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Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.611,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen seit dem 02.03.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.203,12 €, seit dem 02.04.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.203,12 €, seit dem 02.05.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.203,12 €, seit dem 02.06.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.203,12 €, seit dem 02.07.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.299,84 €, seit dem 02.08.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.299,84 €, seit dem 02.09.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.299,84 €, seit dem 02.10.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.299,84 €, seit dem 02.11.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.299,84 €, seit dem 02.12.2023 aus einem Betrag i.H.v. 2.299,84 €.
Die Beklagte wird verurteilt, an den am … geborenen Kläger ab dem 01.01.2024 bis zu seinem 67. Lebensjahr monatlich 2.299,84 € zu zahlen und diesen Betrag zum 1. Juli eines jeden Jahres bis zum 67. Lebensjahr des Klägers an die Rentensteigerung der Deutschen Rentenversicherung Bund anzupassen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.134,55 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13.01.2024 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 14 % und die Beklagte zu 86 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Tatbestand
2Der Kläger begehrt Feststellung des Fortbestands einer mit der Beklagten bestehenden Abfindungsvereinbarung wegen eines Verkehrsunfalls sowie Zahlungen aus der Abfindungsvereinbarung.
3Der Kläger am … geborene Kläger ist Inhaber der Motorradfachwerkstatt „T Motorräder“ in B. Am 03.04.2009 befuhr der Kläger mit einem Motorrad amtl. Kennzeichen …, die C Straße von Q kommend in Fahrtrichtung C. Zum gleichen Zeitpunkt beabsichtigte ein bei der Beklagten haftpflichtversicherter Traktor, an dem ein Anhänger befestigt war, aus einem rechtsseitig gelegenen Wirtschaftsweg nach links auf die C Straße in Fahrtrichtung Q abzubiegen. Als der Anhänger quer zur Fahrbahn stand, fuhr der Kläger mit seinem Motorrad gegen die hintere linke Seite des Anhängers und erlitt dabei ein Polytrauma mit u.a. schwerem Thoraxtrauma mit Rippsenserienfrakturen beidseits, Pneumothorax links und Lungenkontusion, Milzruprur, Nierenruptur, Scapulafraktur, offene Humerusfraktur links, Radialisparese links mit traumatischer Durchtrennung, komplexe distale Radiusfraktur rechts mit postatraumatischen Kompartmentsyndom, sekundäres ARDS und Schädelhirntrauma.
4Infolge des Unfalls erfolgte hinsichtlich des Gesundheitszustands des Klägers die Einholung eines Berichts von Prof. Dr. E vom 24.06.2009 (Anlage B2, Bl. 91 ff. d.A.), ein medizinisches Privatgutachten von Dr. E vom 23.03.2011 (Anlage B3, Bl. 98 ff. d.A.), sowie durch das Landgericht Dortmund ein Gutachten von Prof. Dr. L und Dr. T vom 13.12.2012 (Anlage K7, Bl. 167 d.A.).
5Zudem holte sowohl die Beklagte unter dem 17.09.2012 (Anl. K8, Bl. 195 ff. d.A.) als auch der Kläger selbst ein Gutachten über den Nettoverdienstausfall/Gewinnausfall des Klägers ein (Anl. K9, Bl. 229 ff. d.A.). Die Gutachter führen aus, dass der Kläger ihnen gegenüber geäußert habe, dass er im handwerklichen Bereich derzeit weiterhin zu 100% arbeitsunfähig sei; aber der Kläger ihnen gegenüber betont habe, dass er Jedoch in hohem Maße bestrebt sei den Geschäftsbetrieb erfolgreich weiterzuführen und - trotz der bestehenden, erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen - seine verbliebene, körperliche Restleistungsfähigkeit bestmöglich einsetze.
6Infolge des Unfalls erhielt der Kläger von der Beklagten Zahlungen. Mit Schreiben vom 12.06.2013 erklärte die Beklagte Gesamtkosten i.H.v. einer halben Stelle zu übernehmen für den Fall einer endgültigen und vorbehaltlosen Einigung (Anl. K10, Bl. 264 d.A.). Daraufhin bot die Beklagte mit Schreiben vom 30.07.2013 einen halben Gesellenlohn als kapitalisierten Betrag in Höhe von 95.785,20 € an (Anl. K 11, Bl. 267 d.A.). Mit Schreiben vom 31.03.2024 wies die Beklagte erneut darauf hin, dass soweit von einem, überobligatorischen Tätigwerden des Klägers die Rede ist, sie die Kosten für eine zusätzliche halbe Stelle für den Fall einer einvernehmlichen, endgültigen Erledigung akzeptiere; gleichzeitig führte sie aus, dass seit ca. vier Jahren der Betrieb des Klägers trotz seiner verbliebenen Folgeschäden, erfolgreich weitergeführt werde, sodass die durch ihn selbst geschaffenen Tatsachen dafür sprechen, dass seine Erwerbstätigkeit eine zumutbare und keine überobligationsmäßige Tätigkeit darstelle.
