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Der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Mettmann vom 25.3.2015 und das ihm zu Grunde liegende Verfahren werden aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren nach Maßgabe der folgenden Gründe zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
2I.
3Für die Betroffene wurde im Jahr 2008 ihr Ehemann als Betreuer bestellt (Bl. 8 und 38 d.A.). Hintergrund war ein seinerzeit durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Dr. C, u.a. diagnostiziertes schweres hirnorganisches Psychosyndrom nach hypoxischem Hirnschaden. Im selben Jahr wurde die Betroffene (anscheinend) vom 28. April bis 2.5.2008 auf der Grundlage des PsychKG und (anscheinend) vom 9. Mai bis 20.6.2008 nach Betreuungsrecht untergebracht (Bl. 11, 14 und 19 d.A.). Im September 2014 bat der Ehemann der Betroffenen, als Betreuer entlassen zu werden. Die Betroffene lasse sich von ihm nichts mehr sagen, lehne Pflegetätigkeiten (Waschen) und jegliche ärztliche Betreuung ab und habe ihn mehrfach körperlich (u.a. mit einem Küchenmesser) und verbal attackiert. Aufgrund ihres Zigaretten-Konsums habe die Betroffene schon mehrere kleinere Brände in ihrer Wohnung verursacht.Mit Beschluss vom 21.10.2014 bestellte das Amtsgericht daraufhin die derzeitige Betreuerin anstelle des Ehemanns der Betroffenen (Bl. 167 d.A.). Der Aufgabenkreis umfasste unter anderem die Gesundheitsfürsorge und die Bestimmung des Aufenthaltes (Bl. 167 d.A.). Die Betreuerin der Betroffenen beantragte mit Schreiben vom 17.11.2014 die gerichtliche Genehmigung zur Unterbringung, da die Betroffene dringend einer ärztlichen Untersuchung und ggf. Behandlung bedürfe, von deren Notwendigkeit die Betroffene jedoch nicht habe überzeugt werden können. Die Betroffene sei – wie ihre Wohnung – völlig verwahrlost. Laut Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Dr. med. KK, vom 23.11.2014 habe die Grunderkrankung der Betroffenen, eine Wernicke-Enzephalopathie als Folge chronischen Alkoholmissbrauchs, zu einem ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndrom mit erheblicher Einschränkung des Urteilsvermögens und der Kritikfähigkeit bei weitgehend fehlender Krankheitseinsicht geführt. Da anderweitige Behandlungsmaßnahmen nicht mehr möglich seien, empfahl der Arzt die geschlossene Unterbringung der Betroffenen zum Zwecke der medikamentösen Neueinstellung und gegebenenfalls weiteren Diagnostik (Bl. 194 d.A.). Das Amtsgericht genehmigte mit Beschluss vom 04.12.2014 im Wege der einstweiligen Anordnung die geschlossene Unterbringung der Betroffenen in der LVR-Klinik Langenfeld oder einer anderen geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 16.01.2015 und ordnete die sofortige Wirksamkeit an (Bl. 205 d.A.). Ihre hiergegen gerichtete Beschwerde wies die Kammer mit Beschluss vom 16.12.2014 zurück (Bl. 243ff d.A.).Mit Schreiben vom 6.1.2015 beantragte die Betreuerin die Verlängerung der geschlossenen Unterbringung (Bl. 271 d.A.). Das Amtsgericht erließ am 9.1.2015 einen förmlichen Beweisbeschluss zur Einholung eines fachärztlichen Gutachtens und bestellte der Betroffenen den Verfahrenspfleger (Bl. 276f d.A.). Am 13.1.2015 hörte das Amtsgericht die Betroffene in Gegenwart der Stationsärztin, Frau M, im Wege der Rechtshilfe an (Bl. 300f d.A.). Durch einstweilige Anordnung genehmigte das Amtsgericht am 16.1.2015 die weitere geschlossene Unterbringung und bestellte der Betroffenen den Verfahrenspfleger (Bl. 290f d.A.). Unter dem 21.1.2015 erstattete der Facharzt für Psychiatrie, Herr N, sein psychiatrisches Gutachten (Bl. 303ff d.A.). Der Verfahrenspfleger stimmte der geschlossenen Unterbringung für einen Zeitraum von bis zu 2 Jahren mit Schreiben vom 31.1.2015 zu (Bl. 345f d.A.). Am 30.1.2015 wurde die Betroffene im Wege der Rechtshilfe in Gegenwart der Stationsärztin, Frau M, angehört (Bl. 353 d.A.).Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9.2.2015 hat das Amtsgericht Mettmann die geschlossene Unterbringung der Betroffenen in dem Haus C, F, oder in einer anderen geschlossenen Einrichtung längstens bis zum 9.2.2017 mit sofortiger Wirksamkeit genehmigt (Bl. 354f d.A.). Der Beschluss wurde der Betroffenen formlos übersandt.Gegen den vorgenannten Beschluss hat die Betroffene am 17.3.2015 mit Schreiben vom selben Tage Beschwerde eingelegt. Es stimme nicht, dass sie Alkohol und Drogen nehme. Sie würde gerne in einer offenen Einrichtung leben. Jeder habe ein Recht auf Freiheit und Selbstgestaltung seines Lebens (Bl. 380f d.A.).Das Amtsgericht Mettmann hat daraufhin formlos den Sachverständigen, Herrn N, um ergänzende Stellungnahme zur Fähigkeit der Betroffenen, den eigenen Willen auf der Grundlage von Verständnis, Verarbeitung und Bewertung der Information zu bestimmen und zu äußern und ob dies auch für eine Ablehnung der Betreuung bzw. Unterbringung gilt, gebeten (Bl. 381R d.A.), welche dieser – auch zu weiteren beauftragten Fragen – unter dem 19.3.2015 erstattet hat (Bl. 385ff d.A.). Am 25.3.2015 hat das Amtsgericht einen Nichtabhilfebeschluss erlassen (Bl. 395f d.A.), den es – unter anderem – der Betroffenen zusammen mit dem Gutachten vom 19.3.2015 zugestellt hat.
