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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
2I.
3Die Gläubigervertreterin übersandte dem Gerichtsvollzieher ein vorläufiges Zahlungsverbot auf elektronischem Wege zum Zwecke der Zustellung an die Drittschuldnerin und an die Schuldnerin. Der Gerichtsvollzieher stellte am 06.05.2024 das vorläufige Zahlungsverbot elektronisch an die Drittschuldnerin zu. Die Zustellung an die Schuldnerin erfolgte persönlich am 07.05.2024. Hinsichtlich dieser Zustellungen übersandte der Gerichtsvollzieher der Gläubigerin die Benachrichtigung über die Zustellungen sowie seine Rechnung vom 07.05.2024, mit der er seine Kosten in Höhe von insgesamt 38,90 € geltend machte (Bl. 28-30 d.A. des Amtsgerichts Ahaus). In dieser Rechnung sind insbesondere enthalten eine Dokumentenpauschale für die Fertigung von Kopien nach Nr. 700 Nr. 1 KV GvKostG in Höhe von 1,50 € und Dokumentenpauschalen für die Bereitstellung von Dateien nach Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG in Höhe von 4,50 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kosten- und Zustellungsdokumentation, Bl. 6 d.A. des Amtsgerichts Ahaus, Bezug genommen.
4Hiergegen legte die Bezirksrevisorin mit Schreiben vom 03.07.2024 im Namen der Landeskasse Erinnerung ein. Im Wesentlichen begründete sie ihre Erinnerung damit, dass in Bezug auf die Zustellung an die Drittschuldnerin keine Pauschale nach Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG entstanden sei, da die förmliche Zustellung auf elektronischem Wege ihrem Wortlaut nach keine „Überlassung“ einer Datei darstelle. Damit sei nämlich nur die formlose Übermittlung und nicht die förmliche Zustellung gemeint. Zudem werde die vom Auftraggeber übermittelte Datei nur weitergeleitet, also nicht dupliziert. Darüber hinaus sei hinsichtlich der Höhe der Pauschale jedenfalls auch fraglich, ob nicht nur von einer Datei bei Übermittlung des vorläufigen Zahlungsverbots und des dazugehörigen Signaturprotokolls auszugehen sei und nicht – wie der Gerichtsvollzieher angenommen und seiner Rechnung zugrunde gelegt habe – von zwei Dateien.
5In Bezug auf die Zustellung an die Schuldnerin sei auch keine Pauschale nach Nr. 700 Nr. 1 KV GvKostG anzusetzen, da es sich um Ausdrucke handle, die von Amts wegen erstellt worden seien. Da sich die Gläubigerin für die Übermittlung auf elektronischem Wege entschieden habe sei diese nicht gehalten gewesen Abschriften beizufügen. Dies habe zur Folge, dass es dem Gerichtsvollzieher obliege, die Ausdrucke von Amts wegen selbst zu erstellen und zu beglaubigen. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Beschluss des OLG Hamm vom 22.08.2023, I-25 W 192/23, wonach grundsätzlich keine Dokumentenpauschale gemäß Nr. 700 Nr. 1 b) KV GvKostG zu erheben sei, wenn der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher das als Schriftstück zuzustellende Dokument gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg übermittelt habe. Die für die Kopien und Ausdrucke entstandenen Kosten unterfielen dem sonstigen Aufwand des Gerichtsvollziehers und damit den Gemeinkosten, welche grundsätzlich durch die Gebühren abgegolten seien.
6Hinsichtlich der Benachrichtigung der Antragstellerin über die erfolgten Zustellungen lägen bei der Übermittlung der entsprechenden Datei die Voraussetzungen der Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG ebenfalls nicht vor. Dies ergebe sich ebenfalls aus dem genannten Beschluss des OLG Hamm. Wegen der Einzelheiten wird auf die Erinnerung, Bl. 1-5 d. A. des Amtsgerichts Ahaus, Bezug genommen.
