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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.261,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2020 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits tragen die Beklagte zu 27 % und im Übrigen der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte selbst Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von Beiträgen zu seiner Privaten Krankenversicherung in Anspruch.
3Der Kläger ist bei der Beklagten seit 2011 privat krankenversichert, und zwar ursprünglich in den Tarifen:
4- AM0 (ambulante ärztliche Leistungen …)- ZM3 (Zahnbehandlung …)- SM6 (stationäre Behandlung)- PVN (private Pflegeversicherung)
5- R10 (gesetzlicher Beitragszuschlag zur Krankenkostenversicherung) sowie- TN 3 (Krankenhaustagegeldversicherung).
6Der anfängliche Beitrag belief sich auf 654,15 € monatlich.
7Mit Schreiben aus dem November 2011 (Anlage BLD5, Blatt 131 ff. d. GA) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Beitragsänderung ab dem 01.01.2011. Im Text heißt es:
8„Mit Ihrer privaten Krankenversicherung bei der … können Sie sich auf die vertraglichen Leistungen jetzt und in Zukunft verlassen.
9Damit wir Ihnen diese Sicherheit dauerhaft gewährleisten können, müssen wir die Kalkulationsgrundlagen jährlich durch einen unabhängigen Treuhänder überprüfen lassen. Die aktuelle Prüfung hat ergeben, dass wir in einigen Tarifen unsere Beiträge stabil halten oder sogar senken können. In anderen Tarifen ist dagegen eine Erhöhung der Beiträge notwendig.“
10Geändert wurde der Beitrag für die private Pflegepflichtversicherung (PVN) durch Senkung um 0,82 € monatlich und erhöht der Tarif für die Krankentagegeldversicherung TN3 um + 7,96 €. Der sodann gesamt zu zahlende monatliche Beitrag belief sich auf 661,29 €. Für die Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben Bezug genommen. Diesem Schreiben beigefügt war der Informationsbrief der … mit der Überschrift „Wie mit Beitragsanpassungen der Wert Ihrer Privaten Krankenversicherung steigt“ (Blatt 135 ff. d. GA).
11Mit Schreiben aus dem Februar 2013 (Anlage zur Klageschrift und Anlage BLD5, Blatt 139 f. d. GA) erhöhte die Beklagte erneut die Beiträge für die private Krankenversicherung des Klägers ab 01.01.2013. Für die Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben Bezug genommen. Diesem Schreiben lag der Infobrief der Beklagten mit dem Titel „Beitragsanpassungen garantieren dauerhaft Qualitätsmedizin auf hohem Niveau“ (Blatt 144 ff. d. GA) bei. Die Beklagte erhöhte zum 01.04.2013 die Tarife AM0 um + 27,99 € monatlich, SM6 um + 26,22 € monatlich und den gesetzlichen Zuschlag R10 um 5,41 € monatlich. Danach betrug der insgesamt monatlich zu zahlende Beitrag 722,22 €.
12Mit Schreiben vom Februar 2014 (Anlage zur Klageschrift, Blatt 18 ff. sowie Anlage BLD3, Blatt 148 ff. d. GA) erhöhte die Beklagte die Beiträge zum 01.04.2014 in den Tarifen ZM3 um + 7,39 €. Sie senkte den Tarif PVN um - 0,82 €, hob den gesetzlichen Zuschlag R10 an um + 7,40 € und erhöhte das Tagegeld im Tarif TN3 um + 3,71 €, so dass hinterher insgesamt 734,05 € zu zahlen waren. Für die Einzelheiten wird auf das vorgenannte Erhöhungsschreiben Bezug genommen. Diesem lag der Infobrief der Beklagten bei mit der Überschrift „Beitragsanpassungen garantieren dauerhaft Qualitätsmedizin auf hohem Niveau“, der Blatt 153 ff. d. GA bildet.
13Durch Schreiben vom November 2014 (Anlage zur Klageschrift, Anlage BLD3, Blatt 13 d. GA) erhöhte die Beklagte den Krankenversicherungsbeitrag im Tarif PVN ab 01.01.2015 um + 4,02 €, so dass sich ein neuer monatlicher Gesamtbeitrag in Höhe von 738,07 € ergab. Für die Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben Bezug genommen.
