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Die Angeklagte wird wegen Mordes zu
lebenslanger Freiheitsstrafe
verurteilt.
Die Angeklagte trägt die Kosten des Strafverfahrens einschließlich ihrer notwendigen Auslagen sowie die dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: § 211 Abs. 1, Abs. 2 StGB
Gründe:
2I.
31.
4Die zur Zeit der Hauptverhandlung 48-jährige Angeklagte wurde in Paderborn geboren und ist deutsche Staatsangehörige. Sie wuchs gemeinsam mit ihrem drei Jahre älteren Bruder, dem Zeugen und Nebenkläger ..., in dem unter der Anschrift ... in ... gelegenen elterlichen Wohnhaus auf. Der Vater der Angeklagten, verstorben im Jahr 2013, ging vor Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand dem Beruf des Schlossers bei der Fa. ... in … nach. Ihre im Jahr 1943 geborene Mutter, Frau ..., das Tatopfer des anhängigen Verfahrens, war als Büroangestellte in … bei verschiedenen Firmen tätig und nach Erreichen des Renteneintrittsalters ebenfalls im Ruhestand, ehe sie am 21.09.2019 verstarb.
5Die Angeklagte besuchte die Grundschule in ... und anschließend das ...-Gymnasium in …, das sie nach Vollendung der 11. Jahrgangsstufe verließ. In den Jahren 1991 bis 1993 schloss sich der Besuch des ..., einer höheren Handelsschule, in … an. Dort erlangte die Angeklagte die Fachhochschulreife. Anschließend absolvierte sie beim … von August 1993 bis August 1996 erfolgreich eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und wurde vom … übernommen. Die Angeklagte arbeitete sodann in verschiedenen Ämtern des …, unter anderem von 1998 an beim …, bis sie ca. ab Sommer 2009 in die … des … wechselte. Dieser Tätigkeit ging die Angeklagte bis zum Zeitpunkt ihrer Inhaftierung am 06.05.2020 durchgängig nach.
6Nachdem ihr Bruder aus dem Elternhaus am ... ausgezogen war, baute sich die Angeklagte im Jahr 1999 das Dachgeschoss der elterlichen Immobilie, einem freistehenden, zweigeschossigen Einfamilienhaus in ..., zu einer eigenen Wohnung aus. Das Eigentum an dem Grundstück wurde in zwei Miteigentumsanteile aufgeteilt; ein Miteigentumsanteil wurde auf die Angeklagte übertragen, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Dachgeschoss gelegenen Wohnung. Der weitere Miteigentumsanteil verblieb bei ihren weiterhin in der Wohnung im Erdgeschoss lebenden Eltern und ging nach dem Tod des Vaters auf die Mutter über. Wie der Angeklagten bekannt war, hatte jener unbelastete Miteigentumsanteil im Jahre 2019 einen Wert von mindestens 250.000,00 EUR.
7Ebenfalls im Jahr 1999 lernte die Angeklagten den Zeugen ... kennen. Dieser hatte zum April 1999 beim … des … eine Tätigkeit als Amtstierarzt aufgenommen. Ab Ende 1999 entwickelte sich zwischen den beiden eine Beziehung, Anfang des Jahres 2001 zogen die Angeklagte und der Zeuge ... zusammen, das Paar lebte fortan gemeinsam in der Wohnung der Angeklagten. Der Zeuge ... zahlte ihr eine monatliche Miete in Höhe von 380,00 EUR. Die beiden heirateten im Juni 2004, es wurde der Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Die Ehe blieb kinderlos und wurde am 30.09.2020, mithin wenige Tage vor Beginn der Hauptverhandlung im anhängigen Verfahren, geschieden.
82.
9Nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahr 2013 setzte Frau ... mit notariellem Erbvertrag vom 09.08.2013 die Angeklagte zu ihrer Alleinerbin ein. Im Wege des Vermächtnisses wandte die Mutter ihrem Sohn, dem Zeugen ..., nach Abzug der Beerdigungskosten die Hälfte des Wertes ihrer Eigentumswohnung zu, ferner die Hälfte ihres beweglichen (einschließlich Bar-) Vermögens. Der Sohn verzichtete im Gegenzug auf das ihm zustehende Pflichtteilsrecht.
10In den letzten Jahren war das Verhältnis zwischen der Angeklagten und ihrer Mutter geprägt durch gegenseitige Unterstützungsleistungen: Während die nicht pflegebedürftige Mutter, die lediglich auf die regelmäßige Einnahme des Medikaments Marcumar angewiesen war, für die Angeklagte und deren Ehemann in deren urlaubs- bzw. arbeitsbedingten Abwesenheitszeiten die Betreuung deren Haustiere übernahm, half die Angeklagte ihrer Mutter bei den Dingen des täglichen Lebens, bei welchen diese Unterstützung benötigte. Der Zeuge ... war in die Versorgung und Unterstützung seiner Schwiegermutter nicht involviert, ebensowenig bestand zwischen diesem und seiner Schwiegermutter ein Näheverhältnis. Die Wohnung seiner Schwiegermutter suchte er nur selten auf.
113.
12Im Jahr 2014 begann die Angeklagte, an Sportwetten im Internet teilzunehmen. Im Laufe der folgenden Jahre nahm die Häufigkeit der Wetten deutlich zu, gleichermaßen steigerten sich die Geldsummen, welche die Angeklagte bereit war, als Wetteinsätze einzubringen: Während sich die Ausgaben der Angeklagten für Wetteinsätze im Jahr 2014 noch auf ca. 11.000 EUR beschränkten (bei erzielten Gewinnen von 900 EUR), beliefen sich ihre Ausgaben bereits im Jahr 2017 auf ca. 59.000 EUR (bei erzielten Gewinnen von 4.450 EUR) und im Jahr 2018 bereits auf knapp 76.000 EUR (bei erzielten Gewinnen von ca. 17.585 EUR). Auf diese Weise überdehnte sie – ausgehend von dem von ihr bezogenen monatlichen Gehalt von ca. 2.100,00 EUR netto – ihre finanziellen Möglichkeiten in erheblichem Umfang, so dass die Angeklagte zur Finanzierung ihrer Wetteinsätze im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Klein- und Kurzzeitkrediten aufnahm und sich auf diese Weise bis September 2019 hoch verschuldete: zu diesem Zeitpunkt hatte die Angeklagte Kreditverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 170.314,46 EUR angehäuft.
13Bereits im August 2018 hatte die Angeklagte einen Kredit sichern lassen durch Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 86.000,00 EUR auf ihren Miteigentumsanteil an der Immobilie ... in .... Ferner hatte auch die Mutter der Angeklagten auf deren Bitten hin in den Jahren 2018 und 2019 zwei Kredite aufgenommen und die jeweils ausgezahlten Beträge überwiegend an ihre Tochter, die Angeklagte, weitergeleitet. Hierauf zahlte die Angeklagte an ihre Mutter im Jahr 2019 monatlich 610,00 EUR bis 620,00 EUR zurück.
144.
15Die Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten.
16Im anhängigen Verfahren wurde die Angeklagte am 06.05.2020 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tag in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Landgerichts Paderborn vom 04.05.2020, die aktuell in der Justizvollzugsanstalt Köln-Ossendorf vollzogen wird.
17II.
181. - Tatvorgeschichte -
19Das Eheleben der Angeklagten und ihres Ehemannes wurde durch den sich stetig steigernden Umfang der Teilnahmen der Angeklagten an online-Sportwetten massiv belastet, zumal sich die Angeklagte in ihrer prekären finanziellen Notlage auch von ihrem Ehemann finanziell unterstützen ließ: So forderte sie ihren Ehemann Ende des Jahres 2017 zur Zahlung der gesamten Jahresmiete für das Jahr 2018 im Voraus auf und ließ sich von ihm darin unterstützen, einen von ihr im Jahr 2018 erworbenen und zwischenzeitlich wieder verpfändeten ... wieder auszulösen. Endgültig verloren die Eheleute die Basis zueinander, nachdem die Angeklagte im Jahr 2018 auch dazu überging, nicht nur für sich selbst Wetteinsätze aufzubringen, sondern auch für ihre Arbeitskollegin, die Zeugin ... , zu der sie in den zurückliegenden Jahren ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt hatte. An diese brachte die Angeklagte etwaig ausgeschüttete Gewinne unter Abzug der Höhe des von ihr eingebrachten Einsatzbetrages zur Auszahlung. Zudem beabsichtigte die Angeklagte im Jahre 2018 nach einem gemeinsamen Urlaub mit der Zeugin ... auf … einen dortigen Hauskauf, der sich später jedoch zerschlug. Der Zeuge ... begann infolge dieser Umstände damit, zumindest vorübergehend eine räumliche Trennung von seiner Ehefrau in Erwägung zu ziehen. Dass er sich eine eigene Wohnung suchen wolle, davon berichtete er der Angeklagten erstmals im Verlauf des Sommers 2019.
20Parallel zu diesen ehelichen Problemen stieg der erhebliche finanzielle Druck, dem die Angeklagte ausgesetzt war, bis August 2019 in einem Ausmaß, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sah, als eine Straftat zur Geldbeschaffung zum Nachteil ihrer Mutter, deren finanziellen Verhältnisse ihr bekannt waren, zu begehen. Die Angeklagte entwendete am frühen Morgen des 22.08.2019 heimlich die EC-Karte ihrer Mutter zu deren bei der Sparkasse ... geführten Konto nebst zugehöriger PIN, fuhr um kurz vor 5 Uhr zur Sparkassenfiliale in ... und hob dort am Geldautomaten einen Geldbetrag in Höhe von 500,00 EUR ab. Um von den Überwachungskameras nicht erkannt zu werden, vermummte sich die Angeklagte für den Akt der Geldabhebung bis zur Unkenntlichkeit: Vollständig dunkel bekleidet, zugleich schwarze Handschuhe und eine Sonnenbrille tragend und einen dunklen Regenschirm mit sich führend, betrat sie das Foyer der Sparkassenfiliale, und verbarg die gesamte Zeit über – vom Zeitpunkt des Betretenes des Foyers, über den Akt der Geldabhebung bis zum Verlassen der Filiale – ihr Gesicht hinter dem vollständig geöffneten Regenschirm. Nachdem ihre ahnungslose Mutter wenige Tage später die Geldabhebung bemerkt hatte, berichtete diese ihrer Schwiegertochter, der Zeugin ... , davon, da sie die Tatbegehung durch einen Fremden befürchtete. Die beiden Frauen brachten den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige. Später räumte die Angeklagte gegenüber der Zeugin ... allerdings ein, dass sie es gewesen ist, die das Geld abgehoben hatte. Zur Erklärung führte die Angeklagte gegenüber ihrer Schwägerin jedoch wahrheitswidrig an, dass diese Geldabhebung auf Wunsch der Mutter erfolgt sei, die Mutter habe einen Versicherungsbetrug begehen wollen: Anlässlich eines Türkeibesuches sei der Mutter schon einmal Geld vom Konto abhandengekommen; den Schaden habe damals die Versicherung problemlos reguliert, so dass die Mutter auch jetzt mit einer zügigen und unkomplizierten Regulierung rechne. Der auf diese Weise erlangte Geldbetrag habe nach dem Wunsch der Mutter für die Kinder ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter sein sollten. Dieser Geschichte – den Kindern wurde zu keinem Zeitpunkt ein Betrag in Höhe von 500 EUR zugewandt – schenkte die Zeugin ... jedoch keinen Glauben.
212. - Tatvorgeschehen -
22Trotz ihrer erheblichen Eheprobleme und der im Raum stehenden Trennung planten die Angeklagte und ihr Ehemann, am Sonntag, den 22.09.2019, einen bereits seit längerem gebuchten einwöchigen Urlaub an den ... in ... anzutreten. Zuvor, am Abend des Donnerstag, 19.09.2019, stürzte die Geschädigte ... im Badezimmer ihrer Wohnung. Den Aufprall hörten die Angeklagte und ihr Ehemann, der Zeuge ... , die sich in ihrer Dachgeschosswohnung aufhielten. Die Angeklagte ging hinunter, sah, dass die Mutter Hilfe benötigte, und rief ihren Ehemann hinzu. Beide verhalfen der Mutter auf die Beine und brachten sie ins Bett. Ärztliche Hilfe wurde nicht angefordert.
233. - Tat vom 20./21.09.2019 –
24Am nächsten Tag – Freitag, 20.09.2019 – nahm sich die Angeklagte frei. Sie gab ihrem Ehemann gegenüber vor, sich nach dem vorangegangenen Sturzereignis vom Vorabend weiterhin um ihre Mutter kümmern und in der folgenden Nacht bei dieser sicherheitshalber übernachten zu wollen. In Wirklichkeit war in der Angeklagten jedoch zwischenzeitlich der Entschluss gereift, angesichts der ihr ausweglos erscheinenden finanziellen Situation ihre Mutter zu töten, um nach deren Versterben in den Genuss der Erbschaft zu gelangen und um hiermit jedenfalls einen Großteil ihrer Schulden von über 170.000,00 EUR begleichen zu können und sich der Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber ihrer Mutter zu entledigen. Die Gelegenheit, im Verlauf des Abends des 20.09.2019 dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen, erschien ihr auch günstig, denn außer der Angeklagten und ihrer Mutter war niemand im Haus, auch nicht der Ehemann der Angeklagten, denn dieser hielt sich – was die Angeklagte wusste – auf der zeitgleich stattfindenden Betriebsfeier des ... auf.
25In Umsetzung dieses Tatentschlusses verabreichte die Angeklagte ihrer Mutter – von dieser unbemerkt – zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Verlauf des Freitagabends oder in den frühen Morgenstunden des Samstags eine unbekannt gebliebene, aber toxisch wirkende erhebliche Menge frei verkäuflicher Schlafmittel mit den Wirkstoffen Diphenhydramin und Doxylamin, um ein Versterben der Mutter im Schlaf vorzutäuschen, und entsorgte anschließend die Blister der Medikamente. Nachdem die Mutter infolge der Medikamente schläfrig wurde, legte sich diese in ihr Bett und schlief ein, ehe sich die Angeklagte neben sie in das Doppelbett legte.
26Am frühen Morgen des Samstags, 21.09.2019, zwischen 5:30 Uhr und 6 Uhr, bemerkte die Angeklagte, dass die Mutter entgegen ihrer Erwartung nicht verstorben war, sondern – wovon die Kammer zugunsten der Angeklagten ausgeht – infolge einer sich realisierten paradoxen Nebenwirkung der überdosierten Schlafmittel wach in ihrem Bett lag und in einen ruhelosen Erregungszustand geraten war.
27Die Angeklagte erkannte, dass ihre Mutter nunmehr nicht aufgrund der ihr verabreichten überdosierten Schlafmittel versterben würde. Die Angeklagte, die unverändert zur Tötung ihrer Mutter entschlossen war, um mit dem erwarteten Erbe ihre finanziellen Verbindlichkeiten ausgleichen zu können, wusste, dass ihre Mutter Marcumarpatientin war und deshalb bei Verletzungen sehr schnell zu bluten begann. Sie ergriff die links- und rechtsseitig am Kopfende des Doppelbettes ihrer Mutter stehenden Nachttischlampen, die über einen massiven Metallstiel verfügten und mit gläsernen Lampenschirmen versehen waren und deren Böden jeweils aus Plastik bestanden. Daraufhin begann die Angeklagte, mit diesen von ihr jeweils am metallenen Lampenstiel festgehaltenen Nachttischlampen ihrer Mutter in Tötungsabsicht gezielte Schläge gegen den Kopf- und Gesichtsbereich zu versetzen, wobei infolge der Wucht der ausgeführten Schläge die Lampengläser zerstört wurden: Die gläsernen Lampenschirme beider Lampen zersplitterten, es zerbrach der aus Plastik bestehende Boden einer der beiden Lampen, und aus der anderen Lampe brach zudem die Glühbirne nebst Fassung heraus. Die Mutter, infolge der paradoxen Nebenwirkungen der ihr verabreichten Schlafmittel zu Abwehrverhalten noch in der Lage, versuchte, mit ihren Händen und Armen die Schläge durch die Angeklagte abzuwehren und erlitt hierdurch an den oberen Extremitäten Hautdefektbildungen und -unterblutungen; sie war jedoch bedingt durch die Medikamente stark in ihrem Reaktionsverhalten beeinträchtigt, was die Angeklagte auch erkannte. Die Angeklagte schlug unterdessen weiter mit den beiden Lampen auf den Kopf ihrer Mutter ein, um sie zu töten. Insgesamt versetzte die Angeklagte ihrer Mutter elf gezielte und wuchtig ausgeführte Schläge in deren Kopf- und Gesichtsbereich. Sieben dieser Schläge führten zu teils ausgedehnten, bis zu 6 cm langen, die Weichgewebsschichten überwiegend vollständig durchsetzenden Riss-Quetsch-Wunden der Haut an der linken Stirnseite, der linken Schläfen- und Scheitelregion sowie an der Scheitelhöhe, einhergehend mit blutigen Durchtränkungen, teils großflächigen Unterminierungen und Kopfschwartenablösungen sowie großflächigen Kopfschwartendurchblutungen in diesen Bereichen. Vier weitere dieser Schläge führten ebenfalls zu Riss-Quetsch-Wunden in der Gesichtsregion sowie an der linken Ohrmuschel; einer dieser Schläge, welcher die Mutter nahe des linken Mundwinkels traf, führte zugleich zum Aufreißen der Oberlippe. Wie von der Angeklagten beabsichtigt, führten die infolge der gegen den Kopfbereich durchgeführten Schläge erlittenen schweren Kopfschwartenverletzungen zu einem hochgradigen Blutverlust und zum Tod der ... durch Verbluten. Zudem zog die Angeklagte mit einer der Scherben der zerbrochenen Lampenschirme mehrfach über die Oberschenkel ihrer Mutter, was zu bis zu 12 cm langen, teils klaffenden Schnittverletzungen am Bein führte, wobei die Kammer nicht festzustellen vermocht hat, ob diese Schnitte der Getöteten postmortal beigefügt wurden oder aber noch zu ihren Lebzeiten. Außerdem drückte die Angeklagte ihrer Mutter im Verlaufe des Geschehens ein Kissen auf deren Gesicht. Ob dies prämortal erfolgt ist, um diese zu ersticken, oder aber post mortem, um das der Mutter im Kopf-/ Gesichtsbereich zugefügte erhebliche Verletzungsbild zu überdecken, hat die Kammer ebensowenig festzustellen vermocht.
28Postmortal konnten in der forensisch-toxikologischen Untersuchung des in dem anlässlich der Obduktion am 23.09.2019 entnommenen Oberschenkelvenenbluts der ... die Arzneimittelwirkstoffe Diphenhydramin und Doxylamin mit Konzentrationen von 1100 ng/mL (Diphenhydramin) bzw. 920 ng/mL (Doxylamin) festgestellt werden, die schon jede für sich betrachtet im toxischen Bereich lagen.
29Im Tatzeitpunkt war weder die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten aufgehoben, noch war ihre Steuerungsfähigkeit aufgehoben oder erheblich eingeschränkt.
304. - Nachtatgeschehen -
31Im Nachgang an die Tat im Verlaufe des frühen Morgens des Samstags (21.09.2019) rechnete die Angeklagte damit, dass die gewaltsame Tötung ihrer Mutter infolge des von dieser erlittenen massiven Verletzungsbildes und des optischen Erscheinungsbildes ihres Bettes – der Kopf der Mutter war blutverschmiert, auch das Bettzeug war blutdurchtränkt – während ihrer und ihres Ehemannes urlaubsbedingter Abwesenheit ab dem darauffolgenden Sonntag (22.09.2019) nicht unentdeckt bleiben würde. Weil sie befürchtete, eigene Spuren an den verwendeten Lampen hinterlassen zu haben, die zu einer Entdeckung ihrer Täterschaft führen könnten, wusch sie zwei Scherben der zerborstenen Lampenschirme im Badezimmer der Wohnung ihrer Mutter ab und ließ diese anschließend auf der Ablagefläche des Waschbeckens liegen. Schließlich schloss sie die Tür des Schlafzimmers ihrer Mutter von außen ab und legte den Schlüssel auf dem Bügelbrett im Nebenzimmer ab, um ein frühzeitigeres Entdecken des gewaltsamen Todes der Mutter zu verhindern.
32Aufgrund der Geschehnisse zulasten ihrer Mutter, ihrer stark belasteten Ehe und ihrer desolaten finanziellen Verhältnisse empfand die Angeklagte im Verlauf des Samstags ihre Lebenssituation zunehmend immer mehr als aussichtslos, so dass sie sich dazu entschied, auf der am nächsten Morgen mit ihrem Ehemann bevorstehenden Urlaubsfahrt aus dem Leben zu scheiden. Überdies fasste die Angeklagte zugleich den Entschluss, ihren Ehemann der Tatbegehung zu bezichtigen, um einen möglichen Tatverdacht gegen sich selbst zu verhindern. Um dieses Ansinnen herum entspann die Angeklagte eine Lügengeschichte, in deren Verlauf sie sich ebenfalls zugleich als Opfer ihres Mannes darstellte, der beabsichtige, auch sie spätestens während des bevorstehenden Urlaubs zu töten. Denn es kam ihr – der Angeklagten – darauf an, dass sie selbst von ihren Angehörigen und Dritten als unschuldig und der Zeuge ...als Täter angesehen werden sollte. So verfasste die Angeklagte in Umsetzung dieser Gedanken handschriftlich einen an die Zeugen ... und ... gerichteten vier Seiten umfassenden Brief, in dem sie schrieb:
33Seite 1:
34„... hat Mutter umgebracht, er konnte sie
35nicht mehr sehen/ hören, er ist immer so jähzornig,
36aggressiv, Mutter hatte schon Angst vor ihm, hatte
37bei ihr geschlafen, ihr ging es zwei Tage nicht so gut,
38wollte euch das noch sagen bevor wir fahren.
39Geht nicht mehr, ... hat mir Telefon weggenommen
40habe nur noch schnell Stift und Papier gefunden,
41hoffe er merkt es nicht und ihr findet dies!
42Ist irgendwann nach Betriebsfest verkleidet
43ins Schlafzimmer gekommen, habe ihn erkannt
44Hat Mutter erschlagen / erstickt, konnte nicht
45retten, ... zu stark, musste noch Spuren
46für ihn beseitigen. Wäsche waschen, abputzen…
47Habe gekämpft mit Mutter gegen ihn, zu stark,
48keine Fingerabdrücke.“
49Seite 2:
50Wir fahren morgen nach ... , mit Hunden,
51er will / wird mich auch umbringen, ich
52schaffe ihn nicht, zu stark. Er hält mich
53hier fest, unter Aufsicht, Gewahrsam er ist
54total krank, fühlt sich nur noch genervt
55von Mutter, ist ausgerastet.
56Ehe ist seit 2 Jahren nicht mehr so gut,
57haben beide Fehler gemacht, erst er, dann ich.
58Verkauft das Haus, die meisten Kredite,
59für Mutter aufgenommen“
60(…)
61Seite 3:
62„Vielleicht überlebe ich den Urlaub ja
63doch, aber er ist so stark“
64(…)
65„... ist verkauft, Unterlagen / Kredite
66im Keller, Versicherung wird zahlen bei Tod
67Erzählt nicht allen / alles überall, Mutter und
68Ich, sollen in Frieden tot sein
69(…)
70Glaube ... bringt alle um.
71Trotzdem war die Ehe überwiegend gut, habe
72Ihn geliebt.
73Behaltet es für euch! Hilfe, Hilfe, ich muss weg.“
74Seite 4:
75Konnte noch mal kurz schreiben, warum hat er
76das gemacht, habe die letzten Wochen so
77eine Angst gehabt, immer jähzornig, aber
78man bringt doch keinen um“
79(…)
80„Durfte nur unter Aufsicht ein paar Schritte
81raus, soll alles normal aussehen.“
82Die Angeklagte legte diesen Brief auf dem Wohnzimmertisch ihrer Mutter ab, verließ die Wohnung ihrer Mutter und zog die Tür hinter sich zu.
