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Die Versäumung der Widerspruchsfrist nach § 882d Abs. 1 ZPO dürfte nicht zur Verwerfung des Widerspruchs führen. Eine Wiedereinsetzung dürfte ebenfalls nicht in Betracht kommen, da die Frist nicht in § 233 ZPO genannt ist.
Trotz Insolvenz ist der Gemeinschuldner widerspruchsbefugt.
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 25.10.2021 (43 M 2638/21) dahingehend abgeändert, dass die Eintragungsanordnung der Obergerichtsvollzieherin S vom 26.07.2021 (7 DR II 434/21) aufgehoben wird.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Beschwerdewert wird auf „bis 7.000,00 Euro“ festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die gem. §§ 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Schuldner begehrt zu Recht die Aufhebung der Eintragungsanordnung der Gerichtsvollzieherin.
41. Der Widerspruch des Schuldners vom 17.08.2021 ist zulässig.
5a)
6Die Statthaftigkeit ergibt sich unmittelbar aus § 882d Abs. 1 S. 1 ZPO.
7b)
8Die Versäumung der Widerspruchsfrist des § 882d Abs. 1 S. 1 ZPO dürfte schon grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit des Widerspruchs führen (im Folgenden aa)). Dies muss aber nicht endgültig geklärt werden, da selbst dann, wenn doch angenommen werden müsste, dass ein Widerspruch als verfristet zu verwerfen ist, dem Schuldner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (bb)).
9aa)
10Nach der noch vorläufigen Rechtsauffassung der Kammer führt die Versäumung der Widerspruchsfrist nicht zur Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig. Soweit diese Fragestellung in Rechtsprechung oder im Schrifttum ausdrücklich angesprochen wird, wird indes die Gegenauffassung vertreten, ohne dies überhaupt als problematisch zu thematisieren (vgl. z.B. MüKo-ZPO/Dörndorfer, 6. A., § 882d, Rn. 3). Dies dürfte seinen Grund darin haben, dass das Landgericht Schwerin (Beschluss vom 11.12.2014, 5 T 355/14, DGVZ 2015, 59; und ihm folgend das Schrifttum (vgl. nur MüKo-ZPO/Dörndorfer, 6. A., § 882d, Rn. 3; Musielak/Voit ZPO, 18. A., § 882d Rn. 2) die Widerspruchsfrist als „wiedereinsetzungsfähige“ Frist ansehen. Das dürfte aber nicht zutreffend sein, da die Widerspruchsfrist nicht als Notfrist benannt und auch nicht zusätzlich in § 233 Abs. 1 ZPO aufgeführt wird.
11Nach der Überzeugung der Kammer führt die Versäumung der Widerspruchsfrist indes schon deshalb nicht zur Verwerfung des eingelegten Widerspruchs, weil sich dies nicht mit der Regelungssystematik des § 882d Abs. 1 ZPO in Einklang bringen lässt. Nach dieser Systematik kann der Schuldner innerhalb von zwei Wochen Widerspruch einlegen und nach Ablauf dieser Frist übermittelt der Gerichtsvollzieher seine Eintragungsanordnung an das zentrale Vollstreckungsgericht zur Eintragung. Wird dem Gerichtsvollzieher aber vor der Übermittlung bekannt, dass die Eintragungsvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen, hat er seine Anordnung aufzuheben. Vom Wortlaut, aber auch vom Sinn und Zweck her, hat der Gerichtsvollzieher dieses Abhilferecht (vgl. zu den Motiven der Einführung der Abhilfe: BT-Drucksache 18/7560, S. 40) auch nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist. Entscheidend ist allein, dass er die Anordnung noch nicht übermittelt hat. Damit ist aber klargestellt, dass der Ablauf der Widerspruchsfrist die Anordnung nicht bestandskräftig werden lässt, sondern inhaltlich weiter zur Disposition steht, was ja im Übrigen auch sogar nach der Vollziehung der Eintragung der Fall ist (vgl. nur die Löschungsgründe nach § 882e Abs. 3 ZPO).
