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Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts ### vom ### aufgehoben.
Die Durchsuchung der Wohnräume einschließlich sämtlicher Nebenräume des Beschuldigten unter der Anschrift ### ### ###, sowie seiner Person, und der ihm gehörenden Sachen (einschließlich Kraftfahrzeugen) wird angeordnet.
Die Beschlagnahme folgender Gegenstände wird angeordnet: Impfpass des Beschuldigten, ausgedrucktes Impfzertifikat, Mobiltelefon(e), Tablets, PC, Überweisungsbelege und sonstige Unterlagen, aus welchen sich Rückschlüsse auf den Anbieter des gefälschten Impfzertifikates bzw. die Nutzung des Impfzertifikates durch den Beschuldigten ziehen lassen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
G r ü n d e :
2I.
3Gegen den Beschuldigten wird ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung geführt. Anlass für die Einleitung dieses Verfahrens war, dass die Mutter des Beschuldigten am ### in der ### in ### vorstellig wurde und unter Vorlage einer Kopie des Impfpasses des Beschuldigten um den QR-Code für den digitalen Impfnachweis bat. Der Apothekerin ### fielen bei Betrachtung der Kopie Fälschungsmerkmale des Impfausweises auf, unter anderem eine zu große Schriftgröße auf dem Aufkleber in der 2. Spalte, wie auch die Gestaltung des ® hinter Corminaty. Auch werde die Abkürzung mRNA in der 3. Spalte normalerweise nicht verwendet; der benutzte Stempel des Impfzentrums sei nur bis zum ### verwendet worden, so dass die Verwendung bei den vermeintlichen Impfungen des Beschuldigten am ### und ### auffällig sei. Auf den Hinweis der Zeugin, dass die vorgelegte Kopie nicht ausreichend sei und ein QR-Code nicht erstellt werden könne, sprach sodann der Beschuldigten in der Apotheke vor, ohne dass das Original des Impfpasses vorgelegt wurde.
4Mit Antrag vom ### hat die Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht ### den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses bezogen auf die Wohnräume einschließlich sämtlicher Nebenräume, der Person des Beschuldigten sowie der ihm gehörenden Sachen einschließlich Kraftfahrzeugen beantragt und dabei u.a. ausgeführt, das zu vermuten sei, dass die Durchsuchung zur Auffindung des Impfpasses, eines ausgedruckten Impfzertifikates, Mobiltelefonen, Tablets, PC, Überweisungsbelegen und sonstigen Unterlagen führen werde, aus welchen sich Rückschlüsse auf den Anbieter des gefälschten Impfzertifikates bzw. die Nutzung des Impfzertifikates durch den Beschuldigten ziehen lassen.
5Das Amtsgericht ### hat durch Beschluss vom ### den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Strafbarkeit nach § 267 StGB unabhängig von der Frage, ob es sich bei Impfpässen um Gesundheitszeugnisse handele, schon aufgrund der Sperrwirkung der §§ 277, 279 StGB nicht in Betracht komme. Die Tatbestandsmerkmale des § 277 StGB seien vorliegend nicht erfüllt, da der gefälschte Impfpass nicht gegenüber einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft gebraucht worden sei.
6Der Beschluss des Amtsgerichts ### ist der Staatsanwaltschaft am ### zugestellt worden. Mit Verfügung vom ###, bei dem Amtsgericht ### am ### eingegangen, hat die Staatsanwaltschaft ### Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss eingelegt und die Beschwerde umfassend begründet.
7Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
8II.
9Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
10Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO liegen vor.
11Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen und nicht nur straflos vorbereitet ist, wobei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., 2021, § 102 Rn. 2). Es müssen danach Verdachtsgründe vorliegen, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Es ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt (BVerfG, Beschluss vom 26.10.2011 – 2 BvR 1774/10, Rn. 25 – über juris).
12Daran gemessen besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB durch den Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde sowie nach § 279 i.V.m. § 277 StGB durch den Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses.