7Dieser Erinnerung half der Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 28.10.2024 nicht ab. Hierzu führte er im Wesentlichen aus, dass die angesetzten Dokumentenpauschalen keine Gemeinkosten seien und die Kopien nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag angefertigt würden. Er stützte sich dabei auf die Begründung des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 06.02.2024, Az. 10 W 100/23. Weiter sei bei einer Zustellung von zwei PDF-Dateien von einer Überlassung oder deren Bereitstellung zum Abruf im Sinne von Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG auszugehen, da die Dateien nicht nur weitergeleitet würden. Zunächst würden die Dateien vom Amtsgericht übermittelt und in sein elektronisches Postfach übernommen. Von diesem aus würden sie in die Gerichtsvollziehersoftware eingelesen. Und von dort würden die Dateien einzeln aufgerufen und geprüft, ob sie zur Zustellung nötig und geeignet seien. Anschließens würden die Dateien mit Hilfe der Software zum Zwecke der Zustellung dupliziert und wiederum in das elektronische Postfach des jeweiligen Empfängers zwecks Zustellung übermittelt. Von einer reinen Weiterleitung könne also nicht die Rede sein. Schließlich habe das Ministerium der Justiz des Landes NRW mit Verfügung vom 16.02.2024 (2344.Z.124/ab 2022) klargestellt, dass keine Weisung in Bezug auf die Auslegung und Anwendung der Nr. 700 KV GvKostG erteilt werde. Die Präsidentin des OLG Hamm habe mit Blick auf die besonderen Aspekte, der besonderen Auswirkungen und zur Herbeiführung einer möglichst einheitlichen Handhabung im Land NRW festgestellt, dass die Dokumentenpauschale in den entsprechenden Fällen erhoben werden könne (Verfügung vom 04.06.2024 – 2344-10 a- 106 Sdh 13). Landesweit erfolge eine entsprechende Erhebung in Fällen wie dem vorliegenden, sodass auch im hiesigen Bezirk eine solche zu erfolgen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben, Bl. 24-139 d.A. des Amtsgerichts Ahaus, Bezug genommen.
8Mit Beschluss vom 18.12.2024 hat das Amtsgericht Ahaus die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass in Bezug auf die Kosten für die Zustellung an die Drittschuldnerin und auch in Bezug auf die Rücksendung der zugestellten Dateien an die Gläubigerin ein konkludenter Auftrag der Gläubigerin hinsichtlich der Duplizierung zwecks Zustellung vorliege, darüber hinaus keine bloße Weiterleitung der Datei. In Bezug auf die Kosten für die Zustellung an die Schuldnerin sei der Auffassung des OLG Düsseldorf zu folgen. Im Zustellungsbegehren liege konkludent ein Antrag auf Fertigung der Kopien. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss, Bl. 140-149 d.A. des Amtsgerichts Ahaus, Bezug genommen.
9Mit Schreiben vom 09.01.2025 hat die Bezirksrevisorin Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss erhoben und zur Begründung auf den Inhalt ihres Erinnerungsschreibens Bezug genommen. Ferner hat sie beantragt, die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. Mit weiterem Schreiben gleichen Tages hat die Bezirksrevisorin hilfsweise beantragt, soweit ihrer Auffassung nicht gefolgt werde, den Ansatz der Dokumentenpauschale nach Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG hinsichtlich der Zustellung an die Drittschuldnerin lediglich in Höhe von 1,50 € anzuerkennen, da es sich bei dem Zahlungsverbot und dem zugehörigen Prüfvermerk lediglich um eine Datei und nicht um zwei Dateien gehandelt habe.
10Mit Beschluss vom 10.01.2025 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht als zuständigem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
11Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat der Gerichtsvollzieher mit Schreiben vom 15.01.2025 dem hilfsweisen Antrag der Bezirksrevisorin widersprochen und zur Begründung im Wesentlichen auf seine Stellungnahme vom 28.10.2024 verwiesen. Darüber hinaus hat er ausgeführt, dass die Gläubigerin im Rahmen des Zustellungsauftrages zwei PDF-Dateien übermittelt habe. Die eine sei das elektronische Dokument, die zweite Datei der Prüfvermerk. Diese Dateien würden zunächst in das elektronische Postfach beim Amtsgericht eingehen. Von dort würden beide Dateien in das elektronische Postfach beim Gerichtsvollzieher weitergeleitet. Der Gerichtsvollzieher lese beide Dateien separat in die Gerichtsvollziehersoftware ein. In der Software sei jede eingelesene Datei einzeln zu öffnen und zu prüfen, ob sie zur Zustellung notwendig und geeignet sei. Im letzten Arbeitsgang würden alle zuzustellenden Dateien in eine "Bearbeitungsbox" übertragen, verschmolzen und von der Gerichtsvollziehersoftware in das elektronische Postfach des Gerichtsvollziehers und von dort in das elektronische Postfach/auf den Datenträger (Server, Festplatte etc..) des Empfängers übertragen. Die zwei Dateien würden gemäß dem Wortlaut der Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG in einem Arbeitsgang überlassen und seien daher gesondert abzurechnen. Der zeitliche Aufwand hierfür sei ca. viermal höher als das einfache Anfertigen einer Kopie. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben, Bl. 22-27 d.A., Bezug genommen.
