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1.
Für die Auslegung ist entscheidend, ob die von der Einrichtung angebotenen Versorgungs- und Pflegeleistungen generell geeignet sind, einem Betreuer die
Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen abzunehmen; denn nur wenn der Aufwand der rechtlichen Betreuung aus strukturellen Gründen
geringer ist, ist eine Herabsetzung der monatlichen Pauschale gerechtfertigt.
2.
Für die Anwendbarkeit der reduzierten Zeitansätze kommt es entscheidend darauf an, ob die Wohnform sich durch eine permanente Präsenz oder
zumindest durch eine ständige Erreichbarkeit (ständige Rufbereitschaft) professioneller Pflege- und Betreuungskräfte auszeichnet. Erforderlich ist eine
umfassende, von der aktuellen Situation des Betroffenen grundsätzlich unabhängige Versorgungsgarantie.
3.
Für § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG ist es ausreichend, wenn pflegerische oder betreuerische Leistungen vorgehalten werden. Es ist also nicht entscheidend,
dass der Betroffene (derzeit) nur einfachste Behandlungspflege erhält.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) vom 05.02.2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Beckum vom 01.02.2024 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert beträgt 1.035 €.
Gründe:
2I.
3Der Beschwerdeführer ist seit dem 13.10.2015 der gesetzliche Berufsbetreuer des Betroffenen. Er begehrt die Inanspruchnahme einer höheren Fallpauschale bei der Bemessung seiner Berufsbetreuervergütung. Streitig ist, ob der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung oder einer vergütungsrechtlich gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform hat oder ob er in einer anderen Wohnform lebt.
4Der heute 60-jährige Betroffene leidet an einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik, Intelligenzminderung, Minderbegabung und einer psychovegetativen Fehlsteuerung sowie diverser körperlicher Erkrankungen (Adipositas, arterielle Hypertonie, chronische Bronchitis, Glaukom). Er lebt seit dem ##.##.2017 in der stationären Einrichtung des Q. Heims.
5Der Beschwerdeführer rechnete zunächst als Fallpauschale seiner Betreuervergütung den Betrag für die stationäre Unterbringung von 102 Euro pro Monat ab, die auch entsprechend festgesetzt wurden.
6Mit Schreiben vom 04.12.2023, eingegangen am gleichen Tag, macht er nunmehr für den Zeitraum 16.08.-15.11.2023 eine Fallpauschale von 171 Euro pro Monat sowie zusätzlich für die vergangenen fünf Quartale die Differenz der Summe der Fallpauschale bei nicht stationärer Unterbringung eines Betreuten und stationärer Unterbringung, pro Monat 69 Euro, insgesamt 1.035 Euro, geltend.
7Mit Wirkung zum 01.01.2020 war zwischen dem Betroffenen und der Einrichtung ein Wohn- und Betreuungsvertrag für besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe geschlossen worden.
8In dem Vertrag heißt es u.a.:
9„ Präambel
10[...]
11Zwischen der/dem Nutzer*in und dem Leistungserbringer besteht bereits ein Vertragverhältnis auf Basis der vor Einführung des BTHG geltenden Rechtslage. Durch den Abschluss dieses Vertrages wird der vorgenannte Vertrag vom ##/##/2017 einvernehmlich aufgehoben.
12Die folgenden Anlagen behalten gleichwohl Ihre Gültigkeit:
13(…)
14 Vorvertragliches Informationsschreiben
15(…)“
16In dem Informationsschreiben, Bl. 793-796 d.A. des AG Beckum benennt sich das Q. Heim selbst als stationäre Wohneinrichtung der Eingliederungshilfe mit interner Tagesstruktur gemäß SGB IX in Verbindung mit SGB XII, Kap. 6 §§ 53 ff.