14Durch weiteres Schreiben vom November 2016 (Anlage zur Klageschrift, Anlage BLD3, Blatt 9 ff. d. GA) erhöhte die Beklagte die Beiträge, und zwar im Tarif PVN um weitere + 7,14 €, so dass insgesamt 745,21 € monatlich zu zahlen waren.
15Schließlich erhöhte die Beklagte durch weiteres Schreiben vom Februar 2017 (Anlage zur Klageschrift, Anlage BLD3, Blatt 6 ff. d. GA) zum 01.04.2017 die Beiträge, und zwar im Tarif ZM3 um + 4,79 € und im gesetzlichen Zuschlag R10 um + 0,47 €, so dass insgesamt ein Beitrag von 750,47 € zu zahlen war. Für die Einzelheiten wird auf das vorgenannte Schreiben Bezug genommen.
16Die nachfolgende Tabelle fasst die Veränderungen zusammen.
17Alt |
01.01.12 |
01.04.13 |
01.04.14 |
01.01.15 |
01.01.17 |
01.04.17 |
|
AM0 |
338,45 |
+ 27,99 |
|||||
ZM3 |
64,36 |
+ 7,39 |
+ 4,79 |
||||
SM6 |
143,96 |
+ 26,22 |
|||||
PVN |
24,20 |
- 0,82 |
+ 4,02 |
+ 7,14 |
|||
R10 |
54,69 |
+5,41 |
+ 0,74 |
+ 0,47 |
|||
TN3 |
28,49 |
+ 7,96 |
+ 3,71 |
||||
Ges. |
654,15 |
661,29 |
722,22 |
734,05 |
738,07 |
745,21 |
750,47 |
o. PV |
654,15 |
661,29 |
722,22 |
734,87 |
734,87 |
734,87 |
740,13 |
Seit 01.04.2018 wurden die Tarife für den Kläger komplett umgestellt. Er zahlt seitdem einen niedrigeren Beitrag.
19Mit der Klageerwiderung vom 08.02.2021 hat die Beklagte dargelegt, dass alle Beitragsanpassungen aufgrund gestiegener Leistungsausgaben erfolgt seien. Im jeweils konkreten Fall hätten die erforderlichen Versicherungsleistungen keine Versicherungsleistungen um mehr als 10 % überstiegen, zumindest aber um mehr als 5 %. Für die Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Tabelle auf Seite 5 der Klageerwiderung (Blatt 50 d. GA).
20Die Beklagte legt als Anlage BLD3 die Beitragsberechnungsbögen für den Tarif TN3 43 zum 01.01.2012 (Blatt 123 d. GA) zum Tarif AM0 zum 01.01.2013 (Blatt 124 d. GA), zum Tarif SM6 zum 01.01.2013 (Blatt 125 d. GA), zum Tarif ZM3 zum 01.04.2017 (Blatt 126 d. GA) vor. Sodann trägt die Beklagte zur materiellen Wirksamkeit der Beitragsanpassungen vor unter V. auf Seite 11 der Klageerwiderungsschrift (Blatt 56 ff. d. GA). Für die Einzelheiten wird auf den dortigen Vortrag Bezug genommen.
21Der Kläger ist der Auffassung, die vorgenannten Beitragserhöhungsschreiben der Beklagten würden nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen. Ihnen sei insbesondere nicht zu entnehmen, dass die Erhöhungen wegen Veränderungen der Rechnungsgrundlage erfolgten. Die Erhöhungen seien daher formell unwirksam.
22Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger zunächst die Rückzahlung der Versicherungsbeiträge in Höhe der Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten monatlichen Gesamtbetrag von 654,15 € zu dem zum Schluss geltenden Monatsbeitrag in Höhe von 750,47 € geltend gemacht, und zwar für den Zeitraum 01.01.2017 bis einschließlich 31.03.2018 in Höhe von 1.444,80 €.
23Mit Schriftsatz vom 09.03.2021 hat der Kläger die Zahlungsklage zurückgenommen, soweit die Beitragserhöhungen auf einer Erhöhung des Beitrages für die Pflegeversicherung (PVN) beruhten, da insoweit der Rechtsweg zu den Zivilgerichten nicht gegeben sei. Für die Einzelheiten wird auf den vorgenannten Schriftsatz Bezug genommen.
24Der Kläger behauptet, durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26.05.2020 die Beklagte aufgefordert zu haben, die zu Unrecht gezahlten Beiträge in Höhe der ursprünglichen Klageforderung bis zum 15.04.2020 zu zahlen. Insoweit begehrt er die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 1.444,80 €.
