Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Im Wege der Beschlussersetzung werden folgende Beschlüsse gefasst:
Es ist beschlossen, dass die Beklagte die von Herrn Z eigenmächtig errichtete Terrasse sowie das Terrassenvordach am Objekt „M Nr. 11“ entfernen lassen wird. Hierzu soll der Verwalter drei Angebote von Fachfirmen einholen. Nach Einholung der Angebote wird im Rahmen einer Eigentümerversammlung ein weiterer Beschluss gefasst, wonach die Beklagte einen Unternehmer mit dem konkreten Rückbau beauftragen wird.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist – wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages – vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf bis 6.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Beseitigung einer vom einem Miteigentümer auf dem (späteren) Gemeinschaftseigentum errichteten Terrasse nebst Terrassenvordach.
3Die Beklagte ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger ist Miteigentümer der Beklagten. Der Kläger und der Eigentümer Z hatten im Jahr 2011 zunächst eine GbR gegründet, um das Grundstück zu bebauen. Es handelt sich im Prinzip um zwei Doppelhaushälften mit getrennten Treppenhäusern und separaten Kellereingängen. Es sind allerdings keine getrennten Leitungen vorhanden. Das Haus war am 01.05.2011 bezugsfertig. Am 19.12.2011 wurde das Grundstück nebst Gebäude dann in Wohnungseigentum aufgeteilt. In IV. § 3 der Teilungserklärung vom 19.12.2011 (vgl. Bl. 26 f. d.A.) wurden Untereigentümergemeinschaften gebildet. Jede „Haushälfte" wird auch von der Kommune getrennt behandelt. Die Eigentümer der beiden Gebäudehälften erhalten von der Stadt Q seit Anbeginn jede einen eigenen Grundsteuerbescheid und einen Bescheid über die Abgaben. Der Miteigentümer Z errichtete auf dem Grundstück eine Terrasse nach hinten raus Richtung Garten, die weder in der Zeichnung (vgl. Plan, Bl. 137 d.A.) noch im Bauantrag (vgl. Anlage K8, Bl. 212 ff. d.A.) noch in der Baugenehmigung für das Gebäude noch in der Teilungserklärung vom 19.12.2011 (Bl. 12 ff. d.A.) enthalten ist. Auf dem Plan (Bl. 144 d.A.) war lediglich eine Tür zum Garten eingezeichnet. Wann genau die Terrasse errichtet wurde (vor oder nach der Aufteilung in Wohnungseigentum), ist zwischen den Parteien streitig. Die Überdachung wurde vor etwa 3 Jahren gebaut. 2012 ist eine Wohnung an den Miteigentümer I verkauft worden. Einen Gestattungsbeschluss für die Terrasse und/oder das Vordach gab es von der Beklagten oder der Untergemeinschaft nicht. Der Kläger begehrt seit längerem den Rückbau der streitgegenständlichen Terrasse. Nachdem das Amtsgericht Paderborn (Az. 52 C 9/22) in einem früheren Prozess noch erstinstanzlich angenommen hatte, dass der Miteigentümer Z verpflichtet sei, die von ihm errichtete Terrasse zu beseitigen, hat das Landgericht Dortmund (Az. 17 S 141/22) diese Entscheidung revidiert (vgl. Urteil, Anlage 4, Bl. 110 ff. d.A.). Danach ist Herr Z in Person nicht verpflichtet, die Terrasse abzubauen. Die Gesamteigentümergemeinschaft hat in der Versammlung am 30.05.2023 zu TOP 2 einen Mehrheits-Beschluss dahingehend gefasst, die hier streitgegenständliche Terrasse an den Eigentümer Z zu vermieten (vgl. Protokoll der Versammlung vom 30.05.2023, Anlage B2, Bl. 70 ff. d.A.). Diesen Beschluss hat der Kläger zu dem Az. 52 C 18/23 erfolgreich angefochten. Er wurde mit Urteil vom 30.11.2023 für unwirksam erklärt.
4Der Kläger behauptet, der Eigentümer Z habe eigenmächtig ohne Rechtsgrundlage bauliche Veränderungen vorgenommen. Der Kläger habe bei Errichtung des Objekts nicht in irgendeinen Terrassenbau eingewilligt. Es sei lediglich über eine Tür als Zugang zum Garten gesprochen worden. Die Terrasse sei nicht innerhalb der Bauphase entstanden. Erst als die Arbeiten am Rohbau abgeschlossen waren, habe der Miteigentümer Z mit dem Bau der Terrasse angefangen. Schon nach dem Beklagtenvortrag seien die Fundamente für die Terrasse im Mai 2011 geliefert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Rohbau jedoch bereits fertiggestellt gewesen. Die Klinkersteine an der Terrasse hätten auch ein anderes Format und Aussehen als die Klinkersteine an dem WEG-Objekt (vgl. Fotos, Anlage K7, Bl. 208 ff. d.A.). Die letzte Lieferung an Klinkersteinen für das WEG-Objekt sei bereits am 02.11.2010 erfolgt, sodass das Lieferdatum der Firma I und die Fertigstellung der Terrasse zeitlich nicht zusammenpassten. Der Mörtel C12/15, welcher auf den Rechnungen B6 und B7 abgerechnet worden ist, sei ein erdfeuchter Trockenmörtel, welcher überwiegend zum Setzen von Randsteinen, Zäunen und Toren verwendet werde und nicht für eine Betondecke bzw. Terrasse nicht geeignet sei. Die Verlobungsfeier der Tochter des Miteigentümers Z habe auf einem Parkplatz vor dem WEG-Objekt sowie in der Wohnung des Miteigentümers Z stattgefunden; nicht aber auf der zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fertiggestellten Terrasse. Der Kläger habe vergeblich versucht, im Umlaufverfahren eine Lösung und einen den Klageanträgen entsprechenden Beschluss herbeizuführen (vgl. Schreiben vom 21.04.2023, Anlage K1, Bl. 5 ff. d.A.). Nur der Miteigentümer I habe dem von Klägerseite gewünschten Antrag zugestimmt (vgl. Zustimmungserklärung des Herrn I Anlage 2, Bl. 81 d.A.). Der Rückbau der Terrasse werde mit der Firma C Abbruch 5.950 € kosten. Im Vergleich zu den beiliegenden Angeboten der Fa. C-Team Dienstleistungen vom 18.04.2023 sowie der Fa. I vom 18.04.2023 sei die Beauftragung der Fa. C Abbruch deutlich günstiger (vgl. Anlage K1, Bl. 9 ff. d.A.).