17Unter Ziffer 5. des Schreibens heißt es u.a.:
18Personelle Ausstattung
19Entsprechend den Vorgaben der Heimpersonalverordnung und Feststellungsverfahren
20(…)
21Mitarbeiterinnen des Gruppenergänzenden Dienstes/soziale Betreuung
22Wohngruppenleitungen
23pädagogische Fachkräfte (Heilerziehungspfleger, Sozialpädagogen, Heilpädagogen, Erzieher etc.)
24Alten-Kranken- und Gesundheitspflegekräfte
25Ergänzungskräfte
26Wochenendaushilfen
27Auszubildende der Heilerziehungspflege
28Alten- und Krankenpflegeauszubildende
29Hauswirtschaftskräfte
30Suchtfachpfleger
31Fachkräfte mit Sozialtherapeutischen Zusatzausbildungen für Suchterkrankungen
32Zusatzkräfte zur Betreuung von Menschen mit demenziellen Behinderungen (§ 87b SG XI)
33Die Mitarbeiter der Gruppen arbeiten im Früh- und Spätdienst. In einigen Außenwohnbereichen sind Schlafbereitschaften eingerichtet. Der Nachtdienst ist durch eigene Fachkräfte abgedeckt, die nach Bedarf und Konzept eingesetzt sind.
34(…)
35Unter Ziffer 7.:
36Wir erbringen Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, soweit diese nicht vom behandelnden Arzt erbracht werden. Die Leistungen werden im Rahmen der ärztlichen Behandlung entsprechend der ärztlichen Anordnung erbracht. Die Versorgung mit notwendigen Medikamenten erfolgt durch die örtlichen Apotheken. Wir übernehmen auf Wunsch die Bestellung sowie die Verwaltung und Aufbewahrung der Medikamente. Die freie Arztwahl wird garantiert. Wir sind auf Wunsch gerne bei der Vermittlung ärztlicher Hilfe behilflich.
37In dem oben genannten Vertrag heißt es u.a.:
38„§ 1 Leistungserbringer
39Leistungserbringer ist die V-Gesellschaft mbH als gemeinnützig anerkannter Rechtsträger mit dem Sitz in U, R-Str ##, Betriebsstätte Q. Heim, L-Straße ##, C.
40§ 2 Vertragsgrundlagen
41(…)
422.2
43Der Leistungserbringer hat über die Fachleistungen mit dem zuständigen Träger der Eingliederungshilfe nach dem zweiten Teil, 8. Kapitel SGB IX, Vereinbarungen über
44 Inhalt, Umfang und Qualität der von dem Leistungserbringer zu erbringenden Leistung (Leistungsvereinbarung),
45 die für die einzelnen Fachleistungen zu zahlenden Vergütung (Vergütungsvereinbarung) abgeschlossen.
462.3
47Diese und der Landesrahmenvertrag nach §§ 131 Abs. 1 ff. SGB IX in den jeweils geltenden Fassungen sind auch Bestandteile des Vertrages; […].
48(…)
49§ 3 Leistungen des Leistungserbringers
503.1
51Die Leistungen orientieren sich an der individuellen Lebenssituation und dem jeweiligen Bedarf des Nutzers, der bewilligten Leistung sowie der Konzeption des Leistungserbringers. Unter Wahrung der Menschenwürde, Achtung der Persönlichkeit und Berücksichtigung der individuellen Lebensplanung sowie der jeweiligen (körperlichen, geistigen oder gesundheitlichen) Kompetenzen und Ressourcen ist es das Ziel, der/dem Nutzer*in ein an ihren/seinen individuellen Interessen und Bedürfnissen orientiertes weitestgehend selbstbestimmtes und selbständiges Leben zur gesellschaftlichen Teilhabe zu ermöglichen.
523.2
53Leistungen des Leistungserbringers sind:
543.2.1
55Die Überlassung von Wohnraum. Diese ist in Anlage 10 aufgeführt.
563.2.2
57Die Erbringung von Fachleistungen einschließlich des Sachaufwandes für Leistungen der Verpflegung und Hauswirtschaft; diese Leistungen sind in Anlage 1 aufgeführt.