25Der Kläger bestreitet die Berechnung der Beklagten unter B I.2. der Klageerwiderungsschrift.
26Der Kläger beantragt,
271. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.261,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2020 zu zahlen;
282. festzustellen, dass die Nachträge (datiert) aus November 2011, Februar 2013, Februar 2014, November 2014, November 2016 und Februar 2017 zu der zwischen den Parteien bestehenden Versicherung (KV …) unwirksam sind;
293. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 201,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2020 zu ersetzen.
30Die Beklagte beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie erhebt die Einrede der Verjährung und rügt die fehlende Rechtswegeröffnung zum Zivilgericht, soweit Erhöhungen des Beitrages für die private Pflegeversicherung geltend gemacht werden.
33Darüber hinaus ist sie der Auffassung, die gestellten Feststellungsanträge seien inhaltlich zu unbestimmt.
34Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
35Entscheidungsgründe:
36Die Klage ist unzulässig hinsichtlich des geltend gemachten Feststellungsantrages. Dabei kann dahinstehen, dass dieser nicht hinreichend bestimmt ist, da er insbesondere weder den jeweiligen Tarif, die Höhe der Beitragsveränderung, noch den Zeitpunkt nennt, ab dem diese Beitragserhöhung wirksam werden sollte und darüber hinaus in den Nachträge von November 2015 und November 2017 um Beiträge zur Pflegeversicherung handelt, für die bereits der Rechtsweg zum Zivilgericht nicht eröffnet, da sie in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen.
37Entscheidend ist indessen, dass vorliegend das erforderliche besondere Feststellungsinteresse fehlt. Insoweit gilt der Vorrang der Leistungsklage, die der Kläger mit seinem Zahlungsantrag auch erhoben hat. Eine weitere Auswirkung für die Zukunft, über den Zeitraum hinaus, der bereits Gegenstand der Leistungsklage ist, können die Feststellungsanträge nicht entfalten, da der Kläger zum 01.04.2018 den Tarif der Krankenversicherung gewechselt hat. Eine Fortwirkung der Beitragserhöhungen auf einen Zeitraum nach dem 01.04.2018 ist ausgeschlossen.
38Die übrige Klage ist weitgehend begründet.
39Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 1.261,62 € aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB. Der Kläger hat im Zeitraum 01.01.2017 bis 31.03.2018 an die Beklagte in der vorgenannten Höhe erhöhte Krankenversicherungsbeiträge geleistet, ohne dass hierfür ein Rechtsgrund i. S. d. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB ersichtlich wäre.
40Die insoweit von der Beklagten vorgenommenen Beitragserhöhungen in den Tarifen AM0, ZM3, SM6, R10 und TN3 zum 01.01.2012, zum 01.04.2013, zum 01.04.2014 sowie zum 01.04.2017 waren formell unwirksam, da eine ordnungsgemäße Begründung i. S. d. § 203 Abs. 5 BGB nicht vorlag.
41Grundsätzlich steht der Beklagten das Recht zu, vereinbarte Beiträge zu einer Krankheitskostenversicherung einseitig zu erhöhen gemäß § 203 Abs. 2 VVG. Danach ist der Versicherer, wenn bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen ist, bei einer nicht nur als vorrübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zustimmt. Diese Voraussetzungen liegen grundsätzlich vor. Insbesondere hat unstreitig der bestellte Treuhänder die der jeweiligen Prämienanpassung zugrunde liegenden technischen Berechnungsgrundlagen erhalten, überprüft und seine Zustimmung dazu erteilt. Auch die sind materiellen Voraussetzungen für die Prämienerhöhung gemäß §§ 203 Abs. 2 S. 1, 206 Abs. 1 VVG gegeben, weil vorliegend davon auszugehen ist, dass den jeweiligen Prämienerhöhungen nicht nur als vorrübergehend anzusehende Veränderungen einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage bestanden. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen in diesem Sinne sind einerseits die Versicherungsleistungen und andererseits die Sterbewahrscheinlichkeiten.
