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1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung gegen sich abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
2Die Kläger sind Mitglieder der beklagten WEG. Laut Beschluss der Eigentümerversammlung der Beklagten vom 05.07.2018 können Protokolle von Eigentümerversammlungen im Webportal durch die Verwaltung bereitgestellt werden. Die Erneuerung von Außenfenstern der Liegenschaft der Beklagten wurde im Rahmen der notwendigen Instandhaltung erforderlich. Auf der Eigentümerversammlung vom 18.06.2019 wurde beschlossen, dass der Privatsachverständige S. die Fenster begutachte und einen Priorisierungsplan nach Dringlichkeit erstelle. Dies erfolgte im Verlauf des Jahres 2020. In der folgenden Eigentümerversammlung am 17.11.2021 wurde beschlossen, dass der Sachverständige S. eine Ausschreibung für die Fenstererneuerung erstelle, Angebote einhole und einen Preisspiegel fertige. Der Sachverständige erstellte ein Leistungsverzeichnis, mit dem entsprechende Angebote angefragt wurden. Darin war auch spezifiziert, welche Art von Fenstern in welcher Ausführung eingebaut werden sollen. Die Ausarbeitungen des Sachverständigen S. wurden in das Webportal der Beklagten eingestellt. In der Eigentümerversammlung am 09.06.2022 beschlossen die Eigentümer sodann unter TOP 9, die Verwaltung zu ermächtigen, die Erneuerung der Fensteranlagen nach bestimmten Maßgaben zu beauftragen, wobei der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 bei 35.000,00 EUR liegen sollte. Wegen der Einzelheiten wird auf das Beschlussprotokoll, Anl. B01, Seite 18, Bl. 118 d.Akt., Bezug genommen.
3Die Kläger behaupten, die Prioritätenlisten und die gutachterliche Stellungahme Krämer sowie das Angebot der Firma U. hätten ihnen und der Gemeinschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorgelegen. Sie sind der Auffassung, sie hätten keinerlei Kostenkontrolle darüber, in welcher Höhe Kosten für ein Fenster ausgegeben würden und ob innerhalb einer Reihenfolge dringend instandsetzungsbedürftige Fenster erneuert werden oder willkürlich danach dem Prinzip „wer zuerst kommt“. Auch welches Unternehmen beauftragt werden, könne die Gemeinschaft nicht kontrollieren.
4Die Kläger beantragen,
5die in der Eigentümerversammlung vom 09.06.2022 zu dem Tagesordnungspunkt 9 (Erneuerung der Fenster) gefassten Beschlüsse für unwirksam zu erklären.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Entscheidungsgründe
9Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch unbegründet.
10Der Beschluss zu TOP 9 der Eigentümerversammlung vom 09.06.2022 ist nicht gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 WEG für ungültig zu erklären.
11Soweit die Kläger rügen, dass ihnen oder anderen Eigentümern Unterlagen zum Zeitpunkt der Beschlussfassung, insbesondere der Priorisierungsplan, nicht vorgelegen hätten, dringen sie hiermit nicht durch. Denn die erforderlichen Unterlagen waren auf dem Webportal der Beklagten bereitgestellt. Hierauf wurde in der Einladung zur Eigentümerversammlung hingewiesen (vgl. Anl. K1, TOP 9, Bl. 8 d.Akt.). Aufgrund des Beschlusses vom 05.07.2018 war dies zur Bekanntmachung gegenüber den Eigentümern ausreichend.
12Der Beschluss entspricht auch im Übrigen ordnungsmäßiger Verwaltung.
13Gemäß § 27 Abs. 2 WEG können die Wohnungseigentümer die Rechte und Pflichten des Verwalters durch Beschluss erweitern. Sie können dem Verwalter insbesondere die Entscheidung über Maßnahmen der ordnungsmäßigen Erhaltung des Gemeinschaftseigentums übertragen (§ 19 Abs. 2 Nr. 2). So kann dem Verwalter die Entscheidung über umfangreichere Erhaltungsmaßnahmen zugewiesen werden, die über Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 hinausgehen. Soweit Erhaltungsmaßnahmen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten, können die Wohnungseigentümer dem Verwalter durch Beschluss für einzelne Maßnahmen Budget-Obergrenzen vorgeben. Die Grenzen zwischen Erweiterung und Konkretisierung der nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 bestehenden Kompetenz sind fließend (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 27 Rn. 47).
14In welchem Ausmaß die Gemeinschaft die Befugnisse des Verwalters erweitert, steht grundsätzlich in ihrem Ermessen. Das Gesetz bestimmt keine Grenzen. Vorstellbar ist daher, dass die Wohnungseigentümer dem Verwalter innerhalb der allgemeinen Beschlussgrenzen sämtliche Entscheidungen, die sie selbst in der Versammlung treffen müssten, übergeben (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 27 Rn. 75).
