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Die Berufung des Beklagten gegen das am 12.10.2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wuppertal (35 C 108/00) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
2Die zulässige Berufung ist unbegründet.
3Das erstinstanzliche Gericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Vergütung gem. § 611 BGB in Höhe von 1.096,10 DM zusteht.
4Der Vertrag ist nicht gem. § 138 BGB im Hinblick auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Anrufe zu Sondernummern mit der Vorwahl 0190 sittenwidrig.
5Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB erfordert, dass ein Rechtsgeschäft gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, wobei der Begriff der guten Sitten durch die herrschende, anerkannte Rechts- und Sozialmoral inhaltlich bestimmt und diesbezüglich ein durchschnittlicher Maßstab anzulegen ist.
6Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Telefonsex als sittenwidrig anzusehen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während der BGH (BGH NJW 1998, 2895) und die Oberlandesgerichte Düsseldorf (MMR 1999, 556) und Stuttgart (MMR 1999, 482) die Sittenwidrigkeit von Telefonsex bejahen ist nach Auffassung des LG Hamburg (NJW RR 1997, 178), des OLG Hamm (NJW 1995, 2797) und nunmehr auch OLG Köln (MMR 2001, 43) nicht generell sittenwidrig.
7Zwar spricht vieles dafür, die Sittenwidrigkeit von Telefonsex zu verneinen. Nach heutigen Wertvorstellungen kann allein der Umstand, dass bei Telefonssex Sexualität zur Ware gemacht und kommerziell ausgenutzt wird, noch nicht die Sittenwidrigkeit begründen.
8Auch der BGH hatte in seiner Entscheidung vom 09.06.1998 (NJW 1998, 2895, 2896) ausgeführt, dass es eines besonderen Umstandes bedarf, um Telefonsex als sittenwidrig erscheinen zu lassen. Es wurde gerade nicht allein als ausreichend erachtet, dass ein bestimmtes Sexualverhalten des Kunden kommerziell ausgenutzt wird. Vielmehr wurde in dem vom BGH zu entscheidenden Fall das Sittenwidrigkeitsmoment gerade darin gesehen, dass die jeweilige Mitarbeiterin des Anbieters von Telefonsex als Person herabgewürdigt und Aspekte des Jugendschutzes beeinträchtigt werden.
9Als den für die Beurteilung von Telefonsex maßgeblichen Aspekt hat das OLG Köln (Entscheidung vom 15.09.2000, MMR 2001, 43) nunmehr festgestellt, dass eine solche Herabwürdigung der Operator nicht ohne weiteres vorliegt und auch Aspekte des Jugendschutzes nach den aktuellen Vorkehrungen nicht verletzt sind.
10Die Sittenwidrigkeit von Telefonsex kann daher nur bejaht werden, wenn zugleich schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit verletzt werden. Dies vermag die Kammer – dem OLG Köln folgend- weder für Telefonsex im Allgemeinen noch für die von dem Beklagten beanstandeten Anrufe zu Sondernummern feststellen.
11Insbesondere werden die Mitarbeiterinnen eines Anbieters von Telefonsex nicht in einer der Prostitution oder der Peepshow vergleichbaren Weise zum bloßen Objekt herabgewürdigt und ihre Intimsphäre zur bloßen Ware gemacht. Ein körperlicher oder auch visueller Kontakt findet gerade nicht statt. Die Gesprächspartnerin des Kunden gibt auch nicht ihren Intimbereich preis und kann sich gerade ohne Einfluss des Kunden unangenehmen und entwürdigen Gesprächen entziehen.
12Vorliegend ist jedoch maßgebend darauf abzustellen, dass sich die Klägerin darauf beschränkt, ihr Mobilfunknetz bereitzustellen. Der Umfang des Vertragsinhalts zwischen der Klägerin und dem Beklagten bezog sich auf das Bereitstellen des Mobilfunknetzes, wobei die Klägerin als Dienst die Nutzung anbietet. Es handelt sich bei den Anschlüssen mit den 0190 Vorwahlnummern um Anschlüsse im Festnetz der deutschen Telekom. Durch das Bereitstellen von Verbindungen zu diesen Anschlüssen, liegt jedoch kein sittenwidriges Rechtsgeschäft der Klägerin vor. Eine Ver
13tragsbeziehung zwischen der Klägerin und den Telefonsexanbieten besteht nicht.
14Im Gegensatz zu dem vorbenannten Urteil des BGH betreibt die Klägerin kein Inkasso für die Telefonsexanbieter, sondern stellte dem Beklagten lediglich die Kosten für die Verbindung in das Festnetz der Telekom in Rechnung. Diese von der Klägerin erbrachte Dienstleistung ist unabhängig von der Frage der Sittenwidrigkeit des Vertragsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Dienstleister –über die vorliegend nicht zu entscheiden war- aber wertneutral. Es handelte sich lediglich um ein Hilfsgeschäft, das nicht der objektiven Förderung und Ermöglichung des Telefonsexes dienen soll (LG Hannover, Entscheidung vom 09.05.2000). Ein untergeordnetes Hilfsgeschäft ist nämlich immer dann anzunehmen, wenn zwischen dem Netzbetreiber und dem Telefonsexanbieter ein nur entfernter Zusammenhang besteht.
15Des weiteren ergibt sich gerade aus dem vom Beklagten vorgelegten Auszug aus dem Telefonbuch, dass es sich bei dieser Vorwahlnummer nicht per se um Nummern von Telefonsexanbietern handelt, sondern auch um andere allgemeine Serviceeinrichtungen. Unter dieser Nummer werden zudem auch reine Dating-Lines angeboten. Hierbei werden durch den Dienstanbieter verschiedene ihm unbekannte Gesprächspartner auf einer Plattform zusammengeschaltet. Der Dienstanbieter hat in diesen Fällen auch keinerlei Einfluss darauf, welchen Inhalt die jeweiligen Gespräche haben. Dies zeigt gerade, wie fließend die Grenze zwischen dem teilweise als moralisch anstößig betrachteten Telefonsex und sonstigen Dating-Lines ist. Des weiteren steht auch nicht fest, ob es sich im vorliegenden Fall überhaupt um Telefonsexanbieter handelte.
16Damit war auch die Widerklage als unbegründet abzuweisen. Auf die vom Beklagten behaupteten Gesundheitsbeeinträchtigungen kommt es folglich nicht an.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
18Beschwerdewert bis zum 17.01.2001: DM 8.586,13
19ab dem 18.01.2001: DM 6.096,10
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