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Die Angeklagte wird wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,00 € verurteilt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
-§§ 130 Abs. 2 Nr. 1 a) & c) in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 StGB-
Gründe
2I.
3Die 63-jährige Angeklagte war bei der Firma F beschäftigt. Sie hat durch den gegenständlichen Vorfall ihre Anstellung verloren. Sie sitzt im Stadtrat der Stadt N und ist aufgrund des gegenständlichen Vorfalls aus der Partei Alternative für Deutschland ausgeschlossen worden. Der Ausschluss liegt nunmehr beim Bundesschiedsgericht.
4Sie ist Eigentümerin einer Wohnung, welche sie vermietet. Hierfür erhält sie monatlich 860,00 €, wovon 100,00 € Nebenkostenvorauszahlungen sind. Sie enthält als Ratsmitglied eine Aufwandentschädigung von 250,00 €. Sie ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder.
5Die Angeklagte ist strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten.
6II.
7Am 13.01.2024 stellte die Angeklagte in die Telegram-Chat-Gruppe des Kreisverbandes L der Partei B einen von ihr weitergeleiteten Textbeitrag ein, der eine sogenannte Verschwörungserzählung über das Judentum enthielt.
8Dieser Text hatte u.a. folgenden Wortlaut:
9"In Brooklyn entdeckte die Polizei unter einer Synagoge der Bewegung Chabad-Lubawitsch Tunnel, die angeblich gebaut wurden, um die Synagoge zu erweitern, was auch immer darunter zu verstehen ist. Die Polizei fand Kinderstühle und blutverschmierte Kinder-Matratzen.
10Als Zementmischer anrückten, um die Tunnel zu verfüllen, drehten die Juden am Rad – sie rissen die Holzwände weg, die den Eingang zu den geheimen Tunneln verbargen, und rannten hinein, um zu verhindern, dass sie gefüllt wurden, heißt es.
11Oder rannten sie schon da rein, als die Polizei kam, um weitere Spuren ihrer abartigen Verbrechen zu vernichten? Und warum wurde nicht die Spurensicherung eingeschaltet, wie es üblich ist, wenn Funde auf Verbrechen hindeuten? Warum wurde so zügig Zement aufgefüllt, wollte man etwas vertuschen? (...) Sie schreiben von Randalierern und Heiligen Mauern, doch nicht von blutverschmierten Kindermatratzen, was uns nicht wundern muss, denn unser Land wird bis zur Stunde von jüdischen Zionisten regiert und diese Zionisten sind keine Menschen, sondern Reptilien und andere Kreaturen aus der Hölle, die nur vorgeben Menschen zu sein. (...) Diese Kreaturen, angeführt von Rothschild, sind bekannt für ihre Verbrechen an Kindern, eine ganz alte Tradition, von der schon 300 n. Chr. berichtet wurde. Damals zog Khasaria, die heutige Ukraine, bereits den Unmut der umliegenden Länder, sowie des russischen Zaren auf sich, weil in Khasaria unter der Königsfamilie Bauer, die sich später Rothschild nannte, eine unglaublich böse Gesellschaft entstand. Die Khasaren waren dafür berüchtigt, dass sie Reisende überfielen, töteten und deren Identität annahmen, doch vor Allem, weil sie überall Kinder stahlen. Sie tranken deren Blut, verspeisten ihr Herz und opferten den Rest Satan. Als die Nachbarländer genug von den Khasaren hatten, zwang sie der russische Zar eine Religion anzunehmen und sie wählten das Judentum. Doch sie änderten ihr Verhalten nicht und begingen weiter Verbrechen an Kindern, woraufhin der Zar eine Invasion plante, doch Rothschild und Co wurden gewarnt und flüchteten nach Europa.
12Die Khasaren/Reptilien übernahmen das Judentum, schrieben den teuflischen Talmud, und ergaunerten sich durch eine Lüge Israel, ein Land im Nahen Osten, dass mit dem Israel aus der Bibel nichts gemein hat, doch man will den Eindruck erwecken. Nur 2,5-3,5% der Juden sind auch dem Blut nach Juden. Das Land steht in Verdacht, ein Eldorado für Kinderschänder und mehr zu sein. Als Bill Clinton von der Veröffentlichung der Epstein-Liste erfuhr, kündigte er an nach Israel zu ziehen, trat sofort dem Judentum bei und erhielt die israelische Staatsbürgerschaft. Kurz vor der Veröffentlichung soll er mit seiner Frau nach Israel gereist sein.
13Und nun soll eine False Flag durch die jüdischen Zionisten drohen, die damit den 3. Weltkrieg auslösen wollen, um von ihren Verbrechen abzulenken."
14Bei der Einstellung dieses Textes in die Chatgruppe, der zu diesem Zeitpunkt 39 Mitglieder angehörten, war der Angeklagten bewusst, dass der Text in einer über die bloße Äußerung von Ablehnung und Verachtung hinausgehenden Weise zu einer feindseligen Haltung auch gegenüber den in Deutschland lebenden Juden anreizte und den Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe zugleich das Recht absprach, als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben.
15III.
16Die getroffenen Feststellungen beruhen auf der geständigen Einlassung der Angeklagten sowie der Beweisaufnahme im Übrigen, wie sie sich aus dem Sitzungsprotokoll ergibt.