12Zudem hat er ausgeführt, dass das GvKostG im Rahmen der Abstimmung über den Entwurf des Kostenrechtsänderungsgesetzes am 31.01.2025 geändert worden sei (vgl. BT.-Drs. 20/14768), und diese Änderung demnächst im Bundesrat beschlossen werden solle. Ein Entfall der Beglaubigungsgebühren und Dokumentenpauschalen in Kombination mit einer entsprechenden Erhöhung der Zustellungsgebühren zur Kompensation sei ausdrücklich nicht beschlossen worden, obwohl der Referentenentwurf zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und Justizkostenrechts unter Ziffer 43 als Anmerkung zu Nr. 700 KV noch in einem neu anzufügenden Absatz 5 vorgesehen habe „neben einer Zustellungsgebühr oder einer Gebühr für eine nicht erledigte Zustellung wird eine Dokumentenpauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten zum Zweck der Zustellung nicht erhoben, wenn das zuzustellende Dokument dem Gerichtsvollzieher als elektronisches Dokument übermittelt wurde.“ (Referentenentwurf abrufbar unter der Homepage des Bundesjustizministeriums:
13https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_KostRAEG.pdf). Der Gesetzgeber gehe also offensichtlich davon aus, dass die hier in Streit stehenden Beglaubigungsgebühren und Dokumentenpauschalen von den Gerichtsvollziehern zu recht angesetzt würden und die Kostenerstattung geregelt sei. Eine Änderung nur für den Hammer Bezirk – auf Grund der Rechtsprechungen der OLG Bezirke Köln und Düsseldorf, die den Ansatz der Pauschalen vorgebe – sei kaum denkbar. Es wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf die Schreiben vom 04.02.2025, 05.02.2025 und 07.02.2025; Bl. 37-50 und Bl. 58-60 d.A.
14II.
151.
16Die Beschwerde der Bezirksrevisorin ist gemäß §§ 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG, 66 Abs. 2 S. 2 GKG, nachdem das Amtsgericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat, statthaft und auch im Übrigen zulässig.
172.
18Sie ist allerdings unbegründet. Der Ansatz der Kosten durch den Gerichtsvollzieher ist nach Ansicht der Kammer zurecht erfolgt.
19a)
20In Bezug auf die Dokumentenpauschale für die elektronische Dateiübermittlung nach Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG in Höhe von 3,00 € für die Zustellung an die Drittschuldnerin sind die Voraussetzungen der genannten Norm erfüllt. Hiernach fällt eine Pauschale von 1,50 € je Datei an, wenn anstelle der in Nummer 1 genannten Kopien und Ausdrucke elektronisch gespeicherte Dateien überlassen oder diese zum Abruf bereitgestellt werden. Dass es sich um Dateien im Sinne dieser Vorschrift handelt wird von der Bezirksrevisorin nicht in Abrede gestellt.
21Diese Dateien sind auch überlassen oder zum Abruf bereitgestellt worden.