7Am 30.04.2014 machte die Beklagte dem Kläger ein Abfindungsangebot und erklärte gegenüber dem Kläger: „Für den Fall, dass es wider Erwarten zwischen uns doch noch zu einer streitigen Auseinandersetzung, bitten wir um Verständnis, dass wir uns sämtliche Einwendungen zum Haftungsgrund und zur Höhe vorbehalten." Weiter führt die Beklagte in dem Schreiben aus, dass sie der Auffassung sei, dass dem Kläger unfallbedingt, abgesehen von 2009, kein Gewinnentgang entstanden sei und auch kein weitergehender Erwerbsschaden erstattungsfähig sei.
8Am 13.08.2014 vereinbarte der Kläger mit der Beklagten einen Abfindungsvergleich. Mit der Abfindungserklärung verpflichtete sich die Beklagte, weitere 100.000,00 € zur „endgültigen“ Abfindung an den Kläger zu zahlen und ihm zur Abgeltung des unfallbedingten Erwerbsschadens ab dem 01.06.2014 bis zum vollendeten 67. Lebensjahr monatlich eine Rente in Höhe von 1.750,00 € zu zahlen, wobei die Rente zum 1. Juli eines jeden Jahres an die Rentensteigerung der Deutschen Rentenversicherung Bund angepasst wird. Für die Einzelheiten und den genauen Wortlaut des Abfindungsvergleichs wird auf die Anlage MPK 1 (Bl. 9 f. d.A.) verwiesen. Grundlage des Abfindungsvergleichs waren die eingeholten medizinischen Gutachten sowie die betriebswirtschaftlichen Gutachten zum Verdienstausfall/Gewinnausfall.
9Der Kläger beschäftigte bis 2019 einen Gesellen, der allein in der Werkstatt arbeitete. Der Kläger erledigte bis 2019 Bürotätigkeiten und Probefahrten. Der Kläger fährt selbst wieder mit einem umgebauten Motorrad (Hoch- und Runterschalten ohne Kupplungsbetätigung, Blinkerbetätigung zum Einschalten erfolgt mit der rechten Hand, das Ausschalten erfolgt über die Fahrzeugelektronik) und organisiert Fahrsicherheitstrainings und Kurventrainings für seine Kunden. Der Kläger hat einen Behindertenstatus von 60 %.
10Ab März 2023 leistete die Beklagte an den Kläger keine monatlichen Zahlungen mehr. Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 14.03.2023 darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Regulierung eventuell nicht mehr vorliegen würden (Anl. MPK 2, Bl. 13 d.A.)
11Mit Schreiben vom 23.08.2023 bat die Beklagte den Kläger um Erläuterung, ob es sich bei seinem Betrieb, um einen Einmannbetrieb handele (Anl. MPK2, Bl. 12 d.A.). Der Kläger teilte mit, dass er die Motorradwerksatt alleine betreibe, er keine Mitarbeiter habe, weder in Vollzeit noch Teilzeit noch geringfügig Beschäftigte, und er einen Behindertenstatus von 60 % habe (Anl. B7, Bl. 110 d.A.). Daraufhin führte die Beklagte eine Hintergrundrecherche durch. Der im Rahmen der Hintergrundrecherche erstellte Ermittlungsbericht ging der Beklagten im September 2023 zu (Anl. B9, Bl. 122 ff. d.A.).
12Mit Schreiben vom 15.09.2023 erklärte die Beklagte die Anfechtung der Abfindungserklärung und, dass die Geschäftsgrundlage weggefallen sei (MPK2, Bl. 11 d.A.).
13Mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2023 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Zahlungen auf der Grundlage der Abfindungsvereinbarung wieder auf zu nehmen und den Kläger von den infolge der unberechtigten Zahlungseinstellung verursachten Anwaltskosten freizustellen (Anl. MPK 3, Bl. 16 ff. d.A.).
14Die Beklagte wies mit Schreiben vom 13.10.2023 weitere Zahlungen zurück (Anl. MPK4, Bl. 20 d.A.)
15Der Kläger ist der Ansicht, die Abfindungsvereinbarung bestehe fort und er habe daraus einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte. Der Beklagten stehe kein Anfechtungsrecht zu; der Kläger habe die Beklagte nicht arglistig getäuscht. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage läge ebenfalls nicht vor.
16Er behauptet, die dem Risikovergleich zugrunde gelegten Umstände seien nie falsch gewesen und hätten sich nicht zu Ungunsten der Beklagten wesentlich geändert. Er habe nie behauptet, dass er dauerhaft zu 100% arbeitsunfähig, berufsunfähig oder erwerbsgemindert sei. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Risikovergleichs Kenntnis vom Gesundheitszustand des Klägers gehabt, der sich bis heute nicht wesentlich verändert habe. Ausgangsbasis für den Risikovergleich seien die Befunde und medizinischen sowie betriebswirtschaftlichen Gutachten. Allein aus dem Umstand, dass beim Kläger „nur“ ein GdB 60 vorliegt, der mit den beruflichen Einschränkungen und dem Leistungsvermögen überhaupt nichts zu tun habe, und der Tatsache, dass der Kläger Kurventrainings für seine Kunden organisiere und nach dem Weggang des Angestellten im Jahr 2019 wegen Fachkräftemangels auf sich allein gestellt und notgedrungen selber wieder mit dem rechten Arm arbeiten müsse, rechtfertige nicht die Aussetzung der Zahlungen.