17Die Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass sie den Text, wie er in der Anklageschrift wiedergegeben ist, gepostet habe. Sie habe den Text jedoch nicht ganz gelesen. Sie habe nur die ersten Sätze gelesen. Sie habe zuvor auf t-online auch von der Räumung der Kellerräume in New York gelesen. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um den gleichen Text handeln würde. Ihr seien nur die Kinder wichtig. Es würden jährlich Million von Kindern verschleppt werden. Darauf habe sie aufmerksam machen wollen und die Leute hätten darüber nachdenken sollen. Sie kenne die Person nicht, die den Text verfasst habe. Der Text sei auch nur einen Tag in dem Telegramchat eingestellt gewesen.
18Soweit die Angeklagte angibt, dass sie mit dem Text auf verschwundene Kinder aufmerksam habe machen wollen, wertet das Gericht dies als Schutzbehauptung. Die Angeklagte hat eingeräumt den Anfang der Nachricht gelesen zu haben. Der Anfang der Nachricht wurde im Rahmen der Hauptverhandlung, wie er unter II. wiedergegeben ist, verlesen. Aus diesem Anfang der Nachricht ergibt sich jedoch nicht, dass der Text irgendetwas mit verschwundenen Kindern zu tun hat. Allein aus der Angabe, dass die Polizei Kinderstühle und „blutverschmierte Kindermatratzen“ gefunden hat, lässt sich nicht zwingend der Rückschluss ziehen, dass es in den Ausführungen überhaupt um verschleppte Kinder geht. Diese kommen in dem Text, auch nicht am Anfang, gar nicht vor. Es ist nicht angegeben, dass Kinder gefunden oder verschleppt wurden. Auch ist es möglich, dass Kindermatratzen durch Erwachsene mit Blut verunreinigt wurden. Woher die Angeklagte den Zusammenhang zwischen verschleppten Kindern und dem Text herstellt, erschließt sich dem Gericht nicht ansatzweise.
19Hinzukommt, dass die Angeklagte den Verfasser der Nachricht nicht einmal kennt und dann vermeintlich „blind“ die Nachricht weiterleitet. Dann nimmt die Angeklagte aber auch billigend in Kauf, dass die Nachricht Inhalte hat, welche antisemitisches Gedankengut und Verschwörungserzählungen enthalten. Es ist aus dem Wortlaut der übrigen Nachricht sehr deutlich antisemitisches Gedankengut zu entnehmen. Da hilft es auch nicht, wenn die Angeklagt in der Hauptverhandlung angibt, sie habe „eigentlich nichts gegen Juden“.
20Auch ist es unschädlich, dass der Post nach einem Tag bereits wieder gelöscht wurde. Er ist 39 Personen zur Verfügung gestellt worden, welchen diesen innerhalb von 24 Stunden beliebige Male weiterverbreitet haben können oder auch nur beliebige Male gelesen haben können. Für ein Verbreiten ist es nicht entscheidend, dass dies dauerhaft geschieht.
21Aus der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 17.09.2024 ergibt sich, dass die Angeklagte strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten ist.
22IV.
23Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Angeklagte der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 a) und c) in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Die Angeklagte hat durch die Veröffentlichung des unter II. auszugsweise wiedergegebenen Textes in einer Telegram-Chatgruppe einen Inhalt verbreitet, der zum Hass gegen eine religiöse Gruppe aufstachelt und die Menschenwürde dieser Personenmehrheit dadurch angreift, dass diese böswillig verächtlich gemacht wird.
24Die in dem Text getroffenen Aussagen sind ohne weiteres geeignet eine feindselige Haltung auch gegenüber den in Deutschland lebenden Juden hervorzurufen und den Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe zugleich das Recht abzusprechen als gleichwertige Persönlichkeiten in der staatlichen Gemeinschaft zu leben.
25So werden in dem Text Personen jüdischen Glaubens mit Reptilien und andern Kreaturen aus der Hölle, die nur vorgeben Menschen zu sein, die Verbrechen an Kindern begehen, gleichgesetzt. Des Weiteren wird diesen Personen unterstellt, dass sie den 3. Weltkrieg auslösen wollen. Ferner wird dem Land Israel unterstellt möglicherweise ein „Eldorado für Kinderschänder“ zu sein. Dabei differenziert der Text nicht zwischen den Angehörigen einer bestimmten Untergruppierung innerhalb der jüdischen Glaubensgemeinschaft und der jüdischen Glaubensgemeinschaft an sich. Damit kommt es auch nicht entscheidend darauf an, was diese Untergruppierung über sich selbst behauptet. Der Text lässt sich damit auch problemlos auf die in Deutschland lebenden Personen jüdischen Glaubens übertragen.
26Die Angeklagte handelte zumindest bedingt vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
27V.
28Bei der Frage der Strafzumessung ist das Gericht zunächst vom Strafrahmen des § 130 Abs. 2 StGB, welcher Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe vorsieht, ausgegangen. Bei der Frage der Strafzumessung im engeren Sinne hat sich das Gericht von folgenden Überlegungen leiten lassen:
29Zu Gunsten der Angeklagten war zu berücksichtigen, dass sie sich weitgehend geständig eingelassen hat und strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten ist.
30Unter Abwägung aller für und wider der Angeklagten sprechenden Umstände, der in § 46 StGB niedergelegten Strafzumessungserwägungen und ausgehend vom oben dargestellten Strafrahmen hält das Gericht eine Geldstrafe von
3140 Tagessätzen zu je 25,00 €
32für tat- und schuldangemessen. Diese Strafe ist erforderlich aber auch ausreichend, um der Angeklagte das Unrecht ihres Handelns vor Augen zu führen.
33Die Tagessatzhöhe beruht auf den wirtschaftlichen Verhältnissen der Angeklagten wie von ihr geschildert.
34IV.
35Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO.
36LRichterin am Amtsgericht