22Bei der Vorpfändung bedarf es eines vom Gläubiger verfassten Schreibens, mit dem der Drittschuldner und der Schuldner davon in Kenntnis gesetzt werden, dass die Pfändung unmittelbar bevorsteht, verbunden mit der Aufforderung an den Drittschuldner, nicht an den Schuldner zu zahlen, und an den Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung zu enthalten. Das Schreiben ist durch den Gerichtsvollzieher dem Drittschuldner und dem Schuldner zuzustellen. Zuzustellen ist eine beglaubigte Abschrift des urschriftlichen Benachrichtigungsschreibens. Dazu übergibt der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher grundsätzlich die Urschrift der Benachrichtigung samt den erforderlichen Abschriften. Auch bei der Zustellung elektronischer Dokumente nach § 193a ZPO wird nach Auffassung der Kammer daher nicht die eingereichte, elektronische Urschrift zugestellt, sondern eine Abschrift. Der Gerichtsvollzieher übermittelt anstelle von Ausdrucken und Kopien des Benachrichtigungsschreibens die entsprechenden Dateien, die nach den Angaben des Gerichtsvollziehers zuerst eingelesen, dann geprüft und dupliziert und anschließend übermittelt werden. Es handelt sich damit nicht nur um eine Weiterleitung des urschriftlichen Benachrichtigungsschreibens. Für diese Sichtweise spricht auch der Begriff der Urkunde. Ein originäres elektronisches Dokument als Urkunde kann es nur einmal geben. Die Originalurkunde kann im Rechtsverkehr nur durch eine Ausfertigung vertreten werden. Damit kann die Vervielfältigung eines elektronischen Dokuments auch bei Mitgabe der Signatur nicht als Weitergabe des Originals oder eines weiteren Originals angesehen werden. Darüber hinaus ist der vom Gerichtsvollzieher dargestellte und oben unter I. wiedergegebene elektronische Verarbeitungsprozess ein weiterer Grund, nicht lediglich von einer Weiterleitung, sondern von einer entsprechenden Überlassung einer Abschrift im Sinne der vom Gerichtsvollzieher gefertigten, elektronischen Kopie auszugehen.
23Die Anwendung der Vorschrift des Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG ist entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin nicht auf die Fälle formloser Zustellung beschränkt. Der Wortlaut „Überlassen“ gibt eine solche Einschränkung bereits nicht her, auch wenn nicht verkannt wird, dass in § 173 ZPO und § 193a ZPO von „Übermittlung“ die Rede ist. Aus der Systematik der Vorschrift der Nr. 700 KV GvKostG ergibt sich aber, dass auch die Zustellung mitumfasst ist. Denn Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG spricht von „Überlassung […] anstelle der in Nummer 1 genannten Kopien und Ausdrucke“ (Hervorhebung durch die Kammer). In Nr. 700 Nr. 1 a) und b) KV GvKostG sind unstreitig die Mehrausfertigungen erfasst, die vom Gerichtsvollzieher zuzustellen sind, wenn er sie auf Antrag anfertigt bzw. die bei Unterlassung der Beifügung von Mehrausfertigungen durch den Gläubiger durch den Gerichtsvollzieher hergestellt werden. Diese Pauschale erfasst also die Herstellung und Überlassung der zuzustellenden Abschriften in Papierform, sodass auf Grund der Überlassung der elektronisch gespeicherten Datei oder deren Bereitstellung auf Abruf (im Wege der elektronischen Zustellung nach § 173 ZPO) anstelle der förmlichen Zustellung der Mehrausfertigung in Papierform die Gebühr entstanden ist.
24Die Pauschale ist auch der Höhe nach richtig angesetzt worden. Es handelt sich nicht um nur eine Datei, sondern um zwei. Eine Datei ist im Allgemeinen die Zusammenfassung gleichartiger digitaler Daten, die zum Speichern auf Datenträgern oder Speichermedien, zur Wiedergabe, zum Bearbeiten und zur Datenübertragung dient und durch einen Dateinamen identifiziert wird. Auch wenn die Dateien hier im Verbindung zueinanderstehen, da zum vorläufigen Zahlungsverbot (erste Datei) der Prüfvermerk (zweite Datei) gehört, ändert dies nichts daran, dass es technisch zwei Dateien sind, die beide überlassen werden und eben nicht in einer Datei zusammengefasst sind.
25b)
26Hinsichtlich der Pauschale für die Zustellung an die Schuldnerin ist die Pauschale sowohl nach Nr. 700 Nr. 1 a) KV als auch nach Nr. 700 Nr. 1 b) KV GvKostG entstanden. Diese Pauschale sieht 0,50 € für die ersten 50 Seiten je Seite vor für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten, die auf Antrag angefertigt oder per Telefax übermittelt werden (Nr. 1 a) bzw. für Kopien, die angefertigt werden, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen (Nr. 1 b).