58(…)
59§ 4 Gesamtentgelt
604.1
61Kosten der Wohnraumüberlassung in Höhe von monatlich 474,23 € (gemäß Anlage 10 Ziffer 3.2)
624.2
63Kosten der Fachleistungen in Höhe von (Monatsdurchschnitt 3.495,75 € gemäß Anlage 1 Ziffer C 1.1)
644.3
65Kosten des Sachaufwandes für Verpflegung und Hauswirtschaft in Höhe von monatlich 237,00 € (gemäß Anlage 1, Ziffer C 1.2)
66§ 6 Vertragsanpassung bei Änderung des Betreuungsbedarfs
676.1
68Ändert sich der individuelle Betreuungsbedarf der Nutzerin/des Nutzers, bietet der Leistungserbringer ihr/ihm eine entsprechende Anpassung der Leistungen an.
696.2
70Der Leistungserbringer hat das Angebot zur Anpassung des Vertrages der/dem Nutzer*in durch Gegenüberstellung der bisherigen und der angebotenen Leistungen sowie der dafür jeweils zu entrichtenden Entgelte schriftlich darzustellen und zu begründen.
71§ 8 Umzug
72Stellt der Leistungserbringer fest, dass die/der Nutzer*in so pflegebedürftig ist, dass die Pflege in der gemeinschaftlichen Wohnform nicht mehr sichergestellt werden kann, initiiert er zusammen mit der/dem Nutzer*in, der/dem gesetzlichen Betreuer*in und den zuständigen Leistungsträgern (Eingliederungshilfeträger, überörtlichen Sozialhilfeträger und Pflegekasse) den Umzug in eine geeignete Einrichtung. Der Umzug erfolgt im Interesse und Einvernehmen mit der/dem Nutzer*in. Die Vorschriften des § 17 dieses Vertrages bleiben unberührt. Wird das Wohl der Bewohnerin / des Bewohners dadurch gefährdet, dass die bei ihrem / seinem Gesundheitszustand erforderliche Betreuung nicht in dem von ihr / ihm bewohnten Zimmer bei zumutbarer Belastung für die Einrichtung sichergestellt werden kann, können sowohl die/der Nutzer*in als auch der Leistungserbringer den Umzug in ein anderes Zimmer verlangen. Der Umzug erfolgt nur im Einvernehmen mit der/dem Nutzer*in.“
73In einer weiteren Anlage (Bl. 294ff. der E-Akte Vergütungsheft) sind die Fachleistungen der Eingliederungshilfe bestimmt:
74„A. Fachleistungen der Eingliederungshilfe
751.1
76Fachleistungen der Eingliederungshilfe sind Leistungen zur sozialen Teilhabe, welche erbracht werden, um eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Hierzu gehört, die Nutzer*innen zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Das Leistungsangebot des Trägers ergibt sich aus der mit dem zuständigen Eingliederungshilfeträger abgeschlossenen Leistungsvereinbarung. Der Umfang der Fachleistungen richtet sich nach dem Bedarf der Nutzerin/ des Nutzers sowie nach dem bewilligten Leistungsumfang entsprechend des Bewilligungsbescheides.
771.2
78Die Einstufung in einem Leistungstyp und ggfs. eine Hilfebedarfsgruppe ist nach dem mit dem Eingliederungshilfeträger abgestimmten Verfahren erfolgt. Die/der Nutzer*in wird auf dieser Grundlage in den Leistungstyp 15, Hilfebedarfsgruppe entfällt, sowie in den Leistungstyp für Tagesstruktur 24 eingestuft.
791.3
80Die/der Nutzer*in erhält die erforderlichen individuellen Maßnahmen gemäß Leistungsvereinbarung (siehe 2.2 des Vertrages). Dafür sind die für die/den Nutzer*in ermittelten Leistungstypen bzw. den Hilfebedarfsgruppen entsprechend folgende Leistungen maßgebend:
81Teilhabe, Beratung, Bildung, Freizeitgestaltung, Forderung, Grundpflege, einfachste Behandlungspflege (vgl. Anlagen 6 und 7) ggf. tagesstrukturierende Betreuung.