5Der Kläger ist der Auffassung, es liege kein Klageverbrauch vor, da in dem Verfahren vor dem AG Paderborn (Az. 52 C 9/22) bzw. LG Dortmund (Az. 17 S 141/22) lediglich darüber entschieden worden sei, ob der Miteigentümer Z höchstpersönlich den von Klägerseite gewünschten Rückbau tätigen muss. Das äußere Erscheinungsbild der gesamten Anlage dürfe durch bauliche Veränderungen nicht beeinträchtigt werden (vgl. § 3 der Teilungserklärung, Anlage K2, Bl. 12 ff. d.A.). Hiergegen verstoße die eigenmächtig installierte Terrasse nebst Dach. Der Garten sei stets als Gemeinschaftsfläche bewertet worden. Der Miteigentümer Z habe eine Rückbauverpflichtung nach § 1004 BGB. Selbst wenn der Kläger die Terrasse geduldet hätte, würde dies weder einen Beschluss noch eine Vereinbarung ersetzen. Die Terrasse betreffe auch nicht lediglich eine Untergemeinschaft, da es sich bei der Terrasse um Gemeinschaftseigentum handelt, woran beide Untergemeinschaften partizipieren. Das klägerische Verhalten sei auch nicht treuwidrig. Der illegale Zustand dauere an, sodass immer noch Unterlassung und Beseitigung verlangt werden könne. Ein Mietvertrag über die Terrasse könne (wenn überhaupt) nur die ausschließliche Nutzung durch den Miteigentümer Z regeln. Ein Sondernutzungsrecht könne dagegen nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet werden. Die durch Mehrheitsbeschluss beschlossene Vermietung der Terrassenfläche stelle eine unzulässige Umgehung der WEG-Vorschriften vor.
6Der Kläger beantragt,
7an Stelle der Beklagten zu beschließen, dass die Beklagte die von Herrn Z eigenmächtig errichtete Terrasse sowie das Terrassenvordach am Objekt „M. Nr. 11“ entfernen lassen wird. Hierzu soll die Fa. C Abbruch entsprechend dem Angebot vom 19.04.2023 beauftragt werden, wonach Kosten i.H.v. 5.950,00 € für diese Arbeiten anfallen werden. Diesen Betrag wird die Beklagte Herrn Z in Rechnung stellen. Etwaige Mehrkosten wird der Kläger (freiwillig) übernehmen.
8Für den Fall, dass das Amtsgericht den Antrag zu 1) zurückweisen sollte, wird beantragt, an Stelle der Beklagten zu beschließen, dass die Beklagte die von Herrn Z eigenmächtig errichtete Terrasse sowie das Terrassenvordach am Objekt „M. Nr. 11“ entfernen lassen wird. Hierzu soll der Verwalter drei Angebote von Fachfirmen einholen. Nach Einholung der Angebote wird im Rahmen einer Eigentümerversammlung ein weiterer Beschluss gefasst, wonach die Beklagte einen Unternehmer mit dem konkreten Rückbau beauftragen wird.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie behauptet, im August bzw. September 2009 hätten sich die Eheleute F und Z getroffen, um zu besprechen, welche Partei welche Haushälfte bekommen sollte. Bereits damals sei besprochen worden, dass die Eheleute Z lieber die linke Haushälfte haben wollten, weil sie dort eine Terrasse bauen wollten. Im weiteren Verlauf hätte es dann Gespräche zwischen Herrn F, Herrn Z und dem Architekten E, der das Vorhaben projektiert hat, gegeben. Auch dort sei Thema gewesen, dass die GbR die Terrasse baut. Es sei aber insoweit aufgrund der Größe keine Baugenehmigung nötig gewesen. Zwischen dem Kläger und dem Eigentümer Z als damals einzigen Bauherren sei von Anfang an Konsens gewesen, dass jeder auf seiner Grundstückshälfte „machen könne, was er wolle". Dies sei auch der Grund für die Einrichtung von Untergemeinschaften in der Teilungserklärung vom 19.12.2011 gewesen. Genau so sei es zehn Jahre lang auch in der Praxis gehandhabt worden. Auch der Kläger habe in „seiner Gartenhälfte" z.B. ein Gartenhäuschen errichtet, ohne die anderen Eigentümer überhaupt zu fragen. Die Terrasse sei im Zuge der Erteilung der Baugenehmigung geprüft und für zulässig erachtet worden. Laut Aussage des seinerzeit beauftragten Architekten habe es für eine Außenterrasse mit einer Grundfläche von 4x4 m keines Bauantrages und damit auch keiner Baugenehmigung bedurft. Die Terrasse sei als Teil des Gesamtprojektes einvernehmlich errichtet worden und habe seinerzeit keines Eigentümerbeschlusses bedurft, da es die Eigentümergemeinschaft zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Vom Sockel der Tür bis zum Garten bestehe ein Höhenunterschied von 2 m. Es sei ausgeschlossen, dass die Tür als direkter Zugang zum Garten dienen sollte. Sie habe vielmehr Zugang zu der damals schon geplanten und beiderseitig abgesprochenen Terrasse gewähren sollen (vgl. Zeichnung Nord-West des Hauses, Anlage B1, Bl. 69 d.A.). Die Terrassenanlage sei bereits im Rohbau mit errichtet worden, also zur Zeit der Bauherrengemeinschaft F/Z GbR und vor der WEG-Aufteilung am 19.12.2011 (vgl. Bilder, Anlage B4, und B5, Bl. 175 f. d.A.; Anlagen B8 und B9, Bl. 179 f. d.A.; Anlage B 19 (Bl. 327 d.A.). Bereits am 11.10.2010 habe die Fa. I Baustoffmarkt aus E die Klinkersteine für die Verkleidung der Terrasse geliefert (vgl. Rechnung Fa. I v. 22.10.2010, Anlage B12, Bl. 183 d.A.). Die Klinkersteine seien an dem gesamten