83Im übrigen Verlauf des Samstags hielt sich die Angeklagte überwiegend in der gemeinsamen Wohnung in der 1. Etage zusammen mit ihrem ahnungslosen Ehemann, dem Zeugen ... , auf, der in der Nacht von Freitag auf Samstag kurz nach 1 Uhr von der Betriebsfeier zurückgekehrt und sich sogleich in die gemeinsame Wohnung im Obergeschoss begeben und von dem gesamten Tatgeschehen nichts mitbekommen hatte. Er erlangte auch im Verlauf des Samstags und des Sonntags keine Kenntnis davon, dass seine Schwiegermutter tot in ihrem Schlafzimmer lag. Jeder der Eheleute erledigte Aufgaben im Haushalt, und es wurden die Vorbereitungen für die bevorstehende Urlaubsfahrt getroffen.
84Am nächsten Morgen – Sonntag, 22.09.2019 – traten die Eheleute … mit dem Pkw des Zeugen ... gegen 07:30 Uhr die Fahrt in den Urlaub an. Die Angeklagte bestand darauf, dass sie von Beginn an fährt, was der Zeuge als ungewöhnlich empfand, dies aber letztlich hinnahm. Auf dieser Fahrt führte die Angeklagte gegen 10:55 Uhr – um sich selbst zu töten und mindestens unter Inkaufnahme der Gefährdung auch des Lebens ihres Ehemannes – auf der Bundesautobahn A3 in Fahrtrichtung Nürnberg, zwischen den Anschlussstellen Erlangen-Tennenlohe und Nürnberg-Nord von rechts, mit einer Geschwindigkeit von mindestens 140 km/h gezielt einen Verkehrsunfall herbei, indem sie – vom mittleren Fahrstreifen kommend – mit dem von ihr geführten Pkw gegen den hinteren rechten Bereich des vor ihr auf dem linken Fahrstreifen fahrenden Pkw der Marke ... kollidierte. Unmittelbar im Anschluss an diese Kollision – in deren Folge der Fahrzeugführer des ... die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor, in einen Graben schleuderte und letztlich noch direkt an der Unfallstelle verstarb – prallte die Angeklagte – ohne ihr Fahrzeug zuvor abgebremst bzw. zum Stillstand gebracht zu haben, was sie aufgrund ihres Suizidentschlusses ohnehin nicht vorhatte – mit nahezu unveränderter Geschwindigkeit frontal gegen die hintere linke Seite des weiteren vor ihr fahrenden Fahrzeugs des Typs ... auf. Während dieses Fahrzeug kollisionsbedingt ebenfalls ins Schleudern geriet – der Führer dieses Fahrzeugs überlebte unverletzt –, setzte die Angeklagte ihre Fahrt unterdessen weiterhin mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit fort. Anschließend steuerte die Angeklagte das von ihr geführte Fahrzeug mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von mindestens 119 km/h gezielt in die Mittelleitplanke der Autobahn. Entgegen ihrer Erwartung überlebten sowohl die Angeklagte als auch deren Ehemann auch dieses Fahrmanöver äußerlich unverletzt. Nachdem die Angeklagte ihren Pkw verlassen hatte, überquerte sie – noch immer zu ihrer Selbsttötung entschlossen – die Fahrspur, stieg über die Mittelleitplanke, lief in den Gegenverkehr der dreispurigen, zu diesem Zeitpunkt stark frequentierten A3 und wurde dort von einem Pkw erfasst, wobei sie schwerwiegende Verletzungen erlitt. Anschließend wurde die Angeklagte in das Klinikum Nürnberg-Süd verbracht.
855. - Auffinden des Opfers -
86Der Zeuge ... informierte in der Mittagszeit des 22.09.2019 die Zeugen ... und ... über den erlittenen Unfall und die gesundheitliche Situation der Angeklagten und bat darum, die Mutter der Angeklagten zu informieren. Im Verlauf des Nachmittages versuchte die Zeugin ... mehrfach vergeblich, Frau ... telefonisch über das Unfallgeschehen zu informieren, so dass sie sich gegen 18:30 Uhr entschied, gemeinsam mit einem ihrer Kinder zum Wohnhaus ihrer Schwiegermutter zu fahren. Da auf ihr Klingeln hin niemand reagierte, öffnete die Zeugin die lediglich ins Schloss gezogene unversehrte Haustür mit dem ihr seitens ihrer Schwiegermutter für Notfälle zur Verfügung gestellten Hausschlüssel, ging in deren Wohnung, rief nach ihr und suchte nach ihr vergeblich in allen Räumlichkeiten. Das Schlafzimmer fand sie verschlossen vor. Da sich in der Zwischenzeit die Sorge eingestellt hatte, dass etwas nicht stimme, rief die Zeugin ihren Ehemann, den Zeugen ..., hinzu. In der Folgezeit brachen dieser und ein ebenfalls zu Hilfe gerufener Nachbar mit einer Brechstange die bis dahin ebenfalls unversehrte Schlafzimmertür auf und betraten das Schlafzimmer. Dort fanden sie die Mutter leblos, mit einem Kissen auf dem Gesicht, auf der linken Bettseite des Doppelbettes, auf einem mit Blut durchtränkten weißen Laken auf der rechten Körperseite liegend vor, hüftabwärts mit einer Bettdecke bedeckt, der gesamte Hinterkopf mit Blut verschmiert.
87Nach dem Eintreffen des herbeigerufenen Rettungsdiensts gegen 18:45 Uhr stellten die diensthabenden Notfallsanitäter, die Zeugen ... und ... sowie der Notarzt, der Zeuge ... , den Tod der ... fest, alarmierten die Polizei und stellten die Todesbescheinigung aus.
886. - Festnahme ...-
89Aufgrund der Angaben in dem handschriftlichen Brief der Angeklagten wurde – wie von ihr erwartet – ihr Ehemann ...in der Nacht vom 22.09.2019 auf den 23.09.2019 in dem von ihm zwischenzeitlich in Nürnberg angemieteten Hotelzimmer wegen des Verdachts, seine Schwiegermutter getötet zu haben, vorläufig festgenommen. Anschließend befand er sich auf der Grundlage des Haftbefehls des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.09.2019 bis zum 30.12.2019 in Untersuchungshaft, der auf seine Beschwerde vom 12.12.2019 von der Kammer mit Beschluss vom 30.12.2019 aufgehoben wurde.
907. - Beschuldigtenvernehmung der Angeklagten am 25.09.2019 -
91Am 25.09.2019, in der Zeit von 11:04 Uhr bis 16:26 Uhr, wurde die zu diesem Zeitpunkt wieder vernehmungsfähige Angeklagte in ihrem Patientenzimmer im Klinikum Süd in Nürnberg von dem Zeugen ... zusammen mit seiner Kollegin, der Zeugin ... , als – gemeinsam mit ihrem Ehemann – Mitbeschuldigte zu dem Tötungsdelikt zum Nachteil ihrer Mutter vernommen. Nach Belehrung gab die Angeklagte zum Tathergang das Folgende an: In der Nacht vom 20.09.2019 auf den 21.09.2019 habe sie bei ihrer Mutter geschlafen. Grund hierfür sei der am Vortrag erfolgte Sturz ihrer Mutter im Badezimmer gewesen. Zwischen 05:30 Uhr und 6:00 Uhr sei ihr Ehemann – mit einem Overall und Schutzschuhen bekleidet – in das Schlafzimmer ihrer Mutter gekommen und habe zunächst mit Kissen und anschließend mit den Nachttischlampen auf den Kopf ihrer Mutter eingeschlagen, so dass diese stark zu bluten begonnen habe. Außerdem habe er eines der Kissen auf das Gesicht der Mutter gedrückt und von ihr – der Angeklagten – verlangt, sich auf das Bett zu knien und zuzugucken, während er auf den Kopf der Mutter eingeschlagen habe.
92Im weiteren Verlauf der Vernehmung änderte die Angeklagte die Beschreibung des Tötungsgeschehens ab und erklärte, ihr Ehemann habe sie unter Vorhalt eines Taschenmessers dazu gezwungen, sich an der Tötung ihrer Mutter dergestalt zu beteiligen, dass sie sich habe auf die Kissen setzen zu müssen, die auf dem Gesicht ihrer Mutter gelegen hätten. Anschließend habe ihr Ehemann von ihr verlangt, die Tatmittel mit Toilettenpapier zu reinigen, das habe sie über die Toilette entsorgt. Zudem habe ihr Mann ihr die SIM Karte zu ihrem Handy weggenommen, diese zerbrochen oder zerschnitten und am Nachmittag des Samstags über die Toilettenspülung entsorgt. Bis zur geplanten Abfahrt in den Urlaub am Sonntag, den 22.09.2019, habe ihr Mann sie dann im Haus gefangen gehalten. In den Zeiten seiner Abwesenheit habe er sie an die Heizung in ihrer beider Schlafzimmer im Obergeschoss mittels eines geknoteten Hemds gefesselt. Eine Flucht sei ihr nicht möglich gewesen. In einem Moment der Unaufmerksamkeit ihres Mannes sei es ihr möglich gewesen, den vierseitigen Brief zu verfassen, diesen in das Wohnzimmer ihrer Mutter zu tragen und ihn dort auf dem Tisch zu legen.
93Zum Unfallgeschehen auf der Bundesautobahn A3 befragt äußerte die Angeklagte, ihr Mann habe ihr – sie habe das Fahrzeug gesteuert – ins Lenkrad gefasst und ihr Bein vom Bremspedal festgehalten.
94Wenige Wochen später erhielt die Angeklagte während ihres noch fortdauernden Krankenhausaufenthaltes in Nürnberg Besuch von ihrem Bruder ... und dessen Ehefrau ... . Diesen gegenüber beschrieb sie den Hergang des Tötungsgeschehens zu Lasten der Mutter analog zu ihren Angaben gegenüber ... im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung am 25.09.2019.
95III.
96Die vorgenannten Feststellungen ergeben sich zur Überzeugung der Kammer aus der durchgeführten Beweisaufnahme, für deren Umfang und Förmlichkeiten auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen wird.
97A. Feststellungen zur Person
981. Feststellungen zur Person der Angeklagten
99Die Angeklagte hat ihre persönlichen Verhältnisse sowie ihren Lebenslauf entsprechend den unter Ziffer I.1 getroffenen Feststellungen in einer von ihr verlesenen biographischen Erklärung dargestellt. Die Kammer sieht keinen Anlass für begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben.
100Soweit es ihren ehelichen Güterstand betrifft, ferner die Höhe der seitens ihres Ehemannes an die Angeklagte geleisteten Mietzahlungen, beruhen diese Feststellungen ergänzend auf den glaubhaften Bekundungen des glaubwürdigen Zeugen ... . Dieser hat angegeben, mit der Angeklagten im ehelichen Güterstand der Gütertrennung gelebt und an diese monatlich 380,00 EUR Miete gezahlt zu haben. Die Kammer sah sich nicht veranlasst, die Richtigkeit dieser Aussage in Zweifel zu ziehen.
101Im Übrigen hat sich die Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht eingelassen, weder zu ihrem Spielverhalten noch zu ihrer familiären und finanziellen Situation einschließlich ihrer Beziehung zu ihrer Mutter und ihrer erbrechtlichen Stellung.
1022. Feststellungen zur erbrechtlichen Situation sowie der Beziehung der Angeklagten zu ihrer Mutter in den der Tat vorangegangenen Jahren
103Die von der Kammer zu Ziffer I.2 getroffenen Feststellungen beruhen, soweit es die erbrechtlichen Verhältnisse betrifft, auf den Bekundungen des Zeugen ... und auf der diese Bekundungen ergänzenden Verlesung des notariellen Erbvertrags vom 09.08.2013.
104Der Zeuge ... hat bekundet, seine Mutter ... habe erbvertraglich geregelt, dass die Angeklagte nach ihrem Tod deren Alleinerbin habe werden sollen, allerdings mit der Auflage, ihm – dem Zeugen – im Wege des Vermächtnisses seinen hälftigen Anteil am Nachlass der Mutter auszuzahlen. Die Kammer hatte an der Richtigkeit dieser Aussage keine Zweifel, zumal diese bestätigt wird durch den in der Hauptverhandlung verlesenen Erbvertrag des Notars ... auch ... vom 09.08.2013. Hieraus ergibt sich, dass die später getötete ... die Angeklagte zu ihrer alleinigen Erbin eingesetzt und ihren Sohn mit – rechnerisch seinem ½ Erbanteil entsprechenden – Vermächtnissen hinsichtlich ihres beweglichen Vermögens und ihres Immobiliarvermögens bedacht hat. Der Zeuge ... hat ergänzend hierzu in der Hauptverhandlung bekundet, die Angeklagte habe die gesamte Immobilie mittlerweile veräußert und ihm auf seinen hälftigen Anteil aus dem Vermächtnis einen Betrag in Höhe von 135.000,00 EUR aus dem Verkaufserlös ausbezahlt. Hieraus und aus dem verlesenen Tatortbefundbericht des ... vom 22.09.2019 (Bl. 378 - 392 d.A.) sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern von der mindestens 100qm großen, aus fünf Zimmern, Küche und Bad mit Gartenanteil bestehenden und in gutem Zustand befindlichen Erdgeschoß-Wohnung aus dem Sonderband „Lichtbilder der Spurensicherung“, dort Lichtbilder Nrn. 19 bis 89, auf deren Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen wird, ergibt sich für die Kammer, dass der unbelastete Miteigentumsanteil der getöteten ... über einen Wert von mindestens 250.000,00 EUR verfügte.
105Soweit es die Beziehung der Angeklagten zu ihrer Mutter in den letzten Jahren vor der Tat betrifft, beruhen die Feststellungen der Kammer auf den Bekundungen der Zeugen ... , ..., ... und ... .
106Der Zeuge ...hat bekundet, dass die Angeklagte ihrer Mutter immer viel geholfen habe. Diese sei zwar gut alleine klar gekommen. Aber sie habe gleichwohl Hilfe im Haushalt benötigt. Einmal pro Woche wäre eine Haushaltshilfe gekommen, um seiner Schwiegermutter zu helfen, den Rest habe dann die Angeklagte gemacht. Seine Schwiegermutter habe die Angeklagte häufig auch tagsüber angerufen, wenn diese bei der Arbeit gewesen sei; hiervon habe ihm ... dann nachmittags auf dem gemeinsamen Heimweg berichtet. Abgesehen von diesen Hilfestellungen habe jeder von ihnen – er, die Angeklagte, seine Schwiegermutter – seine Privatsphäre gehabt, die seitens der jeweils anderen respektiert worden sei. Wenn er und die Angeklagte zu Hause gewesen seien, hätte sich seine Schwiegermutter zurückgehalten und hätte bei ihnen nur selten geklingelt, wenn sie etwas gewollt habe. Umgekehrt habe auch er, wenn er zu ihr runter gegangen sei, geklopft und akzeptiert, dass sie ihre Ruhe haben wolle. Sie seien sich daher eigentlich immer nur zufällig im Haus begegnet. Lediglich in der Arbeitswoche hätte er seine Schwiegermutter regelmäßig ca. 3-4 x gesehen, sie hätte dann immer auf sie gewartet, um zu berichten, ob es etwas wegen der Tiere gegeben habe. Denn seine Schwiegermutter habe während ihrer beruflichen Abwesenheitszeiten die Hunde und ihre Katze betreut und versorgt. Was für Tabletten seine Schwiegermutter genommen habe, dass wisse er nicht; er wisse nur, dass sie Marcumarpatientin gewesen sei.
107Der Zeuge ... hat bekundet, seine Mutter hätte Hilfe in den alltäglichen Dingen benötigt. Diese Hilfestellung habe sie vor allem von der Angeklagten erhalten, aber auch seine Ehefrau – die Zeugin ... – und seine Tochter hätten seiner Mutter geholfen. Soweit es die Beziehung seiner Mutter zu seiner Schwester betrifft, könne er hierzu nichts sagen. Seine Mutter hätte nie etwas über ... berichtet. Sie habe auch nie über Probleme berichtet, wenn es welche gegeben hätte. Das wäre ihr peinlich gewesen.
108Die Zeugin ... hat bekundet, ihre Schwiegermutter sei insgesamt noch recht fit gewesen, allerdings hätte sie ab und zu Hilfe im Haushalt benötigt, so beispielsweise beim Haare waschen, saugen und Rasen mähen und im Rahmen der Begleitung zu Arztbesuchen. Hilfe habe sie hierbei von der Angeklagten und ihr, der Zeugin, sowie ihren Enkelkindern bekommen. Ob es zwischen der Angeklagten und ihrer Schwiegermutter Probleme gegeben habe, davon wisse sie nichts. Es hätte lediglich einmal die Situation gegeben, dass die Angeklagte ihr anlässlich einer Familienfeier vor über 2 Jahren erzählt habe, dass die Mutter recht anstrengend sei, sie würde wegen Nichtigkeiten bei ihr im Büro anrufen. Danach habe sich die Angeklagte jedoch nie wieder über ihre Mutter beschwert.
109Die Zeugin ... hat bekundet, nach ihrer Einschätzung sei die Beziehung der Angeklagten zu ihrer Mutter normal gewesen. Die Mutter habe Hilfe gebraucht, wenn es um Arztbesuche oder den Haushalt gegangen sei. Hilfestellung habe die Mutter dann von der Angeklagten bekommen. Nach ihrem Eindruck habe dies die Angeklagte jedoch nicht anstrengt. Zwar sei die Pflege ihrer Mutter für die Angeklagte belastend gewesen, genervt hierüber sei die Angeklagte jedoch nie gewesen, sie habe sich auch nicht beklagt.
110Die Kammer sieht sich nicht veranlasst, die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen ... , ... und ... und ... in Zweifel zu ziehen, so dass aufgrund diesen Bekundungen für die Kammer feststeht, dass die Angeklagte mit der Pflege ihrer Mutter bzw. deren Unterstützung nicht überfordert gewesen ist.
1113. Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen der Angeklagten einschließlich deren Wettspielverhaltens
112Die Feststellungen zu Ziffer I.3 beruhen auf den Bekundungen des Zeugen ... , dem gegenüber die Angeklagte im Rahmen ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 25.09.2019 hierzu Angaben gemacht hat, und ferner auf den diese Angaben der Angeklagten bestätigenden Bekundungen des Zeugen ... :
113Der Zeuge ... hat bekundet, ihm gegenüber habe die Angeklagte nach Beschuldigtenbelehrung im Rahmen der federführend von ihm durchgeführten polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 unter anderem angegeben, dass ihre finanzielle Lage nicht gut sei, sie habe einiges bei Sportwetten im Internet „verzockt“. Sie habe meistens Wetten auf Tennisspiele platziert, hin und wieder auch auf Fußball. Sie sei deswegen verschuldet gewesen und habe bei verschiedenen Banken mehrere Kredite im zum Teil fünfstelligen Bereich aufgenommen, allein bei der ... hätte sie einen Kredit über 27.000,00 EUR gehabt, bei der Sparkasse einen Kredit über 10.000,00 EUR und bei der … und der … jeweils einen Kredit in Höhe von 80.000,00 EUR bzw. 6.000,00 EUR. Zudem habe sie noch mehrere Verträge bei … gehabt mit einer Gesamtsumme von ca. 30.000,00 EUR. Und sie habe auch bei ihrer Mutter Schulden in Höhe von ein paar tausend Euro gehabt, diese hätte für sie drei Kredite aufgenommen gehabt. Hierauf habe sie ihrer Mutter monatlich 610 bis 620 EUR zurückgezahlt.
114Diese Beschuldigtenangaben der Angeklagten sind uneingeschränkt verwertbar, denn die Angeklagte war bei ihrer Beschuldigtenvernehmung am 25.09.2019 – wie sogleich näher auszuführen sein wird – vernehmungsfähig.
115Die Kammer sieht auch keinen Anlass für begründete Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Angaben der Angeklagten gegenüber dem Zeugen ... , zumal diese im Einklang stehen mit den Bekundungen des Zeugen ... :
116Der Zeuge ... hat bekundet, im Zuge des gegen die Angeklagte und ihren damaligen Ehemann geführten Ermittlungsverfahrens aufgrund der im Raum stehenden Spielsucht der Angeklagten zur Finanzermittlung hinzugezogen worden zu sein. Er habe die finanziellen Verhältnisse sowohl der Eheleute ... als auch der Geschädigten ausgewertet, hierüber einen Sonderband angelegt und seine Erkenntnisse verschriftlicht.
117Begonnen habe er damit, zunächst eine Anfrage zu den drei Personen an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) zu richten. Soweit von dort eine Vielzahl von Konten benannt worden sei, über die die Angeklagte berufsbedingt zwar verfügungsberechtigt gewesen sei, die jedoch ausschließlich der Kämmerei des ... zuzuordnen gewesen seien, habe er diese nicht ausgewertet, sondern sich im Rahmen seiner Ermittlungen auf jene Konten beschränkt, deren Inhaberin die Angeklagte gewesen sei. Maßgeblich habe er ihr Gehaltskonto betrachtet, das sie bei der Sparkasse ... geführt habe und bei welchem es sich offenkundig um das Hauptkonto der Angeklagten gehandelt habe. Er habe die Jahre 2014 bis 2019 ausgewertet und in diesem Zuge festgestellt, dass sie ausgehend von dem von ihr bezogenen monatlichen Gehalt von ca. 2.100,00 EUR netto ihre finanziellen Möglichkeiten extrem überdehnt habe: Sie habe eine Vielzahl von Klein- und Kurzzeitkrediten aufgenommen und sich auf diese Weise bis September 2019 hoch verschuldet. So habe sie bis dahin Verbindlichkeiten aus Kreditforderungen verschiedenster Kreditinstitute in Höhe von insgesamt 170.314,46 EUR angehäuft und in diesem Zusammenhang einen Kredit sichern lassen durch Eintragung einer Grundschuld in Höhe von 86.000,00 EUR auf ihren Miteigentumsanteil an der Immobilie ... 3 in ... (der Dachwohnung). Ferner hätte auch die Mutter der Angeklagten in den Jahren 2018 und 2019 jeweils einen Kredit aufgenommen: Im Jahr 2018 einen Kredit bei der ... Bank über 12.000,00 EUR, wovon sie den Großteil, nämlich 11.390,00 EUR, am 06.06.2018 auf das Sparkassenkonto der Angeklagten überwiesen habe, und im Jahr 2019 einen Kredit bei einem Sparkassenkreditpartner, dessen Auszahlungssumme über 5.000,00 EUR am 01.07.2019 auf das Konto der Angeklagten geflossen sei. An ihre Mutter habe die Angeklagte dann im Jahr 2019 monatlich 610,00 EUR abgezahlt.
118Zudem habe sich aus der Kontoübersicht ergeben, dass die Angeklagte ab 2014 Transaktionen mit Bezug zu Internet Sportwetten insbesondere des Anbieters … vorgenommen habe, die sich im Laufe der Folgejahre jährlich intensiviert hätten: Während sich im Jahr 2014 die Umsätze mit den Internet Sportwetten Anbietern noch auf Ausgaben in Höhe von 10.771 EUR beschränkt hätten (bei Gewinnen in Höhe von ca. 900 EUR), seien die entsprechenden Ausgaben der Angeklagten im Jahr 2018/19 auf 75.739,47 EUR angewachsen (bei Einnahmen in Höhe von 17.585,49 EUR). Auf diese Weise habe die Angeklagte seit Beginn des Jahres 2014 bis September 2019 einen Betrag in Höhe von insgesamt ca. 215.000,00 EUR bei Internet Sportwetten eingesetzt. Demgegenüber hätten sich ihre Gewinne aus den Glücksspielen in diesem Zeitraum lediglich auf ca. 80.000,00 EUR addiert.
119Hinweise für begründete Zweifel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugen ... und ... oder der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sind in der Hauptverhandlung nicht hervorgetreten. Es handelt sich bei den Zeugen um als Polizeibeamte neutrale Zeugen, welche die ihrer unmittelbaren Wahrnehmung unterlegenen Vorgänge in der Hauptverhandlung sachlich ohne überschießende Belastungstendenz und ohne erkennbares Motiv für eine Falschbezichtigung der Angeklagten geschildert haben.
120B. Feststellungen zur Sache
121Die Feststellungen zur Sache hat die Kammer aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme getroffen.
122Die Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen.
1231. Feststellungen zur Tatvorgeschichte
124Die Feststellungen zu Ziffer II.1 – Tatvorgeschichte – beruhen auf den Angaben der Zeugen ... , ... , ... und ... sowie ... , ferner auf der Inaugenscheinnahme der Lichtbildmappe aus dem seitens der Staatsanwaltschaft Paderborn wegen Computerbetruges geführten Ermittlungsverfahrens 47 Js 800/19.
