Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1.
Bei der Ermittlung des Verkehrswertes von Immobilien stellen die Grundsteuerwerte keine geeignete Grundlage dar. Die für Steuerzwecke festgesetzten Werte geben in der Regel keine Erkenntnisse über die wahren Wertverhältnisse nach § 46 GNotKG.
2.
Der Notar kann daher die Angaben der Beteiligten nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG zugrunde zu legen, sofern diese nicht erkennbar zu niedrig sind. Im Zusammenhang mit der Regelung des Erbes ist nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen, dass sich die Beteiligten über die Vermögensverhältnisse im Klaren sind.
Vorrangig ist dabei die Grundnorm in § 46 Abs. 1 und Abs. 2 GNotKG, die Bewertungskriterien des Abs. 3 sind nachrangig
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren werden für das Verfahren nicht erhoben und in diesem Verfahren entstandene außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
2I.
3Am 25.03.2024 beurkundete der Notar für die Eheleute P. und J. Q. ein gemeinschaftliches Testament sowie jeweils eine Vorsorgevollmacht mit Betreuungs- und Patientenverfügung. Mit drei Rechnungen vom gleichen Tag machte der Notar seine Kosten für seine Tätigkeiten geltend. Die Notarkostenberechnungen für die jeweiligen Vorsorgevollmachten der Antragsteller sind Gegenstände der Beschwerdeverfahren 05 OH 22/24 und 05 OH 23/24. In Bezug auf das gemeinschaftliche Testament der Antragsteller berechnet der Notar die Kosten in der im Rubrum genannten Rechnung mit insgesamt 3.406,54 €. Ausgehend von einem Geschäftswert nach § 102 Abs. 1 GNotKG in Höhe von 800.000,00 € macht er eine 2,0 Gebühr in Höhe von 2.830,00 € geltend, zuzüglich einer Dokumentenpauschale, anteiligem Post- und Telekommunikationsentgelt, Umsatzsteuer und den Kosten für die Eintragung in das Zentrale Testamentsregister und in die elektronische Urkundensammlung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung, Bl. 5-6 d.A., Bezug genommen.
4Gegen diese Berechnung wenden sich die Antragsteller. Sie tragen im Wesentlichen vor, dass Grundlage der Berechnung eine völlig überschätzte Höhe ihres Vermögens sei. Im Termin hätten sie sich durch die Gesprächsführung des Notars völlig unvorbereitet zu einer spontanen Aussage zur Höhe ihres Vermögens genötigt gefühlt. Sie seien zu einer unrichtigen Schätzung animiert worden, die zu der Summe von 800.000,00 € geführt habe. Im Original des Testaments sei der Schätzwert nicht im Text, sondern handschriftlich eingefügt worden, dass eine Lücke dort bestanden habe, sei ihnen aber beim vorherigen Durchlesen nicht aufgefallen. Ihnen sei keine Bedenkzeit zu einer Überprüfung ihrer Aussage gegeben worden, obwohl sie ihre Unsicherheit zu erkennen gegeben hätten. Schon am Folgetag nach der Beurkundung hätten sie die Rechnungen erhalten, wodurch der Eindruck entstanden sei, dass die herbeigeführte Fehleinschätzung genau dazu gedient habe, mit den überhöhten Geschäftswerten entsprechend hohe Rechnungssummen zu erlangen. Aus den Wertberechnungen des Finanzamtes aus 2022 ergebe sich, dass die Summe des Immobilienvermögens 463.000,00 € betrage. Diese Wertberechnungen seien korrekt und der Rechnung zugrunde zu legen, da es sich um die Grundsteuerwerte handele, die den tatsächlichen Wert ihres Vermögens wiedergäben. Weiter sei der Ansatz einer 2,0-fachen Gebühr nicht gerechtfertigt, da ein besonderer Aufwand des Notars für die Erstellung des Testamentes nicht erkennbar gewesen sei. Sie hätten zum Erstgespräch einen bereits vorhandenen „Erbschaftsvertrag“ mitgebracht, dieser sei nahezu unverändert übernommen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben vom 31.03.2024, 13.04.2024, Bl. 11 und Bl. 23-24 d.A. sowie die Anlagen, Bl. 17-22 d.A., und die Schreiben vom 22.05.2024 und 09.06.2024, Bl. 33-37 d.A. und Bl. 49-50 d.A., Bezug genommen.