Objekt unterschiedlich, sowohl im Farbton als auch in der Größe (vgl. Foto, Anlage B13, Bl. 317 d.A.). Den Beton für das Fundament der Terrasse habe die Fa. E in der Zeit vom 14.05.2011 bis zum 17.05.2011 (12,00 cbm für die Terrasse) und vom 18.05.2011 bis zum 19.05.2011 (noch einmal 5,00 cbm Beton) geliefert (vgl. Rechnung E v. 18.05.2011, Anlage B6, Bl. 177 d.A., Rechnung E v. 23.05.2011, Anlage B7, Bl. 178 d.A.). Beide Rechnungen seien auf die F u. Z GbR ausgestellt und vom gemeinsamen GbR-Konto bezahlt worden. Die gesamten Kosten des Hauses einschließlich der Kosten der Terrasse seien über die damalige F/Z GbR beauftragt und bezahlt und später durch die Parteien in einen internen Kostenausgleich für die jeweiligen Sonderwünsche und Kosten im Sondereigentum reguliert worden. Die tägliche Bauüberwachung sei weitgehend vom Kläger persönlich vorgenommen worden. Dieser habe daher auch über den Bau der Terrassenanlage mitgewacht. Im Oktober 2011 habe u.a. auf der Terrasse des Eigentümers Z die Verlobungsfeier seiner älteren Tochter stattgefunden. Die Terrasse sei als Abstellplatz und insbesondere als Raucherecke genutzt worden.
12Die Beklagte meint, es liege Klageverbrauch vor, da die Sache bereits rechtskräftig entschieden sei. Die klägerischen Anträge bzw. die vorgegebenen Ersetzungsbeschlüsse seien außerdem zu unbestimmt. Nach der Teilungserklärung werde die Entscheidungskompetenz der Untergemeinschaft nur durch „das äußere Erscheinungsbild" eingeschränkt. Die hier begehrte Beseitigung der Terrasse liege ausschließlich im Kompetenz- und Entscheidungsbereich der Untergemeinschaft des Hauses 11 und 11 a. Der Kläger habe hier keinerlei Mitspracherecht und auch keine Ansprüche auf Rückbau oder ähnliches. Wenn jedes Erscheinungsbild auf einer Gebäudehälfte immer automatisch das Gesamtbild mit der Folge einer Gesamtentscheidung betreffen würde, würde die in der Teilungserklärung für die Untergemeinschaften vereinbarte Alleinkompetenz für bauliche Veränderungen vollständig unterlaufen. Da sich die Terrassenüberdachung auf dem nicht einsehbaren rückwärtigen Teil des Grundstücks befindet, werde dadurch nicht das gesamte äußere Erscheinungsbild des Gebäudes beeinträchtigt. Der Kläger verhalte sich treuwidrig. Er habe 2011 und damit zu Zeiten der GbR an zur Vorderseite des Hauses seinen Balkon mit Glas überdachen lassen und damit auch massiv in das spätere Gemeinschaftseigentum eingegriffen (vgl. Lichtbild der Vorderseite, Anlage B11, Bl. 182 d.A.). Zu Zeiten der WEG-Gründung seien sich der Kläger und der Eigentümer Z einig gewesen, dass die auf der jeweiligen Haushälfte erfolgten Bauten (Terrasse, Gartenhaus, Balkonüberdachung) bestehen bleiben sollten. Außerdem sei der beantragte Ersetzungsbeschluss aufgrund der wirksamen Vermietung der Terrasse rechtswidrig. Die Vermietung von Gemeinschaftseigentum sei grds. mit einfachem Mehrheitsbeschluss durch die Wohnungseigentümergemeinschaft möglich. Der Beschluss entspreche den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung und stelle nicht die Begründung eines Sondernutzungsrechtes dar.
13Das Gericht hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen P, C, S, Z, U, F, I U und P U. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2024 (Bl. 356 ff. d.A.) verwiesen. Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.03.2024 (Bl. 447 ff. d.A.) Bezug genommen. Ferner hat das Gericht den Kläger persönlich angehört. Zum Inhalt der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2023 (Bl. 151 ff. d.A.) verwiesen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe
16Die Klage ist zulässig und begründet.
17A.
18Die Klage ist zulässig.
19Insbesondere besteht kein entgegenstehendes rechtskräftiges Urteil über denselben Streitgegenstand. Ist der Streitgegenstand des rechtskräftig entschiedenen Vorprozesses identisch mit dem Streitgegenstand des nachfolgenden Prozesses, so führt die materielle Rechtskraft zu einer Unzulässigkeit des nachfolgenden Verfahrens (BeckOK ZPO/Gruber, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 322 Rn. 12; BGH, NJW 2004, 1252, beck-online). Die objektive Reichweite der materiellen Rechtskraft richtet sich nach dem Streitgegenstand. Den Streitgegenstand bestimmt der der Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt sowie der Antrag, über den seitens des Gerichts entschieden worden ist, sog. zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff (BeckOK ZPO/Gruber, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 322 Rn. 20). Im Vorprozess vor dem Amtsgericht Paderborn (Az. 52 C 9/22) ging es um die Frage, ob der dortige Beklagte, der Miteigentümer Z, persönlich verpflichtet ist, die Terrasse zu entfernen. Vorliegend geht es um die Frage, ob die Gemeinschaft der Eigentümer einen Beschluss über die Entfernung der Terrasse treffen kann/darf/muss. Sowohl der Antrag als auch der Lebenssachverhalt entsprechen nicht dem des Vorprozesses.