125Der Zeuge ...hat bekundet, im Verlauf des Jahres 2017 von der Angeklagten erfahren zu haben, dass sie sich an Sportwetten beteilige. Hiervon habe ihm die Angeklagte im Zuge ihres Vorhabens erzählt, mit ihrer Freundin, der Zeugin... , im Mai 2018 nach ... in den Urlaub fahren zu wollen. Schon das habe ihn sehr verwundert, da sie eigentlich immer im Süden Urlaub gemacht hätten. Er hätte ... dann auch gefragt, warum ... , da habe sie ihm von ihren Sportwetten erzählt und dass sie da sehr erfolgreich sei, sie hieran ihre Freundin ... beteilige, diese ihr dankbar sei und sich deshalb bei ihr mit der Reise nach ... bei ihr bedanken wolle. Ende 2017 habe sich die Angeklagte dann erstmals Geld von ihm geliehen. Sie hätte ihn darum gebeten, ihr die Miete für das Jahr 2018 im Voraus komplett zu zahlen, das habe er dann Anfang Januar 2018 dann auch gemacht. Da hätte er zum ersten Mal gedacht, dass ihre Sportwetten wohl doch nicht so erfolgreich seien, wie sie angegeben habe. Anlässlich seines 52. Geburtstages im Jahr 2018 habe er dann das erste Mal in das Handy seiner Frau geschaut und eine Kommunikation mit ... ... gefunden. Auf diese Weise habe er herausgefunden, dass sich ... mit dem Kauf eines Ferienhauses beschäftige, das auf ... für 925.000 EUR angeboten worden sei. Das hätte ihn sehr befremdet. Im weiteren Verlauf hätte er dann immer mehr mitbekommen, dass sie spiele und dass mehrere Kreditanträge liefen. Ihre Spielwetten und Kreditanträge habe er mit ihr besprechen wollen, sie hätte jedoch alles abgeblockt und bestritten. Zugleich sei seine Frau nach ihrer Rückkehr von ... immer mehr abgehoben. So habe sie sich einen hochwertigen ... gekauft, den sie später wieder für einen Betrag von nur 9.000,00 EUR versetzt habe. Außerdem habe sie Champagner bestellt und ihrer Freundin geschenkt. Andererseits hätte sie Sozialkontakte abgeblockt. All das habe überhaupt nicht zu dem Bild gepasst, das er von ihr gehabt habe. Über all das hätten sie immer mehr die Basis zueinander verloren. Er habe deshalb damit begonnen, es zumindest vorübergehend auf eine räumliche Trennung ankommen zu lassen und habe sich eine eigene Wohnung gesucht. Hierüber habe er ... wenige Wochen vor ihrem für September 2019 geplanten Urlaub am ... in ... informiert. Im gleichen Zeitraum hätte er sie jedoch noch finanziell dabei unterstützt, den ... wieder auslösen zu können.
126Die Zeugin ... hat bekundet, eine Arbeitskollegin der Angeklagten gewesen zu sein, zu der sich im Laufe der Zeit eine Freundschaft entwickelt hätte, die in den letzten 3-4 Jahren enger geworden sei. In deren Verlauf habe die Angeklagte ihr erzählt, dass sie bei Sportwetten mitmachen würde, sie würde Tennis tippen. Nach ihrem Kenntnisstand habe ... im Jahr 2018 mit dem Tippen begonnen. Sie selbst habe nicht mitgewettet, aber die Angeklagte habe ihr angeboten, dass sie für sie mitwetten und für sie auch Beträge einsetzen könne. Darauf hätte sie – die Zeugin ... – sich dann eingelassen, da sie selbst in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt habe. ... habe auch für sie Beträge eingesetzt, das können auch schon mal 100 EUR bis 200 EUR gewesen sein. Diese Beträge habe ... später dann von den ausgezahlten Gewinnen abgezogen und ihr – der Zeugin – die um die Höhe des jeweiligen Einsatzbetrages geschmälerten Gewinne ausgezahlt. Im Falle eines Verlustes habe sie keine nachteiligen Folgen gehabt, den Verlust habe ... alleine getragen. Die Zeugin hat weiter angegeben, dass die Angeklagte in ihrer Anwesenheit nie gewettet habe, aber sie habe schon intensiv gespielt, zumindest im Sommer, wenn die Tennisspiele gewesen seien. Da seien auch schon einmal größere Summen als Gewinne herausgekommen, die ihr die Angeklagte auch ausgezahlt habe. Über die ganze Zeit hätten sich allein die Gewinne, welche die Angeklagte an sie ausgezahlt habe, auf einen 5-stelligen Betrag im eher unteren Bereich summiert, mal 100 EUR, mal 200 EUR, mal 1.000 EUR und mal 1.500 EUR.
127Der Zeuge ... hat angegeben, die Angeklagte habe ihm gegenüber im Rahmen ihrer Vernehmung am 25.09.2019 auch bestätigt, am 22.08.2019 einen Betrag in Höhe von 500,00 EUR vom Konto ihrer Mutter abgehoben zu haben. Zwar habe sie die Begehung dieser Tat anfänglich bestritten, später dann aber eingeräumt. Hierzu habe die Angeklagte ausgeführt, die EC Karte aus dem Portmonee ihrer Mutter genommen zu haben und morgens kurz vor 5 Uhr zum Sparkassenautomaten nach ... gefahren zu sein. Sie habe zum Tatzeitpunkt eine schwarze Hose, eine Jacke, schwarze Handschuhe und schwarze Schuhe getragen und zudem einen Schirm dabei gehabt. Nachdem sie das Geld abgehoben habe, habe sie die EC Karte wieder zurück in das Portmonee ihrer Mutter gelegt. Wozu sie das Geld verwendet habe, das habe sie nicht mehr gewusst.
128Am Wahrheitsgehalt auch dieser Angaben der zum Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 vernehmungsfähigen (siehe unten) Angeklagten gegenüber dem Zeugen ... zu zweifeln, dazu sah sich die Kammer nicht veranlasst. Denn der von der Angeklagten gegenüber dem Vernehmungsbeamten geschilderte Tathergang vom 22.08.2019 wird bereits bestätigt durch die aus den Videoaufzeichnungen der Überwachungskamera der Sparkasse ... gewonnenen und von der Kammer in Augenschein genommenen Lichtbilder, auf die wegen der weiteren Einzelheiten auf Blatt 14 bis 22 der beigezogenen Ermittlungsakte Staatsanwaltschaft Paderborn, Az. 47 Js 800/19, gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen wird. Diese zeigen den Tatablauf so, wie von der Angeklagten gegenüber dem Zeugen ... geschildert und von der Kammer festgestellt. Es ist zu erkennen, wie sich die Person, deren Statur mit jener der Angeklagten übereinstimmt, bekleidet mit einer schwarzen Jacke, einer schwarzen Hose und schwarze Handschuhe tragend, dabei den Kopf hinter einem geöffneten schwarzen Regenschirm verbergend, zum Geldautomaten der Sparkassenfiliale geht, am Geldautomaten eine Verfügung veranlasst, anschließend 500,00 EUR entnimmt, sich hiernach abwendet und das Foyer der Filiale wieder verlässt.
129Die Feststellung der Kammer, dass es sich bei der Angeklagten um die Täterin dieses Geschehens handelt, wird überdies abgerundet durch die Angaben der Zeugin ... . Diese hat bekundet, dass es im August 2019 einen Vorfall gegeben habe, in dessen Rahmen vom Konto ihrer Schwiegermutter 500 EUR abgehoben worden seien. Ihre Schwiegermutter habe ihr im Rahmen eines Besuches davon berichtet, dass jemand 500 EUR von ihrem Konto geklaut habe, sie sei sehr aufgeregt gewesen. Sie sei deshalb mit ihrer Schwiegermutter zur Polizei gefahren, sie hätten den Vorfall dort zur Anzeige gebracht. Hierbei hätten sie erfahren, dass jemand Maskiertes das getan habe. Mutter habe gesagt, ... sei das nicht gewesen. Später aber habe ... ihr dann erzählt, dass sie das gewesen sei und dass sie das deshalb gemacht habe, weil Mutter einen Versicherungsbetrug habe begehen wollen. Diese hätte bereits vor vielen Jahren einmal anlässlich eines Türkeiurlaubs die Erfahrung gemacht, dass Geld vom Konto abhandengekommen sei. Das sei dann von der Versicherung reguliert worden. Einen solchen Vorfall habe sie – die Mutter – jetzt wieder inszenieren wollen. Die 500 EUR hätten für ihre Kinder sein sollen, so habe es die Mutter gesagt. Diese Geschichte hätte sie, die Zeugin, aber nicht geglaubt. Überdies hätte keines ihrer Kinder etwas von diesen 500,00 EUR erhalten.
1302. Feststellungen zum Tatvorgeschehen
131Die Feststellungen zu Ziffer II.2 beruhen auf den insoweit gleichlautenden Bekundungen des Zeugen ... sowie des Zeugen ... :
132Der Zeuge ... hat bekundet, ihm gegenüber habe die Angeklagte im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 außerdem angegeben, ihre Mutter sei am Abend des 19.09.2019 im Badezimmer hingefallen. Sie hätten einen dumpfen Knall gehört. Sie hätte dann gesehen, dass ihre Mutter am Boden gelegen habe. Weil sie sie nicht allein hochbekommen hätte, habe sie ihren Mann hinzugerufen und mit diesem gemeinsam ihrer Mutter hochgeholfen. Mutter hätte sich dann ins Bett gelegt, und zwar auf die linke Bettseite, da habe sie immer geschlafen.
133Der Zeuge ...hat bekundet, am Donnerstag, den 19.09.2019, sei seine Schwiegermutter abends im Bad gestürzt. Er und die Angeklagte hätten bei sich oben vor dem Fernseher gesessen, als sie plötzlich ein Rumpeln von unten gehört hätten. Er habe der Angeklagten gesagt, sie solle gucken gehen. Diese sei dann runter in die Wohnung seiner Schwiegermutter und habe ihn dazu gerufen. Da habe er gesehen, dass seine Schwiegermutter im Bad gestürzt sei. Er und die Angeklagte hätten sie ins Bett verfrachtet. Seine Schwiegermutter sei ansprechbar gewesen und habe keinen Arzt dazu rufen wollen. Er sei dann wieder hoch in seine Wohnung gegangen, die Angeklagte sei unten geblieben und habe sich alleine um die Mutter weitergekümmert. Dieser Moment sei das letzte Mal gewesen, dass er seine Schwiegermutter lebend gesehen habe.
1343. Feststellungen zur konkreten Tathergang, zum Tatwerkzeug und zur Tatzeit sowie zum unmittelbaren Nachtatgeschehen
135Die Feststellungen der Kammer zum konkreten Tathergang einschließlich dem unmittelbaren Nachtatgeschehen (zu Ziffern II.3-4) beruhen auf einer Gesamtschau der hierzu in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise, namentlich auf den Bekundungen des Zeugen ... , dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen PD ... und der Inaugenscheinnahme der von diesem im Rahmen der Obduktion gefertigten Lichtbildern des Leichnams (Lichtbildmappe „Sonderheft Lichtbilder Obduktion), dem ebenfalls in der Hauptverhandlung erstatteten DNA-Gutachten des Sachverständigen ... , ferner auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Behördengutachten der Sachverständigen ... aus dem Bereich Forensische Textilkunde, Botanik, Material-, Haar- und Endspuren – Landeskriminalamt NRW – vom 23.01.2020 sowie auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Tatortbefundbericht des ... vom 22.09.2019 (Bl. 378 - 392 d.A.) und den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort aus dem Sonderband „Lichtbilder der Spurensicherung“, dort insbesondere den Lichtbildern Nr. 137 bis 147, ferner Blatt 28 bis 32, 406 bis 416 der Hauptakte, auf deren Einzelheiten ebenfalls gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen wird.
136a) Inhalt der Beschuldigtenvernehmung am 25.09.2019
137Der Zeuge ... hat bekundet, die Angeklagte habe sich in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 25.09.2019 im Klinikum Nürnberg Süd nach Beschuldigtenbelehrung zum Tathergang wie folgt eingelassen: Ihr Ehemann habe ihre Mutter umgebracht. Sie – die Angeklagte – habe in der Nacht vom 20.09.2019 auf den 21.09.2019 bei ihrer Mutter geschlafen, da es dieser im Nachgang an ihren Sturz im Badezimmer am Abend des 19.09.2019 nicht gut gegangen sei. Dies habe ... gewusst. ... sei am Abend des 20.09.2019 nicht da gewesen, dieser sei auf der Betriebsfeier des ... gewesen. Nachdem ... von der Betriebsfeier nach Hause gekommen sei – den Zeitpunkt seiner Rückkehr wisse sie nicht – sei er am frühen Morgen des Samstags, den 21.09.2019, zwischen 05:30 Uhr und 6:00 Uhr mit einem Overall und Plastikschuhen bekleidet ins Schlafzimmer ihrer Mutter gekommen. Er sei betrunken gewesen und habe zunächst herumgeschrien. Die Mutter sei hierdurch wach geworden und hätte angefangen, herumzukeifen. Sie habe zu ... gesagt, dass er gesoffen habe. Dann sei er – ... – ausgeflippt. Er habe zunächst mehrere Kissen genommen. Anschließend habe er eine Nachtischlampe genommen und mit dieser ein paar Mal auf den Kopf ihrer Mutter geschlagen. Mutter, die Marcumar einnehme, fange so schnell an zu bluten. Sie habe nach dem Schlag mit der Lampe dann auch schnell angefangen zu bluten. Die Lampen – diese hätten jeweils einen Schirm aus Glas gehabt – seien dann auseinandergebrochen, das Glas sei kaputt gegangen. ... habe mit den Kissen um sich geschlagen und auf das Gesicht ihrer Mutter gedrückt. Von ihr – der Angeklagten – habe ... verlangt, dass sie sich auf das Bett knie und zugucke. Dann habe er wieder draufgehauen.
138Nach einer kurzen Pause der Vernehmung habe die Angeklagte dann angegeben, dass ihr Mann von ihr verlangt habe, sich auf die Kissen zu setzen, die auf dem Gesicht ihrer Mutter gelegen hätten, das sei ein ganzer Turm gewesen, ... habe sie hierzu unter Vorhalt eines ausgeklappten Taschenmessers gegen ihren Hals gezwungen. Die Kissen hätte er da hingelegt. Sie habe sich daraufgesetzt.
139Außerdem habe ... ihrer Mutter mit einer der Scherben vom Lampenschirm ihrer Mutter über deren Beine geritzt.
140Nachdem ihre Mutter tot gewesen sei, habe er sie erneut unter Vorhalt des ausgeklappten Taschenmessers dazu gezwungen, den Griff der Lampen abzuputzen, das Laken zu waschen und zwei Scherben von den Lampenschirmen im Badezimmer zu reinigen. Dort habe sie die gereinigten Scherben dann auch auf dem Waschtisch liegen lassen. Das Laken habe sie in der Waschmaschine ihrer Mutter gewaschen. Ihre Wäsche habe sie in ihrer Waschmaschine gewaschen.
141Weiter habe die Angeklagte ihm gegenüber angegeben, dass ihr Ehemann nach der Tötung der Mutter zu ihr gesagt habe, dass er auch sie – die Angeklagte – umbringen werde. Dann habe ihr Ehemann sie aus der Wohnung ihrer Mutter gezerrt und gezwungen, mit nach oben zu kommen. Er habe ihr das Handy nebst SIM Karte weggenommen. Die SIM Karte habe er später im Verlauf des Samstagsnachmittags zerschnitten und in die Toilette geworfen. Dann habe er sie eingesperrt. Sie sei zwischen Samstag, 6 Uhr und Sonntag, ca. 7:45 Uhr immer dann, wenn er mit den Hunden draußen gewesen sei, eingesperrt gewesen. Er habe sie im Schlafzimmer ihrer Wohnung im Obergeschoss eingesperrt, dort habe er sie an der Heizung festgebunden, mit einem zusammengeknoteten, blau/karierten Hemd habe er ihre Arme am Heizungsrohr festgebunden. Im Schlafzimmer gebe es nur einen Heizkörper. Sobald ... wieder im Haus gewesen sei, habe alles wie immer laufen müssen. Sie hätten ganz normal die Taschen für den Urlaub gepackt. Das Laken, das sie habe waschen müssen, habe sie nachmittags draußen aufgehängt. Da sie große Angst vor ihm gehabt habe, da er Kampfsport mache, sei sie nicht weggelaufen.
142Er – ... – habe ihr dann vorgehalten, dass er von den Paderborner Polizeikollegen wisse, dass im Esszimmer der Mutter auf dem dortigen Tisch ein handschriftlich verfasster Brief gefunden worden sei. Hierauf habe ihm die Angeklagte gesagt, dass dieser Brief von ihr stamme, diesen Brief habe sie am Samstagnachmittag geschrieben, als er – ... – es nicht gemerkt habe. Es sei ihr gelungen, den Brief – von ... unbemerkt – auf den Tisch im Wohnzimmer ihrer Mutter zu legen.
143Weiter habe ihm die Angeklagte davon berichtet, dass sie am nächsten Morgen gegen 07:45 Uhr in den Urlaub nach ... aufgebrochen seien. Sie habe auf dem Fahrerersitz gesessen, er – ... – habe ihr während der Fahrt auf der Autobahn in Höhe Nürnberg plötzlich ins Lenkrad gegriffen. Er habe dabei auch ihr Bein vom Bremspedal festgehalten. Sie sei da nicht mehr hingekommen. Sie sei dann rüber auf die Gegenfahrbahn. Anschließend sei sie in den Gegenverkehr gelaufen. Warum sie das getan habe, wisse sie nicht.
144Die Zeugin ... hat die Angaben des Zeugen ... , soweit es die von diesem bekundeten Angaben der Angeklagten zum Kerngeschehen der Tat betrifft, bestätigt. Die Zeugin ... , die bei der Vernehmung am 25.09.2019 zugegen war, hat ebenfalls bekundet, dass die Angeklagte ihren Ehemann der Tötung ihrer Mutter bezichtigt habe: Dieser sei verkleidet ins Schlafzimmer ihrer Mutter hereingekommen, habe mit den Nachttischlampen auf deren Kopf und Gesicht eingeschlagen, hierdurch habe ihre Mutter stark zu bluten begonnen. Von ihr, der Angeklagten, habe ...verlangt, anwesend zu bleiben. Außerdem habe er von ihr verlangt, sich auf die Kissen zu setzen, die dieser auf das Gesicht der Mutter gelegt habe. Erst im weiteren Verlauf habe die Angeklagte angegeben, unter Vorhalt eines Messers hierzu von ihrem Ehemann gezwungen worden zu sein. Weiter habe die Angeklagte angegeben, nachdem die Mutter verstorben gewesen sei, sei sie von ihrem Ehemann im Haus festgehalten worden, er habe sie an der Heizung im Schlafzimmer mit einem Hemd gefesselt.
145Hinweise für begründete Zweifel hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugen oder der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben sind in der Hauptverhandlung nicht hervorgetreten. Es handelt sich bei den Zeugen um als Polizeibeamte neutrale Zeugen, welche die ihrer unmittelbaren Wahrnehmung unterlegenen Vorgänge in der Hauptverhandlung sachlich ohne Belastungstendenz und ohne erkennbares Motiv für eine Falschbezichtigung der Angeklagten geschildert haben.
146b) Verwertbarkeit
147Diese Angaben der Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 25.09.2019 sind uneingeschränkt verwertbar. Es liegt weder ein Beweiserhebungs- noch ein Beweisverwertungsverbot vor. Die Angeklagte war bei ihrer Beschuldigtenvernehmung vernehmungsfähig.
148Der Zeuge ... hat hierzu bekundet, gemeinsam mit seiner Kollegin, der Zeugin ... , am 25.09.2019 gegen 11 Uhr die Angeklagte in ihrem Patientenzimmer im Klinikum Nürnberg-Süd aufgesucht zu haben, wo sie alleine gelegen habe. Er sei der führende Vernehmungsbeamte gewesen. Die Angeklagte habe im Krankenbett gelegen, die Rückenlehne sei angewinkelt gewesen, so dass sie habe gestützt sitzen können. Sie sei wach gewesen und hätte nicht schläfrig gewirkt, andernfalls hätte er sie nicht vernommen. Nach Erhebung ihrer Personalien und deren Angaben zur Person habe er mit der Angeklagten zunächst besprochen, dass eine Entbindung von der Schweigepflicht benötigt werde, da sie – die polizeilichen Vernehmungsbeamten – sich zunächst über ihren gesundheitlichen Zustand sowie die Medikamentengabe erkundigen müssten, ehe sie – die Angeklagte – polizeilich vernommen werden könne. Er – ... – habe der Angeklagten das entsprechende Formular vorgelesen und es ihr ausgehändigt. Die Angeklagte habe das Formular durchgelesen, unterschrieben und es ihm zurückgereicht. Anschließend hätten er und seine Kollegin den Dienst habenden Stationsarzt, den Zeugen … aufgesucht und hätten von diesem erfahren, dass der Angeklagten zur Schmerzlinderung unter anderem Opioide, nämlich Sufentanil und Oxycodon, verabreicht worden seien, zuletzt am Morgen des Vernehmungstages (25.09.2019). Weiter hätte der Arzt ihnen gesagt, dass es sich hierbei um eine moderate Medikamentengabe handele und dass die Angeklagte klar sei. Im Anschluss an dieses Gespräch seien er und seine Kollegin zur Angeklagten zurückgekehrt. Er – ... – hätte ihr den Strafvorwurf des Totschlags zum Nachteil ihrer Mutter bekanntgegeben und ihr mitgeteilt, dass neben ihrem Ehemann auch sie – die Angeklagte – als Täterin in Betracht käme. Die Angeklagte – die auf ihn psychisch unauffällig gewirkt habe – sei umfassend prozessrechtlich belehrt und von ihm gefragt worden, ob sie den Tatvorwurf verstanden habe, ob sie sich gesundheitlich dazu in der Lage sehe, Angaben dazu zu machen und ob sie verstanden habe, dass es ihr freistehe, sich zur Sache zu äußern oder nicht. Sämtliche dieser ihr – schrittweise – gestellten Fragen hätte die Angeklagte bejahend beantwortet und von sich aus gefragt, ob sie auch zum Unfall etwas sagen müsse. Diese Gegenfrage habe ihm – ... – gezeigt, dass die Angeklagte orientiert gewesen sei und die Geschehnisse in eine zeitliche Abfolge habe bringen können. Überdies habe die Angeklagte die gesamte Vernehmung über – deren Inhalt habe er wörtlich protokolliert, die Angeklagte habe seinem Diktat zugehört und habe jederzeit im Falle einer falschen Wiedergabe ihrer Antworten intervenieren können – mal mit kurzen Sätzen geantwortet, mal mit längeren Sätzen. Fragen hätte er nicht wiederholen müssen, er habe ihr auch nichts erklären müssen.
149Die Zeugin ... hat das Folgende bekundet: Nachdem man sich im Zuge der Ermittlungen dazu entschieden habe, die Angeklagte noch während ihres stationären Aufenthalts im Klinikum Nürnberg-Süd zu vernehmen, hätte sie zunächst im Kontakt mit dem Klinikpersonal gestanden, um deren Vernehmungsfähigkeit abzuklären. Nachdem sie vom ärztlichen Personal der Klinik die Information erhalten hätten, dass die Vernehmungsfähigkeit der Angeklagten sichergestellt sei, seien sie und der Kollege ... nach Nürnberg gefahren und hätten in der Klinik die Angeklagte aufgesucht. Nach ihrem Eindruck sei diese vernehmungsfähig gewesen, es hätten keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass sie nicht vernehmungsfähig sei. Die Angeklagte habe dann auch eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschrieben, danach habe sie – ... – die Medikamentenliste eingesehen und mit dem diensthabenden Stationsarzt ... unter Vorlage der Schweigepflichtentbindungserklärung Rücksprache gehalten. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass der Angeklagten am Morgen des 25.09.2019 das letzte Mal gegen 7 Uhr das Opiat „Oxycodon“ in der Dosierung 20 mg verabreicht worden sei, außerdem das Medikament „Clonidin“ in der Dosierung 75 mg. Zudem habe ... erklärt, dass die Angeklagte zusätzlich eine Dauergabe Sufentanyl, ebenfalls ein Opiat, erhalte. Die bisherige Dosierung von 10 mg / Std. sei am Morgen des 25.09.2019 indes auf 5 mg herabgesetzt worden. Befragt danach, ob die Angeklagte vernommen werden könne, habe ... dies bejaht.