13Das Amtsgericht ### hat sich dabei in der angefochtenen Entscheidung vom 28.10.2021 an der in der Literatur vertretenen Auffassung orientiert, wonach die allgemeinen Regelungen zur Herstellung einer unechten Urkunde, zum Fälschen einer echten Urkunde sowie zur Verwendung einer unechten oder verfälschten Urkunde gemäß § 267 StGB in diesen Fällen keine Anwendungen finden, da die Regelungen zu §§ 277, 279 StGB als Privilegierung mit einer deutlich niedrigeren Strafandrohung spezieller seien und daher ein Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen verwehrt sei. Diese Sperrwirkung soll auch dann Anwendung finden, wenn die Strafbarkeitsvoraussetzungen von §§ 277, 279 StGB nicht erfüllt sind (vgl. hierzu Puschke in Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 5., 1. Aufl., 2020, 2. Konkurrenzen der Delikte des 23. Abschnittes untereinander, Rn. 140).
14Die Staatsanwaltschaft hat in ihrer Beschwerdebegründung vom ### ausgeführt:
15„ … Ob es sich bei einem Impfausweis um ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 277 StGB handelt kann dahinstehen (dafür u.a. RGSt 24, 284 (285); MüKoStGB/Erb, 3. Aufl. 2019, StGB § 277 Rn. 2 m.w.N.; BeckOK StGB/Weidemann, 50. Ed. 1.5.2021, StGB § 277 Rn. 4.1), denn soweit eine Sperrwirkung des § 277 StGB im Hinblick auf die §§ 267 f. StGB angenommen wurde, geht diese in der Sache fehl (vgl. RGSt 67, 117 ff).
16Festzuhalten ist insoweit zunächst, dass die Bestimmungen der §§ 277 bis 279 StGB dem Schutz des Rechtsverkehrs vor unwahren Urkunden dienen, wenn auch mit der Einschränkung, dass nicht der Rechtsverkehr allgemein, sondern nur derjenige mit Behörden und Versicherungsgesellschaften geschützt wird (BGH, Urteil vom 24. April 1963 – 2 StR 81/63 –, BGHSt 18, 333-334, Rn. 10).
17Soweit den § 277 f. StGB privilegierender Charakter zukommt (vgl. MüKoStGB/Erb, 3. Aufl. 2019, StGB § 277 Rn. 1), vermag dieser bereits dem Wortlaut nach daher nur soweit zur Geltung kommen, als gegenüber Behörden und Versicherungsgesellschaften getäuscht wird (NK-StGB/Ingeborg Puppe/Kay Schumann, 5. Aufl. 2017, StGB § 277 Rn. 13; Fischer, § 277 Rn. 11; in diese Richtung wohl auch schon bereits RGSt 67, 117 ff .). Für eine darüber hinausgehende Privilegierung erscheint schlechthin kein vernünftiger Grund ersichtlich (vgl. MüKoStGB/Erb, 3. Aufl. 2019, StGB § 277 Rn. 1 m.w.N.)
18Für diese Auslegung spricht auch, dass der Gesetzgeber sich –soweit ersichtlich - bisher einer – ausdrücklichen – Stellungnahme zur Frage, ob es sich bei einem Impfausweis (überhaupt) um ein Gesundheitszeugnis handelt, enthalten hat (vgl. etwa BT-Drucksache 19/29287 betreffend den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze).
19Der Umstand, dass der Gesetzgeber durch Schaffung des § 75a IfSG weitere strafbewährte Delikte in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen hat, mit der Intention vermeintlich bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen, spricht hingegen gerade dafür, dass der Gesetzgeber von einer generellen Strafbarkeit entsprechender Handlungen nach Maßgabe von § 267 ff. StGB ausging. Dem neu geschaffenen § 75a IfSG dürfte nach der erkennbaren gesetzgeberischen Intention lediglich flankierender Charakter zukommen (vgl. BT-Drucksache 20/15 – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Seite 35, vgl. auch BT-Drucksacke 19/29870, Seite 34).