20B.
21Die Klage ist zwar im Hauptantrag abzuweisen; im Hilfsantrag ist sie jedoch begründet.
22I.
23Die im Hilfsantrag begehrte Beschlussersetzung hat Erfolg, da der Kläger als Sondereigentümer vorliegend ein Einschreiten der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Terrasse bzw. das Terrassendach aus § 18 Abs. 2 WEG beanspruchen und mit einer Beschlussersetzungsklage durchsetzen kann. Selbst in einer Zweiergemeinschaft kann ein Wohnungseigentümer nur im Wege der Beschlussersetzungsklage erreichen, dass eine von dem anderen Wohnungseigentümer rechtswidrig herbeigeführte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beseitigt wird (vgl. BGH, ZWE 2021, 128 Rn. 10, beck-online; BGH, NJW 2020, 42 Rn. 15, beck-online). Die Klage ist dabei gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 WEG begründet, wenn „eine notwendige Beschlussfassung“ unterbleibt. Der insoweit erforderliche Anspruch des Wohnungseigentümers auf Beschlussfassung kann sich aus der allgemeinen Vorschrift des § 18 Abs. 2 WEG (ordnungsmäßige Verwaltung oder Benutzung des Gemeinschaftseigentums) oder aus einer speziellen Vorschrift (zB § 20 Abs. 2 WEG) ergeben (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 97). Greift ein Eigentümer als Störer durch eine bauliche Maßnahme ohne Legitimation in das Gemeinschaftseigentum ein, obliegt es der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die Sanktion um- und durchzusetzen. Bleibt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – aus welchen Gründen auch immer – untätig, besteht für den einzelnen Eigentümer der Anspruch nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG, dass ein Mehrheitsbeschluss gefasst wird, gegen den Störer vorzugehen, sei es im Wege der Beseitigung oder der Geltendmachung von Schadenersatz (Elzer, StichwortKommentar Wohnungseigentumsrecht, Unzulässige bauliche Veränderung im Gemeinschaftseigentum und Sanktionen Rn. 34, beck-online). Der Anspruch gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, ist darauf gerichtet, einen Beschluss zu fassen, nach dem die Rückgängigmachung der baulichen Veränderung auf Kosten aller geltend gemacht wird (Elzer, StichwortKommentar Wohnungseigentumsrecht, Unzulässige bauliche Veränderung im Gemeinschaftseigentum und Sanktionen Rn. 34, beck-online). Eine Beschlussersetzungsklage hat dabei dann Erfolg, wenn allein die Beseitigung und Wiederherstellung eines ordnungsmäßigen Zustands ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und hierauf ein Anspruch besteht (BGH, NJW 2020, 42 Rn. 17, beck-online).
241. Bezüglich der Terrasse besteht grundsätzlich ein Anspruch der Gemeinschaft gegen den Miteigentümer Z auf Beseitigung aus §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG.
25a) Bei einer vom Aufteilungsplan abweichenden Bauausführung kann jeder Wohnungseigentümer nach §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG von der Gesamtheit der Wohnungseigentümer grundsätzlich die Herstellung eines den Plänen entsprechenden Zustandes verlangen (LG Hamburg, ZWE 2022, 130 Rn. 17, beck-online, BGH, NJW 2015, 2027 Rn. 20, beck-online; LG Berlin, Urteil vom 5. Mai 2013 – 55 S 52/12 WEG –, Rn. 49, juris). Die erstmalige plangerechte Herstellung ist Aufgabe aller Wohnungseigentümer (BGH, DNotZ 2016, 278 Rn. 18, beck-online). Bei der erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung des Gemeinschaftseigentums, d.h. dessen vollständige Errichtung und Ausstattung durch Baumaßnahmen, die sich aus der Zweckbestimmung des Hauses oder der Teilungserklärung ergeben oder erkennbar sind, handelt es sich nicht um eine bauliche Veränderung, sondern um eine Erhaltungsmaßnahme durch Instandsetzung (Hogenschurz in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, c) Erstherstellung, Rn. 29). Dabei gilt für die Aufteilung eines bestehenden Gebäudes nichts anderes als bei der Errichtung von Bauwerken. Der Aufteilungsplan ist auch dann maßgeblich, wenn er einen bereits vorhandenen Bestand aufgrund eines Versehens unzutreffend erfasst (BGH, DNotZ 2016, 278 Rn. 14, beck-online). Selbst wenn die Terrasse bereits vor der Aufteilung gebaut worden sein sollte, besteht dementsprechend grundsätzlich ein Anspruch auf Herstellung nach dem Aufteilungsplan.