150Die Zeugin ... hat nach vorheriger Entbindung von ihrer ärztlichen Schweigepflicht durch die Angeklagte bekundet, in ihrer Funktion als bereichsleitender Oberärztin der Psychiatrie im Klinikum Nürnberg Süd am 26.09.2019 – mithin dem Tag nach der Beschuldigtenvernehmung der Angeklagten durch ... und ... – bei der Angeklagten ein psychiatrisches Konsil durchgeführt zu haben. Im Rahmen dieses Gespräches sei die Angeklagte bewusstseinsklar und wach gewesen, Beeinträchtigungen des Denkens seien nicht feststellbar gewesen. Anhaltspunkte für eine Bewusstseinseintrübung seien nicht feststellbar gewesen, sie sei weder sediert gewesen noch habe sie verwaschen gesprochen. Hinweise auf einen Verwirrtheitszustand der Patientin hätten sich ihr nicht gezeigt, sie sei vielmehr orientiert gewesen. Ebensowenig hätten sich Anhaltspunkte für psychotisches Erleben – Verfolgungswahn, Wahrnehmungsstörungen – gezeigt. Soweit sie, die Zeugin, danach gefragt werde, ob der von ihr festgestellte Zustand der Patientin Rückschlüsse auf ihren Zustand am Vortag (25.09.2019) zulasse, könne sie diese Frage nur schwer beantworten. Aus der Patientenakte ergebe sich jedoch, dass an diesem Tag durch ihren Kollegen ... auch eine gründliche Aufklärung vor einer schwierigen Operation stattgefunden habe. Aus einem Gespräch mit ... wisse sie aber, dass er damals – am 25.09.2019 – die Angeklagte für klar und einwilligungsfähig im Hinblick auf die OP gehalten habe. Diese Umstände sprächen für sie dafür, dass der Zustand der Angeklagten am 25.09.2019 ähnlich gewesen sei wie am 26.09.2019.
151Die Kammer hatte ergänzend beabsichtigt, den Zeugen ... zum geistigen Zustand der Angeklagten vor Vernehmungsbeginn am 25.09.2019 zu vernehmen, nachdem die Angeklagte dessen Vernehmung beantragt hatte. Hierzu sah sich die Kammer jedoch außerstande, nachdem die Angeklagte unmittelbar vor Beginn seiner Vernehmung ihre Schweigepflichtentbindungserklärung widerrufen hatte.
152Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der – im Kern übereinstimmenden – Angaben der glaubwürdigen Zeugen, sachfremde Tendenzen waren im Aussageverhalten der Zeugen nicht erkennbar.
153Sodann hat die Kammer zur Frage der Vernehmungsfähigkeit der Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 den Sachverständigen ... , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, angehört, der bei der Vernehmung der Zeugen ... , ... und ... zugegen gewesen ist und der die Vernehmungsfähigkeit der Angeklagten zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich bejaht hat. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass zwar zutreffend sei, dass die Angeklagte zum Zeitpunkt ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 aufgrund der ihr im Rahmen der Schmerzbehandlung gegen 7 Uhr zuvor verabreichten Opioide Sufentanil (5 mg /Stunde) und Oxycodon (20 mg) unter dem Einfluss psychotroper Substanzen gestanden habe. Allerdings könne allein aus diesem Umstand nicht auf ihre Vernehmungsunfähigkeit geschlossen werden. Zunächst einmal handele es sich bei den der Angeklagten anlässlich ihres stationären Aufenthalts im Klinikum Nürnberg-Süd um den Tag ihrer dortigen Vernehmung verabreichten Opioide um gängige Schmerzmedikamente, die auf Intensivstationen standardmäßig eingesetzt würden. Es sei auch weder die Art der verabreichten Substanz noch deren Konzentration entscheidend, um die Frage der Vernehmungsfähigkeit des Patienten beurteilen zu können. Hierfür seien allein die individuellen Reaktionen des Patienten infolge der Medikamentengabe und der psychische Befund nach Einnahme entscheidend: Zeige der Patient ein ausreichend klares Bewusstsein oder sei er schläfrig bzw. spreche er mit verschwommener Sprache. Zeige der Patient trotz Schmerzmitteleinnahme ein ausreichend klares Bewusstsein, sei dessen Vernehmungsfähigkeit nicht anzuzweifeln. Dies sei aus fachpsychiatrischer Sicht bereits der Fall, wenn der Patient die Fähigkeit zeige, Sachverhalte zu erfassen und ihm gestellte Fragen – auch auf schlichte Art und Weise – hinreichend klar zu beantworten. Durch ein solches Verhalten zeige der Patient seine Fähigkeit zu einer inhaltlich geordneten Kommunikation. Nach diesen Maßstäben bestünden aus fachpsychiatrischer Sicht, basierend auf den inhaltlichen Angaben der Zeugen ... , ... und ... , keine Zweifel daran, dass die Angeklagte im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 zu einer solchen inhaltlich geordneten Kommunikation in der Lage und damit geistig leistungsfähig gewesen sei, trotz der ihr verabreichten Opioide. Denn die Angeklagte habe praktisch durchgehend, inhaltlich adäquat auf die ihr gestellten Fragen geantwortet und zudem im Kontext zu dem Vernehmungsgegenstand stehende Gegenfragen gestellt. Dass ihre Antworten zu Beginn der Vernehmung, soweit es deren Satzlänge betrifft, kurz und knapp gewesen seien, sei unmaßgeblich, denn allein das Formulieren schlichter Antworten stehe der Fähigkeit einer Person zu einer inhaltlich geordneten Kommunikation nicht entgegen. Überdies belege der Umstand, dass die Angeklagte in der Lage gewesen sei, mit dem Inhalt ihres am 21.09.2019 handschriftlich verfassten Briefes übereinstimmende Angaben zu dem Tatgeschehen zu machen, dass sie in der polizeilichen Vernehmung vom 25.09.2019 über ein ausreichendes Erinnerungsvermögen verfügt habe. Auch dies belege ausreichend sicher die Fähigkeit der Angeklagten zu einer geordneten Kommunikation. Zudem habe er weder Brüche in ihrem Aussageverhalten noch Anhaltspunkte dafür festzustellen vermocht, dass die Vernehmungsbeamten die Angeklagte im Rahmen der Vernehmung unter Druck gesetzt oder aber ihr Suggestions- bzw. Wiederholungsfragen gestellt hätten. Angesichts all dieser Umstände könne er daher sicher feststellen, dass die Angeklagte während ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 vernehmungsfähig gewesen ist.
154Diesen durchweg nachvollziehbaren und plausibel begründeten überzeugenden Darlegungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen zur Vernehmungsfähigkeit der Angeklagten schließt sich die Kammer vollinhaltlich an; begründete Anhaltspunkte für eine anderweitige Beurteilung sind nicht erkennbar. Die Ausführungen des Sachverständigen ... stehen auch nicht im Widerspruch zu den Ausführungen des Sachverständigen ... .
155Der toxikologische Sachverständige ... hat in der Hauptverhandlung ausgeführt, im Auftrag der Verteidigung die Krankenakte der Angeklagten aus dem Zeitraum deren stationären Aufenthalts im Klinikum Nürnberg-Süd ausgewertet und im Anschluss hieran zunächst am 03.11.2020 eine schriftliche gutachterliche Stellungnahme verfasst zu haben. In dieser Stellungnahme sei er zu der Einschätzung gelangt, dass die Angeklagte aufgrund der Einwirkung der ihr verabreichten Medikamente – Opioide in Gestalt von Sufentanil und Oxycodon und des blutdrucksenkenden Mittels Clonidin – am Tag ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 in ihren geistigen Fähigkeiten stark eingeschränkt gewesen sei. Zu dieser Erkenntnis sei er maßgeblich aufgrund des Inhalts des Vernehmungsprotokolls vom 25.09.2019 gelangt, denn er habe bei dessen Lektüre Brüche in der Kommunikation der Angeklagten mit den Vernehmungsbeamten festgestellt: Während die Angeklagte die ersten Stunden ihrer Vernehmung nur sehr kurze, aneinander gereihte Sätze gesprochen habe, sei die Kommunikation ab ca. 14 Uhr flüssiger geworden. Dies habe ihm gezeigt, dass die Angeklagte in der ersten Phase der Vernehmung noch stark unter dem Einfluss der ihr verabreichten Medikamente gestanden haben müsse. An diesen einzig nach Aktenlage gewonnenen Erkenntnissen könne, so der Sachverständige ... in der Hauptverhandlung, in dieser Pauschalität basierend auf den Angaben der vernommenen Zeugen jedoch nicht festgehalten werden. Vielmehr sei darauf hinzuweisen, dass auch er erstaunt gewesen sei, dass die Angeklagte trotz der eingenommenen Opioide in der Vernehmungssituation in der Lage gewesen sei, Details des zurückliegenden Wochenendes mitteilen zu können wie bspw. Uhrzeiten oder aber den Umstand, dass der Täter die Beine der Geschädigten mit Scherben geritzt habe. Denn die Wiedergabe von Details, die nur die zu vernehmende Person wissen könne, zeige andererseits, dass geistige Klarheit vorhanden gewesen sein müsse. Zudem zeige sich auch vor dem Hintergrund der – sogleich noch näher darzustellenden – Bekundungen der Zeugen ... und ... , denen gegenüber die Angeklagte einige Wochen später identische Informationen zum Tatgeschehen wie den Polizeibeamten am 25.09.2019 gegenüber mitgeteilt hatte, dass diese Informationen im Langzeitgedächtnis der Angeklagten abgespeichert gewesen sein müssten. Letztlich könne das klinische Bild, das ein Patient angesichts des ihm verabreichten Umfangs von Medikamenten als auch deren individuellen Auswirkungen auf ihn zeige, nur durch den Behandler beurteilt werden. Gleiches gelte für die inhaltliche Bewertung von Erzählsträngen des Patienten im Rahmen einer Vernehmung und die Frage einer etwaigen fehlerhaften Abspeicherung im Gehirn. Diese Fragestellungen zu beurteilen, obläge nicht seiner Profession – er sei Chemiker und als solcher auf dem Fachgebiet der forensischen Toxikologie tätig – sondern jener eines psychiatrischen/ psychologischen Sachverständigen.
156Insoweit lagen auch nach den Ausführungen des Sachverständige ... keine Anhaltspunkte dafür vor, die Ausführungen und Bewertungen des Sachverständigen ... zur Vernehmungsfähigkeit der Angeklagten am 25.09.2019 in Zweifel zu ziehen.
157c) Inhaltliche Richtigkeit der Bekundungen der Zeugen ... und ...
158Die Kammer hat ebenfalls keinen Anlass, die inhaltliche Richtigkeit der Angaben der Angeklagten gegenüber den Zeugen ... und ... zu bezweifeln, da diese im Einklang mit den Bekundungen der Zeugen ... und ... stehen.
159Der Zeuge ... hat bekundet, wenige Wochen nach dem 25.09.2019 gemeinsam mit seiner Ehefrau die Angeklagte im Krankenhaus in Nürnberg besucht zu haben. Die Angeklagte habe erzählt, dass ... Mutter umgebracht habe. Sie habe außerdem davon berichtet, dass dieser von einer Betriebsfeier heim gekommen sei, so gegen 1 Uhr, besoffen sei er gewesen. Er sei vermummt ins Schlafzimmer reingestürmt, mit einem Overall, Schutzschuhen und Handschuhen bekleidet, morgens, gegen halb 6. Er habe sie – die Angeklagte – unter Vorhalt von Messern dazu gezwungen, sich mit Kissen auf Mutter zu setzen, hierunter sei Mutter erstickt. ... hätte mit den Nachttischlampen auf Mutter eingeschlagen. Im Licht des Handys habe sie ihn erkannt. An dem darauffolgenden Samstag habe er sie gefangen gehalten, nicht vor die Tür gelassen. Er hätte sie gefesselt gehalten, wenn er mal draußen gewesen sei. Mit einem Hemd habe er sie an einer Heizung gefesselt, damit sie nicht abhauen könne. Außerdem habe sie an diesem Tag alles sauber machen müssen: wischen, saugen, putzen. Sonntag seien sie dann in den Urlaub gefahren. Angaben zu dem Messer habe ... nicht gemacht. Weiter habe die Angeklagte ihnen anlässlich dieses Besuchs erzählt, dass sie in der besagten Nacht auch Angst um ihr Leben gehabt habe, denn ... habe sie in ... umbringen wollen. Dort sei sie gerne gewesen, dort habe Schluss sein sollen. Einen Grund, warum ... Mutter getötet haben soll, habe die Angeklagte ihnen jedoch nicht gesagt. Sie hätten aber auch nicht darüber gesprochen und auch nicht spekuliert. Aus seiner – des Zeugen ... – Sicht habe ... aber auch keinen Grund dafür gehabt, Mutter zu töten.
160Die Zeugin ... hat die Angaben der Angeklagten zum Tathergang im Wesentlichen gleichlautend mit den Angaben ihres Ehemannes, des Zeugen ... bekundet. Sie hat ausgesagt, zwei bis drei Wochen nach dem Unfall hätten sie die Angeklagte im Krankenhaus in Nürnberg besucht. Die Angeklagte habe ihnen berichtet, was passiert sei. Sie habe bei Mutter geschlafen, da diese tags zuvor gestürzt sei. ... sei zwischen 05:30 Uhr und 6 Uhr von einer Betriebsfeier nach Hause gekommen. Er sei vermummt ins Schlafzimmer gekommen, das sei gegen 6 Uhr am Samstagmorgen gewesen, er hätte herumgeschrien und von ihr – der Angeklagten – verlangt, dass sie sich auf das Kissen auf den Kopf der Mutter setzen solle. ... hätte dann eine Nachttischlampe genommen. Damit habe ... auf die Mutter eingeschlagen. Sie – die Angeklagte – hätte noch versucht, sich gegen ... zu wehren, hätte dies aber nicht geschafft. Den gesamten Samstag über habe ... sie dann eingesperrt, sie habe das ganze Haus putzen müssen, habe alles sauber machen müssen. Außerdem habe ihr ... am Samstag das Handy weggenommen, er habe an diesem Tag auch ihre SIM Karte kaputt gemacht, damit sie keine Chance habe zu telefonieren. Er habe die SIM Karte zerschnitten. ... habe sie zudem an einer Heizung in der Wohnung gefesselt, damit sie nicht flüchten könne. Die Angeklagte habe von einem Kabelbinder gesprochen, es könne aber auch ein Hemd gewesen sein. ... hätte sich dann auf die Terrasse gesetzt und sich gesonnt.
161Die Kammer hat keinerlei Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der in jeder Hinsicht glaubwürdigen Zeugen ... und ... , die den Inhalt ihres Gespräches mit der Angeklagten im Wesentlichen übereinstimmend zu bekunden vermochten.
162d) handschriftlich verfasster Brief der Angeklagten
163Darüber hinaus decken sich die sowohl gegenüber den Zeugen ... und ... als auch gegenüber den Zeugen ... und ... erfolgten Angaben der Angeklagten hinsichtlich des Kerngeschehens des Tathergangs mit dem Inhalt ihres handschriftlich verfassten Briefes, der nach den glaubhaften Bekundungen des glaubwürdigen Zeugen ... im Rahmen der ersten Tatortaufnahme am Abend des 22.09.2019 von ihm auf dem Tisch im Wohnzimmer der Getöteten gefunden wurde und welcher in der Hauptverhandlung von der Kammer verlesen wurde. In diesem an ihren Bruder und dessen Ehefrau verfassten Brief der Angeklagten – von deren Urheberschaft ist die Kammer aufgrund der Bekundungen des Zeugen ... , die Angeklagte habe ihm gegenüber bestätigt, diesen Brief geschrieben zu haben, überzeugt – hat die Angeklagte ebenfalls ihren Ehemann der Tatbegehung bezichtigt („... hat Mutter umgebracht“). Zudem hat sie gleichlautend mit ihren Angaben im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 als auch gegenüber den Zeugen ... und ... in diesem Brief das Kerngeschehen der Tat geschildert („Hat Mutter erschlagen / erstickt, konnte nicht retten“; „Ist irgendwann nach Betriebsfest verkleidet ins Schlafzimmer gekommen“; „habe gekämpft mit Mutter gegen ihn, zu stark, keine Fingerabdrücke“) und gleichermaßen gleichlautende Angaben zum Nachtatgeschehen gemacht („... hat mein Telefon weggenommen“; „habe nur noch schnell Stift und Papier gefunden, hoffe er merkt es nicht und ihr findet das!“; „musste noch Spuren für ihn beseitigen. Wäsche waschen, abputzen“; „er will / wird mich auch umbringen“; „Er hält mich hier fest, unter Aufsicht, Gewahrsam“).
164e) Feststellungen zum Verletzungsbild und zur Todesursache
165Die Angaben der Angeklagten im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung vom 25.09.2019 dahingehend, der Täter habe mit einer Nachttischlampe gegen den Kopf-/ Gesichtsbereich ihrer Mutter eingewirkt, wodurch diese stark zu bluten begonnen habe und wodurch die gläsernen Lampenschirme gesplittert seien, weiter seien dieser mit den zerborstenen Glasscherben des Lampenschirms Schnittverletzungen im Bereich der Oberschenkel beigebracht worden, zudem habe ihre Mutter gegen den Täter angekämpft, deckt sich zudem mit den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen PD ... . Der Sachverständige PD ... , der am 23.09.2019 zunächst eine Tatortbesichtigung und im Anschluss hieran im Sektionsraum des Bestatters ... in … die Obduktion des Leichnams von ... durchgeführt hat, hat auf der Grundlage des bei der von ihm durchgeführten Tatortbesichtigung vorgefundenen Spurenbildes und unter Berücksichtigung der von ihm anlässlich der Obduktion gefertigten, in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen, Lichtbilder in der Hauptverhandlung das Folgende ausgeführt:
166- Schlagverletzungen und Tatfolgen
167Im Rahmen der Obduktion seien im Kopf- und Gesichtsbereich der getöteten ... erhebliche Gewalteinwirkungen gegen den Kopf, den Rumpf sowie die oberen und unteren Extremitäten festgestellt worden. Hierunter hätten 11 teils ausgedehnte Riss-Quetsch-Wunden der Haut an der linken Stirn- und Scheitelregion, der Scheitelhöhe, der linken Ohrmuschel sowie der Haut des Gesichts festgestellt werden können. Soweit einige dieser Verletzungen im unmittelbaren Bereich bzw. oberhalb einer gedachten Hutkrempe festzuzustellen gewesen seien, sei dies bereits ein Hinweis darauf, dass diese Verletzungen nur durch Schläge und damit durch Fremdeinwirkung entstanden sein können. Auch soweit insgesamt 11 Zusammenhangsdurchtrennungen am Kopf und im Ohr- und Gesichtsbereich festzustellen gewesen seien, sei dies ein sicheres Zeichen dafür, dass diese Verletzungsbilder auf Gewalteinwirkung zurückzuführen seien. Da die festgestellten Zusammenhangsdurchtrennungen auch weit genug auseinander gelegen hätten, könne infolge der Verletzungsmuster der Schluss gezogen werden, dass mindestens 11x auf den Kopf des Opfers bzw. in dessen Gesichts- und Ohrbereich eingeschlagen worden sei. Überdies hätten einige dieser Verletzungen charakteristische glattrandige Wundkonfigurationen aufgewiesen, die typisch seien für die Beibringung der Schläge mittels eines teils scharfkantigen Gegenstandes. In zwei der von ihm festgestellten Wunden oberhalb der linken Augenbraue und an der Nasenwurzel seien zudem glassplitterartige Fremdkörper zu finden gewesen, ein Hinweis darauf, dass der scharfkantige Schlaggegenstand aus gläsernen Bestandteilten bestanden haben müsse. Im Einzelnen habe er im Kopfbereich folgende Verletzungsbilder bei seiner Begutachtung feststellen müssen:
168- 1.: An der linken Hinterhauptregion, oberhalb der sogen. Hutkrempenlinie, am Übergang zur linken hinteren Scheitelregion, habe er eine ca. 5,3 cm lange, teils glattrandige, teils fetzig konfigurierte, klaffende Zusammenhangsdurchtrennung der Haut feststellen können; in der Wundtiefe seien sogen. Gewebsbrückenbildungen sowie das knöcherne Schädeldach erkennbar gewesen; in Richtung der Stirn sei die Kopfschwarte flächenhaft von der Schädelkalotte abgehoben gewesen;
169- 2.: Nahezu in der Scheitelhöhe, oberhalb der sogen. Hutkrempenlinie gelegen, sei eine nahezu horizontal gestellte, 2,5 cm lange, bogig konfigurierte, teils glattrandige, teils fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrückenbildungen in der Wundtiefe festzustellen gewesen; dieser Defekt sei 2,5 cm nackenwärts sowie bis zur abgehobenen Kopfschwarte an der linken Scheitelregion unterminiert gewesen, d.h. der Kontakt zwischen der Haut am Wundrand und dem Wundgrund sei aufgehoben gewesen. 3 cm stirnwärts dieses Defekts habe die Haut eine 3,5 x 3,5 cm große, unregelmäßig unscharf begrenzte, blassbläuliche Hautverfärbung aufgewiesen;
170- 3a. und 3b.: An der linken vorderen oberen Scheitelregion ca. in Höhe der sogen. Hutkrempenlinie gelegen, hätten sich zwei parallel zueinander gestellte, 8 mm bzw. 10 mm lange Defekte in Gestalt teils fetzig konfigurierter, oberflächlicher Zusammenhangsdurchtrennungen der Haut dargestellt; der Hautsteg zwischen den beiden Defekten sei unterminiert gewesen;
171- 4.: An der linken Stirnseite habe sich am Haaransatz eine längsgestellte, 2,2 cm lange, teils glattrandige, teils fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrückenbildungen in der Wundtiefe dargestellt; die Haut in der Umgebung sei blass-bläulich-violett verfärbt gewesen. Die Wundränder seien nicht geschürft und nicht unterminiert gewesen.
172- 5.: An der linken Stirnseite habe sich weiter eine quergestellte, 1,9 cm lange, teils blass-bräunlich, teils fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrückenbildungen in der Wundtiefe dargestellt; der rechte Wundwinkel habe die Gestalt eines dreiecksförmigen Zipfels aufgewiesen. Die Wundränder dieses ebenfalls unterminierten Defekts seien nicht geschürft gewesen.
173- 6.: Parallel zur linken Augenbraue und zu Defekt Nr. 5 sei 1,5 cm oberhalb der linken Augenbraue eine 6 cm lange, klaffende, teils glattrandig, teils fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrückenbildungen in der Wundtiefe festzustellen gewesen. Auch hier sei in der Wundtiefe das knöcherne Schädeldach erkennbar gewesen, die Haut in der Umgebung blass-bläulich-violett verfärbt. Dieser Defekt sei bis zu Defekt Nr. 5 unterminiert gewesen, darüber hinaus 2 cm in Richtung Stirnmitte sowie 1 cm in Richtung des linken Augenoberlids. Die Haut der Stirn zwischen den Augenbrauen habe kleinfleckförmige, teils konfluierte, blassviolette Hautverfärbungen aufgewiesen. Er habe in der Wunde zwei Fremdkörper in Form von Glassplittern aufgefunden.
174- 7.: An der Nasenwurzel habe sich eine längsgestellte, 1,5 cm lange, teils glattrandige, teils fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut dargestellt, 1,5 cm in Richtung des rechten Augenlides unterminiert. Der untere Wundwinkel habe einen dreieckförmigen Hautzipfel aufgewiesen. In der Wundtiefe habe er Gewebsbrückenbildungen sowie einen Fremdkörper in der Art eines Glassplitters erkennen können.
175- 8.: Am nasenseitigen Anteil der linken Jochbogenregion sei eine schräggestellte, 3 cm lange, teils glattrandige, teils fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrückenbildungen in der Wundtiefe festzustellen gewesen.
176- 9.: Nahe des linken Mundwinkels habe sich eine schräggestellte, 1 cm lange, glattrandige Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrücken in der Wundtiefe gezeigt. Dieser 2 cm in Richtung des linken Ohres sowie 1 cm in Richtung der linken Halsseite unterminierten Defekts habe sich bis in die Mundhöhle sondieren lassen; in Korrespondenz hierzu habe sich auch an der Mundschleimhaut an der linken Seite der Mundhöhle gezeigt, dass diese fetzig gerissen gewesen sei, mit Darstellung von Gewebsbrückenbildungen.