82(…)
831.6
84Die Leistungserbringung richtet sich nach dem mit der /dem Nutzer*in vereinbarten individuellen Bedarfs-/Hilfe- bzw. Teilhabeplan, der Bestandteil des Vertrages ist.
85B. Verpflegungs- und Hauswirtschaftsleistungen
861.
87Der Leistungserbringer erbringt folgende Leistungen der Verpflegung und Hauswirtschaft für die /den Nutzer*in:
881.1 Wäschedienst
89Die anfallenden Wäschepflegearbeiten obliegen grundsätzlich der/dem Nutzer*in, ggfs. mit Assistenz. Die Leistungen des Leistungserbringers richten sich nach dem individuellen Hilfebedarf/Teilhabeplanung. Die Privatwäsche der Nutzerin / des Nutzers muss gekennzeichnet sein. Die chemische Reinigung wird von der Einrichtung nicht übernommen, kann jedoch auf Kosten der Nutzerin / des Nutzers vermittelt werden. Bei Bedarf überlässt die Einrichtung der / dem Nutzer*in die erforderliche Bettwäsche, Handtücher, Badetücher und Waschlappen.
901.2 Reinigung
91Die Reinigung der persönlich genutzten Räumlichkeiten obliegt der Nutzerin/dem Nutzer, ggfs. mit Assistenz im Rahmen der individuellen Hilfe- bzw. Teilhabeplanung. Die Reinigung der Gemeinschafts- und Funktionsräume wird durch den Leistungserbringer sichergestellt, soweit nicht im Einzelfall eine abweichende Regelung getroffen wird.
921.3 Mahlzeiten
93Im Rahmen der Verpflegung werden Mahlzeiten in folgendem Umfang angeboten: Frühstück, Mittagsessen, Montag bis Freitag, Wochenende und Feiertage, Zwischenmahlzeit, Abendessen, ganztägige Getränkeversorgung (Kaffee, Tee, Mineralwasser) als Notmalkost, bei Bedarf: Schonkost bzw. Diätkost nach ärztlicher Anordnung
94Der Leistungserbringer bietet der /dem Nutzer*in Mahlzeiten an, die dem allgemeinen Stand ernährungswissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechen. Die Bereitstellung der Mahlzeiten schließt Geschirr und Tischwäsche in üblichem Umfang ein. Wünsche und Bedürfnisse der Nutzerin / des Nutzers werden dabei nach Möglichkeit berücksichtigt. Die Nutzer*innen werden in die Planung der Mahlzeiten mit einbezogen.
95Bei Krankheit wird auf die besonderen Bedürfnisse der Nutzer*innen Rücksicht genommen und ihren Fähigkeiten und Gewohnheiten Rechnung getragen. Schonkost oder Diäternährung mit ggf. weiteren Zwischenmahlzeiten wird nach jeweiliger ärztlicher Verordnung bereitgestellt. Individuelle Regelungen sind nach Absprache möglich.“
96In Anlage 7 heißt es zudem:
97„Einwilligung in behandlungspflegerische Maßnahmen
98Nach der vorangegangenen mündlichen und schriftlichen Aufklärung über die notwendigen und ärztlich angeordneten behandlungspflegerischen Maßnahmen willige ich N. (Nutzer*in), alternativ: B. (vertretungsberechtigte Person) darin ein, dass folgende behandlungspflegerische Maßnahmen
99Verabreichung von Medikamenten, Verabreichung von i.m.-Injektionen, Verabreichung von s.c.-Injektionen, Anwendung von Dosieraerosolen, Anwendung der Kompressionstherapie, Blutzuckermessung, Blutdruckmessung, Inhalation, Versorgung einer Wunde (nach individueller Pflegeanweisung), Versorgung eines suprapubischen Katheters, zur Abdeckung ohne Entzündung (Schutzfunktion). BZ-Tagesprofile aufnehmen durch alle pflegerischen und pädagogischen Fachkräfte des Wohngruppenteams durchgeführt werden dürfen.