26b) Allerdings richtet sich die Gewichtung der berechtigten Belange der unmittelbar betroffenen Wohnungseigentümer nach dem Ausmaß der Abweichung und der damit verbundenen Beeinträchtigung. Infolgedessen kann der Herstellungsanspruch ausgeschlossen sein, wenn die tatsächliche Bauausführung nur unwesentlich von dem Aufteilungsplan abweicht. Dann sind die Wohnungseigentümer im Grundsatz verpflichtet, Teilungserklärung und Aufteilungsplan so zu ändern, dass diese der tatsächlichen Bauausführung entsprechen (BGH, DNotZ 2016, 278 Rn. 22, beck-online). Gleiches gilt nach Ansicht des Gerichts auch dann, wenn – vor Geltung des WEGModG – bereits vor der Aufteilung die tatsächliche Bauausführung vom Bauträger so geplant war, sie aber nur versehentlich in die Teilungserklärung und den Aufteilungsplan keinen Niederschlag gefunden hat. Denn im alten Recht war anerkannt, dass der aufteilende Alleineigentümer (oft: Bauträger), hier also die GbR, bis zum Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft das in seinem Alleineigentum stehende Grundstück auch nach vollzogener Teilung noch verändern durfte, ohne dass deswegen später dann Ansprüche der Erwerber gegen ihn aus § 1004 Abs. 1 BGB entstehen konnten (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 387). Da die Aufteilung in Wohnungseigentum bereits 2011 war, greift insoweit die alte Rechtslage ein. Eine andere Sicht würde im Übrigen dazu führen, dass der Kläger sich treuwidrig nicht an vor der Aufteilung getroffene Absprachen halten müsste, obwohl er als Miterbauer Einfluss sowohl auf Absprachen vor der Teilung als auch auf die Teilungserklärung nehmen konnte. Der Eigentümer Z konnte sich während der Bauphase nur mit dem Kläger absprechen, da es die Eigentümergemeinschaft zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Dass getroffene Absprachen mit der Aufteilung in Wohnungseigentum nicht mehr gelten sollen, wäre mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar. Dieser Punkt ist nicht zu verwechseln mit der Frage, ob ggf. ein Anspruch auf Gestattung einer baulichen Veränderung vorliegt, der zu einer dolo-agit-Einrede führen könnte (siehe dazu AG Paderborn, Urteil vom 06.09.2022 – 52 C 9/22 –, Rn. 155, juris; BGH, Urteil vom 17. März 2023 – V ZR 140/22 –, juris; LG Bremen, ZWE 2023, 85, beck-online). An dieser Stelle geht es vielmehr darum, dass nach dem Vortrag der Beklagten bezüglich der Terrasse an sich gerade eine Vereinbarung vorliegen soll (und nicht lediglich ein Anspruch auf Gestattung per Beschluss bestehen soll). Diese Vereinbarung wäre auch nach Aufteilung in Wohnungseigentum beachtlich.
27c) Ein entgegenstehender Anpassungsanspruch bezüglich der Teilungserklärung im Hinblick auf die Terrasse besteht vorliegend im Ergebnis aber nicht. Denn es steht nach der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Bauträger, hier die GbR, die streitgegenständliche Terrasse geplant hatte, aber versehentlich nicht in die Teilungserklärung bzw. den Aufteilungsplan aufgenommen hat. Dass die streitgegenständliche Terrasse zwischen den Gesellschaftern der GbR, namentlich dem Kläger und dem Zeugen Z, vereinbart war, hat die Beklagte nicht bewiesen.
28Die notariell beurkundete Teilungserklärung ist eine öffentliche Urkunde i. S.v. § 415 ZPO. Solche Urkunden erbringen vollen Beweis darüber, dass die Erklärung mit dem niedergelegten Inhalt so, wie beurkundet, abgegeben wurde (BGH, DNotZ 2017, 48 Rn. 6, beck-online; Musielak/Voit/Huber/Röß, 21. Aufl. 2024, ZPO § 415 Rn. 8). Nicht von § 415 Abs. 1 ZPO erfasst ist aber die inhaltliche (materielle) Richtigkeit, welche der freien Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO unterliegt (Musielak/Voit/Huber/Röß, 21. Aufl. 2024, ZPO § 415 Rn. 10). Grundsätzlich spricht die Lebenserfahrung zunächst dafür, dass eine Vertragsurkunde in der Regel den endgültigen und wohl überlegten Willen der Parteien enthält, mithin vollständig und richtig ist (Musielak/Voit/Huber/Röß, 21. Aufl. 2024, ZPO § 416 Rn. 4). Dass dies vorliegend anders war, steht für das Gericht nicht fest. Das Gericht müsste dazu im Hinblick auf § 286 ZPO nach freier Überzeugung die Behauptung der Beklagten, es habe im Rahmen der GbR eine Vereinbarung über die streitgegenständliche Terrasse gegeben, für wahr erachten. Dies bedeutet einerseits, dass mehr als die subjektive Überzeugung nicht gefordert wird. Es muss also keine absolute Gewissheit vorliegen, die über jeden Zweifel erhaben ist (Greger, in: Zöller, § 286 Rn 19). Andererseits reicht weniger als die Überzeugung von der Wahrheit, insbesondere ein bloßes Glauben, Wähnen oder Fürwahrscheinlichhalten, für das Bewiesensein einer Tatsache nicht aus (Greger, in: Zöller, § 286 Rn 18). § 286 verlangt hier den sog. Vollbeweis, stellt also hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugung. Mit einer nur überwiegenden Wahrscheinlichkeit darf der Richter sich im Regelfall nicht begnügen (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 286 Rn. 35). Der Richter muss vielmehr aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält. Dabei kommt es darauf an, dass der Richter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Diese persönliche Gewissheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei nicht voraus. Auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters kommt es an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, NJW 1970, 946; auch BGH, NJW-RR 2007, 351, beck-online). Diesen Grad der Gewissheit hat das Gericht aber durch die Beweisaufnahme nicht erlangt. Vielmehr sind nach der umfangreichen Beweisaufnahme erhebliche Zweifel daran verblieben, dass es im Rahmen der GbR eine Vereinbarung über die streitgegenständliche Terrasse gab.