17Der Kläger behauptet, er fahre keine Motorradrennen. Er ist der Ansicht, der Umstand, dass er wieder mit einem umgebauten Motorrad fahren könne, sage nichts darüber aus, ob und welche beruflichen Tätigkeiten er in seinem Betrieb verrichten könne und schon gar nicht bezogen auf den Zeitpunkt bei Abschluss des Risikovergleichs; die weitere Entwicklung nach Abschluss des Risikovergleichs sei auch unbeachtlich, was gerade dem Wesen des Risikovergleichs geschuldet sei.
18Er ist der Ansicht, auf Einwendungen zum Haftungsgrund und zur Haftungshöhe komme es nicht an; Einwendungen habe sich die Beklagte nur durch einen einseitigen Schriftsatz und nur für den Fall vorbehalten, dass es zu keiner endgültigen Einigung komme.
19Der Kläger macht außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 2.729,50 € geltend (Anl. MPK5, Bl. 21 d.A.).
20Der Kläger beantragt,
211. festzustellen, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in Form der Abfindungsvereinbarung vom 13.08.2014 über die Folgen des Verkehrsunfalls vom 03.04.2009 nicht durch die Anfechtungserklärung der Beklagten vom 15.09.2023 oder aus anderen Gründen beendet wurde, sondern unverändert fortbesteht;
222. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.611,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 01.03.2023 bis 30.06.2023 aus jeweils monatlich 2.203,12 € und für die Zeit vom 01.07.2023 bis 31.12.2023 aus jeweils 2.299,84 € monatlich zu zahlen;
233. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ab dem 01.01.2024 bis zu seinem 67. Lebensjahr monatlich 2.299,84 € zu zahlen und diesen Betrag zum 1. Juli eines jeden Jahres bis zum 67. Lebensjahr des Klägers an die Rentensteigerung der Deutschen Rentenversicherung Bund anzupassen;
244. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.729,50 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte behauptet, sie habe sich im Rahmen der Verhandlungen vor Abschluss der Abfindungsvereinbarung stets für den Fall einer streitigen Auseinandersetzung sämtliche Einwendungen zum Haftungsgrund und zur Höhe vorbehalten.
28Die Beklagte behauptet, der Kläger habe während des gesamten außergerichtlichen Verfahrens vor Abschluss der Abfindungsvereinbarung sowie bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung am 13.08.2014 wahrheitswidrig behauptet, dass er in Folge unfallbedingter Verletzungen zu 100 % arbeitsunfähig sowie zu 100 % erwerbsgemindert sei, den linken Arm nicht mehr einsetzen könne und die Belastbarkeit des rechten Arms aufgrund der Unterarmverletzung deutlich eingeschränkt sei. Sie behauptet, dass der vom Kläger behauptete Gesundheitszustands weder zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvereinbarung vorgelegen habe noch heute vorliegen würde.
29Die Beklagte behauptet, der Kläger sei ein aktiver sportlicher Motorradfahrer, der regelmäßig an Motorradtouren teilnehme, bei denen mehr als 200 km pro Tag gefahren werden. Des Weiteren absolviere der Kläger regelmäßig Kurventrainings auf Rennstrecken, die jeweils körperlich stark beanspruchend seien. Diese Betätigungen sowie eine konstante Ausübung des Berufs, ein Betreiben der Werkstatt zum Teil mit und zum Teil ohne Mitarbeiter könnten nicht durchgeführt werden, falls die vom Kläger behaupteten Einschränkungen tatsächlich vorliegen würden.
30Sie behauptet, dass bei dem Kläger kein unfallbedingter Verdienstausfall vorliege, da er seine Werkstatt allein weiterbetreibt und einen Behindertenstatus von „lediglich“ 60 % besitzt.
31Sie ist der Ansicht, dem Verlangen des Klägers auf weitere Zahlung würden Freistellungsansprüche gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB und jedenfalls die Bereicherungseinrede gem. §§ 821, 812 Abs. 1 Satz 2 Alternative 2 BGB aus dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung entgegenstehen, da kein Verdienstausfall des Klägers bestehe. Ein Festhalten der Beklagten an der Vereinbarung vom 13.08.2014 sei unzumutbar und verstoße gegen Treu und Glauben, da insoweit die Geschäftsgrundlage des Vergleiches weggefallen sei bzw. sich geändert habe, so dass eine Anpassung an die veränderten Umstände erforderlich sei. Es seien nachträglich erhebliche Äquivalenzstörungen in der Leistung der Parteien eingetreten.