15Die Grenzen des Ermessens sind hier nicht überschritten. Dem Kontrollverlust der Gemeinschaft durch Ermächtigung des Verwalters steht als Vorteil insbesondere eine zügigere Abwicklung der Angebotseinholung und Auftragserteilung gegenüber. Hierdurch kann die erforderliche Instandsetzung von Fenstern beschleunigt werden und womöglich können auch Kosten gespart werden.
16Die Auswahl der Fenster, welche als erstes ausgetauscht werden sollen, ist grundsätzlich vorgegeben durch den Sanierungsplan, welchen die Eigentümer vor Beschlussfassung zur Kenntnis nehmen konnten. Auch wenn die Verpflichtung zur Einhaltung dieser Reihenfolge nicht explizit in den Beschluss mit aufgenommen worden ist, ergibt sich die Bindung an den Plan aus dem im Vorfeld eingeholten Plan und der Verpflichtung des Verwalters, nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung zu verfahren. Zugleich bleibt dem Verwalter jedoch auch die Möglichkeit und die Verpflichtung, bei nachträglich anfallendem dringenderen Instandsetzungsbedarf einzelner Fenster, den Plan flexibel anzupassen. Dasselbe gilt für den Fall, dass sich herausstellen sollte, dass es bei einzelnen Fenstern entgegen dem Sanierungsplan des Sachverständigen S. völlig unwirtschaftlich wäre, sie auszutauschen statt sie zu reparieren.
17Die Frage, welche Art von Fenstern eingebaut werden sollen, ergibt sich ebenfalls aus der vorangegangenen Arbeit des Privatsachverständigen S.. Dieser erstellte ein Leistungsverzeichnis, in welchem spezifiziert ist, welche Art von Fenstern in welcher Ausführung eingebaut werden soll. Auch das Leistungsverzeichnis stand im Webportal zur Verfügung. Auch diesbezüglich ist dem Verwalter eine Leitlinie an die Hand gegeben. Eine maßgeblich abweichende Ausführung wird er nur bei triftigen Gründen in Auftrag geben dürfen. Verbindlich festgelegt ist jedoch, dass die Optik der neuen Fenster den bisherigen Fensteranlagen entsprechen soll und ein Lüftungskonzept nicht in Auftrag gegeben werden soll.
18Schließlich begegnet der Beschluss auch im Hinblick auf die weitere Kostenkontrolle der Gemeinschaft keinen Bedenken. Dass die Gemeinschaft ihre Einwirkungsmöglichkeiten im Entscheidungsprozess in gewissem Umfang abgibt, liegt in der Natur der Sache bei der Ermächtigung des Verwalters.
19Die Gesamtkosten für die Gemeinschaft sind zunächst durch die Deckelung des Jahresbudgets für 2022 auf 35.000,00 EUR begrenzt. Die Kosten sollen aus der Erhaltungsrücklage finanziert werden. Dass diese Summe von der Gemeinschaft nicht zu stemmen wäre, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Eine Ermächtigung für die Folgejahre kann aufgrund der Formulierung des Beschlusses „Der Umfang des jährlichen Budgets für 2022 soll bei 35.000,00 EUR brutto liegen.“ nicht angenommen werden.
20Dass bei der Entscheidung jeweils geprüft wird, ob die Kosten ortsüblich und angemessen sind, ist durch die Vorgabe zur Einholung von drei Vergleichsangeboten gewährleistet.
21Die Kriterien, nach denen der Verwalter unter den Vergleichsangeboten auswählen soll, sind im Beschluss nicht definiert. Welches Kriterium im Einzelfall ausschlaggebend ist, z.B. Kosten, Qualität, Vertrauen in bekanntes Handwerksunternehmen, hat der Verwalter jedoch selbständig nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, an welcher er generell ebenfalls gebunden ist, zu entscheiden.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
23Streitwert: 2.394,00 EUR
24Der Streitwert ist grundsätzlich gemäß § 49 GKG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Dieses beträgt vorliegend 35.000,00 EUR. Der Beschluss ist nach Auslegung dessen Absatzes 3 begrenzt auf das Jahr 2022.
25Der Streitwert darf jedoch den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers nicht übersteigen. Der Miteigentumsanteil der Kläger beträgt 912/100.000, sodass sich ein Maximalwert von 35.000,00 EUR x 912/100.000 x 7,5 = 2.394,00 EUR ergibt.
26Rechtsbehelfsbelehrung:
27A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
281. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
292. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
30Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
31Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber Landgericht Düsseldorf zu begründen.
32Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
33Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
34B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Wuppertal statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Wuppertal, Eiland 2, 42103 Wuppertal, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
35Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
36Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
37Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
38Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.