20Hierfür spricht auch und gerade, dass der Gesetzgeber sich nunmehr zu einer klarstellenden Gesetzesänderung entschlossen hat (vgl. BT-Drucksache 20/15).
21So wird im vorgenannten Gesetzesentwurf u.a. ausgeführt, dass die §§ 277 - 279 StGB seit Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches am 1. Januar 1872 in ihren Tatbeständen unveränderten Strafvorschriften, teilweise nicht mehr als zeitgemäß und frei von Widersprüchen zu anderen Vorschriften des Dreiundzwanzigsten Abschnitts erscheinen.
22Insbesondere wiesen die §§ 277 bis 279 StGB einen gegenüber der Urkundenfälschung nach § 267 StGB begrenzten Kreis von Täuschungsadressaten auf („Behörde oder Versicherungsgesellschaft“). Daneben sei festzustellen, dass einzelne strafwürdige Verhaltensweisen im Zusammenhang mit Gesundheitszeugnissen noch nicht hinreichend klar strafrechtlich erfasst sind. Angesichts der erheblichen praktischen Bedeutung von Gesundheitszeugnissen gerade in Pandemiesituationen sei jedoch ein von dogmatischen Unsicherheiten freier strafrechtlicher Schutz des Rechtsverkehrs vor unrichtigen Gesundheitszeugnissen zu gewährleisten.
23Es sollen daher – insbesondere aus Gründen der Rechtsklarheit – durch Änderungen in den §§ 277 bis 279 StGB Konstellationen vom Anwendungsbereich der darin normierten Tatbestände ausgenommen werden, die bereits durch § 267 StGB erfasst seien. Daneben soll in den §§ 277 bis 279 StGB die Begrenzung des Kreises von Täuschungsadressaten entfallen (vgl. insgesamt BT-Drucksache 20/15).
24Zwar ist dem Gesetzesentwurf eine abschließende Stellungnahme des Gesetzgebers im Hinblick darauf, ob es sich bei einem Impfausweis um ein Gesundheitszeugnis im Sinne von § 277 StGB handelt nicht zweifelsfrei zu entnehmen, hierauf kommt es aber auch nicht (mehr) an, denn der Gesetzgeber artikuliert nunmehr ausdrücklich seinen Willen erkennbar dahin, dass er von einer Sperrwirkung der §§ 277 f. StGB im Hinblick auf §§ 267 ff. StGB nicht ausgeht und auch in der Vergangenheit nicht ausgegangen ist (vgl. BT-Drucksache 20/15, Seite 33). Es sollen daher (lediglich) aus Klarstellungsgründen „aus der Vorschrift des § 277 StGB Handlungsmodaltäten gestrichen werden, die grundsätzlich schon von §§ 267 und 269 StGB erfasst sind“ (BT-Drucksacke 20/15, Seite 33).
25Hiernach geht (und ging) der Bundesgesetzgeber davon aus, dass der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse auch bisher den Tatbestand des § 267 StGB erfüllte und – entgegen der Auffassung des Amtsgericht ### im Beschluss vom ### – den §§ 277 f. StGB insoweit keine Sperrwirkung zukommt (ebenso bereits das Reichsgericht, vgl. RGSt 67, 117 ff. )
26Vor diesem Hintergrund, kann die Annahme des Amtsgerichts ###, dass ein strafbares Handeln im Ergebnis nicht vorliegen dürfte, keinen Bestand haben.
27Selbst wenn man jedoch der Auffassung des Amtsgericht ###, dass es sich bei einem Impfpass um ein Gesundheitszeugnis im Sinne von § 277 f. StGB handelt folgen wollen würde, kann der von diesem erlassene Beschluss im Ergebnis gleichwohl keinen Bestand haben.