32Ferner läge eine arglistige Täuschung des Klägers vor aufgrund derer die Beklagte berechtigt gewesen sei, am 15.09.2023 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gern. § 123 BGB zu erklären. Durch die Angaben des Klägers dahingehend, dass sein linker Arm überhaupt nicht mehr benutzt werden könne und auch der rechte Arm eingeschränkt sei, liege eine Täuschung des Klägers vor, die zur Unterzeichnung der Abfindungserklärung mit der Zusatzvereinbarung am 13.08.2014 durch die Beklagte geführt habe.
33Im Übrigen bestreitet die Beklagte die Höhe des unfallbedingten Verdienstausfallschadens i.H.v. 2.299,84 €. Sie behauptet, dass der Kläger nicht ausreichend seiner Schadensminderungspflicht hinsichtlich des Verdienstausfallschadens nachgekommen sei.
34Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. L, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie B, vom 17.06.2024 und 11.11.2024 sowie ein ergänzendes Gutachten vom 13.09.2024. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 17.06.2024 und 11.11.2024 sowie auf das schriftliche Ergänzungsgutachten vom 13.09.2024 verwiesen. Die Zustellung der Klage erfolgte am 12.01.2024.
35Entscheidungsgründe
36Die Klage ist in Bezug auf die Leistungsanträge zu 2. und zu 3. zulässig und begründet. Der Leistungsantrag zu 4. ist zulässig und teilweise begründet. Hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1. ist die Klage bereits unzulässig.
37I.
38Der Feststellungsantrag (Antrag zu 1.) ist unzulässig. Bloße Vorfragen einer Rechtsbeziehung sind nicht feststellungsfähig. Im Rahmen der Leistungsanträge wird bereits geklärt, ob der Abfindungsvergleich weiterhin fortbesteht. Ein weitergehendes Interesse iSv § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung des Fortbestehens der Abfindungsvereinbarung über die Zahlung hinaus, die mit den Anträgen zu 2. und 3. geltend gemacht wird, ist klägerseits nicht dargelegt.
39Der Leistungsantrag auf künftige monatliche Zahlung aus dem Abfindungsvergleich (Antrag zu 3.) ist zulässig. Gem. § 258 ZPO kann bei wiederkehrenden Leistungen Klage auf ihre künftige Entrichtung erhoben werden, wenn diese Leistungen erst nach Erlass des Urteils fällig werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn die Zahlungen aus dem Abfindungsvergleich sind monatlich fällig bis zum 67. Lebensjahr des Klägers.
40II.
411.
42Hinsichtlich des Leistungsantrags zu 2. hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung i.H.v. 22.611,50 €.
43Der zwischen den Parteien geschlossene Abfindungsvergleich vom 13.08.2014 besteht fort. Die Einigung hinsichtlich des Abschlusses des Abfindungsvergleichs ist zwischen den Parteien unstreitig. Diese ist auch weiterhin wirksam, denn die von der Beklagten vorgetragenen Einwendungen und Einreden gegen das Bestehen des Abfindungsvergleichs greifen nicht durch.
44a)
45Der Abfindungsvergleich ist nicht aufgrund der durch die Beklagte erklärte Anfechtung (§ 143 BGB) unwirksam gem. § 142 BGB. Soweit sich die Beklagte auf den Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung gem. § 123 BGB beruft, hat die beweisbelastete Beklagte eine Täuschung des Klägers über seinen Gesundheitszustand bei Abschluss der Abfindungsvereinbarung nicht bewiesen. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens lag der vom Kläger unstreitig behauptete Gesundheitszustand, linker Arm funktionslos und rechter Arm erheblich eingeschränkt, vor. Der Sachverständige Dr. L hat die Befunde aus dem Gutachten von Prof. Dr. L und Dr. T, welches der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleichs vorlag, sowohl am linken als auch am rechten Arm bestätigt.
46Am linken Arm liege aufgrund der funktionalen Einschränkung eine vollständige Funktionslosigkeit vor, dies begründe sich darin, dass insbesondere die Fingerfein- und grobfunktion nicht mehr gegeben sei, was auf der Schädigung der motorischen Nerven beruhe. Darüber hinaus ergebe sich, dass nicht nur eine periphere Verletzung vorliege, sondern ein Plexus-Schaden in Ergänzung mit dem Kompartmentsyndrom. Dadurch würden insbesondere die Muskeln abgedrückt und langfristig geschädigt. Dieser Zustand habe damals vorgelegen und auch heute sei nur eine rudimentäre Restbeweglichkeit im linken Arm gegeben. Hinsichtlich des linken Arms sei es von der Untersuchung durch Professor Dr. L bis heute in den letzten zwölf Jahren zu weiteren negativen reaktiven Auswirkungen gekommen, insbesondere auf das statische Axorgan. Es seien dort insbesondere Verkürzungen und Verspannungen gegeben und auch der Schultergürtel sei schmaler. Der linke Arm sei ein „Beiarm“, da die Funktion im Wesentlichen nicht mehr gegeben sei. Das bedeute insbesondere, dass der linke Arm einen 100-prozentigen Funktionsverlust habe.