177- 10.: Am linken äußeren Gehörgang sowie an der Ohrmuschelinnenseite seien Butantragungen festzustellen gewesen sowie an der linken inneren Ohrmuschelgeschwulst eine quergestellte 12 mm lange, glattrandige Zusammenhangsdurchtrennung der Haut mit Gewebsbrückenbildungen in der Wundtiefe.
178Weiter hat der Sachverständige dargelegt, dass der Tod des Tatopfers auf die erlittenen schweren Kopfschwartenverletzungen zurückzuführen sei. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese Kopfhautverletzungen unter Berücksichtigung deren Lokalisation, Anzahl und Ausprägung als Ursache für die im Rahmen der Obduktion festgestellten Zeichen des Verblutens anzusehen seien.
179- Feststellungen zu Abwehrverletzungen der Geschädigten
180Darüber hinaus ist nach den Feststellungen des Sachverständigen PD ... der von der Angeklagten gegenüber den Zeugen ... und ... beschriebene Tathergang, in deren Verlauf sich die Getötete gewehrt haben soll, mit den von dieser im Bereich der oberen Extremitäten erlittenen Verletzungsbildern kompatibel. Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, dass er im Bereich der oberen Extremitäten der getöteten ... folgende Verletzungsbilder festgestellt habe: im Bereich der Beugeseite des rechten Unterarmes eine Zusammenhangsdurchtrennung der Haut, ferner teils flächenhafte, teils mit oberflächlichen Hautdefektbildungen einhergehende Hautunterblutungen an der linken Schulter, an der Außenseite des linken Oberarms, an der Streckseite des rechten Oberarms, an der rechten oberen Schulterblattregion, an den Streckseiten beider Unterarme sowie am rechten Handrücken. Im Einzelnen habe er folgende Verletzungsbilder festgestellt:
181- An der Außenseite der linken Schulter: eine unregelmäßig unscharf begrenzte, max. 5 x 4 cm große, rötlich-violette Hautverfärbung;
182- An der Außenseite des linken Oberarmes, schulternah: zwei unregelmäßig unscharf begrenzte, im Durchmesser je 1 cm große, blass-bläuliche Hautverfärbungen;
183- An der Außenseite des linken Oberarms, ellenbogennah: eine im Durchmesser 2,5 cm große, oberflächliche, rot-bräunlich vertrocknete Hautablösung, die Haut am Defektrand dunkelviolett-rötlich verfärbt;
184- Am linken Ellenbogen: eine breitstreifige, 3 cm lange, oberflächliche rot-bräunlich vertrocknete Hautdefektbildung;
185- An der Streckseite des linken Unterarms und linken Handgelenks: mehrere landkartenartig begrenzte, bis zu 5 x 4 cm große, dunkelviolett-rötliche Hautverfärbungen;
186- Am linken Zeigefinger: 5 mm langer, glattrandiger Defekt am rechtsseitigen Anteil des Nagelfalzes;
187- An der Streckseite des rechten Oberarms, mittleres Drittel: unregelmäßig unscharf begrenzte, maximal 6 x 3 cm große, blass-bläulich-violette Hautverfärbung;
188- An der Beugeseite des rechten Unterarms, im ellenbeugennahen Drittel gelegen: eine 3,8 cm lange, schräg verlaufende, überwiegend glattrandige, am außenseitigen Wundwinkel auch fetzig konfigurierte Zusammenhangsdurchtrennung der Haut;
189- An der Streckseite des rechten Unterarms, Außenseite des rechten Ellenbogens sowie auf dem rechten Handrücken: mehrere teils unregelmäßig unscharf begrenzte, teils landkartenartig begrenzte, maximal 2,5 x 1,5 cm große, blassbläuliche bis rötlichviolette Hautverfärbungen; die ellenbogennahe Verfärbung gehe mit einer 0,5 cm langen, oberflächlichen Hautdefektbildung einher.
190Sämtliche dieser Hautdefektbildungen und -unterblutungen an den oberen Extremitäten stellten – so der Sachverständige PD ... – hinsichtlich Lokalisation und Beschaffenheit typische Abwehrverletzungen dar, die dadurch entstünden, dass das Opfer seine Arme abwehrend gegen einen gegen ihn gerichteten scharfkantigen Gegenstand erheben würde. Die am Tatort sichergestellten Nachtischlampen mit jeweils metallenen Lampenstil und Lampenfassungen wiesen solche Kanten auf, die sowohl mit diesen Abwehrverletzungen als auch mit den festgestellten 11 Schlagverletzungen gegen den Kopf des Opfers in Übereinstimmung zu bringen seien, zumal in den Wunden teilweise Glassplitter dieser Lampe gefunden worden seien.
191- Feststellungen zu den Schnittverletzungen im Beinbereich
192Auch soweit die Angeklagte gegenüber dem Zeugen ... und seiner Kollegin angegeben hatte, der Täter habe mit einer der Scherben vom Lampenschirm ihrer Mutter über deren Beine geritzt, werden diese Angaben durch die Feststellungen des Sachverständigen PD ... bestätigt. Dieser hat ausgeführt, am Leichnam der ... auch im Bereich der Streckseiten beider Oberschenkel mehrere, bis zu 12 cm lange, teils in das Unterhautfettgewebe reichende, überwiegend parallel angeordnete Hautdefekte und Zusammenhangsdurchtrennungen festgestellt zu haben. Diese tiefreichenden Schnittverletzungen, so der Sachverständige, seien typische Verletzungsbilder einer scharfen Gewalteinwirkung mittels Glasscherben. Wann diese Verletzungen der Geschädigten zugefügt worden seien, ob noch zu deren Lebzeiten oder aber nach Todeseintritt, könne jedoch nicht mehr festgestellt werden. Da anhand des Zustands der Wundbilder festgestellt werden könne, dass Heilungsprozesse ausgeblieben seien – diese würden normalerweise 10 Minuten nach Beibringung einer Wunde einsetzen – sei davon auszugehen, dass diese Verletzungen der Geschädigten entweder beigefügt worden seien, als diese nicht mehr gelebt habe oder bereits im Sterben inbegriffen gewesen sei.
193Die Kammer folgt dem Gutachten des Sachverständigen PD ... nach eigener Würdigung vollumfänglich. Der Sachverständige, der als Facharzt für Rechtsmedizin für die Erstattung des klinisch-rechtsmedizinischen Gutachtens besonders qualifiziert ist, ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Er hat sein Gutachten verständlich und widerspruchsfrei erstattet. Umstände, die an der Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen Zweifel aufkommen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus hat sich die Kammer anhand der fotografischen Dokumentation der Verletzungen, die anlässlich der rechtsmedizinischen Obduktion erstellt worden ist und welche in der Hauptverhandlung mit sämtlichen Beteiligten in Augenschein genommen wurde, selbst einen Eindruck von Art und Ausmaß der tödlichen Verletzungen der ... verschaffen können.
194f) Feststellungen zum Tatwerkzeug
195Die Feststellungen zu den zur Tatausführung verwendeten Nachttischlampen beruhen überdies auf den Aussagen des Zeugen ... , auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Tatortbefundbericht des ... vom 22.09.2019, ferner auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort sowie dem verlesenen Behördengutachten der Sachverständigen ... – Landeskriminalamt NRW – vom 23.01.2020 und dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten DNA-Gutachten des Sachverständigen ... .
196Der Zeuge ... hat bekundet, an zwei Tatortbesichtigungen teilgenommen zu haben. Im Rahmen der ersten Tatortbesichtigung am 22.09.2019 gegen 22:45 Uhr sei er als erster Spurensicherer in der Wohnung der Getöteten im Erdgeschoss gewesen, einschließlich in deren Schlafzimmer. Auf dem Bett, auf dem die Getötete gelegen habe, hätten rechts und links des Kopfes der Verstorbenen zwei Nachtischlampen auf der Matratze gelegen, teilweise mit blutsuspekten Anhaftungen. Die Lampen hätten Beschädigungen im Bereich der gläsernen Lampenschirme sowie – eine der Lampen – am Lampenfuß aufgewiesen.
197Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben des glaubwürdigen Zeugen, zumal dessen Aussage in der Hauptverhandlung mit dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Tatortbefundberichts des ... vom 22.09.2019 hinsichtlich der Tatortspuren im Schlafzimmer übereinstimmte.
198Überdies ist auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort zu erkennen, dass links neben dem Kopf des auf der linken Seite des Bettes liegenden Opfers eine Nachttischlampe ohne Lampenschirm lag, in deren Fassung noch die Glühbirne steckte; der aus Plastik bestehende Lampenboden war zerbrochen. Ein Teil des abgebrochenen Bodens lag oberhalb des Kopfes des Opfers, an der Glühbirne und an der Fassung sind Blutanhaftungen zu erkennen. Das Kabel dieser Lampe war um den rechten Ellenbogen des Opfers gewickelt. Der Stecker dieser Lampe steckte noch in einer Steckdose, die sich hinter dem linken Nachttischschrank befindet. Unmittelbar neben dem Kopf und unter der rechten Gesichtshälfte lagen Glassplitter. Zu erkennen ist weiter, dass rechts vom Kopf des Opfers eine weitere – modellidentische – Nachttischlampe ohne Lampenschirm lag, aus deren Ständer Glühbirne nebst Fassung herausgebrochen waren. In unmittelbarer Nähe zu diesem Lampenständer lagen zwei größere – ebenfalls großflächig Blutanhaftungen tragende – Bruchstücke eines gläsernen Lampenschirms. In der einen Scherbe steckte noch die Glühbirne, in der anderen Teile der Fassung. Ein drittes gläsernes Bruchstück lag am Fußende der Bettseite, auf welcher das Opfer lag. Unmittelbar neben dem Kopf und unter der rechten Gesichtshälfte lagen Glassplitter von dem Lampenschirm. Diesbezüglich wird wegen der Einzelheiten auf Lichtbild Bl. 31 oben der Hauptakte und Lichtbild Nr. 137 des Sonderbandes „Lichtbilder der Spurensicherung“ gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen.
199Aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen, umfassend schlüssigen und nachvollziehbaren, Behördengutachten der Sachverständigen ... aus dem Bereich Forensische Textilkunde, Botanik, Material-, Haar- und Endspuren – Landeskriminalamt NRW – vom 23.01.2020, dem sich die Kammer vollinhaltlich anschließt, ergibt sich, dass sowohl die in den Kopfwunden der Getöteten gesicherten Glassplitter als auch die im Schlafzimmer der Getöteten sichergestellten Glasbruchstücke sowie die dort neben und unter der Leiche ebenfalls aufgefundenen zwei zerstörten Nachtischlampen dem LKA NRW zur Durchführung einer vergleichenden Untersuchung übersandt wurden. Aus den weiteren Ausführungen der Sachverständigen ... ergibt sich ferner, dass sechs Glasbruchstücke, die unter der Leiche der Geschädigten aufgefunden und gesichert wurden, gleichermaßen die aus der Kopfwunde der Geschädigten entnommenen Glassplitter mit dem Glasbruchstück mit Fassung inkl. Glühbirne übereinstimmen. Zwei weitere im Schlafzimmer aufgefundene Glassplitter stammen von dem Glas des Lampenschirms mit Metallfassung.
200Der Sachverständige ... – Landeskriminalamt NRW, Bereich DNA-Analytik / Serologie, hat in der mündlichen Verhandlung – auf seine Ausführungen wird sogleich noch näher einzugehen sein – ausgeführt, dass von allen ihm zur molekulargenetischen Untersuchung zur Verfügung gestellten Fragmenten der zerbrochenen Nachtischlampen aus dem Schlafzimmer der Getöteten die unbebluteten Regionen abgerieben und untersucht worden seien. An diesen Gegenständen seien ausschließlich oder aber stark dominierend DNA-Spuren der getöteten ... nachgewiesen worden.
201In einer Gesamtschau dieser Beweismittel zieht die Kammer den sicheren Schluss, dass es sich bei beiden Nachttischlampen um die Tatwerkzeuge gehandelt hat.
202g) Feststellungen zur Tatzeit
203Zur Überzeugung der Kammer steht ferner fest, dass sich das Tatgeschehen am 21.09.2019 zwischen 5:30 Uhr und 6:00 Uhr ereignet hat und dass Frau ... in diesem Zeitfenster auch verstorben ist.
204Die Zeugen ... und ... sowie ... haben übereinstimmend bekundet, die Angeklagte habe ihnen gegenüber angegeben, dass sich die Tat zwischen 5:30 und 6 Uhr am Morgen des 21.09.2019 ereignet habe. Diesen Angaben der Angeklagten zur Tatzeit folgt die Kammer, denn sie hatte gegenüber sämtlichen dieser Zeugen auch angegeben, von Beginn der Einwirkungshandlungen des Täters auf den Körper ihrer Mutter bis zum Eintritt deren Todes am Tatort anwesend gewesen zu sein. Ein Grund, warum die Angeklagte hinsichtlich der Tatzeit unzutreffende Angaben machen sollte, ist nicht ersichtlich. Überdies wird die von der Angeklagten angegebene Tatzeit durch das von dem Sachverständigen PD ... errechnete Todeszeitintervall abgedeckt, nach dessen Feststellungen – eine genauere Berechnung war ihm aufgrund des langen zeitlichen Abstandes bis zu seinem Eintreffen am Tatort am 23.09.2019 nicht möglich – der Tod ...s am Samtag, 21.09.2019 zwischen 04:00 Uhr morgens und 18:00 Uhr abends eingetreten ist:
205Der Sachverständige hat eine Todeszeitschätzung nach der Rektaltemperatur-Todeszeit-Noogramm-Methode nach Henßge vorgenommen. Er hat zu dieser Methode erläutert, dass diese auf dem Absinken der Körpertemperatur der Leiche in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur, des Körpergewichts sowie der Auffindungsumstände beruhe. Abkühlungsbeschleunigende und -verlangsamende Bedingungen würden durch einen Korrekturfaktor des Körpergewichts einberechnet. Er habe bei seinem Aufenthalt am Tatort am frühen Morgen des 23.09.2019 um 02:18 Uhr eine Messung der Raumtemperatur des Schlafzimmers unmittelbar neben der Leiche der Frau ... mit einem geeichten Digitalthermometer vorgenommen, diese habe einen Wert von 20,8 Grad Celsius ergeben. Um 02:20 Uhr sei die Messung der tiefen Rektaltemperatur erfolgt, diese habe 24,9 Grad Celsius betragen. Das Körpergewicht des Leichnams sei zum Zeitpunkt der Obduktion mit 76 Kilogramm gemessen worden. Unter Berücksichtigung des Auffindungsorts, der dünnen Bekleidung des Opfers und der Matratze als Aufliegegrund des Rumpfes sei unter der Annahme, dass zum Eintreffen der Notfallsanitäter am 22.09.2019 gegen 18:30 Uhr auf der unteren Rumpfhälfte – der Rumpfscheibe – des Leichnams die Bettdecke aufgelegen habe, ein Körpergewichtskorrekturfaktor von 1,3 bis 1,5 anzusetzen. Unter diesen Bedingungen und unter der Annahme, dass die gemessene Raumtemperatur von 20,8 Grad Celsius sich seit dem Todeseintritt nicht verändert habe, könne gemäß Berechnung mit der Software AMASoft Todeszeitprogramm eingeschätzt werden, dass der Tod der ... am 21.09.2019 zwischen 04:00 Uhr morgens und 18:00 Uhr abends eingetreten sei.
206Dass zum Zeitpunkt des Eintreffens der Notfallsanitäter am 22.09.2019 gegen 18:30 Uhr auf der unteren Rumpfhälfe der Verstorbenen die Bettdecke auflag, steht fest aufgrund der Bekundungen der Zeugen ... und ... . Die Zeugin ... hat bekundet, als sie und ihr Ehemann ins Schlafzimmer ihrer Schwiegermutter gekommen seien, hätte die Bettdecke auf dieser vom Rumpf abwärts auf der linken Seite gelegen. Es könne sein, dass sie – die Zeugin – an die Bettdecke ihrer Schwiegermutter gekommen sei, wenn, dann habe sie die Decke aber nur mit ihrer Hand berührt, aber runtergerissen oder runtergefallen sei sie nicht. Der Zeuge ... – nach seinen Angaben am Abend des 22.09.2019 diensthabender Notfallsanitäter – hat bekundet, keine Erinnerung mehr an die Lage der Bettdecke auf dem Leichnam zu haben. Auf Vorhalt seiner Angaben im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 23.09.2019, hiernach er damals angegeben hatte, die Bettdecke habe etwas über der Hüfte gelegen, hat der Zeuge indes weiter bekundet, dass diese Angaben richtig seien, wenn er das damals so gesagt habe.
207Die Kammer hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben der glaubwürdigen Zeugen ... und ... . Die Zeugen haben ihre Beobachtungen zur Lage der Bettdecke im Wesentlichen übereinstimmend bekunden können. Der Zeuge ... hat überdies ungefragt Erinnerungslücken und -unsicherheiten offenbart. Beide waren erkennbar bemüht, die von ihnen wahrgenommenen Umstände richtig wiederzugeben.
208h) Feststellungen zum Kissen
209In Übereinstimmung mit den Angaben der Angeklagten gegenüber dem Zeugen ... geht die Kammer auch davon aus, dass der Täter der Mutter der Angeklagten zumindest ein Kissen auf deren Gesicht gedrückt hat. Denn diese Angaben stehen im Einklang mit den Bekundungen der Zeugen ... und ... sowie ... und ... .
210Die Zeugen ... und ... haben übereinstimmend bekundet, nach dem Betreten des Schlafzimmers der Geschädigten hätten sie auf ihrem Gesicht ein Kissen liegen sehen, hätten dieses aber nicht berührt und es auf dem Gesicht der Mutter liegen lassen.
211Der Zeuge ... hat bekundet, am Abend des 22.09.2019 ebenfalls als Notfallsanitäter vor Ort im Einsatz gewesen zu sein. Als er im Schlafzimmer angekommen sei, habe er sofort gesehen, dass die Frau tot sei. Bereits beim Hineingehen ins Schlafzimmer habe er den Hinterkopf der Frau gesehen und das viele Blut. Außerdem habe auf dem Gesicht der Toten ein Kissen gelegen. Er habe das Kissen vom Gesicht genommen. Das habe sehr fest am Gesicht gelegen, es sei von Blut verklebt gewesen, so dass er habe Kraft aufwenden müssen. Das Kissen habe er direkt neben den Kopf der Patientin gelegt. Er habe in diesem Zuge gesehen, dass der Schädel der Patientin stark deformiert gewesen sei und dass sie eine Kopfplatzwunde am Hinterkopf links erlitten habe.
212Der Zeuge ... hat bekundet, als er im Schlafzimmer angekommen sei, habe er gesehen, wie sein Kollege ... ein Kissen vom Gesicht der Patientin genommen habe. Sonst hätten sie am Tatort nichts verändert.
213Die Kammer hat keinerlei Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben sämtlicher glaubwürdigen Zeugen, zumal deren Aussagen in der Hauptverhandlung mit dem Inhalt des in der Hauptverhandlung verlesenen Tatortbefundberichts des ... vom 22.09.2019 hinsichtlich der Tatortspuren im Schlafzimmer übereinstimmten. Überdies ist auch auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort zu erkennen, dass unter anderem direkt links neben dem Kopf der Geschädigten ein gelb/grünes blutdurchtränktes Kissen liegt.
214Indes hat die Kammer nicht festzustellen vermocht, zu welchem Zeitpunkt der Mutter der Angeklagten das Kissen auf das Gesicht gelegt worden ist: prämortal, um die Geschädigte zu ersticken, oder aber postmortal, um das massive Verletzungsbild in deren Kopf-/ Gesichtsbereich zu überdecken. Nach den Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen ... waren Anzeichen dafür, dass der Tod der Geschädigten durch Ersticken mittels eines Kissens herbeigeführt worden sei, nicht ersichtlich. Soweit er im Rahmen der Obduktion der Getöteten auch eine Lungenüberblähung festgestellt habe, sei diese bei der Geschädigten chronisch gewesen und lasse keine Rückschlüsse auf einen Erstickungstod zu.
215i) Feststellungen zum Schlafmittel
216Aufgrund der im Übrigen durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer weiter davon überzeugt, dass die Geschädigte, ehe sie erschlagen wurde, zunächst vergiftet werden sollte, und zwar durch die Verabreichung überdosierter frei verkäuflicher Schlafmittel mit den enthaltenen Wirkstoffen Diphenhydramin und Doxylamin, dieser Vorgang aber missglückte, da sie nicht in den – vom Täter erhofften – todbringenden Schlaf verfiel, sondern vielmehr – wovon die Kammer zugunsten der Angeklagten ausgeht – infolge der Intoxikation mit Diphenhydramin und Doxylamin in einen Erregungszustand einhergehend mit Ruhelosigkeit, Agitiertheit, und Wachheit geriet („paradoxe Nebenwirkungen“). Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der ebenfalls in der Hauptverhandlung erstatteten forensisch-toxikologischen Gutachten des Sachverständigen ... und der – dessen Ausführungen ergänzenden – gutachterlichen Stellungnahme des ... .
217Der Sachverständige ... hat ausgeführt, die im Rahmen der Obduktion der Getöteten entnommenen Proben von Mageninhalt, Urin, Herzblut und Oberschenkelvenenblut chemisch-toxikologisch untersucht zu haben. Im Rahmen dieser Untersuchungen habe er im Oberschenkelvenenblut der Getöteten die Arzneimittelwirkstoffe Diphenhydramin mit 1.100 ng/ml und Doxylamin mit 920 ng/ml nachweisen können, auch in den anderen Proben seien diese Substanzen nachweisbar gewesen. Bei diesen Arzneimittelwirkstoffen, welche Frau ... vor ihrem Tod aufgenommen habe – zum Zeitpunkt der Einnahme der Arzneimittel könnten keine Feststellungen getroffen werden –, handele es sich in ihrem Ursprung um H1-Antihistaminika, die infolge ihrer ausgeprägt sedierenden Eigenschaften auch in – in Apotheken frei verkäuflichen – Schlaf- und Beruhigungsmitteln Verwendung fänden. Beide Konzentrationen lägen bereits jeweils für sich betrachtet im unteren toxischen Bereich – soweit es das Diphenhydramin betrifft, läge die therapeutische Dosierung bei Konzentrationen von etwa 50 ng/ml bis maximal 1.000 ng/ml, beim Doxylamin seien Konzentrationen bis etwa 200 ng/ml noch als therapeutisch anzusehen – die Kombination beider Schlafmittel habe überdies zur gegenseitigen, eindeutig toxisch zu beurteilenden, Wirkungsverstärkung geführt. Eine Intoxikation mit diesen Wirkstoffen führe zwar im Regelfall zu starker Schläfrigkeit bis hin zu Bewusstseinseintrübungen und komatösen Zuständen, indes könne es auch insbesondere zu Angstzuständen, Halluzinationen, Erregungszuständen bis hin zu deliranter Verwirrtheit kommen. Welche dieser Beeinträchtigungen die Getötete zum Zeitpunkt des Entstehens ihrer Kopfschwartenverletzungen gezeigt habe, könne indes nicht getroffen werden. Er halte es zwar für wahrscheinlich, dass die Verstorbene zu diesem Zeitpunkt geschlafen habe, es sei aber auch möglich, dass bei ihr zu dieser Zeit paradoxe Reaktionen in Gestalt von Ruhelosigkeit, Agitiertheit, Angst, Tremor und Schlafstörungen vorgelegen hätten.
218Auch der ergänzend angehörte Sachverständige ... hat in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen ... ausgeführt, dass keine Aussage darüber getroffen werden könne, welche der mit der Einnahme der genannten Arztneimittelwirkstoffe verbundenen Symptome die Getötete gezeigt habe, als die Kopfschwartenverletzungen entstanden seien. Hinzuweisen sei auf publizierte Erfahrungsberichte von Klinikern, nach denen habe festgestellt werden können, dass es keine Korrelation zwischen der von den (mit beiden Antihistaminika vergifteten) Patienten gezeigten Symptomatik und der Wirkstoff-Konzentration im Blutplasma gegeben habe. Dies treffe auch für Psychosen zu, die im Rahmen einer Intoxikation auftreten können. Zwar werde bei therapeutischer Dosierung in der Regel das Zentralnervensystem durch dämpfende Effekte beeinträchtigt, bei hohen Dosierungen könnten aber auch die – als paradox zu bezeichnenden – stimulierenden Wirkungen überwiegen. Basierend auf der ausgewerteten wissenschaftlichen Literatur erscheine es daher im Falle der Getöteten sogar als wahrscheinlicher, dass zu dem Zeitpunkt, als sie tödlich verletzt worden sei, die stimulierende bzw. paradoxe Wirkung der Antihistaminika im Vordergrund gestanden habe, als dass diese tief geschlafen habe.
