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Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 20.10.2009 (39 C 491/09) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
2I.
3Von einer Sachverhaltsdarstellung wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 542 Abs. 2 ZPO, abgesehen.
4II.
5Die Berufung der Verfügungsklägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
6Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet, da die Verfügungsklägerin das Vorliegen der Voraussetzungen eines Verfügungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht hat.
71.)
8Als Anspruchsgrundlage für den mit der Verfügungsklage geltend gemachten Anspruch auf Unterbrechung der Stromzufuhr kommt – entgegen der Ansicht der Verfügungsklägerin - § 8 der ergänzenden Bedingungen der O GmbH zur NAV (i. V. m. § 21 NAV) nicht in Betracht.
9Bei den am 01.04.2007 in Kraft getretenen ergänzenden Bedingungen der O GmbH zur NAV handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB. Zwar dürfte zwischen den Parteien des Rechtsstreits gem. § 3 Abs. 2 Nr. 1 NAV ein Anschlussnutzungsverhältnis bestehen, die Verfügungsklägerin hat aber nicht dargelegt, dass ihre ergänzenden Bedingungen zur NAV Bestandteil dieses Anschlussnutzungsverhältnisses geworden sind (§ 305 Abs. 2 BGB bzw. § 305a BGB). Um ihre ergänzenden Bedingungen wirksam in bestehende Altverträge einzubeziehen, hätten diese bei Inkrafttreten der NAV (oder zu einem späteren Zeitpunkt) den Anschlussnehmern übersandt oder in sonstiger Form zur Kenntnis gebracht werden müssen (Palandt/Grüneberg, § 305 BGB Rn. 48). Dass dies geschehen sei, hat die Verfügungsklägerin nicht behauptet.
10Die nach § 4 Abs. 2 S. 2 NAV vorgeschriebene Veröffentlichung auf der Internetseite des Netzbetreibers ist für eine wirksame Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers in bestehende Altverträge nicht ausreichend. Insofern regelt die von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für den Netzanschluss und dessen Nutzung für die Elektrizitätsversorgung in Niederspannung ausschließlich die den Netzbetreibern gegenüber ihren Kunden obliegenden Informationspflichten. Mangels entsprechender Ermächtigung (vgl. §§ 11 Abs. 2, 18 Abs. 3, 21b Abs. 4, 24 und 48 Abs. 2 EnWG) konnte und wollte der Verordnungsgeber bei Erlass der NAV aber nicht die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Verträge modifizieren.
112.)
12Der mit der Verfügungsklage geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht auf § 24 NAV stützen.
13Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 NAV (unmittelbare Gefahr für die Sicherheit von Personen oder Sachen von erheblichem Wert, Anschlussnutzung unter Umgehung von Messeinrichtungen oder Störungen anderer Anschlussnehmer bzw. von Einrichtungen des Netzbetreibers) liegen offensichtlich nicht vor.
14Auch die Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung des Verfügungsbeklagten gegenüber der Verfügungsklägerin oder dem Grundversorger, die den Netzbetreiber gem. § 24 Abs. 2 NAV bzw. § 24 Abs. 3 NAV i. V. m. § 19 Abs. 2 StromGVV zur Unterbrechung der Anschlussnutzung berechtigen könnte, ist nicht glaubhaft gemacht. Nur ergänzend und vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass die in § 24 Abs. 2 NAV bzw. § 19 Abs. 2 StromGVV vorgesehene vorherige Androhung der Unterbrechung im vorliegenden Fall auch nicht entbehrlich gewesen wäre. Der Zweck der vorherigen Androhung der Unterbrechung erschöpft sich nämlich nicht, wie die Verfügungsklägerin meint, darin, dass sich der Anschlussnutzer auf die Zutrittsgewährung einrichten kann, vielmehr soll dem Verbraucher noch eine Möglichkeit gegeben werden, seine Zuwiderhandlungen einzustellen, insbesondere seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, um auf diese Weise die drohende Anschlusssperrung abzuwenden.
15Die Argumentation der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung, der Anschluss des Verfügungsbeklagten sei schon aus Billigkeitsgründen zu sperren, da ansonsten ein Strombezug auf Kosten der Allgemeinheit nicht verhindert werden könne, überzeugt schon deshalb nicht, weil derjenige, der aus dem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität entnimmt, die Realofferte des Versorgungsunternehmens durch sozialtypisches Verhalten annimmt und daher selbst bei einem ausdrücklichen Widerspruch das tarifliche Entgelt zahlen muss (Palandt/Ellenberger, Einf. vor § 145 Rn. 27). Auch ein entgegenstehender Wille des Versorgers dürfte, wie sich aus § 2 Abs. 2 StromGVV ergibt, unbeachtlich sein. Insofern ist es dem Lieferanten unbenommen, vom Verfügungsbeklagten das für dessen Strombezug geschuldete Entgelt zu verlangen und im Falle der Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen die in der StromGVV vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen.
163.)
17Auch § 1004 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB kommt vorliegend nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht.
18Eine direkte Anwendung von § 1004 BGB scheidet schon deshalb aus aus, weil die Entnahme von Strom aus dem Netz der Verfügungsklägerin das Eigentum an dem Stromleitungsnetz nicht beeinträchtigt.
19Da der elektrische Strom kein körperlicher Gegenstand (sondern eine Bewegung von Ladungsträgern) und damit nicht eigentumsfähig ist (so schon das Reichsgericht, Urteil vom 20.10.1896, Rev. 2609/96, RGSt 29, 111), kann durch die Entziehung elektrischer Energie Eigentum der Verfügungsklägerin nicht beeinträchtigt sein.
20Zwar werden entsprechend § 1004 BGB auch sonstige absolute Rechte im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB (hierzu Palandt/Sprau, § 823 BGB Rn.11 ff.) geschützt. Die Verfügungsbefugnis über elektrische Energie stellt aber kein derartiges absolutes Recht dar. Vorliegend sind in erster Linie Vermögensinteressen der Verfügungsklägerin betroffen. Das Vermögen als solches ist aber gerade kein absolutes Rechts im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.
21Endlich scheidet auch § 1004 BGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage aus. Als verletztes Schutzgesetz käme hier allenfalls § 248c StGB in Betracht. Das Verhalten des Beklagten erfüllt aber schon nicht den objektiven Tatbestand des § 248 c StGB, da die vertragswidrige Nutzung eines ordnungsmäßigen Leiters nicht strafbar wäre.
22III.
23Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
24Streitwert: 1.500 €