42Vorliegend hat die Beklagte erst in der Klageerwiderung vom 08.02.2021 nachvollziehbar dargelegt, dass alle streitgegenständlichen Prämienerhöhungen auf einer Veränderung der Berechnungsgrundlage Versicherungsleistungen beruhen. Die Beklagte hat dort unter B I.2. ab Seite 5 der Klageerwiderung (Blatt 50 f. d. GA) sowie V.2. ab Seite 12 der Klageerwiderung (Blatt 57 ff. d. GA) unter Beifügung der im Tatbestand zitierten Beitragsberechnungsbögen zu jedem einzelnen Tarif und Zeitraum eine Berechnung der erforderlichen und kalkulierten Leistungen für die jeweiligen Beobachtungseinheiten vorgetragen.
43Dabei teilt der gesetzliche Zuschlag zur privaten Krankheitskostenvollversicherung (R10) das Schicksal der Tarife AM0, ZM3, SM6, nicht jedoch des Krankentagegeldtarifes (TN3), da es sich insoweit um einen gesetzlich vorgeschriebenen Zuschlag in Höhe von 10% auf die Beiträge der Krankheitskostenvollversicherung (nicht der Zusatzversicherungen) gemäß § 149 VAG handelt, der für alle seit dem 01.01.2000 Neuversicherte im Alter vom 22. bis zum 60. Lebensjahr mit dem Ziel erhoben wird, den Beitrag ab dem 65. Lebensjahr konstant zu halten.
44Das bloße pauschale Bestreiten des Klägers der materiellen Voraussetzungen für die Prämienanpassungen ist unerheblich. Es genügt insbesondere nicht den Anforderungen an die Substantiierung des Vortrages. Der Kläger als Versicherter müsste vielmehr im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast konkret darlegen, inwiefern die von der Beklagten gemachten Angaben und vorgelegten Berechnungsbögen unrichtig sein sollen (so auch LG Stuttgart, Urteil v. 12.07.2019, Aktenzeichen 3 O 442/18, juris; LG Frankfurt (Oder), Urteil v. 18.01.2018, Aktenzeichen 14 O 203/16, juris m. w. N.).
45Allerdings sind vorliegend die streitgegenständlichen Beitragserhöhungen zum 01.01.2012 im Tarif TN3, zum 01.04.2013 in den Tarifen AM0 und SM6, zum 01.04.2014 im Tarif ZM3 und zum 01.04.2017 im Tarif ZM3 formell unwirksam.
46Gemäß § 203 Abs. 5 VVG werden die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach § 203 Abs. 2 und 3 VVG zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderung und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt. Vorliegend genügen die von der Beklagten vorgelegten Begründungsschreiben aus dem November 2011, Februar 2013, Februar 2014 und Februar 2017 nicht den zu stellenden Mindestanforderungen an eine Mitteilung der maßgeblichen Gründe gemäß § 203 Abs. 5 VVG, die gesetzliche Voraussetzung für das Wirksamwerden der Prämienerhöhungen ist. Erforderlich ist insoweit, dass die private Krankenversicherung die Rechnungsgrundlage nennt, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst hat, entweder die Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen oder die Veränderung der Sterbewahrscheinlichkeit bzw. Sterbetafeln, weil die Veränderung zumindest einer dieser beiden Rechnungsgrundlagen in § 155 VAG ausdrücklich als Voraussetzung für eine Prämienanpassung normiert ist (OLG Köln, Urteil v. 28.01.2020, Aktenzeichen I-9 U 138/19, 9 U 138/19; BGH Urteil v. 16.12.2020, Aktenzeichen IV ZR 294/19; BGH Urteil v. 14.04.2021, Aktenzeichen IV ZR 36/20). Nicht ausreichend ist insofern, dass in dem Anschreiben oder in sonstigen Informationsblättern allgemein darauf hingewiesen wird, dass eine Veränderung eine der beiden genannten Rechnungsgrundlagen eine Prämienanpassung auslösen kann, ohne klar darauf hinzuweisen, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die konkret in Rede stehende Versicherungsgruppe die Prämienerhöhung ausgelöst hat. Auch eine bloße Erläuterung der allgemeinen gesetzlichen tariflichen Grundlagen reicht insoweit nicht aus (OLG Köln, a.a.O.; BGH a.a.O.).
47Vor diesem Hintergrund genügen die vorgenannten, streitgegenständlichen Beitragserhöhungsschreiben der Beklagten nicht den vorgenannten Anforderungen.