27aa)
28Nach Auffassung der Kammer hat der Gerichtsvollzieher die hier streitgegenständlichen Kopien auf Antrag der Gläubigerin gefertigt. Die Zustellung des Benachrichtigungsschreibens an die Schuldnerin erfolgt bereits auf Antrag der Gläubigerin im Parteibetrieb nach §§ 191 ff. ZPO (vgl. statt vieler: Anders/Gehle/Nober, 83. Aufl. 2025, ZPO § 845 Rn. 13). Der entsprechende Antrag auf Fertigung der Abschriften muss nicht ausdrücklich erfolgen, sondern ist eindeutig mit dem geäußerten Zustellungsbegehren verbunden, denn ohne die Fertigung der Kopien wäre eine Zustellung bei Personen, bei denen eine elektronische Zustellung ausscheidet, nicht möglich (OLG Düsseldorf, aaO; Touissant/Uhl, 53. Aufl. 2023, GvKostG, KV 700 Rn. 6-0; Herrfurth in BeckOK KostenR, KV 700, GvKostG, Rn. 29,30). Entsprechend ist der Auftrag im Rahmen der Vorpfändung dahin auszulegen, dass er die Zustellung des Benachrichtigungsschreibens an den Schuldner durch die Anfertigung der Kopien bzw. Ausdrucke der Dokumente umfasst. Die auf Grund der Einreichung des Benachrichtigungsschreibens bezüglich der Vorpfändung auf elektronischem Weg fehlenden Abschriften, die notwendig sind, um den Antrag und Auftrag der Gläubigerin überhaupt vollständig zu erfüllen, werden dementsprechend nicht von Amts wegen erstellt. Dafür spricht auch, dass es keinen Unterschied machen kann, ob der Auftrag in Papierform erteilt wird und die Abschriften fehlen oder in elektronischer Form. Es bleibt der Gläubigerin unbenommen, den Antrag elektronisch zu stellen und die Abschriften schriftlich einzureichen, oder vollständig in Papierform, um die Kosten des Gerichtsvollziehers zu sparen. Eine entsprechende, in § 130d ZPO geregelte Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs auch im Verhältnis zum Gerichtsvollzieher gibt es für Zustellungsersuchen nicht. § 130d ZPO gilt in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht (so auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.02.2024, - 10 W 100/23 -, DGVZ 2024, 89). § 193 ZPO sieht beide Übermittlungsformen vor.
29bb)
30Gleichzeitig ist auch die Voraussetzung der Nr. 700 Nr. 1 b) KV GvKostG erfüllt, wonach die genannte Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten in Bezug auf Kopien und Ausdrucke, die angefertigt werden, weil der Auftraggeber es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen erfüllt.
31Bei der Einreichung auf elektronischem Weg fehlen die Mehrausfertigungen, die notwendig sind, um die Zustellung an denjenigen zu bewirken, der kein elektronisches Postfach besitzt. Der Gläubiger hat es objektiv unterlassen, diese beizufügen, ohne dass relevant sein kann, ob er eine entsprechende Einreichungspflicht verletzt hat oder nicht. Dies gilt auch, wenn er diese elektronisch gar nicht beifügen kann, denn nichtsdestotrotz bleiben die Mehrausfertigungen erforderlich, um die von ihm beantragte Zustellung zu bewirken, und sie sind tatsächlich nicht beigefügt. Dies auch insbesondere, weil es ihm auch möglich wäre, den Antrag und die Benachrichtigung nebst Mehrausfertigung in Papierform zu stellen, denn § 130d ZPO gilt im Verhältnis zum Gerichtsvollzieher, wie oben dargelegt, nicht. Daraus, dass bei elektronischer Einreichung von Schriftstücken nach der Gesetzesbegründung der Auslagentatbestand des KV 9000 Nr. GKG nicht erfüllt sein soll (BT-Drs. 15/4067, 31), kann nach Auffassung der Kammer nicht gefolgert werden, dass dies auch für Auslagentatbestände im GvKostG gelten soll (so auch OLG Düsseldorf, aaO). Einen Hinweis, dass wegen der fehlenden Verpflichtung zur Beifügung von Abschriften im Falle der elektronischen Übermittlung auch die Verpflichtung zur Zahlung von Auslagen des Gerichtsvollziehers nach KV 700 GvKostG entfällt (BT-Drs. 19/31119, S. 4), findet sich nicht (so auch OLG Düsseldorf, aaO). Dies ergibt insbesondere vor dem anderen Hintergrund der Kostentragung auch Sinn: Im Falle des Gerichtsverfahrens tragen die Kosten für die Ausfertigung die Landeskassen, wohingegen die Gerichtsvollzieher die hierfür anfallenden Kosten privat zahlen müssten. Dies erscheint nicht sachgerecht.
