, wenn man den Wortlaut der Vorschrift teleologisch reduzieren und hier den Maßstab entsprechend zur Anwendung bringen wollte, dass die Veräußerung im üblichen, ordnungsgemäßen Geschäftsgang eines Insolvenzverwalters erfolgen müsste, um berechtigt zu sein, führte dies übertragen auf die Situation, in der der Beklagte den Vergleich geschlossen hat, hier zu keinem anderen Ergebnis (vgl. Kern in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 166, Rn. 75f.). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagte mit dem erzielten Vergleichsbetrag das im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung bestmögliche Prozessergebnis erzielt hat. Der Beklagte hat plausibel dargelegt, dass die Erfolgsaussichten des gerichtlichen Vorgehens aufgrund des Vorverhaltens des Auftraggebers und des Brandes nur sehr gering gewesen sind. Die Klägerin hat dem nichts entgegengesetzt. Rügen mangelhafter Prozessführung hat sie nicht vorgetragen. Der aus dem Vergleich erzielte Erlös wird von ihr der Höhe nach auch nicht moniert.
423.
43Die Klägerin hat gegen den Beklagten aufgrund dieser Verwertung der sicherungsabgetretenen Werklohnforderung in dem zugesprochenen Umfang einen Zahlungsanspruch aus den §§ 170 Abs. 1 Satz 2, 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Diesen Zahlungsanspruch hat der Beklagte aufgrund eines Abrechnungsfehlers bei der Erlösverteilung bisher auch nicht erfüllt.
44a)
45Im Ansatz zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin gemäß den §§ 50, 51 Nr. 1 InsO aus dem erzielten Vergleichsbetrag zu befriedigen ist und die Abrechnung nach den §§ 170f. InsO erfolgt. Durch den Abschluss des Vergleichs des Beklagten mit dem Auftraggeber der Schuldnerin hat der Beklagte den der Klägerin sicherungsabgetretenen Anspruch verwertet. Mit der Zahlung der vereinbarten Summe von 30.000,00 Euro an den Beklagten ist der Anspruch erloschen. Das Absonderungsrecht der Klägerin setzt sich an dem eingezogenen Forderungsbetrag fort, soweit er noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist. Nach der Überweisung auf ein Konto des Beklagten war dies spätestens nach der ersten Saldofeststellung der kontoführenden Bank nach dem Zahlungseingang nicht mehr der Fall. Hierdurch ist eine Masseverbindlichkeit nach den §§ 170 Abs. 1 Satz 2, 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zugunsten der Klägerin entstanden, die der Beklagte in seinem Schreiben vom 21.10.2019 zum Gegenstand seiner Abrechnung gemacht hat (vgl. BGH, Urteil v. 11.12.2008 – IX ZR 194/07, Rn. 18 a.E.).
46b)
47Zur Überzeugung der Kammer steht auch fest, dass der Klägerin das Recht auf abgesonderte Befriedigung in einem Umfang von 55% an dem zur Befriedigung der Absonderungsgläubiger nach § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO zur Verfügung stehenden Betrag zusteht und der Anteil der Schuldnerin 45% beträgt (§ 286 Abs. 1, 287 Abs. 2 ZPO). Der Beklagte, der diese Aufteilung nun im Schriftsatz vom 21.02.2022 sinngemäß bestritten und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.02.2022 ergänzt hat, dass er darüber hinaus nun auch das Absonderungsvolumen von 16.500,00 Euro bestreitet, verkennt, dass ihm für den Fall des wirksamen Bestreitens der Anteile die Darlegungslast dafür obliegt, welche prozentuale Erlösbeteiligung der Klägerin am Vergleichsbetrag an die Stelle der bisher vorgetragenen tritt und welche Höhe das Absonderungsvolumen jetzt haben soll. Es ist Aufgabe des Verwalters, bei der Verwertung von Sachgesamtheiten die prozentuale Beteiligung der absonderungsberechtigten Gläubiger am Gesamterlös zu ermitteln (vgl. Kern in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 170, Rn. 48; Brinkmann in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 170, Rn. 13). Für die prozentuale Verteilung eines Gesamterlöses zwischen absonderungsberechtigtem Gläubiger und Insolvenzmasse kann nichts anderes gelten. Eine alternative prozentuale Aufteilung wird vom Beklagten aber nicht vorgetragen. Die aus diesem Versäumnis entstehenden Nachteile können ebenso wenig die Klägerin treffen wie etwaige Widersprüche des Beklagten zwischen seiner Anerkennung von mit Absonderungsrechten belegten Forderungen in Höhe von 12.463,09 Euro in seinem Schreiben vom 15.05.2014, der Zugrundelegung eines der Klägerin zustehenden Erlöswertes vor Abzug von Kosten und Steuern in Höhe von 16.500,00 Euro in seinem Abrechnungsschreiben vom 21.10.2019 und seinem plötzlichen pauschalen Bestreiten des Absonderungsvolumens im Termin vom 25.02.2022.