48Im Schreiben vom November 2011 (Blatt 131 d. GA) heißt es insoweit:
49„Mit Ihrer privaten Krankenversicherung bei der … können Sie sich auf die vertraglichen Leistungen jetzt und in Zukunft verlassen.
50Damit wir Ihnen diese Sicherheit dauerhaft gewährleisten können, müssen wir die Kalkulationsgrundlagen jährlich durch einen unabhängigen Treuhänder überprüfen lassen. Die aktuelle Prüfung hat ergeben, dass wir in einigen Tarifen unsere Beiträge stabil halten oder sogar senken können. In anderen Tarifen ist dagegen eine Erhöhung der Beiträge notwendig. …“
51Aus diesem Text ergibt sich gerade nicht, welche Kalkulationsgrundlage sich geändert hat, insbesondere ob die Beitragserhöhung durch eine Steigerung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen oder aber durch eine Veränderung der Sterbewahrscheinlichkeit in der entsprechenden Gruppe ausgelöst wurde. Auch dem beigefügten Informationsblatt „Wie mit Beitragsanpassungen der Wert ihrer Privaten Krankenversicherung steigt“ (Blatt 135 ff. d. GA), kann dies gerade nicht entnommen werden. Dort finden sich vielmehr lediglich allgemeine Ausführungen und eine Erläuterung der gesetzlichen Grundlagen. Welche konkrete Veränderung indessen die Beitragserhöhung notwendig macht, ergibt sich hieraus nicht.
52Das Vorgenannte gilt entsprechend für das Erhöhungsschreiben aus dem Februar 2013 (Blatt 21 d. GA). Dort heißt es: „… dass wir in diesem Jahr Ihre Beiträge deutlich erhöhen müssen. Die wesentlichen Gründe hierfür sind der medizinische Fortschritt und die damit verbundenen verbesserten Behandlungsverfahren. …“ Auch diese lediglich pauschale und formelhafte Begründung stellt keine taugliche „Mitteilung der hierfür maßgeblichen Gründe“ im Sinne des § 203 Abs. 5 VVG dar (so auch LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 18.01.2018, Aktenzeichen 14 O 203/16). Insbesondere ergibt sich aus dieser Formulierung nicht mit der erforderlichen Klarheit, dass eine Veränderung der Leistungsausgaben bzw. Versicherungsleistungen der Grund für die konkrete Beitragserhöhung ist. Gleiches gilt für das beigefügte Informationspapier mit der Überschrift „Beitragsanpassungen garantieren dauerhaft Qualitätsmedizin auf hohem Niveau“. Die dortigen Ausführungen sind vielmehr in diesem Zusammenhang kontraproduktiv, weil dort unter den wichtigsten Gründen für die Beitragsanpassungen insbesondere auch die Steigerung der Lebenserwartung genannt wird, die indessen nicht die auslösende Rechnungsgrundlage war.
53Das Vorgenannte gilt entsprechend für das Erhöhungsschreiben vom Februar 2014 (Blatt 18 d. GA). Dort heißt es zwar: „Der wesentliche Grund hierfür sind die gestiegenen Kosten für medizinische Leistungen. Medizinischer Fortschritt und ständig verbesserte Behandlungsverfahren haben ihren Preis.“. Hieraus ergibt sich gerade nicht, dass in dem entsprechenden Tarif unter Berücksichtigung der relevanten Versicherungsgruppe (z.B. Männer in der Altersgruppe von.. bis…) sich die Rechnungsgrundlage in Form der Veränderung der Leistungsausgaben und Versicherungsleistungen auch tatsächlich gestiegen ist. Die Ausführungen sind wiederum zu allgemein gehalten und zu pauschal. Erst recht ergibt sich aus dem beigefügten Informationsblatt „Beitragsanpassungen garantieren dauerhaft Qualitätsmedizin auf hohem Niveau“ (Blatt 153 ff. d. GA) wiederum, dass im Gegensatz dazu auch eine gestiegene Lebenserwartung als wichtigster Grund für die Beitragsanpassung genannt wird.
54Die beiden Schreiben vom November 2014 und November 2016 bleiben vorliegend außer Betracht, da hier insoweit lediglich der Tarif für die Pflegeversicherung erhöht wurde. Diese Tariferhöhung ist nach der teilweisen Klagerücknahme im Schriftsatz vom 09.03.2021, die mit Rücksicht auf die fehlende Rechtswegeröffnung der Zivilgerichte erfolgte, unbeachtlich.
