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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung jeweils abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, sofern nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand:
2Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse auf Rückzahlung erhobener Kontoführungsgebühren bis einschließlich November 2021 in Anspruch.
3Zu einem Zeitpunkt vor dem Jahr 2003 eröffnete die Klägerin bei der Beklagten ein kostenloses Girokonto.
4Grundlage des Vertrags waren die AGB der Beklagten. Diese enthielten Klauseln zur Zustimmungsfiktion zu vertraglichen Änderungen, wie sie der BGH in seinem Urteil vom 27.04.2021 (XI ZR 26/20) für unwirksam erachtet hat. Nach den Klauseln kann die Zustimmung des Kunden zu einer Änderung der AGB und der Entgelte für typischerweise dauerhaft in Anspruch genommene Dienste als erteilt gelten, wenn der Kunde auf eine entsprechende Mitteilung zu einer geplanten Änderung zwei Monate lang schweigt. Wegen der Einzelheiten zum Inhalt der Klauseln wird auf das o.g. Urteil des BGH verwiesen.
5Auf der Grundlage der AGB bot die Beklagte der Klägerin in verschiedenen Jahren die Erhöhung der Kontoführungsgebühren an. In der Folge zog sie die Gebühren entsprechend ein, nachdem die Klägerin auf die Mitteilung nicht reagiert hatte. Auf diese Weise erhob die Beklagte folgende monatliche Entgelte:
6 ab dem 01.01.2003: 5,25 EUR
7 ab dem 01.08.2015: 7,90 EUR
8 ab dem 01.07.2019: 9,90 EUR
9Die erhobenen Entgelte konnte die Klägerin ihren jeweils am Monatsende erstellten Saldoabschlüssen entnehmen.
10Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 30.11.2021 auf, ihr die erhobenen Entgelte zurück zu zahlen. Dem kam die Beklagte zunächst nicht nach.
11Nach Klagezustellung am 25.01.2022 zahlte die Beklagte der Klägerin 16,00 EUR auf ihre Forderung.
12Die Klägerin ist der Ansicht, die Kontoführungsgebühren seien ohne Rechtsgrund erhoben worden.
13Sie beantragt:
14Die Beklagte wird verurteilt, 886,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
1563,00 EUR (Januar bis Dezember 2012) seit 01.01.2013
1663,00 EUR (Januar bis Dezember 2013) seit 01.01.2014
1763,00 EUR (Januar bis Dezember 2014) seit 01.01.2015
1831,50 EUR (Januar bis Juni 2015) seit 01.07.2015
1947,40 EUR (Juli bis Dezember 2015) seit 01.01.2016
2094,80 EUR (Januar bis Dezember 2016) seit 01.01.2017
2194,80 EUR (Januar bis Dezember 2017) seit 01.01.2018
2294,80 EUR (Januar bis Dezember 2018) seit 01.01.2019
2347,40 EUR (Januar bis Juni 2019) seit 01.07.2019
2459,40 EUR (Juli bis Dezember 2019) seit 01.01.2020
25118,80 EUR (Januar bis Dezember 2020) seit 01.01.2021
26108,90 EUR (Januar bis November 2021) seit 01.12.2021
27an die Klägerin zu zahlen.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Unter Erhebung der Einrede der Verjährung meint sie, die Kontoführungsgebühren seien jedenfalls konkludent vereinbart worden. Hilfsweise beruft sie sich darauf, ihrerseits einen zu saldierenden Wertersatzanspruch für die von ihr erbrachten Leistungen zu haben.
31Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 17.11.2022 gab keinen Anlass, die am 17.11.2022 ordnungsgemäß geschlossene mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
32Entscheidungsgründe:
33Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.
34I.
35Der Klageantrag ist gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass die geltend gemachten Zinsen jeweils aus dem für die verschiedenen Erhebungszeiträume genannten Beträgen geltend gemacht werden sollen. Nur so verstanden entspricht der lückenhafte Antrag dem offenkundigen Begehren der Klägerin.
36II.
37Die Klage ist nur teilweise begründet.
38Der Klägerin steht ein Anspruch auf Rückzahlung von 42,00 EUR aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Fall BGB zu, weil die Klägerin zwischen Juli 2019 und November 2021 monatlich 2,00 EUR ohne Rechtsgrund an die Beklagte gezahlt hat.
39Rechtsgrund der Zahlung war nicht der zwischen den Parteien bestehende Zahlungsdiensterahmenvertrag. Auf dessen Grundlage schuldete die Klägerin der Beklagten einen monatlichen Betrag von 7,90 EUR, nicht aber von 9,90 EUR.
40Die Parteien schlossen zwar zunächst einen gebührenfreien Vertrag ab. Dieser wurde indes nachträglich zwischen den Parteien dadurch geändert, dass die Beklagte der Klägerin die Erhebung (und später Erhöhung) der Entgelte anbot und die Klägerin dieses Angebot durch die widerspruchslose Zahlung des Entgelts über einen Zeitraum von 3 Jahren annahm.
41Das Schweigen der Klägerin auf die angebotenen Entgelterhöhungen der Beklagten konnte nicht bereits nach Ablauf von zwei Monaten als Zustimmung qualifiziert werden. Die dahingehende in den AGB der Beklagten vereinbarte Fiktionswirkung ist nach der Rechtsprechung des BGH, der sich das erkennende Gericht anschließt, unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2021, XI ZR 26/20).