32Es ergibt sich auch nicht aus § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO, dass es sich bei der Fertigung der hier erforderlichen Abschriften um eine Fertigung von Amts wegen handelt, die die Auslagentatbestände nicht erfüllt. Zwar besteht im Wortlaut des § 193 Abs. 1 S. 2 ZPO und § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO ein Unterschied dergestalt, dass der Gerichtsvollzieher im Falle der Übermittlung des zuzustellenden Dokuments in Papierform mit den erforderlichen Abschriften diese Abschriften lediglich beglaubigt und bei Fehlen von Abschriften diese selbst herstellen kann; während er im Falle der Übermittlung des zuzustellenden Dokuments als elektronisches Dokument die erforderlichen Abschriften als Ausdrucke selbst fertigt und diese beglaubigt. Nach Auffassung der Kammer kann daraus aber nicht gefolgert werden, dass bei gleicher Tätigkeit (Fertigung von Abschriften des zuzustellenden Dokuments) einmal ein Handeln im Auftrag bzw. auf Grund von (vorwerfbarem) Unterlassen und einmal ein Handeln von Amts wegen angenommen werden muss. Dies ergibt sich zum einen aus dem vergleichbaren Wortlaut des § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO und des Nr. 700 Nr. 1 KV GvKostG, der zwar nicht von fehlenden, jedoch aber von erforderlichen Abschriften spricht. Auch aus systematischer Sicht ergibt sich, dass beide Tatbestände einheitlich zu werten sind. Denn wenn der Gläubiger das zuzustellende Dokument in Papierform einreicht, und eine oder mehrere Ausfertigungen fehlen, liegt es nahe, dass der Gerichtsvollzieher bei dem Gläubiger nachfragen kann und es letzterem überlassen bleiben soll, ob er (auf eigene Kosten) die Ausfertigungen noch nachreicht oder dem Gerichtsvollzieher dies überlässt. Ggfs. ist der Gerichtsvollzieher zum Zwecke der zügigen Durchführung der Zwangsvollstreckung auch gehalten, sofort selbst tätig zu werden, sodass sein Ermessen auf Null reduziert sein kann. Wenn aber der Gläubiger das Dokument von vornherein schon elektronisch einreicht, erübrigt sich jede Nachfrage, denn die Abschriften fehlen und müssen vom Gerichtsvollzieher gefertigt werden. Wenn die Herstellung der Abschriften nach § 193 Abs. 1 S. 2 ZPO unstreitig die Kostenübernahmepflicht der Partei auslöst, dann muss eine solche auch bei § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO bestehen. Letztlich ist auch der Sinn und Zweck der Kostengerechtigkeit ein weiteres Argument. Dafür spricht auch, dass die Kosten des Gerichtsvollziehers für die entsprechenden Kopien gerade nicht dem durch die Gebühren abgegegoltenen sonstigen Aufwand unterfallen. Zu dem sonstigen Aufwand gehört allgemeines Schreibwerk und es zählen insbesondere die in der BT-Drucksache Nr. 14/3432 (Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Gerichtsvollzieherkostenrechts) auf Seite 33 aufgeführten Abschriften (etwa die Abschrift der Zustellungsurkunde in den Fällen des § 829 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder die Abschrift der Benachrichtigung des Drittschuldners und des Schuldners nach § 845 Abs. 1 Satz 2 ZPO - wenn er also vom Gläubiger ausdrücklich beauftragt wurde, die Benachrichtigungen mit den Aufforderungen selbst anzufertigen und der Gläubiger, anders als hier, kein eigenes Benachrichtigungsschreiben einreicht) hierzu. Die Fertigung einer Abschrift für die Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbotes gehören hierzu nicht, und es wäre unbillig, wenn der Gerichtsvollzieher diese Abschriften letztlich auf eigene Kosten anfertigen müsste.