48Die Kammer hat deshalb die Höhe der Quoten unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach ihrer freien Überzeugung auf die bisher unstreitigen Anteilswerte geschätzt, § 287 Abs. 2 ZPO. Hierbei hat die Kammer u.a. insbesondere in Betracht gezogen, dass viel dafür spricht, dass die Klägerin die Vertragspartnerin mit dem größten Anteil an Werkstoffen war, die im Projekt Residenz von der Schuldnerin verbaut wurden. Hierfür spricht, dass die Höhe des Anteilswertes der Klägerin von 55% am Miteigentum, der durch die Sicherungsabtretung abgesichert war, bis zum Schriftsatz des Beklagten vom 21.02.2022 zwischen den Parteien unstreitig war. Der Beklagte hat die von ihm benannten Anteilshöhen auch vorprozessual selbst zur Grundlage seiner eigenen, von ihm unterschriebenen Abrechnung gemacht und daran überdies in weiten Teilen prozessual festgehalten. Diese Anteilshöhen wurden von der Klägerin auch nicht moniert, sondern vielmehr ihrerseits zur Grundlage der Berechnung ihres Anspruchs und der Abwägung der Erfolgsaussichten ihrer hiesigen Klage gemacht. Aus dem von der Klägerin ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 16.03.2022 als Anlage beigefügten Schreiben des Beklagten vom 15.05.2014 ergibt sich nichts, was diesem Ansatz entgegenstehen könnte, insbesondere verhält sich der Beklagte dort nicht zum Wert der Werklohnforderungen der Schuldnerin insgesamt, so dass sich daraus keine Anteilsquote nachvollziehen lässt, die die spätere Quote in Frage stellt oder bestätigt.
49Die prozessuale Aufklärung wird durch das plötzliche Bestreiten des Beklagten in einer Art und Weise erschwert, die zu der Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis mehr steht. Würde die Kammer, wie es in der Literatur dem Insolvenzverwalter abverlangt wird (vgl. Kern in MüKo-InsO, 4. Aufl., § 170, Rn. 48; Brinkmann in Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 170, Rn. 13), einen Sachverständigen mit der Schätzung beauftragen, welchen Wert die fiktiven Miteigentumsanteile der Klägerin am Werk der Schuldnerin hatten und wie sich dieser Wert quotal bei der Verwertung der hierfür zur Sicherheit abgetretenen Werklohnforderungen abbilden lässt, würde dies zu Sachverständigenkosten führen, die leicht mehr als 50% des der Klägerin hiernach zustehenden Betrages erreichen könnten, ohne dass die Möglichkeit besteht, sie von der zumindest teilweisen Auferlegung dieser Kosten auszunehmen. Das ist kein prozessökonomisches Ergebnis.
50Die Kammer hat sich deshalb für befugt gehalten, nach § 287 Abs. 2 ZPO gerichtlich zu schätzen, von welchen Fremd- und Lohnanteilen zugunsten der Schuldnerin auszugehen ist. Da keine Umstände vorgetragen sind, die eine andere als die bisher unstreitige Aufteilung nahelegen, ist das Ergebnis dasselbe wie bisher. Ein erkennbar prozesstaktisches Bestreiten des Beklagten erschüttert die Überzeugung der Kammer an der Richtigkeit der von ihm außerprozessual selbst seinen Verteilungsberechnungen zugrunde gelegten Quoten nicht. Etwaige prozessuale Folgen des plötzlichen Bestreitens der Identität des Vergleichsgegenstands mit den Lieferungen der Klägerin im Schriftsatz vom 21.02.2022, die zu diesem Zeitpunkt zur Abrechnung des Beklagten im Schreiben vom 21.10.2019 und zu seiner Angabe im Schreiben vom 15.05.2014, dass im Rahmen desjenigen Rechtsstreits, in dem später der Vergleich geschlossen wurde, jedenfalls Forderungen in Höhe von 7.702,15 Euro berücksichtigt werden können, in unauflösbarem Widerspruch stehen, können deshalb dahinstehen.