42Ist aber eine Klausel unwirksam, so tritt an Ihre Stelle grundsätzlich das Gesetz, mithin hier die §§ 145 ff. BGB. Nach diesen allgemeinen vertragsrechtlichen Regelungen ist es grundsätzlich möglich, dass ein Handeln der Parteien in Abweichung von zuvor getroffenen Vereinbarungen über einen langen Zeitraum zu einer Änderung der vorherigen Vereinbarung führen kann. So ist es nach der Rechtsprechung des BGH etwa möglich, einen ursprünglich vereinbarten Umlageschlüssel dadurch zu ändern, dass jahrelang Betriebskosten gezahlt werden, die auf einem anderen Umlageschlüssel beruhen (s. hierzu: Blank/Börstinghaus, Miete,6. Auflage 2020, § 556 BGB, Rn. 111 f m.w.N.). Es ist auch anerkannt, dass Gesellschaftsverträge durch abweichende Übung konkludent geändert werden können.
43Ist die konkludente Änderung grundsätzlich möglich, ist es im hiesigen Fall angemessen, im Hinblick auf die erforderliche Dauer der abweichenden Übung auf die Grundsätze der vom BGH zu Energiesparverträgen entwickelten sogenannten „Dreijahreslösung“ zurückzugreifen. Dies entspricht bei einer ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Maßstäbe der §§ 145 ff. BGB einem angemessenen Ausgleich der Parteiinteressen. Nach der „Dreijahreslösung“ kann der Kunde sich nicht gegen eine Preiserhöhung wenden, wenn er diese nicht binnen drei Jahren ab dem Zeitpunkt der ersten Abrechnung beanstandet hat (vgl. zuletzt: BGH, Urteil vom 10.03.2021 – VIII ZR 200/18).
44Auch wenn die „Dreijahreslösung“ unmittelbar aufgrund der Besonderheiten der Energieversorgung entwickelt wurde, ist ihr Grundgedanke auch auf die auf lange Sicht angelegten Zahlungsdiensterahmenverträge übertragbar. Auch hier widerspricht der Kunde über einen erheblichen Zeitraum den erhobenen Entgelten nicht, obwohl ihm durch die monatlichen Saldoabschlüsse stets vor Augen geführt wird, dass er das (erhöhte) Entgelt zahlt. Wehrt sich der Kunde hiergegen nicht, obwohl ihm jahre- oder gar jahrzehntelang jeden Monat vor Augen geführt wird, dass er ein bestimmtes monatliches Entgelt zahlt, ist es nicht gerechtfertigt, die Untätigkeit des Kunden uneingeschränkt zu seinen Gunsten zu verwenden. Vielmehr darf die andere Vertragspartei das Schweigen des Kunden nach Ablauf von drei Jahren als Zustimmung zu den erhobenen Entgelten verstehen.
45Dies vorausgeschickt, betrug die zwischen den Parteien vereinbarte Kontoführungsgebühr die folgende jeweilige Höhe:
465,25 EUR ab dem 01.01.2006 (3 Jahre nach 01.01.2003)
7,90 EUR ab dem 01.08.2018 (3 Jahre nach dem 01.08.2015)
Ein Entgelt in Höhe von 9,90 EUR wurde zwischen den Parteien hingegen nicht mehr wirksam vereinbart. Der Dreijahreszeitraum für die Erhöhung zum 01.07.2019 wäre erst mit dem 30.06.2022 abgelaufen. Die Klägerin hat aber bereits mit Schreiben vom 30.11.2021 die Rückzahlung der Gebühren gefordert und damit konkludent der Erhöhung widersprochen.
50Zwischen Juli 2019 und November 2021 (29 Monat) hat die Klägerin deshalb 2,00 EUR pro Monat zu viel an die Beklagte gezahlt.
51Den sich daraus ergebenden Anspruch der Klägerin in Höhe von 58,00 EUR hat die Beklagte durch ihre Zahlung von 16,00 EUR bereits teilweise im Sinne von § 362 BGB erfüllt.
52Gegen den daraus verbleibenden Anspruch in Höhe von 42,00 EUR kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, zu ihren Gunsten sei ein Wertersatzanspruch für die erbrachte Dienstleistung in Höhe von 9,90 EUR zu saldieren, weil dieser dem objektiven Wert der Dienstleistung entspreche. Der objektive Wert der zu saldierenden erbrachten Leistung wird durch das vereinbarte Entgelt begrenzt (BGH, Urteil vom 07. 03. 2013 – III ZR 231/12). Dieses betrug nach dem oben Gesagten nur 7,90 EUR.
53Auf die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung kommt es im vorliegenden Fall nicht an, weil die Ansprüche erst in unverjährter Zeit, nämlich ab Juli 2019, entstanden sind.
54Der von der Beklagten geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf § 818 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat demnach die gezogenen Nutzungen aus den zu Unrecht vereinnahmten Entgelten herauszugeben. Bei einem Kreditinstitut wird vermutet, dass Nutzungen in Höhe des üblichen Verzugszinssatzes i.S.v. § 288 BGB gezogen werden. Die Klägerin hat diese Nutzungen für die ab Juli 2019 von der Beklagten erhobenen Gebühren nicht ab dem jeweiligen Erhebungsmonat, sondern erst ab dem 01.01.2020 geltend gemacht.
55Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
56Der Streitwert wird auf 886,80 EUR festgesetzt.
57Rechtsbehelfsbelehrung:
58Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
591. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
602. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
61Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils bei dem Landgericht Wuppertal, Eiland 1, 42103 Wuppertal, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
62Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils gegenüber dem Landgericht Wuppertal zu begründen.
63Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Wuppertal durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
64Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
65Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
66Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
67Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.