4II.
5Die Beschwerde der Betroffenen hat den – vorläufigen – Erfolg, dass das Verfahren zur (Nicht-) Abhilfe erneut durchgeführt werden muss.1.Die Beschwerde der Betroffenen ist gemäß §§ 58ff FamFG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.Gemäß § 15 I FamFG sind unter anderem Dokumente, die den Lauf einer Frist auslösen, den Beteiligten bekannt zu geben. Nach § 15 II 1 FamFG kann die Bekanntgabe durch Zustellung oder dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. Soll die Bekanntgabe im Inland bewirkt werden, gilt das Schriftstück 3 Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, wenn nicht der Beteiligte glaubhaft macht, dass ihm das Schriftstück nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 15 II 2 FamFG).Danach wäre die Beschwerde hier verfristet, weil der Beschluss am 10.2.2015 zur Post gegeben worden ist (Bl. 360 d.A.).Das Amtsgericht hätte vorliegend jedoch den Beschluss vom 9.2.2015 der Betroffenen nicht formlos übersenden dürfen. Nach § 41 I 2 FamFG ist ein anfechtbarer Beschluss demjenigen zuzustellen, dF erklärtem Willen er nicht entspricht. Das setzt voraus, dass der Beteiligte mit seinem Vorbringen im Verfahren eine andere Entscheidung angestrebt oder wenigstens zum Ausdruck gebracht hat, dass er mit einer Entscheidung wie der dann getroffenen nicht einverstanden ist (Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 41, Rn. 8). Die Betroffene hat im Rahmen ihrer Anhörung vom 30.1.2015 ausgeführt, sie sei seit Jahren nicht rückfällig geworden. Es stimme auch nicht, dass ihr die Verwahrlosung drohe. Sie halte schon wegen ihrer Tiere Ordnung. Außerdem komme ihr Mann einmal am Tag vorbei und schaue nach dem Rechten (Bl. 353 d.A.).Dass sie damit zumindest schlüssig zum Ausdruck gebracht hat, mit einer weiteren geschlossenen Unterbringung nicht einverstanden zu sein, wird dadurch bestätigt, dass sie auch den Beschluss vom 4.12.2014 mit der Beschwerde angegriffen hatte.2.Das danach zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Nichtabhilfebe-schlusses des Amtsgerichts Mettmann vom 25.3.2015 und des ihm zu Grunde liegenden Verfahrens sowie zur Zurückverweisung des Verfahrens in diesem Umfang nach Maßgabe der folgenden Gründe. Denn das Nichtabhilfeverfahren leidet an einem ins Gewicht fallenden Mangel, der bewirkt, dass die Nichtabhilfeentscheidung keinen Bestand haben kann.Dabei ist noch nicht einmal maßgeblich, dass das zur Durchführung einer förmlichen Beweisaufnahme nach §§ 321 I, 30 I FamFG, 358ff ZPO verpflichtete Amtsgericht die Betroffene nicht von seiner ergänzenden Beauftragung des Sachverständigen (Bl. 381R d.A.) in Kenntnis gesetzt hatte (vgl. BGH, XII ZB 383/10, bei juris).Schwerwiegender ist, dass das Amtsgericht seine Nichtabhilfeentscheidung unter anderem auf das psychiatrische Sachverständigengutachten vom 19.3.2015 gestützt hat, ohne der Betroffenen (und den übrigen Verfahrensbeteiligten) zuvor hierzu das erforderliche rechtliche Gehör zu gewähren.Rechtliches Gehör ist gemäß Art. 103 I GG allen Beteiligten zu allen Ermittlungsergebnissen - nicht nur im Rahmen von § 30 IV FamFG - zu gewähren. In welchem Verfahrensstadium und durch welche konkreten Maßnahmen das rechtliche Gehör im Einzelfall sicherzustellen ist, hat das Gericht nach pflichtgemäßem ErmF zu entscheiden, wobei jeweils eine den Beteiligten zumutbare Form der Äußerung und Information zu wählen ist. Das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte (§ 37 II FamFG). Diese Pflicht bezieht sich auf alle entscheidungserheblichen Aktenbestandteile (Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 37, Rn. 6). Inhaltlich ist der Anspruch auf rechtliches Gehör deshalb ein Recht auf Äußerung und Information (Meyer-Holz, a.a.O., § 34, Rn. 7).Ein weiterer und maßgebender Verfahrensmangel liegt darin begründet, dass das Amtsgericht die Betroffene entgegen § 319 IV FamFG nicht persönlich angehört hat. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung sollen Verfahrenshandlungen nach § 319 I FamFG nicht im Wege der Rechtshilfe erfolgen.Zwar teilt die Kammer nicht die Auffassung, dass diese Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion so zu verstehen sein soll, dass die Anhörung bzw. Anschauung durch den entscheidenden Richter in jedem Falle unverzichtbar ist (so aber Schmidt-Recla in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage, § 319, Rn. 11). Denn der Gesetzgeber hat bewusst für das Verfahren der Unterbringung in einem Hauptsacheverfahren einerseits (§ 319 IV FamFG) und für das Verfahren der vorläufigen Unterbringung, bei der eine Anhörung im Wege der Rechtshilfe gemäß § 331 II FamFG ohne weiteren Voraussetzungen zulässig ist (Budde in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 331, Rn. 10), unterschiedliche Regelungen geschaffen. Allerdings ist bei der Auslegung der Vorschrift die Schwere des Eingriffs, die mit einer Unterbringung im Hauptsacheverfahren verbunden ist, zu berücksichtigen. Der erkennende Richter soll sich einen eigenen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen verschaffen. Ausnahmen kommen bei nicht kommunikationsfähigen Betroffenen oder Maßnahmen im Sinne von § 1906 IV BGB in Betracht. Dagegen reicht eine geringere Fahrzeit des ersuchten im Verhältnis zum örtlich zuständigen Richter grundsätzlich nicht aus. Ein Ausnahmefall kann jedenfalls insoweit nicht bejaht werden, solange das örtlich zuständige Gericht nicht eine Abgabe des Verfahrens an das Gericht des Unterbringungsortes gemäß § 314 FamFG (dazu: OLG Karlsruhe, 11 AR 7/13, bei juris) versucht hat (Budde, a.a.O., § 319, Rn. 8f; vgl. auch Grotkopp in: Barenfuss, FamFG, § 319, Rn. 17: Rechtshilfe unzulässig bis eine Stunde Fahrtzeit).Vorliegend wäre der Aufwand einer Reise der Richterin am Amtsgericht Mettmann zur Klinik in Langenfeld, in der sich die Betroffene seinerzeit aufgehalten hat (Bl. 353 d.A.), nicht unverhältnismäßig gewesen im Hinblick auf das Gewicht und die Dauer‑ 2 Jahre - der genehmigten Unterbringungsmaßnahme für die Betroffene. Das gilt im Übrigen entsprechend für den jetzigen Aufenthaltsort in F. Die erkennende Amtsrichterin war auch nicht dieselbe, welche die Betroffene am 8.12.2014 in ihrer Wohnung aufgesucht und angehört hatte (Bl. 215 d.A.), so dass dahinstehen kann, ob trotz der inzwischen verstrichenen Zeit ein – erneuter – persönlicher Eindruck entbehrlich hätte sein können.Da das Amtsgericht das Versäumte auch nicht, wozu Gelegenheit bestanden hätte, im Abhilfeverfahren nachgeholt hat, konnte es bei der amtsgerichtlichen Nichtabhilfeentscheidung nicht verbleiben, weshalb sie aufzuheben war. Diese ist zwar nicht ausdrücklich angefochten, sie stellt sich jedoch als Teil des erstinstanzlichen Verfahrens und als der Sachentscheidung zugehörig dar. Wird diese angefochten, so unterliegen auch das Nichtabhilfeverfahren und die Nichtabhilfeentscheidung der Prüfung des Beschwerdegerichts. Dem steht § 69 Abs. 1 S. 1 FamFG, wonach das Beschwerdegericht in der Sache selbst zu entscheiden hat, nicht entgegen. Denn nach Satz 2 der Norm darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen werden, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn das Ausgangsgericht noch keine Entscheidung über eine Abhilfe (§ 68 Abs. 1 FamFG) getroffen hat oder das Abhilfeverfahren an einem gravierenden Mangel leidet (Sternal in: Keidel, FamFG, 18. Auflage, § 69 Rdnr. 14a).
6Daher wird das Amtsgericht nunmehr die Betroffene persönlich anzuhören und sodann erneut über die Frage der Abhilfe oder Nichtabhilfe zu befinden haben.Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Amtsgericht die „geschlossene Unterbringung in dem Haus C in F oder in einer anderen geschlossenen Einrichtung“ genehmigt hat, während nach § 323 FamFG lediglich die Art der Unterbringungseinrichtung allgemein zu bezeichnen ist, während die Auswahl der konkreten Einrichtung dem Betreuer obliegt.
7III.
8Die Entscheidung ist einer Kostenentscheidung nicht zugänglich.
9Sie ist nicht anfechtbar, denn es handelt sich nicht um eine Endentscheidung, §§ 58 Abs. 1, 70 FamFG.