47Der Sachverständige hat ebenfalls festgestellt, dass die Einschränkungen des rechten Arms, welche im Gutachten von Prof. Dr. L und Dr. T, welches der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleichs vorlagen, festgestellt wurden, bestätigt. Hinsichtlich des rechten Arms seien die Verletzung in Handgelenksnähe sowie in Ellenbogennähe vorzufinden; nervale Ausfälle seien nicht gegeben. Es sei zu einer Verletzung des Speichenknochen im rechten Arm gekommen. Die Gelenksfläche zwischen Hand- und Unterarmknochen werde durch das körperferne Ende des Speichenknochens gebildet. Funktionell bedeutsam sei der Speichenknochen für die Umwendbewegung (Ellenbogennah) sowie im Handgelenksbereich für die Beugung und Streckung sowie für die Seitwärtsbewegung. Man habe eine Bruchstelle akut feststellen können. Das ergebe sich daraus, weil Herr T ein Fixateur extern bekommen habe. Die Verletzung des Speichenknochens sei im Rahmen des Polytraumas erst in der Nachfolgezeit diagnostiziert worden. Aber einen Zusammenhang mit dem Unfall sei aufgrund der Befundergebnisse nachvollziehbar darzustellen. Durch diese beiden Verletzungen, die im Wesentlichen die Führhand betreffen, sei es zu einer Einschränkung der Grobfunktion, aber auch zu einer Einschränkung der Feinfunktion gekommen, weil sich im Bereich der rechten Hand sich eine Luxationsverletzung des Daumensattelgelenks ergeben habe. In der Folge sei es zu Einschränkung der Grob- und Feinmotorik gekommen, aufgrund von Bewegungseinschränkung und der muskulären Minderbelastung. Im Wesentlichen sei auch der Faustschluss nicht mehr möglich. Das bedeutet, dass ein Einlegen des Daumens in die Hand nicht möglich sei. Hinsichtlich der Speichenfraktur sei es in der Folgezeit zu einer ausgedehnten posttraumatischen Arthrose der radiokapalen Gelenksfläche gekommen. Der Zustand ergebe sich zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens von Professor Dr. L und Dr. T aus deren Gutachten. Heute habe sich der Zustand am rechten Arm (wie am linken Arm) weiter verschlechtert.
48Hinsichtlich des Umstandes, dass der Kläger über seine körperliche Leistungsfähigkeit im Beruf getäuscht habe, unabhängig davon, ob hieran der Maßstab der Arbeitsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit heranzuziehen ist, hat die Beklagte auf das Bestreiten des Klägers, dass er nie eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung zu 100 % behauptet habe, eine etwaige Äußerung des Klägers schon nicht bewiesen. Die vom Kläger vorgelegten Gutachten zum Nettoverdienstausfall, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleichs der Beklagten vorlagen, machen zwar jeweils Angaben dazu, dass der Kläger nach eigenen Angaben zu 100 % im handwerklichen Bereich derzeit arbeitsunfähig sei (Anl. K8, Bl. 199 d.A. sowie Anl. K9, Bl. 232 d.A.), der Kläger aber gleichzeitig erklärt habe, dass er in hohem Maße bestrebt sei den Geschäftsbetrieb erfolgreich weiterzuführen und - trotz der bestehenden, erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen - seine verbliebene, körperliche Restleistungsfähigkeit bestmöglich einzusetzen. Die Gutachten weisen keine von den Beklagten behauptete Äußerung des Klägers hinsichtlich einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit oder Erwerbsminderung zu 100 % aus. Im Übrigen hat die Beklagte keinen Beweis für die behauptete Äußerung des Klägers, dass er dauerhaft 100 % arbeitsunfähig und erwerbsgemindert sei, angetreten.
49Nach alledem ist eine Täuschung über den Gesundheitszustand nicht bewiesen.
50Sofern die Beklagte die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens beantragt, hat der Sachverständige Dr. L im Rahmen der Beantwortung der Ergänzungsfrage aus der Sicht der Kammer ausgiebig und genügend Stellung zu den Einwendungen der Beklagten genommen. Insbesondere habe keine Indikation für die Anfertigung einer weiteren Bildgebung bestanden, da für die Bestimmung der Funktionalität und die Bestimmung der MdE allein die klinische messtechnische Untersuchung des Klägers relevant sei. Die Einholung eines weiteren Gutachtens iSv § 412 ZPO ist nicht angezeigt. Allein der Umstand, dass die Beklagte die Feststellungen des Sachverständigen als ungenügend erachtet, gebietet nicht ohne Weiteres die Einholung eines Obergutachtens.
