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Das Versäumnisurteil der Kammer vom 12.07.2012 wird aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09.05.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Remscheid, 8 C 262/10, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.383,37 € vom 31.10.2010 bis zum 5.8.2012 zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Klägerin werden vorab diejenigen Kosten auferlegt, die durch ihre Säumnis im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.07.2012 entstanden sind. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 90 % und zu 10 % die Beklagte.Die Kosten des Rechtsstreites erster Instanz werden der Beklagten auferlegt.Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
9 S 200/11 8 C 262/10Amtsgericht Remscheid |
Verkündet am 10.01.2013 |
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9. Zivilkammer für Recht erkannt:
3Das Versäumnisurteil der Kammer vom 12.07.2012 wird aufgehoben. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09.05.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Remscheid, 8 C 262/10, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.383,37 € vom 31.10.2010 bis zum 5.8.2012 zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Klägerin werden vorab diejenigen Kosten auferlegt, die durch ihre Säumnis im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.07.2012 entstanden sind. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 90 % und zu 10 % die Beklagte.Die Kosten des Rechtsstreites erster Instanz werden der Beklagten auferlegt.Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4GründeI.Die Klägerin hat gemäß ihrer - nicht zur Akte gereichten - Rechnung vom 08.09.2010 Anwaltshonorar von der Beklagten verlangt, die sie im November 2007 in einer arbeitsrechtlichen Angelegenheit mandatiert hatte. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil zwar die Gebührenforderung jedenfalls dem Grunde nach entstanden sei, die Beklagte aber einen Schadensersatzanspruch habe, der auf Befreiung von dieser Verbindlichkeit gerichtet sei. Die Klägerin habe ihre Pflichten verletzt, weil sie keine Deckungszusage bei der Rechtschutzversicherung der Beklagten eingeholt habe. Außerdem hätte sie auf den insoweit drohenden Eintritt der Verjährung hinweisen müssen.Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die vorträgt, es komme nicht darauf an, ob einem Rechtsanwalt bekannt sei, dass sein Mandant eine Rechtsschutzversicherung habe. Einen Auftrag zur Einholung der Deckungszusage habe es nicht gegeben. Auf welcher Grundlage das Amtsgericht zu dem Ergebnis gekommen sei, die Beklagte habe ihr, der Klägerin, die Daten ihrer Rechtsschutzversicherung im Besprechungstermin vom 19.11.2007 übermittelt, sei nicht nachvollziehbar. Es gäbe keine Automatik, dass Kostendeckung eingeholt werde. Die E-Mail vom 12.11.2010 (gemeint: 12.11.2007) habe zur Aufklärung der Beklagten ausgereicht. Zudem habe ein Eilfall vorgelegen. Die Beklagte habe zügig zu einem Ergebnis kommen wollen, weil sie bereits eine neue Stelle gehabt habe. Die Beklagte habe auch nach der Stellung der Rechnung genügend Zeit gehabt, sich mit ihrer Rechtsschutzversicherung auseinander zu setzen. Zudem sei ein Versicherer nicht verpflichtet, sich auf Verjährung zu berufen. Ergänzend hat die Klägerin nachfolgend vorgetragen, dass die Ansprüche gegen den Rechtsschutzversicherer noch gar nicht verjährt seien.Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12.07.2012 ist die Klägerin nicht erschienen, woraufhin ihre Berufung durch Versäumnisurteil vom selben Tage zurückgewiesen worden ist. Am 26.07.2012 erteilte die Rechtsschutzversicherung der Beklagten Deckungsschutz für die Ursprungsangelegenheit (Bl. 193f d.A.) und überwies den Rechnungsbetrag in der Folge an die Klägerin.Gegen das ihr am 30.07.2012 zugestellte (Bl. 180 d.A.) Versäumnisurteil hat die Klägerin am 12.08.2012 Einspruch eingelegt (Bl. 181 d.A.), den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und noch Verzugszinsen geltend gemacht.Die Beklagte hat sich der (Teil-) Erledigungserklärung angeschlossen und im Übrigen weiter Zurückweisung der Berufung begehrt.Im Übrigen wird von der Darstellung eines Tatbestandes gemäß §§ 540 II, 313a ZPO, 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.II.Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil der Kammer vom 12.7.2012 ist zulässig. Insbesondere ist die Frist des § 339 I ZPO gewahrt worden, da das Versäumnisurteil am 30.7.2012 zugestellt worden (Blatt 180 d.A.) und der Einspruch am 12.8.2012 bei dem Landgericht Wuppertal eingegangen ist (Blatt 181 d.A.). Der Rechtsstreit ist damit in den Zustand vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt worden.Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache im wesentlichen Erfolg. 1.Die Klage wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses, der Zahlung der Gebührenforderung durch die Rechtsschutzversicherung in der Hauptsache erfolgreich gewesen. Der Anspruch der Klägerin ergab sich aus §§ 611 BGB, 13f RVG, 1000, 2300, 7002 und 7008 VV. Ihm stand kein Anspruch der Beklagten auf Schadenersatz in Form von Freistellung von dieser Verbindlichkeit aus §§ 280, 249 BGB entgegen.a) Ein solcher Schadensersatzanspruch ergab sich zunächst einmal nicht daraus, dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, eine Deckungszusage von der Rechts-schutzversicherung einzuholen. Dabei konzentriert sich die zu Grunde liegende Frage hier darauf, ob ein Rechtsanwalt auch ohne ausdrückliche Beauftragung verpflichtet ist, die Deckungszusage einer ihm mitgeteilten Rechtsschutzversicherung einzuholen (bejahend in dem Sonderfall, dass der Mandant sich wegen seiner vermeintlichen Ansprüche gegen einen Dritten an seinen Versicherer gewandt hat, dieser den Anwalt eingeschaltet und den Mandanten sodann an den Anwalt verwiesen hat: OLG Düsseldorf, 8 U 36/75 = MDR 1976, 315). Denn die Beklagte hätte ihre Behauptung, sie habe der Klägerin den Auftrag erteilt, die Deckungszusage einzuholen, mangels eines tauglichen Beweisantritts und weil auch der zur Akte gereichten Schriftverkehr der Parteien nicht auf eine solche Beauftragung hindeutete, aller Voraussicht nach nicht beweisen können.Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sieht die Kammer eine solche, unabhängig von einer konkreten Beauftragung bestehende Pflicht des Rechtsanwaltes nicht. Denn zum einen erfordert weder die Schutzbedürftigkeit seines Mandanten die Bejahung einer solchen Pflicht, noch wäre sie sachgerecht.Hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit des Mandanten hat das Amtsgericht zunächst zutreffend ausgeführt: Zwar ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht verpflichtet, den rechtssuchenden Mandanten über das Entstehen von gesetzlichen Gebühren und dessen Höhe aufzuklären, das System der gesetzlichen Gebühren beruht gerade auf dem Gedanken, das Beratungsgespräch eingangs nicht gleich mit Fragen der Honorierung zu belasten (OLG Düsseldorf, OLG-Report Düsseldorf 2008, 817ff).Anderes gilt aber bei erkennbar aufklärungsbedürftigen Mandanten.Eine derartige Besonderheit liegt regelmäßig dann vor, wenn der Mandant versichert ist, denn der Nehmer einer Rechtsschutzversicherung hat regelmäßig ein Interesse an den Kostenfragen, nämlich insoweit, ob er Gebührenansprüche des Rechtsanwalts aus eigenem Vermögen zu begleichen hat oder ob sie aus dem Deckungsschutzanspruch gegenüber der Rechtsschutzversicherung befriedigt werden können, ...Indem das Amtsgericht jedoch geschlussfolgert hat,... weshalb der Rechtsanwalt vor der Zusage des Rechtsschutzversicherers nur dann tätig werden darf, wenn der Mandant ihn damit ausdrücklich in der Kenntnis beauftragt hat, Gefahr zu laufen, die Kosten selbst tragen zu müssen (OLG Düsseldorf, a.a.O. m.w.N.; vgl. hierzu auch OLG Nürnberg, NJW-RR 1989, 1370),hat es in der Sache auch schon aufgezeigt, wie diese Fälle sachgerecht zu behandeln sind, nämlich durch Postulieren einer entsprechenden Hinweis- und Aufklärungspflicht des Rechtsanwaltes. Der Schutz des Mandanten erfordert es dagegen nicht, dass der Rechtsanwalt selbst die Deckungszusage einholt. Vielmehr ist eine solche Verpflichtung auch deshalb abzulehnen, weil es sich um eine selbstständige Rechtssache handeln würde, die wiederum Gebührenansprüche auslösen würde. Deshalb ist im Ergebnis eine Beauftragung hinsichtlich der Einholung der Deckungszusage durch den Mandanten zu fordern, um eine entsprechende Verpflichtung des Rechtsanwaltes auszulösen.b) Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die Klägerin nicht tätig werden durfte, ohne zuvor die Frage des Eintritts der Rechtsschutzversicherung zu klären oder die Beklagte nach Aufklärung über das Kostenrisiko entscheiden zu lassen, ob der Klageauftrag unbedingt – also unabhängig von einer Kostendeckungszusage – sein sollte (vgl. OLG Nürnberg, 8 U 4078/88). Insoweit entlastet es die Klägerin nicht, dass sie in ihrer E-Mail vom 12.11.2007 (Blatt 37 d.A.) formularmäßig nach dem Bestehen einer Rechtsschutzversicherung gefragt und für den Fall, dass keine Rechtsschutzversicherung