12Endgültig muss die hier aufgeworfene Problematik aber nicht geklärt werden:
13bb)
14Unter Zugrundelegung der Gegenauffassung, die eine Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist für möglich hält, (vgl. LG Schwerin, Beschluss vom 11.12.2014, 5 T 355/14, DGVZ 2015, 59; BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf/Fleck, 43. Ed. § 882d Rn. 3; MüKo-ZPO/Dörndorfer, 6. A., § 882d, Rn. 3; Musielak/Voit ZPO, 18. A., § 882d Rn. 2) ist dem Schuldner hier auch eine solche von Amts wegen (§ 236 Abs. 2 S. 2, 2. HS ZPO) zu gewähren.
15Die Gerichtsvollzieherin hat es unterlassen, den Widerspruch vom 17.08.2021, der am selben Tag und damit eine Woche nach Beginn der Widerspruchsfrist bei ihr eingegangen war, unverzüglich an das Vollstreckungsgericht weiterzuleiten (vgl. Zöller/Seibel, 34. A., ZPO § 882d Rn. 2 a.E.; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rn. 21), so dass das Verschulden an der Fristversäumung nicht kausal ist.
16c)
17Nicht weiter geklärt werden muss die Frage, ob der Schuldner den Widerspruch, den er mit einem Verstoß gegen das Einzelvollstreckungsverbot begründet, gem. § 89 Abs. 3 InsO beim Insolvenzgericht hätte anbringen müssen. Da das Vollstreckungsgericht den Widerspruch inhaltlich beschieden und damit seine Zuständigkeit angenommen hat (auch wenn es gemeint hat, dass § 89 Abs. 1 InsO nicht mit dem Widerspruch geltend gemacht werden könne), hat sich die Kammer mit Fragen, die die Zuständigkeit der Vorinstanz betreffen, nicht zu befassen, da solche nicht beschwerdefähig sind (vgl. § 571 Abs. 2 S. 2 ZPO).
18d)
19Der Schuldner ist auch befugt, gegen die Eintragungsanordnung Widerspruch nach § 882d ZPO einzulegen, obwohl er die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen durch die Insolvenzeröffnung verloren hat.
20Denn in der vorliegenden Konstellation ist nicht – jedenfalls nicht nur – der Insolvenzverwalter, sondern auch der Schuldner widerspruchsbefugt. Das Verfahren auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nebst Haftbefehlsverfahren und die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis betreffen den Schuldner persönlich in besonderer Weise. So hat das Amtsgericht Frankfurt (Oder) vom 03.01.2013, 3 IK 825/12, überzeugend ausgeführt, dass der Gemeinschuldner nicht nur wegen der Freiheitsgrundrechte die Befugnis hat, selbst einen Haftbefehl anzugreifen, sondern dies auch aus der verbindlichen Feststellung der Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung folgt. Aus denselben Gründen kann damit auch der Gemeinschuldner selbst die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis angreifen.
21Im Übrigen ist die Rechtsbehelfsbefugnis auch deshalb gegeben, weil der Insolvenzverwalter, der in dem Beschwerdeverfahren beteiligt wurde, das Begehren des Schuldners unterstützt.
222. Der Widerspruch ist auch begründet.
23a)
24Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann auch im Widerspruchsverfahren nach § 882d ZPO ein allgemeines Vollstreckungshindernis geltend gemacht werden. Insofern hat der Schuldner die Wahl, ob er eine Erinnerung nach § 766 ZPO (z.B. schon gegen die Terminsbestimmung) einlegt, oder das Vollstreckungshindernis erst im Rahmen des Widerspruchs geltend macht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2015, I ZB 107/14, juris Rn. 19).
25b)
26Da unwidersprochen die titulierte Forderung vor der Insolvenzeröffnung entstand (der Zeitpunkt der - wegen § 240 ZPO verfahrenswidrigen - Titulierung ist selbstverständlich nicht entscheidend) und hier das Insolvenzverfahren auch unwidersprochen noch andauert, hätte die Eintragungsanordnung nicht ergehen dürfen, so dass die sofortige Beschwerde auch in der Sache Erfolg hat.
27II.
28Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Insbesondere ist die Gläubigerin hier auch nicht als Gegnerin eines kontradiktorischen Verfahrens zu führen, so dass diese auch nicht nach § 91 ZPO die Kosten zu tragen hat (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 12.03.2020, 19 T 34/19).
29Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt, da es auf die oben andiskutierte Frage zu den Rechtsfolgen einer Widerspruchsfristversäumung nicht ankam.