51b)
52Der Abfindungsvergleich ist auch nicht abzuändern und anzupassen wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Die Feststellung dieser strengen Voraussetzungen erfordert es, die realen Daten mit denjenigen Umständen und Bemessungsfaktoren in Beziehung zu setzen, die sich die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vorgestellt haben (MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 843 Rn. 53). Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Wer sich auf den Fortfall der Geschäftsgrundlage / Änderung der Geschäftsgrundlage beruft, trägt die Beweislast für die dazu erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen (BGH, Urteil vom 15.03.1995, MDR 1995, 1142-1143).
53Unstreitig war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleichs Geschäftsgrundlage, dass der linke Arm des Klägers funktionslos ist und der rechte Arm deutlich eingeschränkt ist. Diesbezüglich ist die Geschäftsgrundlage indes nicht gestört. Weder ein Wegfall noch eine wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage ist von der Beklagten bewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Umstände des Abfindungsvergleichs – Funktionslosigkeit des linken Arms und erhebliche Einschränkungen des rechten Arms – zum Zeitpunkt des Abschlusses des Abfindungsvergleichs tatsächlich vorgelegen haben und sich der Zustand bis heute nicht verbessert, sondern noch verschlechtert hat (vgl. die Ausführungen zur Täuschung).
54Dass der Kläger zum Zeitpunkt des Abschlusses dauerhaft arbeitsunfähig bzw. zu 100 % erwerbsgemindert war, ist schon nicht Geschäftsgrundlage des Abfindungsvergleichs geworden. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung zu 100 % Geschäftsgrundlage geworden ist. Geschäftsgrundlage sind die beim Abschluss des Vertrags zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass der Kläger wahrheitswidrige Angaben gemacht habe zu seiner Arbeitsunfähigkeit und Erwerbsminderung und sie von diesen Umständen bei Vertragsschluss ausging, hat sie indes nicht bewiesen, dass der Kläger eine etwaige Äußerung überhaupt getätigt hat, sodass auch nicht bewiesen ist, dass etwaige Vorstellungen der Beklagten zur dauerhaften Arbeitsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung zu 100 % des Klägers dem Kläger erkennbar geworden sind. In Schreiben an den Kläger vor Abschluss des Vergleichs führte die Beklagte vielmehr aus, dass seit ca. vier Jahren der Betrieb des Klägers trotz seiner verbliebenen Folgeschäden, erfolgreich weitergeführt werde, sodass die durch ihn selbst geschaffenen Tatsachen dafürsprechen, dass seine Erwerbstätigkeit eine zumutbare und keine überobligationsmäßige Tätigkeit darstelle. Trotz des Umstandes, dass die Beklagte von keiner überobligationsmäßigen Tätigkeit ausging, war sie im Rahmen des Abfindungsvergleichs mit der Zahlung eines monatlichen Betrages für den Verdienstausfall einverstanden, sodass die Beklagte dem Umstand, dass der Kläger ggf. sogar zumutbare Arbeiten in seiner Werkstatt ausführte, keine besondere Bedeutung bei Maß. Dass sie den Vergleich trotz Kenntnis von einem möglicherweise geringeren Erwerbsschaden abschloss, wird dadurch gestützt, dass sie selbst ausführt, dass dem Kläger ihrer Ansicht nach ein Erwerbsschaden nur im Jahr 2009 entstanden sei. Trotzdessen schloss sie einen Risikovergleich mit der Verpflichtung zur Zahlung eines Erwerbsschadens als monatliche Rente ab. Es sprechen gute Gründe dafür, entgegen der Behauptung der Beklagten, dass sie sich vorgestellt habe, dass der Kläger weder arbeitsunfähig noch erwerbsgemindert ist. Trotz dieser Unsicherheiten und Risiken schloss die Beklagte den Abfindungsvergleich ab, sodass sie das Risiko hinsichtlich der Leistungsfähigkeit gerade übernommen hat.
55Dass der Kläger Arbeiten in seiner Werkstatt ausführt und mit seinem Motorrad fährt, führt zu keiner anderen Beurteilung hinsichtlich des Wegfalls oder der Änderung der Geschäftsgrundlage. Der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zugrundeliegende Gesundheitszustand, der in die Vorstellungen der Parteien aufgenommen wurde, hat sich nicht wesentlich geändert. Eine Verbesserung ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L nicht eingetreten, sondern vielmehr noch eine Verschlechterung des Gesundheitszustands. Diese ergebe sich daraus, dass über die Jahre die Verschmächtigung der Muskeln noch zugenommen habe. Es sei mit den beim Kläger objektiv festgestellten Verletzungen ein Arbeiten in einer KfZ-Werkstatt und Motorrad fahren (umgebautes Motorrad) aus medizinischer Sicht nicht angeraten bzw. nicht möglich. Wenn der Kläger nun doch diese Arbeiten verrichtet, handelt es sich aus Sicht der Kammer um ein überobligatorisches Handeln mit besonderem Aufwand und besonderer Kraftanstrengung, führt aber nicht zu einer Änderung der Geschäftsgrundlage. Ferner darf ein überobligatorischer Aufwand die Beklagte ohnehin nicht entlasten. Denn erzielt der Verletzte durch eine so genannte „überobligationsmäßige“ Tätigkeit Einkommen, ist dies nicht auf den Einkommensschaden anzurechnen (Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschaden; 14. Auflage 2024 II. Erwerbsschaden Rn. 60 f.).