51c)
52Die Ermittlung des eigentlichen Verwertungserlöses nach § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO durch den Beklagten in der Abrechnung vom 21.10.2019 begegnet jedoch rechtlichen Bedenken.
53Gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO ist der absonderungsberechtigte Gläubiger nach der Verwertung einer beweglichen Sache oder einer Forderung durch den Insolvenzverwalter und Abzug der Kosten für die Feststellung und die Verwertung des Gegenstandes von dem Verwertungserlös i.S.d. § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO unverzüglich aus dem verbleibenden Betrag bis zur vollen Höhe seines Anspruchs zu befriedigen (BGH, Urteil v. 09.10.2003 – IX ZR 28/03, S. 7). Der Beklagte hat in der Abrechnung vom 21.10.2019 von dem vereinnahmten Betrag in Höhe von 30.000,00 Euro einen von ihm zugunsten der Schuldnerin geschätzten Fremdanteil von 15% und einen Lohnanteil von 30% abgezogen und von dem verbleibenden Betrag in Höhe von 16.500,00 Euro sodann die aus einem Betrag von 30.000,00 Euro ermittelte Umsatzsteuer, die aus einem Betrag von 30.000,00 Euro ermittelten 4% Feststellungskosten und die gesamten mit dem Vergleich über die Zahlung von 30.000,00 Euro angefallenen Prozesskosten in Höhe von 14.728,83 Euro abgezogen. Dies hält die Kammer für unzulässig. Nach dem Verständnis der Kammer sieht die gesetzliche Regelung vor, dass der Insolvenzverwalter aus dem vereinnahmten Gesamtbetrag zunächst alle Verwertungs- und Feststellungskosten abzieht. Für die Umsatzsteuerschuld auf den vereinnahmten Gesamtbetrag kann insoweit nichts anderes gelten (vgl. BFHE 224, 24ff.). Hiernach ist der Resterlös entsprechend der quotalen Beteiligung an der verwerteten Forderung zu verteilen.
54Die quotale Beteiligung der Klägerin an der verwerteten Forderung betrug 55%. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 ihrer AGB erstreckt sich die Sicherungsabtretung der Werklohnforderung des Vorbehaltskäufers an die Klägerin in Fällen, in denen die weiterveräußerte Vorbehaltsware aufgrund der Regelung in § 6 Abs. 2 im Miteigentum der Klägerin stand, auf den Betrag, der dem Anteilswert der Klägerin an dem Miteigentum entspricht. Die Regelung findet beim Einbau der Vorbehaltsware in das Grundstück eines Dritten als wesentlicher Bestandteil gemäß § 6 Abs. 4 der AGB entsprechende Anwendung. Die zunächst aus der konkludenten Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Klägerin folgende quotale Aufteilung von 45% zugunsten der Insolvenzmasse und 55% zugunsten der Klägerin war mithin zulässig und geboten (vgl. Kern, MüKo-InsO, 4. Aufl., § 170, Rn. 48). Soweit die Parteien hiermit i.S.d. § 6 Abs. 2 der Geschäftsbedingungen der Klägerin die fiktiven Miteigentumsanteile der Klägerin von den fiktiven Lohnanteilen der Schuldnerin und etwaigen Fremdanteilen Dritter abgegrenzt haben, haben sie den Umfang der Besicherung der Klägerin durch die sicherungsabgetretenen Forderungen in zulässiger Weise konkretisiert und den Erlös untereinander aufgeteilt.