bestünde, darauf hingewiesen hatte, dass die Beklagte die Anwaltskosten dann selbst tragen müsste. Denn erforderlich ist in einem solchen Falle die ausdrückliche Weisung eines Mandanten an den Rechtsanwalt, unabhängig von der Gewährung von Rechtsschutz durch die Versicherung tätig zu werden (OLG Düsseldorf, 24 U 160/10).Die Voraussetzung für das Entstehen der soeben dargestellten Verpflichtungen der Klägerin lagen vor. Denn sie hatte am 19.11.2007 durch die Beklagte jedenfalls solche Kenntnisse erlangt, dass sie wusste, dass eine Rechtsschutzversicherung bestand und dass sie später mit dieser selbstständig in Kontakt treten konnte. Die Beklagte hat nämlich behauptet, die Klägerin im Besprechungstermin vom 19.11.2007 entsprechend unterrichtet zu haben. Das ist als unstreitig anzusehen. Die Klägerin selbst hatte sich in erster Instanz hierzu nicht eindeutig erklärt (vgl. § 138 ZPO). Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.3.2011 (dort S. 3) ist als Äußerung der Klägerin vermerkt, ohne dass eine Protokollberichtigung beantragt worden wäre, dass ihr jetzt nicht bewusst sei, ob und gegebenenfalls wann sie die Versicherungsnummer von der Beklagten erhalten habe. Das konnte nicht als wirksames Bestreiten angesehen werden. Über die allgemeinen Anforderungen des § 138 ZPO hinaus war nämlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin unstreitig irgendwann vor dem 8.9.2010 entsprechende Kenntnisse durch die Beklagte vermittelt bekommen haben musste. Denn am 8.9.2010 machte die Klägerin der Beklagten per E-Mail den „Vorschlag“ (Klageschrift S. 3 = Bl. 3 d.A.), selbst mit der Rechtsschutzversicherung zu korrespondieren, und am 13.10.2010 telefonierte die Klägerin von sich aus mit der Rechtschutzversicherung. Zudem ist es lebensnah, dass die Beklagte die Anfrage der Klägerin vom 12.11.2007 bei nächster Gelegenheit, d.h. im Besprechungstermin vom 19.11.2007 beantwortet hat. Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung die Abgabe der Versicherungsnummer im Erstgespräch ausdrücklich bestritten hat, ist dieses Bestreiten gemäß § 531 ZPO unzulässig, im Übrigen auch immer noch prozessual unwirksam, weil die Klägerin sich zum gegnerischen Vorbringen nach wie vor nicht konkret erklärt hat.Die dargestellte Pflichtverletzung hat aber hinsichtlich der Gebührenforderung keinen Schaden der Beklagten verursacht. Denn unstreitig war die Rechtsschutzversicherung einstandspflichtig und hat auch die gesamte geltend gemachte Gebührenforderung inzwischen ausgeglichen.2.Ist demnach von einer einwendungsfrei entstandenen Gebührenforderung der Klägerin auszugehen, ist der jetzt noch rechtshängige Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen grundsätzlich gemäß §§ 280, 286 BGB gerechtfertigt. Allerdings kann ein Eintritt des Verzuges im Sinne von § 286 BGB am 10.10.2010, wie beantragt, nicht festgestellt werden. Die Klägerin hat der Beklagten zwar per E-Mail, was gemäß § 126b BGB genügt, am 8.9.2010 eine Rechnung zukommen lassen. Dennoch kam die Beklagte nicht einen Monat später in Verzug, weil sie gemäß § 13 BGB Verbraucherin ist und sie deshalb gemäß § 286 III, 2. Halbsatz BGB hätte besonders belehrt werden müssen, was aber nicht geschehen ist (Blatt 9 d.A.). Jedoch hat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 29.10.2010 (Blatt 10 d.A.) eindeutig zur Zahlung aufgefordert, was als Mahnung im Sinne des Gesetzes ausreichend ist. Mangels näherer Angaben zum Zugang dieses Schreibens ist mithin davon auszugehen, dass der Verzug vom 31.10.2010 bis zum 5.8.2012 andauerte, da die Zahlung am 6.8.2012 erfolgte.III.Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 97 I und II, 344, 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren unbeschadet § 344 ZPO auch insoweit gemäß § 97 II ZPO zum Teil der Klägerin aufzuerlegen, als es in erster Instanz unbestritten war, dass der Anspruch gegen die Versicherung verjährt war (vergleiche Urteil des Amtsgerichts, S. 7 = Blatt 109 d.A.; ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung ist nicht gestellt worden). Selbst in der Berufungsbegründung hat die Klägerin noch ausgeführt, hätte die Beklagte dieser Aufforderung Folge geleistet, hätte sie sich – bei Ablehnung der Kostenübernahme durch die RSV noch rechtzeitig und lange Zeit vor Ablauf der Verjährung – mit ihrer RSV auseinandersetzen können.Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zum 6.11.2012 2.383 €, danach 268,90 € (§§ 43 I, 48 I GKG, 6 S. 1 ZPO)Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht.
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