28Verkannt wurde insoweit, dass der Gebrauch des Begriffs der Behörde im Gesetz (z.B. §§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c, 156, 164 Abs. 1, 194 Abs. 3, 277ff) nicht unabhängig vom konkreten Regelungskontext ist (vgl. NK-StGB/Frank Saliger, 5. Aufl. 2017, StGB § 11 Rn. 64; Stein/Deiters in SK-StGB, 9. Auflage 2017, § 11 StGB, Rn. 90 m.w.N.; MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, StGB § 11 Rn. 150 m.w.N.; Satzger / Schluckebier / Widmaier, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 5. Auflage 2021, § 11 StGB, Rn. 52). Auch eine einzelne Person kann bei entsprechender Aufgabenerfüllung daher eine Behörde sein (MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl. 2020, StGB § 11 Rn. 150).
29Gemäß § 22 Abs. Abs. 5 Nr. 2 IfSG ist auf Wunsch der geimpften Person die Durchführung einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 in einem digitalen Zertifikat (COVID-19-Impfzertifikat) nachträglich ausschließlich von Ärzten oder Apothekern zu bescheinigen. In diesem Kontext ist zu beachten, dass gemäß der Verordnung über das digitale COVID-Zertifikat der EU (Verordnung (EU) 2021/953) für die Ausstellung des (digitalen) Impfzertifikates ausschließlich die jeweiligen nationalen Behörden zuständig sind. Insoweit handeln die Apotheken jedoch – im Rahmen des IfSG und jedenfalls soweit es um die Ausstellung eines digitalen Impfzertifikats betreffend eine COVID-19-Impfung geht - als bzw. im Auftrag einer Behörde.
30Entgegen der Auffassung des LG ### (Beschluss vom ### - Az.: ###) handelt es sich bei den in §§ 22 Abs. 5 Nr. 2 IfSG aufgeführten Apotheken daher um Behörden im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 7 StGB. Der Einordnung von Apotheken als Behörden im Kontext des IfSG steht auch die Entscheidung des Oberlandesgericht Stuttgart vom 25.9.2013 (Az. 2 Ss 519/13) nicht entgegen, da diese jedenfalls vor Geltung des IfSG in der aktuellen Fassung ergangen ist.
31Selbst wenn man der Auffassung des Amtsgerichts ### folgen wollte, ist im Ergebnis im vorliegenden Falle folglich ein unrichtiges Gesundheitszeugnis gegenüber einer Behörde gebraucht worden.
32Im Hinblick auf die vom Amtsgericht ### ebenfalls aufgeworfenen Frage der Verhältnismäßigkeit wird auf die in der Stellungnahme vom 22.10.2021 niedergelegten Ausführungen vollumfänglich Bezug genommen. Darüber hinaus wird verkannt, dass vor dem Hintergrund des (wieder) um sich greifenden Infektionsgeschehens der COVID19-Pandemie das Interesse der Allgemeinheit an einer Eindämmung der Pandemie, der damit einhergehenden Entlastung des Gesundheitssystem und Schutzes der Bevölkerung vor einer Infektion, die schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten deutlich überwiegen. In diesem Zusammenhang ist der gesetzgeberische Wille zu berücksichtigen, welcher auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte insoweit u.a. im IfSG seinen Niederschlag gefunden hat. Weiterhin sprechen für die Verhältnismäßigkeit der von hier beantragten Maßnahme im gleichen Zusammenhang general- als auch spezialpräventive Gründe.“
33Diesen zutreffenden Ausführungen tritt die Kammer bei.
34Überdies haben Bundestag und Bundesrat am ### das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweise beschlossen, die in den wesentlichen Punkten am ### in Kraft treten. In Artikel 2 dieses Gesetzes (Bundesrat-Drucksache 803/21) sind dabei Änderungen der §§ 275 ff. StGB beschlossen worden, die die bislang bestehenden Schwierigkeiten u.a. bei der strafrechtlichen Verfolgung von Impfpassfälschungen beseitigen sollen.
35Die Anordnung der Beschlagnahme beruht auf §§ 98, 94 StPO.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 StPO.
37StPO § 102; StPO § 105; StGB 267; StGB § 277; StGB § 279XX
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