219Basierend auf einer Gesamtschau beider Gutachten hat die Kammer daher nicht die Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass die Mutter der Angeklagten zum Zeitpunkt des Beginns der gegen ihren Kopf gerichteten tödlichen Schläge tief geschlafen hat. Denn nach den Ausführungen beider Sachverständigen bestand zumindest die – nicht nur rein theoretische – Möglichkeit, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt der ersten Schlagausübung unter den geschilderten stimulierenden, paradoxen, Nebenwirkungen der ihr kombiniert verabreichten Arzneimittelwirkstoffe Diphenhydramin und Doxylamin litt. Vor diesem Hintergrund ist die Kammer zugunsten der Angeklagten davon ausgegangen, dass ihre Mutter zu Beginn der ersten Einwirkungshandlung gegen ihren Kopf nicht schlief, sondern vielmehr wach gewesen ist und sich in einem Erregungszustand befand.
2204. Feststellungen zur Alleintäterschaft der Angeklagten
221Entgegen den Angaben der Angeklagten im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019, gegenüber ihren Verwandten und im Rahmen ihres handschriftlichen Briefes, ihre Mutter sei von dem Zeugen ...erschlagen worden, ist die Kammer hingegen von der Alleintäterschaft der Angeklagten, so wie oben zu Ziffer II.3 festgestellt, überzeugt. Die Kammer vermochte aufgrund der nachfolgend darzustellenden Indizien unter einschließender Wertung ihres Tatnachverhaltens im Rahmen der gebotenen Gesamtschau sämtlicher Umstände sicher den Schluss auf die Täterschaft der Angeklagten zu ziehen. Demgegenüber konnte die Kammer jedwede Beteiligung des Zeugen ... oder einer anderen Person an dem Tatgeschehen sicher ausschließen. Im Einzelnen:
222a) Anwesenheit am Tatort
223Die Angeklagte war zur festgestellten Tatzeit am Tatort anwesend. Die Zeugen ... und ... sowie ... und ... haben übereinstimmend bekundet, die Angeklagte habe ihnen gegenüber jeweils angegeben, sie habe dem gesamten Tathergang bis zum Zeitpunkt des Todeseintritts ihrer Mutter beiwohnen müssen. Überdies decken sich diese Bekundungen mit den inhaltlichen Ausführungen der Angeklagten in ihrem im Wohnzimmer ihrer Mutter hinterlassenen, handschriftlich verfassten Brief.
224b) Widersprüchlicher, nicht plausibler und teilweise objektiv widerlegter Einlassungsinhalt
225Gegen die Richtigkeit der Angaben der Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 sprechen die von ihr gemachten Angaben zum angeblichen Tathergang und zum Nachtatverhalten, die widersprüchlich, teilweise völlig unplausibel und überdies teilweise objektiv widerlegt sind.
226(1) Wechselnde Schilderung des Tatablaufs:
227Die Angeklagte hatte im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 angegeben, dass der Zeuge ...ihre Mutter zunächst mit der Lampe geschlagen habe, so dass diese begonnen habe, stark zu bluten. Zudem habe er der Mutter die Kissen ins Gesicht gedrückt; sie – die Angeklagte – habe sich derweil auf das Bett knien und zusehen müssen, als ...„wieder draufgehauen“ habe. In Abweichung hierzu hat die Angeklagte im weiteren Verlauf der Vernehmung geschildert, dass ihr Ehemann sie unter Vorhalt eines ausgeklappten Taschenmessers an den Hals dazu gezwungen habe, sich an der Tötung ihrer Mutter zu beteiligen, nunmehr habe sie sich auf einen ganzen Turm von Kissen setzen müssen, den ...auf das Gesicht ihrer Mutter gelegt habe. Bereits dieser Wechsel der Angaben der Angeklagten im Hinblick auf den Tathergang indiziert deren Unrichtigkeit. Überdies ist der Kammer eine so wesentliche Abweichung bei der Wiedergabe des Tathergangs – der Wechsel der Darstellung hin zu einem eigenen aktiven, wenn auch durch Vorhalt eines Taschenmessers abgenötigten Tötungsbeitrag – unerklärlich geblieben und vermag auch nicht mit einer „Aufgeregtheit“ der Angeklagten während ihrer Vernehmung erklärt zu werden. Vielmehr zeigt dieser Umstand, dass die Angeklagte durch die später erfolgten Angaben zu ihrer eigenen Opferrolle in dem gesamten Tatgeschehen – einschließlich der im Einzelnen sogleich näher darzustellenden Umstände – vielmehr erkennbar darum bemüht war, den Tatverdacht von vornherein auf ihren Ehemann zu lenken und damit die polizeilichen Ermittlungen in dessen Richtung zu lenken. Zu einem solchen Einlassungsverhalten hat wiederum nur derjenige Veranlassung, der die Aufklärung des wirklichen Tathergangs vermeiden will, nämlich der Täter.
228Überdies finden die Angaben der Angeklagten, ihr Ehemann habe ihr ein ausgeklapptes Taschenmesser an den Hals gehalten, keine Stütze in den Feststellungen des Sachverständigen ... . Dieser hatte ausgeführt, ihm hätten zur Durchführung molekulargenetischer Untersuchungen auch zwei Klappmesser vorgelegen, die in dem Haus der Familie ... / ... sichergestellt worden seien. Während an dem einen Klappmesser (Spur Nr. 178 LKA NRW) keinerlei humane DNA feststellbar gewesen sei, sei an dem anderen Klappmesser (Spur Nr. 151 LKA NRW) lediglich am Messergriff eine DNA-Mischspur mit solchen Merkmalen, wie sie der Zeuge ... und die Angeklagte in Kombination besäßen, nachgewiesen worden, wobei die Merkmale der Angeklagten nicht ganz vollständig detektiert worden seien (Spur 151.2 LKA NRW). Soweit es die Klinge dieses Messers betreffe, sei hieran indes keine humane DNA festgestellt worden. Bei lebensnaher Betrachtung des Vorbringens der Angeklagten, ihr sei ein Messer an den Hals gehalten worden, wäre die Feststellung ihrer DNA-Merkmale aber auch an der Messerklinge zu erwarten gewesen.
229(2) SIM-Karte:
230Soweit die Angeklagte im Rahmen ihrer polizeilichen Zeugenvernehmung am 25.09.2019 weiter angegeben hat, dass der von ihr benannte Täter – der Zeuge ...– ihr nach der Tat das Handy nebst SIM Karte weggenommen habe; die SIM Karte habe er am Samstagnachmittag (21.09.2019) zerschnitten und in die Toilette geworfen, sind diese Angaben bereits objektiv widerlegt durch die glaubhaften Bekundungen der Zeugen ... ... , ... und ... , an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln sich die Kammer nicht veranlasst sieht. Danach wurde das Mobiltelefon der Angeklagten noch bis zum Sonntag (22.09.2019) früh um 6:55 Uhr genutzt und verfügte jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt noch über seine aktive, unbeschädigte SIM-Karte:
231Die Zeugin ... hat das Folgende bekundet: Sie, die Zeugin, habe gewusst, dass die Angeklagte und ihr Ehemann am Sonntag, den 22.09.2019 in den Urlaub fahren wollten. Deshalb habe sie der Angeklagten über den Nachrichtenmessenger WhatsApp am Vormittag des 22.09.2019 gegen 10:15 Uhr einen schönen Urlaub wünschen wollen. Beim Öffnen der App und der Kontaktdaten der Angeklagten habe sie unter deren Namen den Eintrag gesehen: „zuletzt online heute, 06:56 Uhr“. Sie habe ihre Nachricht an die Angeklagte verfasst und abgesendet, die Nachricht sei jedoch nie bei ... angekommen. Dass ... diese Nachricht nicht mehr empfangen habe, habe sie daraus geschlossen, dass hinter ihrer Nachricht nur ein grauer Haken gesetzt gewesen sei. Normalerweise könne man aber zwei graue Haken sehen, sobald die Nachricht beim Empfänger angekommen sei. Bei dieser Nachricht habe es sich um ihre letzte Nachricht an die Angeklagte via WhatsApp gehandelt.
232Der Zeuge ... hat bekundet, im Zuge der Ermittlungen das Mobiltelefon der Angeklagten – ein Smartphone Samsung Galaxy SM-G950F – ausgewertet zu haben. Hierbei habe er unter anderem festgestellt, dass noch am Sonntag, den 22.09.2019 um 6:55 Uhr mit dem Smartphone der Angeklagten zwei Lichtbilder gefertigt worden seien, die jedoch bereits Sekunden später wieder gelöscht worden seien. Kurze Zeit später sei das Mobiltelefon ausgeschaltet worden, danach sei kein Datentransfer mehr feststellbar gewesen. Außerdem habe er auf dem Mobiltelefon der Angeklagten eine Vielzahl von sogen. Cookies aus dem Zeitraum zwischen dem 19.09.2019, 05:25 Uhr bis 22.09.2019, 06:55 Uhr festgestellt. Da es sich bei Cookies um Textinformationen handele, die im Browser auf dem Computer des Betrachters jeweils zu einer besuchten Website gespeichert werden könne, könne aus den festgestellten Cookies geschlossen werden, dass es in dem genannten Zeitraum (bis 22.09.2019, 6:55:50 Uhr) zu Webbrowseraktivitäten mit dem Mobiltelefon der Angeklagten gekommen sei. Außerdem sei im Zuge dieser Untersuchungen festgestellt worden, dass es am Samstag, den 21.09.2019 nur mittags bis nachmittags eine kurze Nutzung gegeben habe – in der Woche vor dem tatrelevanten Zeitraum sei hingegen eine normale Nutzung von Internetdaten ab 7 Uhr bis 18 Uhr feststellbar gewesen –, danach sei kein Datentransfer mehr erfolgt, erst ab Sonntagmorgen wieder. Dass es über das Mobiltelefon der Angeklagten zuletzt am 22.09.2019 um 06:55:50 Uhr zu Webbrowseraktivitäten gekommen sei, lasse sich aus dem Umstand erklären, dass sowohl hinter jedem Cookie als auch hinter jedem mit dem Mobiltelefon gefertigten Bild ein Zeitstempel hinterlegt sei. Dieser Zeitstempel zeige, soweit es die Bilder betrifft, wann das Bild aufgenommen worden und wieder gelöscht worden sei.
233Der … hat korrespondierend hierzu bekundet, im Zuge der Ermittlungen ebenfalls in die Auswertung der Mobiltelefone der Angeklagten und ihres Ehemannes involviert gewesen zu sein; seine Tätigkeit sei aber im Wesentlichen auf die Auswertung deren Altgeräte beschränkt gewesen. Die Auswertung der retrograden Verbindungsdaten des aktuellen Mobiltelefons der Angeklagten habe ergeben, dass die SIM Karte in deren Mobiltelefon bis zum 22.09.2019, 6:55 Uhr, aktiv gewesen und das Gerät eingeschaltet gewesen sei. Nach diesem Zeitpunkt sei die SIM Karte nicht mehr aktiv gewesen.
234Insofern ist die gleichlautende Angabe der Angeklagten sowohl gegenüber dem Vernehmungsbeamten ... als auch gegenüber ihrem Bruder und dessen Ehefrau einige Wochen später, wonach ...im Verlaufe des Samstags die SIM-Karte ihres Mobiltelefons an sich genommen und zerschnitten habe, objektiv falsch.
235(3) Fesselung an Heizung im Schlafzimmer:
236Auch soweit die Angeklagte angegeben hat, ihr Ehemann habe sie für die Zeiten, zu denen er mit den Hunden spazieren gegangen sei, im Schlafzimmer an einen Heizkörper gefesselt, er habe ihre Arme am Heizungsrohr mit einem zusammengeknoteten, blau/karierten, Hemd festgebunden, wäre bei lebensnaher Betrachtung zu erwarten gewesen, dass ein solches, sich überdies mehrfach wiederholendes, Verhalten zum Aufwirbeln von Staubpartikeln und – falls vorhanden – zum Abfallen von am betroffenen Heizkörper vorhandenen Spinnweben führt. Den Bekundungen der Zeugin ... zufolge – diese war nach ihren Angaben in die Spurensicherung am Tatort involviert – waren entsprechende Hinweise jedoch nicht feststellbar. Die Zeugin hat vielmehr glaubhaft erläutert, dass die unteren Arretierungen des neben dem Bett an der Wand arretierten und von ihr untersuchten Heizkörpers mit Spinnweben und Tierhaaren bedeckt gewesen seien, die oberen Arretierungen seien verstaubt gewesen.
237Überdies erachtet die Kammer es als völlig lebensfremd, dass es der Angeklagten nicht möglich gewesen sein soll, die angebliche Fesselung mit einem geknoteten Oberhemd durch entsprechende Armbewegungen zu lösen und sich selbst zu befreien.
238Schlussendlich ist zu bedenken, dass der Zeuge ...bekundet hat, am Abend des 21.09.2019 gegen 19 Uhr bei seiner früheren Schwägerin, der Zeugin ... , in ... gewesen zu sein, um bei ihr ein für ihn wichtiges Dokument – sein Testament – zum Zwecke der Weiterleitung an seinen Zwillingsbruder zu hinterlegen. Er sei mit dem Auto zu ihr gefahren, habe ca. 15 Minuten mit dieser geredet und sei anschließend wieder zurück nach Hause gefahren. Diese Angaben des Zeugen ... hat die Zeugin ... glaubhaft bestätigt. Die Zeugin ... hat dazu bekundet, dass ihr Ex-Schwager, der Zeuge ... , sie am Morgen des 21.09.2019 per WhatsApp angeschrieben habe, dass er einen Brief für seinen Bruder ... habe und ob sie diesen an ihn übergeben könne – sie sei einige Tage später, an dem darauffolgenden Mittwoch, mit ... verabredet gewesen, was ...gewusst habe. Sie hätten sich daraufhin für abends verabredet. Am Samstagabend sei ...dann in ihrem Haus in ... vorbeigekommen, habe geklingelt und ihr einen verschlossenen Umschlag persönlich übergeben. Wie immer, wenn ... vorbeigekommen sei, habe sich auch dieses Mal der Hund sehr gefreut. ... habe – ebenfalls wie immer – zunächst mit dem Hund gespielt und diesen gestreichelt, danach hätten sie beide über belanglose Sachen geredet: Er habe erzählt, dass die Angeklagte und er am nächsten Tag in den Urlaub fahren würden, außerdem habe man über die Kinder gesprochen. An seiner Stimmung sei nichts Auffälliges gewesen, ... sei wie immer gewesen. Zur Übergabe des Briefes an ... sei es zeitnah dann doch nicht gekommen, da ... nach der Festnahme von ... zunächst anderes zu tun gehabt habe. So habe der Brief zunächst längere Zeit bei ihr gelegen.
239Jenes Treffen am Abend des 21.09.2019 wird überdies bestätigt durch von der Kammer verlesene WhatsApp-Nachrichten zwischen den beiden Zeugen. Danach fragt der Zeuge ...die Zeugin ... am Samstag, den 21.09.2019 gegen 10 Uhr, ob er „bei Euch einen Brief für ... postlagernd abgeben“ könne. Dies bejaht die Zeugin ... unter Hinweis darauf, dass ... ... , der Bruder des Angeklagten, erst am kommenden Mittwoch komme. Nachdem ihr der Angeklagte von dem für Sonntag anstehenden Urlaubsbeginn berichtet, antwortet ihm die Zeugin ... mit „Also dann bis später“.
240Zur Überzeugung der Kammer steht damit fest, dass der Zeuge ...am frühen Abend des Samstags, den 21.09.2019 unter Berücksichtigung der Fahrzeiten von ... nach ... und zurück – diese belaufen sich auf jeweils mindestens ca. 15-20 Min. – mindestens ca. 45 Minuten ortsabwesend gewesen ist. Abgesehen davon, dass die Angeklagte von einer solch langen Abwesenheit ihres Ehemannes selbst nichts erwähnt hatte – sie sprach nur von Abwesenheitszeiten für das Spazierenführen der Hunde – ist es schwer erklärlich, aus welchen Gründen es ihr spätestens in diesem Zeitfenster nicht möglich gewesen sein soll, sich aus einer angeblichen Fesselung mit einem Oberhemd selbst zu befreien.
241(4) handschriftlich verfasster Brief:
242Auch soweit die Angeklagte ausgeführt hat, am Samstagnachmittag sei es ihr – unbemerkt von ihrem Ehemann – gelungen, den vier Seiten umfassenden Brief zu verfassen und ihn auf den Tisch im Wohnzimmer ihrer Mutter zu legen, erachtet die Kammer auch diese Behauptung als völlig unplausibel und in jeder Hinsicht realitätsfern. Zu bedenken ist, dass die Angeklagte zu dem Zeitpunkt, in welchem sie handschriftlich ihren mehrseitigen Brief verfasst und diesen auf dem Wohnzimmertisch ihrer Mutter hinterlegt hat, denknotwendig nicht gefesselt gewesen sein kann und sich in diesem Moment offensichtlich auch frei im Haus bewegen konnte. Da das handschriftliche Verfassen eines vierseitigen Briefes überdies eine nicht unerhebliche Zeitdauer in Anspruch nimmt, hätte es in Ansehung der für die Angeklagte angeblich bestehenden Todesgefahr – den weiteren Angaben der Angeklagten zufolge soll ihr Ehemann ihr damit gedroht haben, auch sie umzubringen – vielmehr auf der Hand gelegen, diesen Moment der Unaufmerksamkeit des Ehemannes zur Flucht aus dem Haus zu nutzen und Hilfe bei der Nachbarschaft, ihrem Bruder oder der Polizei zu suchen. Die Flucht aus ihrem Elternhaus wäre der Angeklagten aufgrund der räumlichen Gegebenheiten – die Wohnung ihrer Mutter lag im Erdgeschoss des Hauses – ohne weiteres auch möglich gewesen: Statt in das Wohnzimmer ihrer Mutter zu gehen, hätte sie das Haus durch die Haustür verlassen können. Dass der Zeuge ...die Angeklagte und sich selbst durch Verriegelung der Haustür im Haus eingesperrt haben soll, hat noch nicht einmal die Angeklagte selbst behauptet. Vor diesem Hintergrund erachtet die Kammer auch die Angabe der Angeklagten, sie sei nicht weggelaufen, da ihr Ehemann Kampfsport mache, sie hätte gegen ihn keine Chance gehabt, als bloße Schutzbehauptung.
243Überdies ist jener Brief von dem Zeugen ... , der als erster Beamter den Tatort betreten hatte, mitten auf dem Wohnzimmertisch der Frau ... aufgefunden worden. Wäre die Angeklagte tatsächlich von ihrem Ehemann so massiv bedroht worden, wie von ihr behauptet, hätte es nahegelegen, den Brief nicht derart auffällig zu platzieren, sondern so zu verstecken, dass er von ...nicht sofort wahrgenommen werden kann.
244(5) Erklärung ihrer eigenen Spuren:
245Gleichen Bedenken sind die Angaben der Angeklagten ausgesetzt, der Zeuge ...habe von ihr verlangt, die Lampenscherben im Bad zu reinigen, ferner die Nachttischlampen selbst und deren Lampenstiele, außerdem habe sie sich auf einen Kissenstapel setzen müssen, den ihr Ehemann auf das Gesicht der Mutter gelegen habe. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere an den Tatwerkzeugen – wie sogleich unter e.) Ziff. 3 näher ausgeführt werden wird – kein aussagekräftiges Spurenmaterial gefunden wurde, das dem Zeugen ...zugeordnet werden konnte. Zum anderen ist zu bedenken, dass sich die Angeklagte in ihrem Erklärungsversuch exakt auf jene Tatwerkzeuge und Tatmittel fokussiert hat, an der später ausschließlich DNA Spuren ihrer Mutter und von ihr selbst gefunden wurden. Damit gab die Angeklagte zur Überzeugung der Kammer mit dieser Äußerung ungewollt Täterwissen preis – denn nur ein Tatbeteiligter, der den Tatablauf genau kennt, kann die im Zuge der Tatbegehung zum Einsatz gelangten Gegenstände so eng eingrenzen, wie dies die Angeklagte mit ihrer Bemerkung getan hat. Überdies ist aber auch darauf hinzuweisen, dass die Kammer die Angabe der Angeklagten, sie sei dazu gezwungen worden, auch die Nachttischlampen selbst und deren Lampenstiele zu reinigen, ebenfalls als eine bloße Schutzbehauptung erachtet. Die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder vom Tatort legen vielmehr nahe, dass eine Säuberung dieser Lampenstiele überhaupt nicht stattgefunden hat. Unterstellt, diese Behauptung sei zutreffend, hätten die Tatwerkzeuge zum Zwecke deren Reinigung aus dem unmittelbaren Umfeld der Getöteten entfernt werden müssen. Dies ist jedoch nicht geschehen, wie auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern zu erkennen ist. Ausweislich dieser Lichtbilder lagen die Fragmente der (infolge der Schläge gegen den Kopf der Geschädigten zerbrochenen) Nachttischlampen – wie bereits ausgeführt – zum Zeitpunkt des Eintreffens der Mitglieder der zwischenzeitlich gebildeten Mordkommission am Sonntagabend am Tatort unmittelbar links und rechts neben dem Kopf der Geschädigten auf dem Bett. Das Kabel der linksseitigen Nachttischlampe steckte überdies noch in der Steckdose, das Kabel selbst war um den rechten Ellenbogen des Opfers gewickelt. Zudem hat auch der Zeuge ... bekundet, beim Betreten des Schlafzimmers seiner Mutter am Abend des 22.09.2019 gesehen zu haben, dass eine der beiden Nachttischlampen noch angeschaltet gewesen sei. Diese hätte auf dem Bett gelegen, der Lampenschirm sei zwar kaputt gewesen, aber die Glühbirne hätte noch geleuchtet. Dass die Angeklagte im Nachgang an den von ihr behaupteten Reinigungsvorgang der Tatwerkzeuge diese wieder auf die am Abend des 22.09.2019 letztlich vorgefundene Weise um den Leichnam ihrer Mutter herum drapiert und sogar das Licht der einen Lampe wieder eingeschaltet haben will, hat sie bereits selbst nicht behauptet. Zudem ist zu bedenken, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen ... zum Zeitpunkt der von diesem durchgeführten molekulargenetischen Untersuchungen insbesondere die Lampenstiele der Nachttischlampen mit bebluteten Arealen behaftet waren und damit noch nicht gereinigt gewesen sein konnten.
246c) DNA der Angeklagten am Tatort
247Weiter belastete die objektive Spurenlage am Tatort und deren kriminaltechnische Begutachtung die Angeklagte. Denn die Tatwerkzeuge – die beiden Nachtischlampen – wiesen jeweils DNA-Spuren auf, die der Angeklagten zuzuordnen sind und damit den Schluss darauf zulassen, dass es die Angeklagte gewesen ist, welche die beiden Gegenstände als Tatwaffe benutzt hat. Dies folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen ... , Behördengutachter des LKR NRW aus dem Bereich DNA-Analytik/Serologie.
248Der Sachverständige ... hat dargelegt, dass ihm zum Zwecke der Durchführung molekulargenetischer Spurenuntersuchungen unter anderem eine Nachttischlampe mit Glühbirne (Spur 22 LKA NRW), eine Nachttischlampe ohne Glühbirne (Spur 32 LKA NRW) sowie ein größeres Lampenschirmglas-Fragment (Spur 115 LKA NRW) aus dem Schlafzimmer der Getöteten vorgelegen hätten. Ferner hätten ihm eine Blutprobe der Geschädigten sowie jeweils zwei Speichelproben unter anderem der Angeklagten und ihres damaligen Ehemannes, des Zeugen ... , vorgelegen. Sowohl aus der Blutprobe der Geschädigten als auch aus den Speichelproben der Angeklagten und des Zeugen ...sei jeweils die DNA isoliert und anschließend der STR Analyse zugeführt worden. Für die Speichelprobe des Zeugen ...sei zudem der DYS-Haplotyp bestimmt worden. Die so bestimmten DNA-Merkmalskombinationen seien anschließend zum Abgleich mit dem Spurenmaterial herangezogen worden.