55Dass diese Aufteilung in der Kostenverteilung des Beklagten keine Entsprechung findet, ist nicht zu begründen. Die Kammer vertritt die Rechtsauffassung, dass bei der Verwertung einer Sach- oder Forderungsgesamtheit, von der ein Teil des Erlöses dem absonderungsberechtigten Gläubiger und ein Teil des Erlöses der Insolvenzmasse zusteht, der absonderungsberechtigte Gläubiger auch nur entsprechend seines Anteils mit den Feststellungs- und Verwertungskosten belastet werden darf. Soweit sich nämlich der Umfang der für die Absonderung maßgeblichen Besicherung aus demjenigen fiktiven Miteigentumsanteil ergibt, der sich aus dem Verhältnis des Wertes der Vorbehaltsware zum Endprodukt quotal bestimmen lässt, erscheint es unbillig, wenn diese Quote bei der Kostenverteilung unberücksichtigt bleibt.
56Diese Bewertung wird vom Beklagten in seinem vorprozessualen Schreiben vom 21.10.2019 sogar im Ansatz geteilt, wenn er dort schreibt, dass bei mehreren Beteiligten die Kosten und Pauschalen (…) selbstverständlich sachgerecht auf die verschiedenen Absonderungsgläubiger aufgeteilt werden (Bl. 65). In seiner auf der nächsten Seite des Schreibens folgenden Abrechnung findet dies jedoch keine Entsprechung; dort werden die gesamten Feststellungs- und Verwertungskosten und sogar die auf den Gesamtbetrag entfallende Umsatzsteuer einseitig der Klägerin in Rechnung gestellt (Bl. 66). Die Kammer verkennt nicht, dass der Wortlaut des § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO die vom Beklagten in seiner Abrechnung zum Ausdruck gebrachte Auslegung der Vorschrift trägt; allerdings trägt der Wortlaut der Vorschrift auch das Verständnis der Kammer. Die gesetzliche Regelung ist an dieser Stelle nicht eindeutig, weil der Wortlaut des § 170 InsO nur den Fall eines einzigen absonderungsberechtigten Gläubigers regelt und insbesondere die Fälle der quotalen Verteilung zwischen Insolvenzmasse und absonderungsberechtigtem Gläubiger ungeregelt lässt. Gegen das Verständnis des Beklagten sprechen jedoch Stellen in der Kommentarliteratur, die in vergleichbaren Situationen eine prozentuale Aufteilung der Kosten wie selbstverständlich aus der Systematik herleiten (vgl. Kern, MüKo-InsO, 4. Aufl., § 170, Rn. 48). Letztlich belegt aber vor allem die genetische Auslegung der Vorschrift, dass mit dem Begriff „Verwertungserlös“ in § 170 Abs. 1 Satz 1 InsO der vereinnahmte Gesamterlös vor einer etwaigen Ver- bzw. Aufteilung gemeint ist, aus dem sich erst nach der Entnahme der Kosten und Steuern der „verbleibende Betrag“ i.S.d. § 170 Abs. 1 Satz 2 InsO ergibt, aus dem die absonderungsberechtigten Gläubiger hiernach zu befriedigen sind oder der nach der Vereinbarung des Insolvenzverwalters mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger sodann aufzuteilen ist.
57Aus der historischen Entwicklung der Vorgängernorm des heutigen § 170 InsO wird dies ersichtlich. Der Rechtszustand unter der Konkursordnung (KO) zeichnete sich zunächst durch die Befriedigung absonderungsberechtigter Gläubiger auf Kosten der Konkursmasse aus (Kern, a.a.O., Rn. 10). Dies wurde in Literatur und Rechtsprechung als unbillig bewertet, weil hierdurch die Quote der ungesicherten Gläubiger gemindert und diesen die Kosten für die abgesonderte Befriedigung auferlegt wurden (BGHZ 77, 139, 150; Stürner ZZP 94 (1981), 263, 273). Im ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht war daher vorgeschlagen worden, die Sicherungsgläubiger von besitzlosen Mobiliarsicherheiten pauschal mit einem Verfahrensbeitrag von 25% des Verwertungserlöses zu belasten (Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Leitsatz 3.3.2, S. 312). Dieses Konzept, das als z.T. Umkehr des vorherigen Modells bewertet wurde, stieß ebenfalls auf Kritik und fand im zweiten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht von 1986 keine Erwähnung mehr (Kern, a.a.O., Rn. 11; Senffert, ZIP 1986, 1157ff.). Der Referentenentwurf von 1989 sah in § 184 RefE dann keine Umverteilung zugunsten der ungesicherten Gläubiger mehr vor, sondern eine „Beteiligung der Sicherungsgläubiger an den entstehenden Kosten im Zusammenhang mit Feststellung, Sicherstellung und Verwertung des Sicherungsgutes“ (Kern, a.a.O., Rn. 12). Die Regelung des § 184 RefE bzw. § 195 RegE ist die Vorgängerregelung des heutigen § 170 InsO.