29Der Zeugen P hat zwar bekundet, dass am 15.10.2011 die Verlobungsfeier stattgefunden und er Essen und Süßigkeiten auf die Terrasse gestellt habe. Über etwaige Gespräche zwischen Herrn F und Herrn Z konnte er aber ich nichts sagen, weil er beide nicht kannte. Dementsprechend war seine Aussage in Bezug auf die Vereinbarung bereits unergiebig. Der Zeuge C hat angegeben, dass „die Terrasse gemacht wurde, als der Rohbau fertig war“. Damit hat er den Vortrag der Beklagten, dass die Terrasse bereits im Rohbau mit errichtet worden sei, gerade nicht bestätigt. Dies deckt sich letztlich mit den vorgelegten Rechnungen und dem Vortrag der Beklagten – der insoweit widersprüchlich ist -, dass die Fundamente im Mai 2011 entstanden sein sollen. Da unstreitig im Mai 2011 das Haus bereits bezugsfertig war, kann die Terrasse nicht in der Rohbauphase gebaut worden sein. Im Übrigen konnte der Zeuge C nur mutmaßen, dass die Bauherren über die Terrasse gesprochen haben. Ob es aber (tatsächlich) vorher ein Gespräch zwischen Herrn F und Herrn Z über die Terrasse gegeben hat, konnte er nicht sagen. Der Zeuge U konnte angeben, dass er mit seinem Bruder das Balkongeländer montiert hat. Zu diesem Zeitpunkt, im April oder Mai 2011, sei die Betonsohle schon da gewesen. Dies widerspricht dem Vortrag der Beklagten, dass das Fundament der Terrasse erst im Mai 2011 entstanden sein soll. Der Zeuge U, hat angeben, er habe Arbeiten im Terrassenbereich gemacht. Das sei aber erst viel später im Jahr 2013 gewesen. Da habe er ein Geländer gemacht. Das Geländer 2013 habe Herr Z beauftragt. Unabhängig davon, dass sich die Zeugenaussagen der Brüder U widersprechen, hat der Zeuge U gerade nicht bestätigt, dass er von der GbR beauftragt war. Er hat in seiner Aussage klar danach differenziert, dass die Schlosserarbeiten von der GbR, das Geländer aber von Herrn Z beauftragt war. Auch dies steht dem Vortrag der Beklagten, die Terrasse sei in der Bauphase von der GbR beauftragt worden, entgegen. Im Übrigen hat auch der Zeuge U keine Angaben dazu machen können, ob es Gespräche zwischen dem Zeugen Z und dem Kläger über die Terrasse gab. Gleiches gilt für den Zeugen L. Auch er konnte nicht sagen, ob „früher zwischen beiden drüber geredet wurde“. Die Zeugin U widerspricht zeitlich schon den unstreitigen Angaben der Parteien, wenn sie angibt, dass der Einzug der Familie Z im Mai 2010 gewesen sei. Unstreitig war das Haus erst im Mai 2011 überhaupt bezugsfertig. Sodann hat sie einerseits erklärt, dass die Rollläden runtergelassen gewesen seien und man deswegen nicht von der Küche auf die Terrasse habe sehen können. Dennoch hat sie andererseits bekundet, es habe keine Terrasse gegeben und dies mehrfach betont. Auch dies ist widersprüchlich. Auch wenn die Aussage der Zeugin aufgrund der Widersprüche nicht glaubhaft erscheint, ist sie für die Beklagtenseite ohnehin nicht ergiebig, da die Zeugin über eine Vereinbarung bezüglich der Terrasse gar keine Angaben gemacht hat. Die Zeugin F hat bekundet, dass es bei ihrem Einzug keine Terrasse gegeben habe. Es habe mit Familie Z kein Gespräch über eine Terrasse gegeben. Es sei nur über eine Terrassentür gesprochen worden. Diese Zeugenaussage deckt sich letztlich mit den Bauunterlagen. Sie passt auch mit der glaubhaften Aussage des Zeugen E zusammen, dass in der Planungsphase für das Haus ein Ausgang nach hinten geplant wurde. In den Bauanträgen sei aber nichts wie eine Terrasse oder ähnliches eingezeichnet worden. Der Zeuge E konnte trotz des Zeitablaufs detaillierte Angaben machen. Wissenslücken hat er dabei offen angegeben. Eine Be- oder Entlastungstendenz war nicht erkennbar. Für das Gericht ist ohne Weiteres nachvollziehbar, dass der Zeuge E die streitgegenständliche Terrasse in den Bauantrag aufgenommen hätte, wenn diese bereits fest geplant gewesen wäre. Den Vortrag der Beklagten, dass die Terrasse aufgrund der Größe nicht habe in den Bauantrag aufgenommen werden müssen, hat der Zeuge E plausibel damit entkräftet, dass Terrassen in einem Bauantrag als Nebenflächen deklariert würden; so wie das mit den Terrassen vorne auch gemacht worden sei. Insoweit ist auch für das Gericht nicht überzeugend, warum die vorderen Terrassen in den Bauauftrag aufgenommen wurden, die streitgegenständliche Terrasse aber gerade nicht. Dies spricht für das Gericht sehr dagegen, dass es zwischen dem Zeugen Z und dem Kläger eine Vereinbarung über die Terrasse gab. Vereinbarungen zwischen dem Zeugen Z und dem Kläger und/oder Gespräche über die Terrasse hat der Zeuge E ebenfalls nicht bestätigt. Soweit letztlich einzig der Zeuge Z eine Vereinbarung über die Terrasse bekundet hat, ist diese Aussage nicht glaubhaft. Seine Aussage wirkte sehr auf die angebliche Vereinbarung fokussiert. Er hat immer wieder betont, dass von Anfang an eine Terrasse geplant gewesen sei. Die Aussage ist auch widersprüchlich, da einerseits angegeben wird, dass mit Herrn E über die Terrasse gesprochen worden sei, andererseits aber gesagt wird, er, der Zeuge Z habe die Terrasse „machen wollen“ und es seien nicht alle Aufträge Herrn E gegeben worden. Wenn der Zeuge Z die Terrasse „machen wollte“, steht dies auch dem Vortrag entgegen, dass die GbR die Terrasse geplant und beauftragt haben soll. Eine überzeugende Begründung dafür, warum die streitgegenständliche Terrasse anders als die vorderen Terrassen weder in dem Bauantrag noch in der Teilungserklärung auftauchen, hat er ebenfalls nicht gehabt.