33Schließlich spricht auch für eine solche Auslegung, dass auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Pauschalen weiterhin erhoben werden. Eine Änderung der Nr. 700 KV GvKostG durch Einfügung eines entsprechenden Absatz 5, wonach die Pauschale ausdrücklich in Fallgestaltungen wie der vorliegenden ausgenommen worden wäre, war offenbar ursprünglich geplant, soll jedoch letztlich nicht umgesetzt werden. Das schließt die Kammer daraus, dass, der beabsichtigte Absatz 5 der Nr. 700 KV GvKostG „eine Dokumentenpauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten zum Zweck der Zustellung wird nicht erhoben, wenn das zuzustellende Dokument dem Gerichtsvollzieher als elektronisches Dokument übermittelt wurde.“ ausweislich der genannten BT-Drucksache nicht eingefügt worden ist bzw. nicht eingefügt werden soll.
34c)
35In Bezug auf die Benachrichtigung der Gläubigerin über die erfolgten Zustellungen ist die Pauschale nach Nr. 700 Nr. 2 KV GvKostG ebenfalls angefallen.
36Die Voraussetzungen des Auslagentatbestands liegen vor, nämlich, dass anstelle der in Nr. 1 der Nr. 700 KV GvKostG genannten Kopien und Ausdrucke elektronisch gespeicherte Dateien überlassen oder diese zum Abruf bereitgestellt wurden. Hier ist nach Auffassung der Kammer der Tatbestand der Nr. 700 Nr. 1 a) KV GvKostG erfüllt, wonach die Pauschale anfällt, wenn Kopien oder Ausdrucke auf Antrag gefertigt werden.
37Die automatische Eingangsbestätigung nach § 193a Abs. 2 S. 1 ZPO ersetzt bei dem Verfahren hinsichtlich eines vorläufigen Zahlungsverbots die eigentliche Zustellungsurkunde, die der Gerichtsvollzieher als Ausdruck auf Antrag angefertigt hat, wenn der Antrag in Papierform eingegangen wäre. Denn die Zustellung erfolgt im Parteibetrieb, entsprechend ist die Zustellungsurkunde nicht bei den Akten zu lassen, sondern der antragstellenden Partei nach § 193a Abs. 2 S. 3 ZPO, elektronisch verbunden mit dem zugestellten Dokument, zu übermitteln. Nach § 126 Abs. 2 S. 1 und 2 GVGA muss der Gerichtsvollzieher die Zustellung der Benachrichtigung an den Drittschuldner besonders beschleunigen und den Zustellungszeitpunkt (Tag, Stunde, Minute) beurkunden oder veranlassen, dass dies durch den Postbediensteten erfolgt; und wenn er die Benachrichtigung als elektronisches Dokument zustellt, dient ihm zur Beurkundung die automatisierte Eingangsbestätigung.
38Nach Auffassung der Kammer hat der Gerichtsvollzieher in diesem Fall anstelle der Kopie bzw. des Ausdrucks der Zustellungsurkunde, die auf Antrag gefertigt wurde, die entsprechenden elektronischen Dokumente überlassen. Der entsprechende Antrag ist konkludent durch die Gläubigervertreterin mit Beauftragung zur Vorpfändung gestellt worden, vgl. oben unter 2. b) aa).
39Entsprechend war die Beschwerde zurückzuweisen.
40III.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 GKG.
42Die weitere Beschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage nach § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zuzulassen.
43Rechtsbehelfsbelehrung:
44Gegen diesen Beschluss findet die weitere Beschwerde statt. Zuständiges Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht Hamm, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm. Die weitere Beschwerde ist an keine Frist gebunden. Die weitere Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Landgericht Münster einzulegen. Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.
45Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
46Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 01.01.2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 05.10.2021 wird hingewiesen.
47Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.