56Eine Änderung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nach alledem nicht dargelegt bzw. bewiesen.
57Unterstellt es läge eine wesentliche Änderung der Umstände vor, wäre das Festhalten am Abfindungsvergleich indes für die Beklagte nicht unzumutbar. Bei Änderung der Umstände gem. § 313 Abs. 1 BGB ist eine Anpassung des Vertrags nur möglich, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung zugunsten der Beklagten jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ihr ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Zahlung von monatlicher Rente für den Verdienstausfall unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist. Gemessen an diesen Maßstäben liegt keine Unzumutbarkeit vor. Denn soweit sich die beweisbelastete Beklagte hinsichtlich der Unzumutbarkeit auf die Fortführung des Geschäftsbetriebs durch den Kläger beruft, ist entgegenzuhalten, dass die Beklagte vor Abschluss des Vergleichs in einem Schreiben an den Kläger ausgeführt hat, dass seit ca. vier Jahren der Betrieb des Klägers trotz seiner verbliebenen Folgeschäden, erfolgreich weitergeführt werde, sodass die durch ihn selbst geschaffenen Tatsachen dafür sprechen, dass seine Erwerbstätigkeit eine zumutbare und keine überobligationsmäßige Tätigkeit darstelle. Trotz des Umstandes, dass die Beklagte von keiner überobligationsmäßigen Tätigkeit ausging, war sie im Rahmen des Abfindungsvergleichs mit der Zahlung des monatlichen Betrages für den Verdienstausfall einverstanden. Ferner führte die Beklagte vor Vergleichsabschluss aus, dass sie der Ansicht sei, dass dem Kläger nur im Jahr 2009 ein Erwerbsschaden entstanden sei. Wenn die Beklagte trotz Annahme dieser Umstände auf eine monatliche Zahlung mit dem Abfindungsvergleich einließ, hat sie gerade das Risiko für diese Umstände übernommen. Für das Berufen auf Unzumutbarkeit ist in diesem Fall kein Raum.
58c)
59Auf einen Anspruch auf Freistellung von der aus dem Vergleich noch offenen Zahlungsverpflichtung gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (cic), auf den sich die Beklagte beruft, greift ebenfalls nicht durch. Ein Anspruch auf Freistellung von der aus dem Vergleich noch offenen Zahlungsverpflichtung kann die Beklagte gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (cic) beanspruchen, wenn der Kläger sie - die Beklagte - durch pflichtwidriges Verschweigen einer erkennbar wesentlichen Tatsache oder Vorspiegelung falscher Tatsachen während der Vergleichsverhandlungen zum Abschluss eines Abfindungsvergleichs veranlasst hat. Wie dargelegt war der Beklagten aufgrund der ihr vorliegenden Gutachten bei Abschluss des Vergleichs bekannt, dass der linke Arm des Klägers funktionsunfähig und der rechte Arm eingeschränkt war. Hinsichtlich der Frage der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit hat die Beklagte jedenfalls nicht hinreichend dargelegt und bewiesen, dass der Kläger eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit überhaupt behauptet hat. Ein Beweisantritt ist diesbezüglich nicht erfolgt.
60d)
61Soweit die Beklagten die Bereicherungseinrede der Zweckverfehlung gem. §§ 821, 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BGB geltend macht, soweit sie den Abfindungsvergleich zu erfüllen hat, jedoch beim Kläger tatsächlich kein Verdienstausfallschaden mehr aus dem streitgegenständlichen Unfallereignis besteht, greift diese Einwendung ebenfalls nicht durch. Zweck der monatlichen Geldrente sollte der Ausgleich des Verdienstausfalls bzw. des Erwerbsschadens sein unter den zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Umständen. Dass kein Verdienstausfall mehr bestehen soll, begründet die Beklagte damit, dass entgegen der Angaben des Klägers keine vollständige Funktionslosigkeit des linken Arms und Einschränkung des rechten Arms in der Vergangenheit vorgelegen habe und auch heute nicht vorliege, der Kläger seine Werkstatt konstant weiter betreibe und er nicht seiner Schadensminderungspflicht nachkomme. Die Beklagte ist beweisfällig geblieben. Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Gesundheitsbeeinträchtigungen tatsächlich in der Vergangenheit vorlagen und auch heute noch fortbestehen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei aus medizinscher Sicht mit dem Gesundheitszustand des Klägers die Ausführung von handwerklichen Arbeiten in einer Kfz-Werkstatt grundsätzlich nicht möglich. Dass der Kläger seine Werkstatt weiterbetreibt und Arbeiten ausführt, stellt aus Sicht der Kammer gerade ein überobligatorisches Tätigwerden dar, welches den Schädiger nicht entlasten darf. Ohnehin hatte die Beklagte bei Abschluss des Vergleiches von Tätigkeiten des Klägers und der Betriebsfortführung der Werkstatt Kenntnis und ging selbst davon aus, dass lediglich in 2009 ein Erwerbsschaden beim Kläger entstanden sei, trotzdessen hat sie den Vergleich abgeschlossen, so kann sie dies dem Kläger nun nicht entgegenhalten. Da sich die damals vorliegenden Umstände nicht geändert haben, kann sich die Beklagte auch nicht auf einen Zweckfortfall berufen werden, da ihr bei Abschluss des Vergleichs bereits alle Umstände bekannt waren und der damals angestrebte Zweck wegen des Fortbestehens der Umstände weiterverfolgt wird.