302. Bezüglich des Terrassenvordachs ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch der Gemeinschaft auf Beseitigung aus § 20 WEG i.V.m. § 1004 BGB.
31Gemäß § 20 Abs. 1 WEG können Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche Veränderungen), beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden. Fehlt ein entsprechender Beschluss, darf die bauliche Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht vorgenommen werden und stellt eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung dar, auf deren Unterlassung ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB besteht (BGH, NZM 2023, 370 Rn. 12, beck-online). Unstreitig wurde das Terrassenvordach erst nach der Aufteilung in Wohnungseigentum gebaut. Einen diesbezüglichen Gestattungsbeschluss gab es weder durch die Beklagte noch durch die Untergemeinschaft, sodass an dieser Stelle letztlich dahinstehen kann, ob ein Gestattungsbeschluss der Untergemeinschaft ausreichend wäre oder ob die WEG entscheiden müsste. Ebenfalls dahinstehen, kann an dieser Stelle, ob der Eigentümer Z einen Anspruch auf Gestattung seiner Terrasse hat. Denn selbst wenn er einen Anspruch auf Beschlussfassung über die Gestattung der Terrasse nebst Vordach gemäß § 20 Abs. 3 WEG (gegebenenfalls in Verbindung mit der Teilungserklärung) hätte, könnte er diesen nicht als Einrede nach § 242 BGB geltend machen. Denn durch das WEGMoG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung zu ihrer Legalisierung einer Gestattung durch Beschluss bedarf, selbst wenn auf die Beschlussfassung ein Anspruch gemäß § 20 Abs. 3 WEG bestünde, weil kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Dieser Wille des Gesetzgebers, der dem hohen Gut des Vorbefassungsgebots der Eigentümerversammlung Rechnung trägt, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Wohnungseigentümer der eine bauliche Veränderung ohne Beschlussfassung vorgenommen hat, dem Rückbau- bzw. Unterlassungsanspruch seinen Anspruch auf die Gestattung per Beschluss gemäß § 242 BGB entgegenhalten könnte. Ein Wohnungseigentümer könnte sonst folgenlos gegen den Beschlusszwang und dass Vorbefassungsverbot verstoßen (AG Paderborn, Urteil vom 6. September 2022 – 52 C 9/22 –, Rn. 155, juris; BGH, Urteil vom 17. März 2023 – V ZR 140/22 –, juris; LG Bremen, ZWE 2023, 85, beck-online). Es ist gerade Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, den gesetzlich geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen (BGH, Urteil vom 17. März 2023 – V ZR 140/22 –, Rn. 28 - 29, juris).
323. Die Durchsetzung der vorgenannten Ansprüche der Gemeinschaft gegen den Zeugen Z entspricht vorliegend auch ordnungsgemäßer Verwaltung. „Ordnungsmäßige Verwaltung“ ist legaldefiniert als Verwaltung, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, was sich nur nach sorgfältiger Abwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung der allseitigen Interessen der betroffenen Wohnungseigentümer feststellen lässt (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 18 Rn. 70). Ordnungsgemäß ist, was vom Standpunkt eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Menschen aus betrachtet dem geordneten Zusammenleben in der Gemeinschaft dient, den Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht und der Gemeinschaft nützt (AG Wuppertal Urt. v. 29.9.2021 – 95b C 1/21, BeckRS 2021, 42548 Rn. 15-17, beck-online). Grundsätzlich entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft gegen unzulässige bauliche Veränderungen anderer Wohnungseigentümer vorgeht. Der Miteigentümer Z hat insofern das gemeinschaftliche Eigentum beeinträchtigt, indem er die Terrasse und das Dach unter Inanspruchnahme des gemeinschaftlichen Gartens gebaut hat. Dabei handelte es sich auch um eine bauliche Veränderung i.S.d. § 20 Abs. 1 WEG, da der Bau der Terrasse über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausging und mit einem Substanzeingriff verbunden war (vgl. auch LG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2022 – 19 S 19/22 –, Rn. 18, juris).
334. Grundsätzlich besteht für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein weites Ermessen, ob und wie sie gegen einen Störer vorgeht. Zwar wird ein Vorgehen gegen den Störer typischerweise ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, weil vom Soll-Zustand der WEG-Anlage abgewichen wird und dieser dem Grunde nach wiederhergestellt wird. Dennoch kann auch ein Absehen hiervon ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 396). Auch wenn gegen den Störer gerichtete Ansprüche auf Beseitigung einer rechtswidrigen baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 1004 BGB nicht (mehr) durchsetzbar sind, haben einzelne Wohnungseigentümer nicht ohne Weiteres einen Anspruch darauf, dass die Beseitigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft auf eigene Kosten beschlossen wird; es kann je nach den Umständen des Einzelfalls (auch) ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, hiervon abzusehen (BGH, NJW 2020, 42 Rn. 17, beck-online). Ein klagbarer Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers besteht nur bei einer Ermessensreduzierung auf Null (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 396). Diese ist vorliegend ausnahmsweise gebeten. Eine Entscheidung gegen den grundsätzlich vorgesehenen Rückbau setzt nämlich voraus, dass die Wohnungseigentümer ihr Ermessen auch ausüben, sich also ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechende Alternativen zum Rückbau bewusst machen und diese in eine Abwägungsentscheidung miteinbeziehen (LG Frankfurt a. M. Urt. v. 14.1.2021 – 2/13 S 26/20, BeckRS 2021, 862 Rn. 10, beck-online). Der Versuch die Terrasse durch einen Mitvertrag zu legalisieren ist gescheitert, weil der entsprechende Beschluss für ungültig erklärt wurde. Ein nachträglicher Gestattungsbeschluss für Terrasse und Dach wurde bis heute nicht gefasst. Einen entsprechenden Antrag hat der Eigentümer Z trotz des seit Jahren bestehenden Streits um die Terrasse nicht einmal gestellt. Es entspricht aber nicht ordnungsgemäßer Verwaltung einen illegalen Bau weder zu legalisieren noch zu entfernen. Da aufgrund der Mehrheitsverhältnisse und der Vorgeschichte eine Legalisierung ausgeschlossen erscheint, ist die einzig verbleibende Maßnahme, den Rückbau zu beschließen.