5Auf Grund der ihm gegenüber erhobenen Einwände legte der Notar die Notarkostenberechnungen mit Schreiben vom 17.04.2024, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zur Überprüfung dem Landgericht zur Entscheidung vor (Bl. 1-24 d.A.).
6Die Kammer hat eine Stellungnahme des Landgerichtspräsidenten als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars eingeholt, die unter dem 28.10.2024 einging und auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 53-60 d.A.).
7Mit Schreiben vom 07.11.2024 hat der Antragsteller in Übereinstimmung mit seiner Ehefrau mitgeteilt, dass die Immobilien in seinem Eigentum stünden. Er habe das Grundstück, auf dem sich das von ihnen genutzte Wohnhaus befinde, vier Jahre vor der Eheschließung erworben und die anderen beiden Immobilien geerbt.
8Der Notar hat unter dem 21.11.2024 mitgeteilt, dass die Eheleute im Termin auf Nachfrage erklärt hätten, dass die Immobilien im gemeinschaftlichen Eigentum stünden. Sie hätten ferner mitgeteilt, dass ihr Vermögen aus diesen drei Immobilien bestehe. Weitere Angaben hätten sie nicht gemacht.
9Die Kammer hat in Bezug auf die Immobilien Grundbuchauszüge angefordert. Diese weisen den Antragsteller als alleinigen Eigentümer aus.
10II.
11Der zulässige Antrag nach § 127 Abs. 1 GNotKG ist unbegründet.
121.
13Eine den zwingenden Formerfordernissen des § 19 Abs. 1 und 2 GNotKG entsprechende Kostenberechnung, die Gegenstand eines Verfahrens nach § 127 GNotKG sein kann, liegt mit der Kostenrechnung vom 25.03.2024 vor. Sie ist wirksam.
142.
15Die erhobene Gebühr für die Beurkundung des gemeinschaftlichen Testamentes ist dem Grund und der Höhe nach zutreffend.
16a)
17Für die Beurkundung entsteht nach Vorbemerkung 2.1.1 Satz 1 Nr. 2 GNotKG eine 2,0-fache Gebühr nach KV 21100 GNotKG.
18Es ist auch entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht erforderlich, dass für die 2,0-fache Gebühr ein besonderer Aufwand erbracht wurde. Der Notar hat keinen Ermessensspielraum, die Gebühr niedriger anzusetzen. Er ist vielmehr verpflichtet, die gesetzlichen Gebühren abzurechnen und einzuziehen, § 17 BeurkG, § 125 GNotKG.
19b)
20Auch der Höhe nach ist die Gebühr zutreffend anhand des Geschäftswertes von 800.000,00 € durch den Notar berechnet worden.
21Der Geschäftswert bei der Beurkundung einer Verfügung von Todes wegen ist, wenn wie hier über den ganzen Nachlass verfügt wird, der Wert des Vermögens. Bis zur Hälfte des Vermögens werden Verbindlichkeiten des Erblassers abgezogen, § 102 Abs. 1 GNotKG.
22Die Antragsteller sind, soweit sich der Geschäftswert aus der Sache selbst ergibt, zur Mitwirkung verpflichtet, § 95 GNotKG. Dabei haben die Urkundsbeteiligten ihre Erklärungen über die tatsächlichen Umstände bei der Wertermittlung vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben, § 95 S. 2 GNotKG. Die Antragsteller haben gegenüber dem Notar ein Vermögen von 800.000,00 € ohne bestehende Verbindlichkeiten angegeben, sodass kein Abzug zu erfolgen hatte.