62e)
63Soweit man hier überhaupt noch Raum für ein Berufen auf den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) sehen wollte, und zwar unter dem Gesichtspunkt eines krassen Missverhältnisses zwischen der Höhe der Abfindungssumme und den gesundheitlichen Beschwerden des Klägers, wie sie sich erst nach Abschluss des Vergleiches entwickelt haben, so müsste hierfür ein dermaßen krasses Missverhältnis zwischen dem Schaden und der Abfindungsleistung vorliegen, dass das Festhalten am Vergleich für die Beklagte eine außergewöhnliche Härte bedeuten und die zumutbare Opfergrenze überschreiten würde (OLG München, Urteil vom 14. September 2018 – 10 U 629/17 –, juris, Rn. 32). Ein derartiges krasses Missverhältnis ist nicht gegeben. Wie bereits dargelegt, hat der Sachverständige den beim Abschluss des Vergleichs bestehenden Gesundheitszustand – Funktionslosigkeit des linken Arms und Einschränkung des rechten Arms bestätigt – und in Bezug auf den heute bestehenden Gesundheitszustand sogar eine Verschlechterung zu dem damals bestehenden Gesundheitszustand festgestellt.
64Nach alledem besteht der Abfindungsvergleich wirksam fort. Ab März 2023 leistete die Beklagte an den Kläger keine monatlichen Zahlungen mehr an den Kläger. Für den Zeitraum vom 01.03.2023 bis 30.06.2023 war die Beklagte verpflichtet jeweils monatlich 2.203,12 € (8.812,48 €) sowie für die Zeit vom 01.07.2023 bis 31.12.2023 jeweils 2.299,84 € monatlich (13.799,04 €) an den Kläger zu zahlen, insgesamt 22.611,52 €.
65Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 01.03.2023 bis 30.06.2023 aus jeweils monatlich 2.203,12 € und für die Zeit vom 01.07.2023 bis 31.12.2023 aus jeweils monatlich 2.299,84 € aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB.
662.
67Der Kläger hat aus dem Abfindungsvergleich bis zu seinem 67. Lebensjahr einen Anspruch auf monatliche Zahlung i.H.v. 2.299,84 €, die zum 1. Juli eines jeden Jahres an die die Rentensteigerung der Deutschen Rentenversicherung Bund anzupassen ist (Antrag zu 3.).
68Der Abfindungsvergleich vom 13.08.2014 besteht, wie dargelegt, wirksam fort. Für die Begründetheit einer Klage auf künftige Zahlungen müssen die Leistungen mit ausreichender Sicherheit nach Grund und Höhe feststehen (BGH 19.11.2014 - VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Tz 33; RGZ 145, 196; MK/Becker-Eberhard Rn 10 ff; aA BAG NJW 72, 733, 734). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn eine bloße, noch nicht konkretisierbare Möglichkeit künftiger Einwendungen stehen dem Verfahren gem. § 258 ZPO nicht entgegen (BGH 16.1.2003 - III ZR 127/02). Aufgrund des absehbaren Endes des der Leistungspflicht mit dem 67. Lebensjahr des Klägers ist die Leistungspflicht indes auf diesen Zeitpunkt zu begrenzen. Die Pflicht besteht ab dem 01.01.2024.
693.
70Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 1.134,55 € gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Mit anwaltlichem Schreiben vom 21.09.2023 forderte der Kläger die Beklagte zur weiteren Zahlung auf. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Beklagte gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den monatlich zu leistenden Zahlungen für März bis September 2023 in Verzug; insgesamt mit einem Betrag von 15.712,00 € (März bis Juni 2023: 8.812,48 € und Juli bis September 2023: 6.899,52 €). Aus diesem Betrag errechnen sich die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.
71Diesbezüglich besteht ein Anspruch auf Zahlung von Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit gem. §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
724.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, 711 ZPO i.V.m. § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
74Der Streitwert wird auf 138.523,44 € festgesetzt (Antrag 1: 19.318,66 €, Antrag zu 2: 22.611,50 €, Antrag zu 3: 96.593,28 €).