58Soweit der Gesetzgeber zur Begründung der heute gültigen Vorschrift in bewusster Abkehr von zwei Extrempositionen den Begriff der „Beteiligung“ bemüht, ist darin der Wille zu einer Kostenaufteilung zu erkennen, die allgemeinen Gerechtigkeits- und Fairnessgedanken Rechnung trägt (vgl. BGH, Urteil v. 20.11.2003 – IX ZR 259/02, S. 6). Den so ermittelten Willen des Gesetzgebers sieht die Kammer auch dadurch bestätigt, dass ausweislich der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses die absonderungsberechtigten Gläubiger vor überhöhten Aufwendungen geschützt werden sollen (Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu § 195 RegE, BT-Drs. 12/7302, S. 177). Überhöht können Aufwendungen bei der Verwertung von Sicherungsgut aber nur dann für die absonderungsberechtigten Gläubiger sein, wenn sie zu ihrer Beteiligung am Verwertungserlös außer Verhältnis stehen.
59Der ermittelte Regelungszweck kommt nur dann sinnvoll zur Verwirklichung, wenn der „anteilsmäßig absonderungsberechtigte“ Gläubiger auch nur entsprechend seines Anteils mit den Kosten der Feststellung und Verwertung belastet wird; bei der praktischen Anwendung der Vorschrift darf jedoch die Wortlautgrenze nicht überschritten werden. Eine Lesart, nach der eine entsprechende prozentuale Verteilung der Kosten der Feststellung und Verwertung zwischen den absonderungsberechtigten Gläubigern und der Insolvenzmasse der Erlösaufteilung nachgelagert wäre, scheidet mithin aus.
60Damit verbleibt hier nur ein Rechenweg, um den ermittelten Regelungszweck kunstgerecht in den Wortlaut der Vorschrift des § 170 Abs. 1 InsO hineinzulesen. In Fällen wie dem vorliegenden sind also zunächst nach Satz 1 vom Gesamtverwertungserlös die Gesamtkosten der Feststellung und Verwertung abzuziehen. Hiernach ist der absonderungsberechtigte Gläubiger nach Satz 2 der Vorschrift aus dem verbleibenden Betrag quotal, entsprechend seines Anteils zu befriedigen. Legt man diesen Maßstab hier an, sind von dem Erlös in Höhe von 30.000,00 Euro zunächst die o.g. Rechnungsposten Umsatzsteuer (4.789,92 Euro), Feststellungskosten (1.200,00 Euro) und Verwertungskosten (14.728,83 Euro) abzuziehen. Von dem Restbetrag in Höhe von 9.281,25 Euro stehen sodann 45 %, entsprechend 4.176,56 Euro, der Insolvenzmasse und 55%, entsprechend dem im Tenor zugesprochenen Betrag von 5.104,69 Euro, der Klägerin zu.
61II.
62Die über den zugesprochenen Betrag hinausgehende Klage ist aus den unter Ziffer I dargestellten Gründen abzuweisen. Der Klägerin stand aus den dargestellten Gründen kein Ersatzaussonderungsrecht, sondern nur ein Recht auf (anteilsmäßige) abgesonderte Befriedigung zu (s.o.).
63Eine Mahnung i.S.d. § 286 BGB, der den beanspruchten Verzugszins in Höhe von 9 Prozentpunkten seit dem 01.07.2020 begründet, ist von der Klägerin nicht vorgetragen. Sie wäre auch im Hinblick auf den fehlerhaft beanspruchten Betrag von 16.500,00 Euro unwirksam. Insoweit stehen der Klägerin nach den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB nur aus dem zugesprochenen Betrag die Prozesszinsen zu, die die Kammer als Minus von dem Antrag auf Verzugszinsen mit umfasst ansieht.
64Mangels vorgerichtlicher Zahlungsaufforderung kann der Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten auch nicht teilweise zugesprochen werden.
65Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die der Vollstreckbarkeit jeweils auf § 709 ZPO.