345. Die Beschlusskompetenz für den Abrissbeschluss hat die Beklagte. Nach § 3 der Teilungserklärung (Bl. 26 d.A.) entscheiden die Miteigentümer eines Hauses (bzw. die Untergemeinschaft) allein über bauliche Maßnahmen an ihrem Gebäude. Vorliegend geht es aber nicht um eine bauliche Veränderung am Gebäude, sondern auf dem Garten als Gemeinschaftseigentum. Die Entscheidung hierüber ist der Untergemeinschaft nicht zugewiesen, sodass die Beschlusskompetenz bei der Gesamtgemeinschaft liegt.
356. Die Beklagte kann dem Kläger etwaige eigene rechtswidrige bauliche Veränderungen schon deshalb nicht entgegenhalten, weil diese keine Einrede nach § 242 BGB begründen würden, sodass sie den Anspruch auf Beschlussfassung nicht hindern würden.
367. Bezüglich des Abrisses der Terrasse und des Dachs hat die notwendige Vorbefassung der Eigentümer stattgefunden. Dass die Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung angesichts der Mehrheitsverhältnisse ausgeschlossen ist, kann dazu führen, dass die Vorbefassung der Eigentümerversammlung entbehrlich ist (LG Hamburg, ZWE 2022, 130 Rn. 18, beck-online). Dementsprechend ist nicht zu beanstanden, dass der Kläger versucht hat, einen Beschluss im Umlaufverfahren zu erwirken und nicht in einer Eigentümerversammlung.
378. Auch steht dem Beseitigungsbegehren des Klägers vorliegend nicht eine (von Beklagtenseite zwar nicht vorgetragene, allerdings auch von Amts wegen zu berücksichtigende) Verwirkung entgegen. Zwar sind seit der Errichtung der Terrasse durch den Wohnungseigentümer Z schon zahlreiche Jahre vergangen. Die erfolgreiche Berücksichtigung des Rechtsinstituts der Verwirkung setzt jedoch voraus, dass zu einem Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend. Denn selbst eine lange Duldung reicht nicht aus, da zu dem Zeit- auch noch das Umstandsmoment hinzutreten muss, also das Entstehen eines schutzwürdigen Vertrauens in die künftige Nichtinanspruchnahme durch den Berechtigten bzw. der Gemeinschaft, das im Wohnungseigentumsrecht einer besonderen Grundlage bedarf. Dies ist vorliegend aber weder vorgetragen noch nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ersichtlich (vgl. schon AG Paderborn, Urteil vom 06.09.2022 – 52 C 9/22 –, Rn. 157, juris).
389. Anders als im Hauptantrag vorgesehen, besteht für den Kläger aber nur ein Anspruch darauf, dass die Beseitigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft auf eigene Kosten beschlossen wird (vgl. BGH, NJW 2020, 42 Rn. 17, beck-online). Ein Beschluss die Kosten des Abrisses dem Eigentümer Z aufzugeben, ist im Wege der Beschlussersetzung schon deshalb nicht möglich, weil für die Frage der Kostentragungspflicht keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Terrasse jahrelang geduldet war, erscheint es nicht abwegig, dass auch eine andere Kostenverteilung ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde. Hierüber müssen die Eigentümer beraten und beschließen, nachdem nunmehr der Abriss an sich als beschlossen gilt.
39Ebenfalls besteht keine Ermessensreduzierung des Gerichts dahingehend, dass gerade eine der vom Kläger angefragten Firmen beauftragt werden muss. Insoweit erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Verwalter unter Beteiligung der Eigentümer noch andere Firmen findet, deren Kosten günstiger sind oder deren Beauftragung von den Eigentümern aus anderen Gründen favorisiert wird. Hierzu wurden die Eigentümer noch gar nicht gefragt. Es fehlt schon an einer entsprechenden Vorbefassung.
40Beide Probleme stellen sich beim Hilfsantrag jedoch nicht.
41II.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Soweit das alte und das neue Begehren wirtschaftlich identisch sind, ist für die Kostenentscheidung gemäß § 91 und § 92 nur der Ausgang des Streits über den neuen Antrag maßgeblich (BeckOK ZPO/Bacher, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 263 Rn. 36). So liegt der Fall hier. Der Streitgegenstand wird gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO durch den Antrag auf Beschlussfassung über die Beseitigung der Terrasse nebst Dach und durch den Lebenssachverhalt gebildet, wie sich die Situation bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in seiner Gesamtheit darstellt. Die weiteren Fragen des „Wie“ des Abrisses sind dagegen als untergeordnet anzusehen.
43Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO, da ein Fall des § 708 Nr. 11 ZPO nicht vorliegt.
44III.
45Hinsichtlich des Streitwerts hat sich das Gericht an dem vom Kläger vorgelegten günstigsten Angebot zum Abriss orientiert.
46Rechtsbehelfsbelehrung:
47A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
481. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
492. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
50Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
51Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Dortmund zu begründen.
52Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Dortmund durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
53Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
54B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Paderborn statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Paderborn, Nebenstelle, Am Turnplatz 31, 33098 Paderborn, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
55Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
56Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
57Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
58Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.