249An den Nachttischlampen aus dem Schlafzimmer der Getöteten habe er in den an den oberen Bereichen beider Stiele vorhandenen Blutspuren jeweils eine DNA-Mischspur festgestellt, die sich zusammengesetzt habe aus – dominierend – DNA-Merkmalen, wie sie die Geschädigte besitze und – mit geringer Signalintensität beigemengt – solchen DNA-Merkmalen, wie sie die Angeklagte besitze (Spuren 22.6 und 32.4 LKA NRW). Weitere DNA-Merkmale habe er nicht festgestellt. Das gleiche Spurenbild habe er auch an einem Nachttischlampen-Glasfragment (Spur 115.3 LKA NRW) festgestellt, so dass die Angeklagte in diesen Spuren als Spurenmitverursacherin in Betracht zu ziehen gewesen sei. Er habe sodann nach dem nach dem Likelihood-Qotient- Verfahren die biostatistische Wahrscheinlichkeit für eine Zuordnung dieser Spuren zur Angeklagten berechnet. Zur Berechnung der biostatistischen Wahrscheinlichkeit der von ihm gefundenen Spuren habe er zwei Hypothesen formuliert, nämlich dass die nachgewiesenen DNA-Merkmale in den Spuren 22.6, 32.4 und 115.3 von der Angeklagten und der Geschädigten (Hypothese A) oder dass sie von einer unbekannten, mit der Angeklagten nicht blutsverwandten Person und von der Geschädigten stammten (Hypothese B).
250Die von ihm insoweit errechnete biostatistische Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Hypothese A eher als die Hypothese B zutreffe, betrage jeweils mehr als 30 Milliarden. Aus gutachterlicher – spurenkundlicher – Sicht bestünden daher keine berechtigten Zweifel daran, dass die in den Blutspuren an den oberen Stielen beider Nachttischlampen sowie dem Nachttischlampenglasfragment nachgewiesene DNA von der Geschädigten und der Angeklagten stammten.
251Die Kammer folgt den Ausführungen des Sachverständigen ... nach eigener Sachprüfung. Seine Ausführungen sind plausibel und anhand seiner Erläuterungen der angewandten Untersuchungsmethoden und der Vorgehensweise gut nachvollziehbar. Das Gutachten geht von zutreffenden Anknüpfungstatsachen aus. Aufgrund der vom Sachverständigen berechneten und plausibel dargelegten Wahrscheinlichkeiten zieht auch die Kammer den sicheren Schluss, dass sich an den Tatwerkzeugen – den Nachttischlampen – ausschließlich sowohl die DNA der Geschädigten als auch die der Angeklagten befunden hat.
252Zwar verkennt die Kammer nicht, dass diese DNA Spuren der Angeklagten auch im Rahmen des von dieser behaupteten späteren von ihr durchgeführten Reinigungsvorgangs an die Tatwerkzeuge gelangt sein können. Diese Spuren lassen aber auch den Schluss darauf zu, dass die Angeklagte die Nachttischlampen als Tatwerkzeuge gegen ihre Mutter eingesetzt hat, zumal – wie soeben näher ausgeführt wurde – keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die Nachttischlampen im Nachgang an die Tatausführung tatsächlich einer Reinigung unterzogen wurden.
253Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, dass er auch in folgenden Tatortspuren neben der DNA der Geschädigten noch DNA-Merkmale festgestellt habe, wie sie die Angeklagte besitze:
254- in der Spur vom Abrieb der rechten Hand der Geschädigten (Spur 26.1 LKA NRW),
255- in den Spuren der Fingernägel der Geschädigten von der rechten Hand (Spuren 91.1, 94.1 und 95.1 LKA NRW),
256- in der Spur an der Rückseite des von der Geschädigten getragenen T-Shirts (Spur 90.2)
257- an beiden Seiten eines blau/weißen Kissenbezugs mit starken Blutanhaftungen (Spuren 20.1, 20.2, 20.3 LKA NRW),
258- an beiden Seiten eines grün-gelben Kissenbezugs mit starken Blutanhaftungen (Spuren 24.1, 24.2 LKA NRW),
259- an einer Seite eines rot / orange Kopfkissenbezugs mit starken Blutanhaftungen (Spur 35.2),
260Auch bzgl. dieser Spuren habe er nach dem nach dem Likelihood-Qotient- Verfahren die biostatistische Wahrscheinlichkeit für deren Zuordnung zur Angeklagten berechnet; es bestünden aus gutachterlicher Sicht auch bzgl. dieser Spuren keine berechtigten Zweifel daran, dass beigemengt zu der DNA der Geschädigten auch DNA von der Angeklagten zu finden war.
261Auch den vorstehenden nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ... ist die Kammer nach eigener Sachprüfung gefolgt.
262Die Kammer verkennt auch hinsichtlich dieser Spuren nicht, dass die hierin aufgefundene DNA der Angeklagten auch im Rahmen anderer Übertragungsszenarien als im Rahmen des Tatgeschehens vom 21.09.2019 an die eingangs näher bezeichneten Körperstellen ihrer Mutter und Kissenbezüge gelangt sein kann, bspw. im Rahmen des Hilfeleistens am Abend des 19.09.2019, nachdem die Mutter im Bad gestürzt war, bzw. im Rahmen anderer, dem Tatgeschehen vom 21.09.2019 vorangegangener Hilfstätigkeiten im Verlauf des 20.09.2019.
263Diese Spuren vermögen aber – nicht als singuläres Beweisanzeichen, wohl aber in einer Gesamtschau mit sämtlichen weiteren Indizien – auch tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme der Täterschaft der Angeklagten der oben festgestellten Tat darzustellen: So können die in der Spur vom Abrieb der rechten Hand der Geschädigten (Spur 26.1 LKA NRW) und in den Spuren der Fingernägel der Geschädigten von der rechten Hand (Spuren 91.1, 94.1 und 95.1 LKA NRW) festgestellte DNA der Angeklagten problemlos auch im Rahmen eines Abwehrverhaltens der Geschädigten gegenüber den ausgeübten Schlägen mittels der Lampen durch die Angeklagte entstanden sein.
264d) Motiv der Angeklagten
265Weiter hatte die Angeklagte auch ein Motiv für die Tat. Wie festgestellt, befand sich die Angeklagte im Tatzeitraum in einer prekären finanziellen Notlage. Zahlreiche Kredite belasteten die Angeklagte, die in finanziell getrennten Verhältnissen zu ihrem Mann lebte, zunehmend. Erkennbar war sie durch ihren Lebenswandel und der Fortsetzung der praktizierten intensiven Sportwetten in einen finanziellen Strudel geraten. Die finanziellen Belastungen wurden durch die Rückforderungen in Form der Rückzahlungsverpflichtung gegenüber ihrer Mutter verstärkt. Die finanzielle Not war bereits einige Wochen vor der Tat so groß – zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Kreditverbindlichkeiten der Angeklagten, was ihr bekannt war, auf insgesamt 170.314,46 EUR – dass die Angeklagte selbst das Risiko einer Entdeckung einer Straftat für eine relativ geringe Summe von 500 Euro durch die unberechtigte Abhebung vom Konto ihrer Mutter nicht gescheut hat. Die akute Geldnot der Angeklagten um den Tatzeitpunkt herum und die Aussicht auf das Erbe der Mutter, insbesondere der erwartete Erlös aus dem Verkauf deren Eigentumswohnung und die mit dem Tod erstrebte Beendigung der Darlehensrückzahlungsverpflichtungen, stellen daher ein manifestes und nach Überzeugung der Kammer tatbestimmendes Tötungsmotiv dar.
266e) ... : Keine Anhaltspunkte für seine Täterschaft objektiv feststellbar
267Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge ... das Opfer getötet haben könnte.
268Der Zeuge ...selbst hat jegliche Beteiligung an der Tat bestritten und ausgesagt, er sei vom Betriebsfest am 21.09.2019 gegen 1:15 Uhr nach Hause zuückgekehrt; seine Kollegin, die Zeugin ... , hätte ihn zu Hause abgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sei er allenfalls leicht angetrunken gewesen. Er wäre sofort hoch in ihre Wohnung gegangen und hätte sich schlafen gelegt. Seine Frau wäre nicht da gewesen, aber er habe ja gewusst, dass diese bei seiner Schwiegermutter unten sei. Als er am nächsten Morgen wach geworden sei, sei ... noch immer nicht da gewesen, das habe ihn aber nicht weiter gewundert. Er sei dann aufgestanden und sei mit den Hunden spazieren gegangen. Zwischen 9 – 10 Uhr sei er in die Wohnung zurückgekehrt, da sei ... dann da gewesen. Sie hätten dann erst einmal ganz normal den Tag besprochen. Er hätte sich bei ihr auch nach seiner Schwiegermutter erkundigt, wie es dieser gehe, ... habe gesagt, es ginge ihr gut. Er habe es deswegen auch nicht für notwendig erachtet, vor Antritt der Fahrt in den Urlaub am Sonntagmorgen noch einmal selbst nach ihr zu sehen, er habe seine Schwiegermutter nicht in ihrer Privatsphäre stören wollen. Eine Verabschiedung vor einer Urlaubsfahrt zwischen ihnen beiden sei auch nicht üblich gewesen.
269Dass der Zeuge ...gegen 1:15 Uhr vom Betriebsfest nach Hause zurückgekehrt ist, daran bestehen aufgrund der gleichlautenden Bekundungen der glaubwürdigen Zeugin ... , keine Zweifel: Diese hat bekundet, den Zeugen ...nach der Betriebsfeier gegen 1:15 Uhr mit ihrem Wagen nach Hause gebracht zu haben, wo sie ihn vor dessen Wohnhaus in ... abgesetzt habe. ...sei zu diesem Zeitpunkt allenfalls leicht angetrunken gewesen.
270Soweit es die weiteren Angaben des Zeugen ... zu seinem Verhalten nach der Rückkehr von der Betriebsfeier betrifft, hatte die Kammer auch insoweit keine Veranlassung, die Richtigkeit dieser nachvollziehbaren und insbesondere lebensnahen Schilderungen in Zweifel zu ziehen. Ebensowenig sah sich die Kammer veranlasst, die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage zu stellen. Ein Anlass hierzu bestand auch nicht aufgrund des Umstandes, dass die Zeugin ... , die neue Lebensgefährtin des Zeugen ... , in den Verhandlungen vom 02.10.2020 und vom 05.10.2020 als Zuschauerin anwesend war und den Prozessverlauf in einer – später von der Kammer sichergestellten – Schreibkladde mitgeschrieben hat, ohne sich zuvor gegenüber der Kammer als neue Lebensgefährtin des Zeugen ...– dessen Vernehmung vor der Kammer fand erst zu einem späteren Termin statt – erkennen gegeben zu haben. Zu ihrem diesbezüglichen Verhalten im Laufe der Hauptverhandlung vom 05.10.2020 als präsente Zeugin befragt, hat die Zeugin ... von Beginn an offen und ehrlich eingeräumt, dem bisherigen Verhandlungsverlauf als Zuschauerin beigewohnt und deshalb mitgeschrieben zu haben, da sich der Zeuge ... für den Prozessverlauf interessiere und auch ihr eigenes Leben mittlerweile durch dieses Strafverfahren belastet sei. Weiter hat die Zeugin unumwunden eingeräumt, mit ... auch über den Inhalt des ersten Verhandlungstages gesprochen zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge ... in seinem Aussageverhalten in irgendeiner Form durch die an den ersten beiden Verhandlungstagen gewonnenen Erkenntnisse der Zeugin ... beeinflusst worden sein soll, haben sich der Kammer jedoch nicht aufgezeigt. Vielmehr war das Gegenteil der Fall: Der Zeuge ... schilderte nicht nur seine Rückkehr von der Betriebsfeier, sondern die Geschehnisse des Wochenendes vom 20.09.-22.09.2019 insgesamt, so wie er sie erlebt hat, in jeder Hinsicht authentisch und widerspruchsfrei. Überdies vermochte die Kammer keinerlei Belastungstendenzen bei dem Zeugen zum Nachteil der Angeklagten zu erkennen – der Zeuge ...bezichtigte kein einziges Mal seine Ex-Ehefrau der Tatbegehung –, obschon er durch deren Tat und Nachtatverhalten selbst massiv in seinen Persönlichkeits- und Freiheitsrechten getroffen wurde, da er noch in der Nacht vom 22./23.09.2019 vorläufig festgenommen und letztlich mehr als drei Monate lang inhaftiert wurde.
271Über den bloßen Umstand der Anwesenheit des Zeugen ... zum Tatzeitpunkt im Haus hinaus hat die Kammer indes keinerlei tragfähigen Anhaltspunkte für dessen Täterschaft festzustellen vermocht.
272(1) Kein Motiv
273Es war bereits kein Motiv des Zeugen ... , eine derartige Tat zu Lasten seiner Schwiegermutter zu begehen, erkennbar. Soweit die Angeklagte versucht hat, ihren Ex-Ehemann als Täter herauszustellen, war für diesen im Tatzeitraum bereits nicht ansatzweise ein Motiv erkennbar, eine derartige Gewalttat gegen seine damalige – langjährige – Schwiegermutter zu begehen. Der Zeuge ... , der Schwiegersohn der Getöteten, lebte in eigenständig gesicherten Verhältnissen, war erbrechtlich auch nicht von der Getöteten bedacht und profitierte infolge der mit der Angeklagten vereinbarten Gütertrennung auch nicht mittelbar von der von dieser im Todesfall der Mutter zu erwartenden Erbschaft. Er hielt auch an dem bewohnten Objekt keinerlei (Mit-) Eigentum. Auch sonstige Beweggründe, die den Zeugen ... zu einer derartigen Tatbegehung hätten veranlassen können, waren nicht erkennbar.
274(2) Lange Untersuchungshaftzeit
275Auch der Umstand, dass sich der Zeuge ...– er wurde in der Nacht vom 22./23.12.2019 in einem von ihm angemieteten Hotelzimmer in Nürnberg vorläufig festgenommen und anschließend auf Grundlage eines Haftbefehls des Amtsgerichts Nürnberg vom 23.12.2019 in Untersuchungshaft genommen, aus der er erst am 30.12.2019 entlassen wurde – über einen durchgängigen Zeitraum von über drei Monaten in dieser Angelegenheit in Untersuchungshaft befand, ohne sich in diesem Zeitraum auch nur ein einziges Mal zu den vormals seitens der Staatsanwaltschaft Paderborn ausschließlich ihm gegenüber erhobenen Tatvorwürfen geäußert zu haben, vermögen kein tragfähiges Verdachtsmoment zu begründen. Nach den Bekundungen des Zeugen ...beruhte sein Schweigen in dieser Angelegenheit bis zum Zeitpunkt seiner zeugenschaftlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung vielmehr auf dem anwaltlichen Rat seiner Verteidiger.
276(3) Keine aussagekräftigen Spuren am Tatort
277Gegen die Täterschaft des Zeugen ... spricht schließlich auch, dass im Tatortbereich bzw. an den Tatmitteln oder dem Leichnam trotz intensiver Spurensuche – bis auf Spuren der Geschädigten und der Angeklagten – keine aussagekräftigen, ihm zuzuordnenden Spuren aufgefunden wurden.
278- Molekulargenetische Untersuchung
279Aufgrund der durchgeführten molekulargenetischen Untersuchungen von Tatortspuren haben sich keine belastbaren Hinweise auf die von der Angeklagten behauptete Anwesenheit ihres damaligen Ehemannes am Tatort ergeben. Der Sachverständige ... hat auch hierzu durchweg nachvollziehbar und plausibel begründet ausgeführt, weder an Körperabrieben der Getöteten noch an deren Fingernagelabschnitten DNA des Zeugen ...festgestellt zu haben. Ebensowenig habe er an den Tatwerkzeugen – den Nachttischlampen – und den im Nahbereich der Getöteten vorgefundenen Kissenbezüge DNA-Merkmale festgestellt, wie sie der Zeuge ... besitze, auch nicht im Rahmen der im laufenden Verfahren ergänzend durchgeführten Untersuchungen weiterer bis dahin noch nicht molekulargenetisch bearbeiteter Kissenbezüge. Zwar sei an einem blau/weißen Kissenbezug (Spur 20.2 LKA NRW) auch ein extrem niedriger Anteil an männlichen Spuren gefunden worden; gleiches gelte für die Rückseite des T-Shirts, das die Geschädigte getragen habe (Spur 90.2 LKA NRW). Aus spurenkundlicher Sicht lasse sich aber weder sagen, wie lange sich diese Spuren bereits an den Asservaten befunden haben noch, auf welche Weise sie dahin gekommen seien. Überdies seien diese Spuren von so geringer Menge und so schwach ausgeprägt gewesen, dass sich – über ihre Zuordnung zu einer männlichen Person hinaus – keine Zuordnung zu einer bestimmten Person ermitteln lasse. Es sei daher auch ohne weiteres vorstellbar, dass diese Spuren im Wege einer Sekundärübertragung – etwa durch ein gemeinsames Waschen der o.g. Gegenstände zusammen mit Kleidungsstücken mit männlicher DNA in einer Waschmaschine – an die Asservate gelangt seien.
280- Mikro-/ Faserspurenuntersuchung
281Ebensowenig hat die erfolgte Faserspurenuntersuchung belastbare Anhaltspunkte für die Täterschaft des Zeugen ... ergeben.
282Zwar konnten, wie aufgrund des in der Hauptverhandlung verlesenen Behördengutachtens des Sachverständigen ... vom Landeskriminalamt NRW vom 16.04.2020 feststeht, auf der Bekleidung der Getöteten und unter den Fingernagelabschnitten ihres rechten Daumens, ihres rechten kleinen Fingers, ihres linken Zeigefingers, ihres linken Mittelfingers und ihres linken kleinen Fingers einerseits sowie auf textilen Gegenständen aus dem engeren Tatortumfeld (beblutete Kissen etc.) bei einer auflichtmikroskopischen Durchmusterung Fremd-Faserspuren festgestellt werden, nämlich sehr kurze, schwarze (spinngefärbte) Polyesterfaserfragmente mit Durchmessern zwischen ca. 25 μg bis ca. 50 μg, die gerade Bruchkanten und bereichsweise Verstreckungen aufwiesen und die sich untereinander materialidentisch verhielten. Eine Überprüfung dieser – von einer gemeinsamen textilen, äußerst spurenabgabefreundlichen, Spurenquelle stammenden – Faserspuren mit „tatortberechtigten Personen“ wie dem Notarzt und den eingesetzten Rettungskräften sowie den ebenfalls asservierten und untersuchten, aus dem Umfeld / Besitz der Angeklagten bzw. ihres damaligen Ehemannes stammenden, textilen Gegenständen – einschließlich der drei im Pkw des Zeugen ...und dessen Arbeitszimmer sichergestellten original verschweißten blauen und weißen Veterinäroveralls sowie einer Hundedecke – ergab jedoch, dass im gesamten Haushalt des Opfers und der Angeklagten sowie des Zeugen ...keine primäre texile Spurenquelle für das auf dem Opfer nachgewiesene offene Tatortspurenkollektiv gefunden wurde.
283Basierend auf den Angaben der Angeklagten im Rahmen ihrer Beschuldigtenvernehmung am 25.09.2019, der Täter habe einen „Overall“ getragen, ergab eine Materialanalyse der im Pkw ... des Zeugen ...und dessen Arbeitszimmer sichergestellten, drei noch originalverpackten weißen bzw. blauen, Overalls, dass diese Overalls jeweils aus Polypropylen bestanden und sich insgesamt spurenabgabeunfreundlich verhielten, d.h. keine nachweisbaren Eigenmaterialien aus dem Obermaterial abgaben. Im Rahmen weiterer Untersuchungen zeigte sich zwar im Rahmen einer experimentell erfolgten Überprüfung eines sekundären, mittelbaren Transfers – zwei dieser Schutzanzüge wurden mit Eigenfaserfragmenten der sichergestellten Hundedecke kontaminiert –, dass über derartige Schutzanzüge eine sekundäre, potenziell tatrelevante Übertragung von derartigen anhaftenden Spuren aus spurenkundlicher Sicht durchaus möglich sei.
284Diese plausiblen und in jeder Hinsicht gut nachvollziehbaren Ausführungen in dem Behördengutachten, welchen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt, ermöglichen aber keinen Schluss darauf, dass die entsprechenden Angaben der Angeklagten in ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 25.09.2019 als zutreffend zu erachten sind. Denn aus dem Fasergutachten des ... ergibt sich hinsichtlich der festgestellten schwarzen Polyesterfaserfragmente weiter, dass aufgrund der spurenabgabefreundlichen Eigenschaft der primärer Spurenquelle aus spurenkundlicher Sicht davon auszugehen ist, dass, falls sich die gesuchte textile Spurenquelle im Umfeld des Opfers bzw. auch der beschuldigten Personen befunden hätte, dort auch vereinzelte, sekundär übertragene und den offenen Tatortspuren zuzuordnende Vergleichsspuren hätten nachweisbar sein müssen. Nach den durchgeführten Faserspuren-Vergleichsuntersuchungen konnten jedoch insgesamt keine Faserspuren gefunden werden, die sich nach allen durchgeführten Untersuchungen materialidentisch zu den auf und an dem Opfer sowie an den verschiedenen Textilien im engeren Tatortbereich nachgewiesenen Faserfragmenten verhielten.
285(4) Keine schwarzen Overalls im Bezug des Veterinäramts des …
286Ist bereits aufgrund des Behördengutachtens des Sachverständigen ... vom Landeskriminalamt NRW vom 16.04.2020 wenig wahrscheinlich, dass die am Leichnam der Getöteten und im engeren Tatortumfeld aufgefunden schwarzen Faserspuren bereits aufgrund deren Materialbeschaffenheit – aus einer äußerst spurenabgabefreundlichen Spurenquelle stammend – aus dem Obermaterial eines – spurenabgabeunfreundlichen – Overalls aus dem Tierarztbedarf stammen können, liegen der Kammer überdies keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zeuge ...im Tatzeitraum bzw. in den Jahren zuvor überhaupt Zugriff auf schwarze oder solche Overalls hatte, von der jene Faserspur herrühren könnte.
287Die glaubwürdige Zeugin ... hat anschaulich und nachvollziehbar bekundet, als Verwaltungsfachangestellte beim Kreisveterinäramt Paderborn tätig zu sein und dort seit Mitte 2015 für die Materialbestellung und -verwaltung für das gesamte Amt, insbes. für den von den Tierärzten für ihre Außeneinsätze benötigten Bedarf – unter anderem Overalls nach Schutzkategorien – zuständig zu sein. Die von ihr bestellten Overalls seien verschiedenfarbig, abhängig von der Schutzkategorie. In der Regel seien die Overalls „niveablau“, sie halte aber auch Overalls in den Farben weiß, grün und orange vorrätig. Seit sie sich um die Materialbeschaffung kümmere, hätten die Overalls immer diese Farben gehabt, nie andere Farben, auch nicht schwarz. Überdies sei ihr im Rahmen ihrer langjährigen Bestellungen in diversen Onlineshops auch nicht bekannt geworden, dass es überhaupt dunklere, insbesondere schwarze Overalls gebe.
288Letztlich ließ sich die Herkunft der am Leichnam des Tatopfers ... aufgefundenen schwarzen Faserspuren nicht aufklären. Selbst wenn sich – wie von der Verteidigung beantragt – bei verschiedenen Herstellern in Deutschland ein Overall
289finden ließe, der solche Faserspuren enthält, die den am Leichnam festgestellten, Polyester-Spurfaserfragmenten entsprächen, so ließen sich hieraus keine Rückschlüsse auf die Identität der Person schließen, die einen solchen Overall bei der Tatbegehung getragen oder in sonstiger Weise verwendet hat. Denn die Behauptung, der Zeuge ... habe ... erschlagen und bei der Tatbegehung einen Overall getragen, beruht allein auf den Angaben der Angeklagten in ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung und in ihrem handschriftlichen Brief am Tatort, mithin ausschließlich auf Erklärungen, die von ihr selbst herrühren. Darüber hinausgehende, objektive Anhaltspunkte, die eine Tatbeteiligung des Zeugen belegen, liegen nicht vor, so dass es ebenso möglich ist, dass die Angeklagte selbst bei der Tatbegehung einen solchen Overall getragen oder ihn zur Einwirkung auf ihre Mutter verwendet hat.