55Das zuvor Genannte gilt indessen sinngemäß auch für das Erhöhungsschreiben aus dem Februar 2017 (Blatt 6 d. GA). Dort heißt es: „Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich immer weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Bei vielen chronischen Erkrankungen erhöhen sie die Lebensqualität …“ Hier gilt das Vorgenannte entsprechend, zumal auch insoweit durch das beigefügte Informationsblatt wiederum auch die Veränderung der Sterbewahrscheinlichkeit als weitere, widersprüchliche Rechnungsgrundlage genannt wurde, die zweifelsfrei nicht betroffen war.
56Da die in den vorgenannten Schreiben genannten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 01.01.2012, 01.04.2013, 01.04.2014 und 01.04.2017 die erforderlichen Voraussetzungen für die Mitteilung nicht erfüllen, sind die diesbezüglichen Prämienerhöhungen für den klagegegenständlichen Zeitraum 01.01.2017 bis 31.03.2018 unwirksam.
57Daran ändert sich auch nichts durch die Nachholung der ordnungsgemäßen Begründung der Prämienerhöhungen in der Klagerwiderungsschrift, da diese erst ex-nunc Wirkung entfalten kann (BGH Urteil 14.04.2021, Aktenzeichen IV ZR 36/20 Rn35, juris). Sie wurden gemäß § 203 Abs. 5 VVG erst wirksam zum Ablauf des übernächsten Monats ab Zugang dieser Mitteilung, d. h. ab Zustellung des Klageerwiderungsschriftsatzes im Februar 2021 wirksam und haben auf die streitgegenständliche Rückforderung der vorgenannten Beiträge für die abgeschlossenen Zeiträume keinen Einfluss mehr.
58Der Rückzahlungsanspruch des Klägers berechnet sich wie folgt:
59Zeitraum Januar bis März 2017ursprünglicher Beitrag ohne Pflegeversicherung (Tarif PVN)
60654,15 €
61Beitrag ab 01.01.2017 ohne PVN 734,87 €
62Differenz 80,72 €
633 Monate à 74,57 € = 242,16 €
64Zeitraum April 2017 bis März 2018
65Altbeitrag ohne PVN und R10 654,15 €
66Beitrag ab 01.04.2017 740,13 €
67Differenz 85,98 €
6812 Monate à 79,36 € = 1.031,76 €
69Rechnerischer Rückzahlungsanspruch 1.273,92 €.
70Der titulierte Betrag ist indessen beschränkt auf: 1.261,62 €,
71da das Gericht insoweit an den geringeren Klageantrag gebunden ist. Die Differenz resultiert daraus, dass der Kläger in seinen Berechnungen die Senkung des Pflegetarifs PVN um 0,82 € zum 01.04.2014 unberücksichtigt gelassen hat.
72Die Rückforderungsansprüche wegen der zu viel gezahlten Beiträge sind auch nicht verjährt. Der Rückforderungsanspruch entsteht gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit der jeweiligen monatlichen Zahlung der überhöhten Prämie, wobei für die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis des Klägers von den den anspruchsbegründenden Umständen auf den Zeitpunkt des Zugangs der jeweiligen Anpassungsschreiben abzustellen ist (LG Frankfurt, Urteil v. 16.04.2020, Aktenzeichen 2-23 O 198/19; LG Wuppertal, Urteil v. 09.07.2020 Aktenzeichen 4O 324/19). Geltend gemacht werden Rückforderungsansprüche für den Zeitraum ab Januar 2017. Die dreijährige Verjährungsfrist zum Ablauf des Jahres, in dem der erste Anspruch entstanden ist, wurde gehemmt durch die am 04.11.2020 eingegangene Klage.
73Der diesbezügliche Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges.
74Abzuweisen war die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage ist nicht dargetan. Insbesondere hat der Kläger nicht dargelegt, dass er die Beklagte mit der Rückzahlung der geltend gemachten Beiträge wirksam in Verzug gesetzt hätte, bevor eine entsprechende Zahlungsaufforderung durch seinen Prozessbevollmächtigten erfolgte, die die streitgegenständlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auslöste.
75Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 709 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
76Rechtsbehelfsbelehrung:
77Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
781. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
792. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
80Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Wuppertal, Eiland 1, 42103 Wuppertal, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
81Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Wuppertal zu begründen.
82Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Wuppertal durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
83Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
84Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
85Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.