23Soweit die Antragsteller vortragen, es sei für sie völlig überraschend gewesen, nach ihrem Vermögen gefragt zu werden, und sie seien überrumpelt und verunsichert gewesen, verfängt dieser Einwand nicht. Die Antragsteller haben das Testament im Entwurf übersandt bekommen und die im Text enthaltene Lücke ist im Termin durch Nachfrage des Notars gefüllt worden. Entsprechend ist davon auszugehen, dass ihnen beim Lesen der Entwürfe aufgefallen sein muss, dass weitere Angaben ihrerseits erforderlich sein und sie nach ihrem Vermögen gefragt werden. Die Übersendung eines Entwurfes erfolgt u.a. genau aus dem Grund, nämlich, dass sich die Beteiligten über den konkreten Inhalt der Urkunde informieren und sich auf den Termin vorbereiten können. Es ist nicht glaubhaft, dass die Lücke nicht aufgefallen ist, die Antragsteller erstmals im Beurkundungstermin mit der Frage nach ihrem Vermögen konfrontiert worden seien sollen und sich bis dahin keinerlei Vorstellungen von ihrem Gesamtvermögen gemacht hätten, insbesondere auch aus dem Grund, weil es um die Frage der Regelung des Erbes ging, sodass nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass sich derjenige, der sich entschließt, ein Testament aufzusetzen, sich auch im Klaren darüber ist, worüber er verfügen will. Es handelt sich auch lediglich um eine Schätzung, eine ganz genaue Wertangabe wird von den Urkundsbeteiligten nicht verlangt. Aus welchem Grund es den Antragstellern nicht möglich gewesen sein soll, Angaben zu dem geschätzten Wert ihrer Immobilien, die seit über zwei, über 16 bzw. über 34 Jahren im Eigentum des Antragstellers stehen und zu denen ihnen auch die eingereichten Grundsteuermessbescheide seit mehr als 2 Jahren vorliegen, zu machen, ist nicht vorgetragen oder sonst erkennbar. Auch aus dem Einwand, ihnen sei keine Bedenkzeit eingeräumt worden, obwohl sie ihre Unsicherheit zu erkennen gegeben hätten, ergibt sich nicht, dass der Wert vom Notar nicht angesetzt hätte werden dürfen. Üblicherweise kann der genaue Verkehrswert ohne Immobiliengutachten von den Eigentümern nicht genau angegeben werden, sodass immer eine gewisse Unsicherheit besteht. Die genaue Angabe ist auch nicht erforderlich.
24Es ist auch nicht nachvollziehbar, wie der Notar die Antragsteller durch die Frage, wie hoch ihr Vermögen sei, dazu hätte drängen können, viel zu hohe Angaben zu ihrem Vermögen zu machen. Dieser Einwand ist wiederholt pauschal erhoben worden, ohne im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen, wie ein solches Drängen erfolgt sein soll. Allein der Umstand, dass der Notar nach dem Vermögen gefragt hat, kann kein solches Drängen darstellen. Denn der Notar ist verpflichtet, diese Frage zu stellen, um den Geschäftswert berechnen zu können. Für den Notar war mangels bisheriger Angaben der Antragsteller gar nicht erkennbar, über welche Vermögensgegenstände diese verfügen, geschweige denn, wieviel solche wert sind, und auch nicht, ob und ggfs. in welcher Höhe Verbindlichkeiten bestehen. Der Notar ist insoweit auf die Angaben der Antragsteller angewiesen gewesen. Allein aus dem Umstand, dass er den Antragstellern am Tag nach der Beurkundung die Rechnung hierzu übersandt hat, ergibt sich nicht, dass der Notar die Antragsteller dazu gedrängt haben könnte, höhere Angaben zu machen. Zwar mag es sonst üblich sein, dass eine Rechnung nicht unmittelbar übersandt wird, was in der Regel den internen Abläufen im Notariat geschuldet ist. Jedoch können die Antragsteller daraus, dass die Rechnung für die Tätigkeit zeitnah übersandt wurde, keine Nachteile für sie ableiten. Zur Zahlung der für die Tätigkeit entstandenen Gebühren sind sie als Auftraggeber verpflichtet, unabhängig davon, ob die Rechnung im Anschluss an den Beurkundungstermin erstellt wird und zugeht, oder erst etwas später.