290f) Keine Anhaltpunkte für einen anderen, unbekannt gebliebenen Täter
291Es bestanden auch keine begründeten Anhaltspunkte dafür, dass die Tat von einem oder mehreren unbekannt gebliebenen Täter/Tätern begangen wurde. Wie sich aus der Zeugenaussage der Zeugin ... ergab, fanden sich im gesamten Haus keinerlei Hinweise auf Einbruchspuren an Fenstern und Türen, insbesondere nicht an der Hauseingangstür. Die Zeugin hatte hierzu bekundet, nachdem sie am Sonntag, 22.09.2019, gegen 18.30 Uhr am Haus ihrer Schwiegermutter eingetroffen sei und mehrfach bei dieser vergeblich geklingelt habe, hätte sie mit ihrem für Notfälle gedachten Ersatzschlüssel die lediglich zugezogene, unverschlossene und unversehrte Haustür geöffnet und habe in der Wohnung nach ihrer Schwiegermutter gesucht. Ins Schlafzimmer habe sie nicht gehen können, da die Tür verschlossen gewesen sei. Nachdem später ihr Mann, der Zeuge ..., hinzugekommen sei, habe dieser gemeinsam mit einem Nachbarn mittels einer Brechstange die Schlafzimmertür aufgebrochen, um ins Schlafzimmer gelangen zu können. Auch der Zeuge ... hat bekundet, zum Zeitpunkt seines Eintreffens am Tatort habe er die Schlafzimmertür seiner Mutter unversehrt, aber verschlossen vorgefunden, er habe diese gemeinsam mit einem Nachbarn mittels einer Brechstange gewaltsam aufbrechen müssen.
292g) Verhalten der Angeklagten auf der Urlaubsfahrt am Vormittag des 22.09.2019
293Überdies deutet die Kammer das Fahrverhalten der Angeklagten auf der Urlaubsfahrt am Vormittag des 22.09.2019 vor dem Hintergrund des mitgeteilten Inhalts ihres am Vortag handschriftlich verfassten Briefes als Selbstmordversuch, dem die Kammer weitere Indizwirkung für die Tatbegehung durch die Angeklagte zu Lasten der Geschädigten ... beimisst.
294Soweit die Angeklagte in diesem Brief unter anderem in den Raum gestellt hat, ... werde auch sie auf der bevorstehenden Urlaubsfahrt umbringen, ließen diese Andeutungen keinerlei Bezüge zu den Geschehnissen, wie sie sich am Sonntagmorgen ereigneten, erkennen und waren insoweit ebenfalls als haltlose Schutzbehauptung zu bewerten, die ausschließlich getragen wurde von dem Versuch, den Zeugen ... als Täter herauszustellen. Denn angesichts dieser dramatischen Ausführungen der Angeklagten, unter Berücksichtigung ihrer Schilderungen des angeblichen nötigenden Verhaltens des Zeugen ... ihr gegenüber den gesamten Vortag über, wäre bei lebensnaher Betrachtung vielmehr zu erwarten gewesen, dass der Zeuge ... der Angeklagten auf der Urlaubsfahrt keinesfalls das Steuer seines Fahrzeugs überlässt, sondern selbst fährt, um von Beginn an autarke, auf Selbstbefreiung gerichtete Entscheidungen seiner Frau zu verhindern. Statt dessen aber steht basierend auf den eigenen Angaben der Angeklagten in ihrer polizeilichen Vernehmung am 25.09.2019 sowie den Bekundungen des Zeugen ... fest, dass nicht dieser, sondern die Angeklagte das Fahrzeug geführt hat. Der Zeuge ... hatte bekundet, bezogen auf die Urlaubsfahrt vom 22.09.2019 habe die Angeklagte angegeben, ihr Mann habe ihr ins Lenkrad gefasst, er habe rüber gegriffen, sie habe bremsen wollen, sie hätte da nur noch wie ein Maikäfer gesessen und habe nicht mehr richtig lenken können. Bereits diese Angaben implizieren die Fahrereigenschaft der Angeklagten. Überdies hat auch der Zeuge ... bekundet, seine Frau habe das Fahrzeug am Vormittag des 22.09.2019 von Beginn des Fahrantritts an durchgängig gesteuert. Hierzu hat er beschrieben, dass dies eigentlich nicht üblich gewesen sei. Denn sie seien mit seinem Pkw in den Urlaub gefahren. Und bis dahin sei es zwischen ihnen immer so gehandhabt worden, dass immer derjenige den ersten Teil der Strecke fahre, mit dessen Auto man unterwegs sei. Er habe sich über die Abweichung vom Üblichen gewundert, aber sich nichts dabei gedacht. Auch auf von ihm auf der Fahrt mehrfach angeregte Fahrerwechsel hätte sich die Angeklagte nicht eingelassen und sei stattdessen immer weiter gefahren.
295Dass in der Angeklagten spätestens nach Erreichen der Anschlussstelle Erlangen-Tennenlohe auf der BAB A3 ihren Entschluss zur Selbsttötung umsetzen wollte, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus folgenden Umständen:
296Der Zeuge ... hat weiter angegeben, die Angeklagte habe nach Erreichen der Region Würzburg angefangen, ziemlich „unorthodox“ zu fahren. Normalerweise sei sie eine ziemlich flotte, sichere Fahrerin gewesen. Nun aber sei sie – auf dem linken Fahrstreifen fahrend – urplötzlich sehr langsam gefahren. Dann habe sie wieder Gas gegeben und sei dann wieder langsamer geworden. So sei das eine Weile gegangen. Er habe sie erneut darum gebeten, am nächsten Rastplatz raus zu fahren und dann die Augen zugemacht, um mit ihr nicht über ihren Fahrstil diskutieren zu müssen, über den er sich geärgert habe. Plötzlich habe er einen Ruck gespürt, die Augen aufgemacht und habe gesehen, dass sie auf ein anderes Fahrzeug aufgefahren sei. Gleichwohl habe sie dann noch einmal Gas gegeben, bis sie in der Mittelleitplanke der Autobahn gelandet seien. Er hätte noch gerufen, „was machst du da“. Aber sie habe nichts gesagt. Sie hätten sich mit ihrem Fahrzeug dann noch gedreht und seien an der Außenleitplanke in Fahrtrichtung zum Stehen gekommen. Keiner von ihnen, auch nicht die Hunde auf der Rückbank, seien verletzt worden. Er sei rechts ausgestiegen, habe ... über den Beifahrersitz rausgeholt und ihr noch in die Warnweste geholfen. Sie habe sich dann hinter die Leitplanke gestellt und hätte dort die Hunde angebunden. Er habe die Polizei wegen des Unfalls angerufen, die hätten aber schon Bescheid gewusst. Er sei dann zurück zu ihrem Fahrzeug und hätte in diesem Moment gesehen, dass seine Frau nicht mehr da gewesen sei. Er habe nach ihr gerufen und gedacht, sie hätte einen Schock und sei möglicherweise in den angrenzenden Wald hineingelaufen. Plötzlich habe er dann aber auf der Gegenfahrspur etwas gehört. Er sei zur Mittelleitplanke gegangen und habe ... schwer verletzt auf der Gegenfahrspur liegen sehen: Diese sei über die Mittelleitplanke geklettert, in den Gegenverkehr gelaufen und sei dort von einem Pkw erfasst worden.
297Der Zeuge ... hat bekundet, am 22.09.2019 mit seinem Pkw ebenfalls auf der Bundesautobahn A 3 in Richtung Regensburg auf dem linken Fahrstreifen unterwegs gewesen zu sein, als er zwischen den Anschlussstellen Erlangen-Tennenlohe und Nürnberg-Nord von rechts, vom Mittelstreifen aus, von dem von der Angeklagten gesteuerten Fahrzeug überholt worden sei. Anschließend habe dieses Fahrzeug wieder einen Fahrstreifenwechsel nach rechts vollzogen, sei hierbei ohne Geschwindigkeitsreduktion mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, in die Mittelschutzplanke geschleudert und am Ende auf dem Seitenstreifen zum Stehen gekommen. Später habe er mit dem Zeugen ... gesprochen, dieser habe ihm erzählt, seine Frau sei gefahren.
298Der Kfz-Sachverständige ... , der auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Nürnberg ein schriftliches Gutachten über den Unfallhergang am Vormittag des 22.09.2019 erstattet hatte, hat im Rahmen seiner Anhörung vor der Kammer uneingeschränkt nachvollziehbar und damit überzeugend ausgeführt, im Zuge der Unfallrekonstruktion folgenden Unfallhergang festgestellt zu haben: Die Angeklagte habe das von ihr geführte Fahrzeug auf dem Mittelstreifen der dreispurigen Fahrbahn geführt und aus dieser Position heraus, von rechts kommend, das auf dem linken Fahrstreifen fahrende Fahrzeug des Zeugen ... mit einer Geschwindigkeit von mindestens 140 km/h überholt und sei vor diesen eingeschert. Anschließend sei sie wieder auf den mittleren Streifen gewechselt, um ein weiteres vor ihr auf dem linken Fahrstreifen fahrendes Fahrzeug, einen Pkw ... , von rechts zu überholen. Hierbei sei sie mit dem von ihr geführten Pkw vorne links gegen den hinteren rechten Bereich dieses Fahrzeugs kollidiert. Unmittelbar im Anschluss an diese Kollision – in deren Folge der Fahrzeugführer des ... die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe und nach einem Schleudervorgang und einer Überschlagsbewegung letztlich noch direkt an der Unfallstelle verstorben sei – sei das von der Angeklagten geführte Fahrzeug mittig gegen die hintere linke Seite eines weiteren Fahrzeugs des Typs ... kollidiert, wodurch dieses sich im Gegenuhrzeigersinn gedreht habe und auf der Fahrbahn verbleibend ins Schleudern geraten sei. Soweit es das weitere Fahrverhalten der Angeklagten im Anschluss an die zweite Kollision betrifft, hätte diese in technischer Hinsicht spätestens zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, ihr Fahrzeug durch eine Bremsung zum Stillstand zu bringen und zum Standstreifen zu lenken. Dies habe sie jedoch nicht getan. Vielmehr habe die Angeklagte ihre Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fortgesetzt und das Fahrzeug kurze Zeit später über alle drei Fahrspuren in die Mittelleitplanke mit einer Ausgangsgeschwindigkeit von 119 km/h – 137 km/h geschleudert. Dies belege, dass die Angeklagte das Fahrzeug absichtlich in die Mittelleitplanke gesteuert haben müsse.
299Bedenkt man überdies, dass die Angeklagte unmittelbar im Anschluss an dieses von ihr unverletzt überlebte Fahrmanöver über die Mittelleitplanke geklettert und in den Gegenverkehr gelaufen ist –, drängt sich der Kammer der sichere Schluss auf einen Selbstmordversuch der Angeklagten auf, der getragen war von der Absicht, sich den strafrechtlichen Konsequenzen ihrer Tat vom Vortag, ihren desolaten finanziellen Verhältnissen und ihrer bevorstehenden Trennung von ihrem Ehemann zu entziehen.
300h) Gesamtschau
301Die Kammer ist aufgrund einer Gesamtschau der gesamten oben dargestellten Indizien von der Täterschaft der Angeklagten überzeugt. Sämtliche Indizien, die die Angeklagte jedes für sich bereits belasteten und sich ohne weiteres ineinanderfügten, zeichneten ein Bild der Täterin, das eindeutig und alternativlos auf die Angeklagte hinwies, Zwar hätten einzelne Indizien isoliert betrachtet noch durch andere, denktheoretisch mögliche Geschehensabläufe erklärt werden können, aus der Gesamtheit der belastenden Umstände ergab sich für die Kammer indes sicher der Schluss auf die Täterschaft der Angeklagten.
3025) Feststellungen zur inneren Tatseite und zur Habgier
303a) Vorsatz - dolus directus 1. Grades
304Die Kammer ist aufgrund des festgestellten Ablaufs der Tat überzeugt, dass die Angeklagte bei der Tat mit Tötungsabsicht (dolus directus 1. Grades) gehandelt hat.
305Diese Überzeugung gründet sich auf einer Gesamtschau des festgestellten Tatablaufs, beginnend mit dem Versuch der Angeklagten, ihre Mutter durch die Verabreichung von Schlafmitteln zu vergiften bis hin zur Ausführung der letztlich den Tod der Geschädigten herbeiführenden konkreten Tathandlung: Die Angeklagte, der auch als medizinischem Laien bekannt gewesen ist, dass sich im Kopf lebenswichtige Organe wie das Gehirn sowie Gefäße befinden, die bei einer Verletzung einen hohen Blutverlust zur Folge haben, wusste zudem, dass ihre Mutter infolge der Einnahme des Medikaments „Marcumar“ schnell blutet. Dies hatte sie gegenüber den Zeugen ... und ... in ihrer polizeilichen Vernehmung selbst angegeben. Gleichwohl versetzte die Angeklagte ihrer Mutter mit den beiden Nachttischlampen insgesamt 11 wuchtige, gezielt gegen Kopf- und Gesichtsbereich ausgeführte Schläge, von denen allein sieben Schläge zu schweren, mit einem hochgradigen Blutverlust verbundenen, Kopfschwartenverletzungen führten. Zudem lagen keine Anhaltspunkte vor, die einen spontanen Tatentschluss der Angeklagten nahelegen könnten.
306b) Habgier
307Die Angeklagte handelte aus Habgier im Sinne des § 211 Abs. 1, 1. Gruppe, 3. Var. StGB. Unter Habgier ist ein Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen, das in seiner Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt und das in der Regel durch eine ungehemmte, triebhafte Eigensucht bestimmt ist, zu verstehen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich das Vermögen des Täters – objektiv oder zumindest nach seiner Vorstellung – durch den Tod des Opfers unmittelbar vermehrt oder dass durch die Tat jedenfalls eine sonst nicht vorhandene Aussicht auf eine unmittelbare Vermögensmehrung entsteht.
308Diese Voraussetzungen sind gegeben. Die Angeklagte befand sich im Tatzeitraum infolge ihrer Sportwettenleidenschaft in einer erheblichen finanziellen Notlage. Zahlreiche Kredite belasteten die Angeklagte, die in finanziell getrennten Verhältnissen zu ihrem damaligen Ehemann lebte. Die finanziellen Belastungen wurden zudem durch die finanziellen Rückforderungen in Form der Rückzahlungsverpflichtung gegenüber ihrer Mutter verstärkt. Die Tat vom frühen Morgen des 21.09.2019 diente der Angeklagten damit zum einen dazu, zeitnah in den Genuss der ihr durch den Erbvertrag vom 09.08.2013 zugedachten Alleinerbschaft zu kommen, um auf diese Weise durch Veräußerung von Nachlassgegenständen die von ihr aufgebauten Schulden zu begleichen. Zum anderen diente ihr die Tat dazu, zukünftig nicht mehr die Rückforderungsansprüche ihrer Mutter erfüllen zu müssen, sodass Hauptmotiv ihrer Tat ein Gewinnstreben war, mit dem die Angeklagte rücksichtslos die Existenz eines Menschen geopfert hat, um letztlich ihre finanziellen Schulden abbauen zu können.
309Die Kammer konnte überdies sämtliche denkbaren anderen Motive der Angeklagte für die Tatbegehung ausschließen. Eine Affekttat konnte im Hinblick auf das mehraktige Tatgeschehen und das planmäßige Nachtatverhalten (dazu unten Ziff. 7 lit. b) ebenso sicher ausgeschlossen werden wie eine Tat aufgrund einer Überforderung mit der Versorgung und Hilfeleistung ihrer Mutter, zumal weder die Angeklagte selbst eine solche Überforderung behauptet hat, noch die hierzu vernommenen Zeugen ... , ... oder ... und ... Anhaltspunkte für eine übermäßige Belastung der Angeklagten benennen konnten.
3106) Sonstige Feststellungen zur Tat / zum Tatort
311Die Feststellungen der Kammer zum Tatort und dessen Nahbereich beruhen auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern von der Tatörtlichkeit sowie der Verlesung des Tatortbefundberichts des ... vom 22.09.2019. Die Auffindesituation und den genauen Auffindeort des Leichnams haben die Zeugen ... und ... , ... und ... sowie ... übereinstimmend bekundet.
312Die Aussagen der weiter vernommenen Zeugen ... , ... und ... waren unergiebig. Der Zeuge Dr. ... ... hat von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
3137) Feststellungen zur Schuldfähigkeit
314Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit der Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie ... . Der Sachverständige hat unter Berücksichtigung des Inhalts der Akten und Beiakten sowie der in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse – zu einer Exploration stand die Angeklagte nicht zur Verfügung – überzeugend ausgeführt, dass bei der Angeklagten zur Tatzeit aus psychiatrisch-psychologischer Sicht weder die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB noch einer Schuldunfähigkeit im Sinne des § 20 StGB vorgelegen hätten, da keines der in diesen Vorschriften genannten Eingangsmerkmale feststellbar sei. Soweit es deren Spielverhalten betrifft, habe dieses bereits kein forensisch relevantes Ausmaß aufgewiesen, durch das eine erhebliche Verminderung oder gar Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit begründet werden könne. Ebensowenig habe bei der Angeklagten bei Begehung der Tat ein Affekt im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung vorgelegen.
315a) Spielverhalten
316Soweit es das bei der Angeklagten zum Tatzeitpunkt vorgelegene Spielverhalten betrifft, hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei der Angeklagten gesichert zwar eine Störung durch Glücksspielen (DSM 5:F63.0) zu diagnostizieren sei, da in ihrem Fall innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten folgende Kriterien vorgelegen hätten: wiederholte (mindestens zwei) Episoden des Glücksspielens mit immer höheren Einsätzen; Fortsetzung des Spielens trotz ausbleibender Gewinne und trotz hiermit verbundener Beeinträchtigungen im täglichen Leben; Unfähigkeit der Angeklagten, trotz einer massiven Schuldenlast von dem Spielen abzulassen und der damit einhergehende, nur schwer bzw. gar nicht kontrollierbare Drang zu spielen.
317Die gesicherte Diagnose des pathologischen Glücksspielens, das forensisch-psychiatrisch nicht zu den Suchterkrankungen zähle, sondern zu den abnormen Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle zu rechnen sei, lasse sich im Falle der Angeklagten jedoch bereits nicht unter eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB subsumieren. Zwar könne ein pathologisches Spielen ausnahmsweise als krankhafte seelische Störung oder als andere schwere seelische Störung i.S.d. § 20 StGB mit forensischer Relevanz zu qualifizieren sein, wenn das Glücksspiel einen suchtartigen Verlauf nehme und zu Störungsmustern führten, die in ihrer Ausprägung mit einer schweren spezifischen Persönlichkeitsstörung vergleichbar seien. Um eine solche Subsumtion vornehmen zu können, müssten wirklich erhebliche Beeinträchtigungen im Hinblick auf die psychosoziale Entwicklung des Angeklagten eingetreten sein: Hierzu gehörten der Verlust jedweder sozialen Bezüge, das Herausfallen aus Arbeitsverhältnissen, ein massiver Rückgang der psychosozialen Leistungsfähigkeit und der Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, da sich das gesamte Leben des Betroffenen nur noch um die Beschaffung der Geld- oder Suchtmittel für den Konsum oder das pathologische Spielen drehe, d.h., die Persönlichkeit des Betroffenen müsse – gleichermaßen wie im Falle einer stoffgebundenen Abhängigkeit – Merkmale einer sogenannten Depravation aufweisen, womit eine Entdifferenzierung des Affekts bis hin zu einem flachen, an Scheinrealitäten geknüpften Organismus und eine Labilität bei zwischenmenschlichen Beziehungen gemeint sei. Eine derartige Entwicklung sei bei der Angeklagten jedoch nicht festzustellen gewesen. Denn die Angeklagte habe außerhalb ihres Spielverhaltens ihre psychosozialen Bezüge nicht verloren. Sie sei in der Lage gewesen, einer regelmäßigen Arbeitstätigkeit nachzugehen, nach außen hin ein normales Beziehungs- und Familienleben zu führen und auch gezielt ihr Spielverhalten gegenüber anderen Personen zu verbergen oder als nicht so gravierend erscheinen zu lassen. Angesichts dieser Verhaltensweisen scheide eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit oder gar eine Aufhebung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit sicher aus.
318Ebensowenig genüge ein motivationaler Zusammenhang zwischen pathologischem Spielen und dem Tatgeschehen. Zwar könne es auch aufgrund einer „Spielsucht“, da es sich hierbei um eine Störung der Impulskontrolle handele, zu deutlich affektgestörtem Verhalten kommen, auch mit relevanten Einflüssen auf der Ebene der Steuerungsfähigkeit im Sinne einer Impulskontrollstörung. Solch ein impulsgestörtes Verhalten müsse sich jedoch wiederum am Tatverhalten der Angeklagten im Tatgeschehen erkennen lassen. Hierfür seien jedoch aus den sogleich zu lit. b. näher darzustellenden Aspekten ebenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich.
319b) keine Affekttat
320Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt haben, ob bei der Angeklagten bei Begehung der Tat ein Affekt im Sinne einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung vorgelegen habe. Hierfür, so der Sachverständige, seien aber ebenfalls keine Anhaltspunkte festzustellen gewesen, auch wenn zu bedenken sei, dass die Grundlage seiner Beurteilung insofern eingeschränkt sei, als die Angeklagte sich nicht habe explorieren lassen. Indes sei darauf hinzuweisen, dass bereits das zweiphasig begangene Tatgeschehen – zuerst die Verabreichung überdosierter Schlafmittel, anschließend das Einwirken mittels Schlägen auf den Kopf des Opfers – gegen ein Affektdelikt spräche. Die Angeklagte sei im Tatgeschehen vielmehr ausreichend in der Lage gewesen, die Tathandlung als solche zu unterbrechen, um sich ein weiteres Tatwerkzeug zu beschaffen und dieses anzuwenden. Dieser Wechsel des Tatwerkzeuges belege daher nicht nur ein aktiv tatvorbereitendes und aktiv tatgestaltendes Verhalten der Angeklagten, sondern auch eine angemessene Reagibilität der Angeklagten auf Außenreize sowie ein ausreichend formales Denkvermögen. Überdies stelle sich auch das Tatnachverhalten der Angeklagten einschließlich deren Sicherungsverhaltens als geordnet dar, denn die Angeklagte habe den Tatort nach der Tat zumindest teilweise gesäubert, die Tür des Schlafzimmers abgeschlossen, damit man das Opfer nicht vorzeitig findet und das vierseitige Schreiben aufgesetzt, in dem sie die gesamte Schuld auf ihren damaligen Ehemann ...abgewälzt und sich selbst als Opfer des Geschehens dargestellt habe.
321c) keine sonstigen Hinweise
322Darüber hinaus gebe es auch keine sonstigen Hinweise bei der Angeklagten, dass das Tatgeschehen in irgendeiner Weise Folge einer psychotischen oder psychoseähnlichen Störung der Realitätswahrnehmung gewesen sein könnte. Auch dagegen spreche schon das Tatverhalten als solches, ferner das als geordnet zu bezeichnende Nachtatverhalten und das komplexe Sicherungsverhalten bspw. in Gestalt des handgeschriebenen Briefes.
323Den gut nachvollziehbar und plausibel begründeten überzeugenden Darlegungen des forensisch erfahrenen Sachverständigen, an dessen Sachkunde keinerlei Zweifel bestehen, zur Schuldfähigkeit der Angeklagten schließt sich die Kammer nach eigener Sachprüfung vollinhaltlich an, weil das Ergebnis der gutachterlichen Bewertung mit dem Eindruck korrespondiert, den sie sich in der Hauptverhandlung von der Persönlichkeit der Angeklagten hat verschaffen können. Begründete Anhaltspunkte für eine anderweitige Beurteilung als die vom Sachverständigen vorgenommene sind nicht erkennbar; der Sachverständige ist auch von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen.
324IV.
325Nach den vorstehenden Feststellungen hat sich die Angeklagte des Mordes durch Habgier zum Nachteil der ... gemäß § 211 Abs. 1, 2 StGB schuldig gemacht.
326V.
327Bei der Strafzumessung hat die Kammer gemäß § 211 Abs. 1 StGB die für Mord geltende lebenslange Freiheitsstrafe festgesetzt.
328VII.
329Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1 S. 1, 472 Abs. 1 S. 1 StPO.
330… … …