25Der Notar durfte den von den Antragstellern mitgeteilten Wert auch zugrunde legen. Er war nicht verpflichtet, die Wertangaben aus den Steuermessbescheiden zu übernehmen. Im GNotKG wird der Wert einer Sache und damit auch einer Immobilie durch den Verkehrswert, also durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre, § 46 Abs. 1 GNotKG. Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG sind die Angaben der Beteiligten bei der Grundstücksbewertung ein gesetzlich anerkanntes Bewertungskriterium, soweit nicht Anhaltspunkte vorliegen, dass die Angaben unrichtig oder unzuverlässig sind. Die Beteiligten müssen sich in der Regel an ihren Angaben festhalten lassen (vgl.: OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2015, Az.: 2 W 17/15; OLG München, Beschluss vom 26.04.2017, Az.: 34 Wx 72/17), LG Halle (Saale), Beschluss vom 23. Januar 2023 – 4 OH 5/22 –, Rn. 11, juris.).
26Die Kammer verkennt nicht, dass die Einschätzung vergleichbarer Werte für den Bürger nicht einfach ist. Es überzeugt aber nicht, wenn die Antragsteller vortragen, ihnen sei die Wertangabe erschwert, weil das Eigentum an der Wohnung in N. und der Doppelhaushälfte in U. „erst kürzlich durch Erbschaft“ erworben worden sei. Der Eigentumswechsel liegt ausweislich der Grundbuchauszüge über zwei bzw. 16 Jahre zurück. Die selbstbewohnte Immobilie steht seit über 34 Jahren im Eigentum des Antragstellers.
27Die von den Antragstellern vorgelegten Wertermittlungen der Finanzämter sind keine geeignete Grundlage für die Bemessung des Verkehrswertes und damit des Geschäftswertes. Dieser Wert lässt sich noch weniger als bei beweglichen Sachen mathematisch exakt errechnen, vielmehr nur schätzen; der Wert ist also Ermessenswert (Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl. 2022, GNotKG § 46 Rn. 9, beck-online). Steht der Verkehrswert nicht fest, sind zu seiner Bestimmung in § 46 GNotKG verschiedene Kriterien heranzuziehen. Zwar können nach § 46 Abs. 3 Nr. 3 GNotKG hierzu auch die für Zwecke der Steuererhebung festgesetzten Werte herangezogen werden. Die Wertangaben aus den Steuermessbescheiden rechtfertigen es jedoch nicht, die erheblich niedrigeren Werte zugrunde zu legen. Die für Steuerzwecke festgesetzten oder angemeldeten Werte geben nämlich in der Regel keine Erkenntnisse über die wahren Wertverhältnisse. Denn über die in § 46 Abs. 3 GNotKG geregelten Bewertungsmethoden kann nur ein Orientierungswert bzw. ein Hilfskriterium ermittelt werden, der mit dem im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis nicht übereinstimmt (vgl. Korintenberg/Tiedtke, 22. Aufl. 2022, GNotKG § 46 Rn. 9). Vorrangig ist daher die Grundnorm in § 46 Abs. 1 und Abs. 2 GNotKG, die Bewertungskriterien des Abs. 3 sind nachrangig (vgl. OLG München JurBüro 2016, 362, 165; OLG München, NJW-RR 2017, 1487). Vorrangig sind also die Angaben der Antragsteller nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG. Diesen darf der Notar folgen, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie unrichtig oder unzuverlässig sind (vgl.OLG München, NJW-RR 2017, 1487). Die Angabe von 800.000,00 € für drei Immobilien und damit das Gesamtvermögen der Antragsteller erscheint jedenfalls nicht zu niedrig als Wert nach § 102 GNotKG, insbesondere vor den Hintergrund der über zwei Jahre alten Steuermessbescheide mit Wertangaben von insgesamt 463.000,00 €. Ein Ermessensfehler des Notars ist nicht erkennbar.
283.
29Einwände gegen die weiteren Posten der Notarkostenrechnung werden nicht erhoben.
304.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 130 Abs. 2 S. 3 und 4 GNotKG.
32Rechtsmittelbelehrung:
33Gegen diese Entscheidung findet ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands die Beschwerde statt. Zuständiges Beschwerdegericht ist das Oberlandesgericht Hamm. Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat ab Bekanntgabe der landgerichtlichen Entscheidung. Die Beschwerde ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Landgericht Münster einzulegen. Sie kann auch zu Protokoll der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden; in diesem Fall ist zur Fristwahrung der Eingang der Beschwerde beim zuständigen Landgericht Münster erforderlich. Anwaltszwang besteht nicht. Die Beschwerde muss den angefochtenen Beschluss bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt wird, sie ist vom Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde soll begründet werden.