100Die Erklärung kann von mir jederzeit widerrufen werden.“
101Der Bezirksrevisor beantragte unter dem 14.12.2023 (Bl. 318 des Vergütungshefts) den Antrag des Beschwerdeführers auf Festsetzung der Betreuervergütung für den Zeitraum 16.08.-15.11.2023 auf 306 Euro festzusetzen und den Antrag auf Nachfestsetzung im vollem Umfang zurückzuweisen.
102Er führte zu diesem Antrag im Wesentlichen aus:
103„Auf der Internetseite des Q. Heims wird das Haus wie folgt beschrieben: Das Q. Heim bietet stationäres Wohnen für erwachsene, behinderte Menschen in vorwiegend dezentralen Wohnkonzepten in C. Es richtet sich an Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen, geistigen Behinderungen, chronischen mehrfachen Alkohol-Abhängigkeitserkrankungen, hirnorganischen Erkrankungen sowie behinderte Menschen im höheren Lebensalter. Darüber hinaus werden Pflegeplätze für Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf nach SGB XI sowie Kurzzeitpflegeplätze angeboten. Ein eigener, übergreifender Fachdienst bietet individuelle, tagesstrukturierende Maßnahmen an. […]
104Hinsichtlich der Vergütung des Betreuers unterscheidet § 9 Abs. 3 S. 1 VBVG dabei zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach § 9 Abs. 3 S. 3 VBVG gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits. Stationäre Einrichtungen sind nach § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VBVG solche, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Demgegenüber sind ambulant betreute Wohnformen gem. § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 VBVG entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen. Nach § 9 Abs. 3 S. 3 VBVG sind ambulant betreute Wohnformen stationären Einrichtungen gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rundum-die-Uhr Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist.
105Nach meiner Auffassung kommt es im vorliegenden Fall auf die Frage der freien Auswahl des Anbieters für Betreuungs- und Pflegeleistungen gar nicht entscheidend an. Denn dieses Kriterium ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 9 Abs. 3 S. 3 VBVG nur dann von Bedeutung, wenn es sich um eine ambulant betreute Wohnform im Sinne des § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 VBVG handelt. Die Legaldefinition einer stationären Einrichtung in § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VBVG stellt demgegenüber darauf überhaupt nicht ab, und um eine solche stationäre Einrichtung handelt es sich vorliegend.
106Denn das Haus, in dem der Betroffene lebt, erfüllt dem Vertrag über besondere Wohnformen in der Eingliederungshilfe vom 29.01.2020 zufolge alle in § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VBVG genannten Voraussetzungen einer stationären Einrichtung: Dass die Einrichtung dem Zweck dient, Volljährige aufzunehmen und ihnen Wohnraum zu überlassen, ergibt sich aus § 3 Punk 3.2.1 des Vertrages in Verbindung mit Anlage 10 des Vertrages, wonach zu den geschuldeten Leistungen die Überlassung von Wohnraum gehört.
107Dass den Bewohnern tatsächliche Betreuung und Pflege zur Verfügung gestellt wird, folgt aus § 3 Abschnitt IIII 3.2.2 des Vertrages in Verbindung mit der Anlage 1 des Vertrages, wonach vom Träger Fachleistungen der Eingliederungshilfe sowie Leistungen der Verpflegung und Hauswirtschaft zu erbringen sind. Dass der Bestand des Hauses von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig ist, wird in den §§ 15 - 17 des Vertrages deutlich, wonach die Beendigung des Vertragsverhältnisses und die Kündigung des Vertrages möglich ist, das Haus aber ersichtlich auch nach einer Kündigung weiterbesteht. Dass das Haus entgeltlich betrieben wird, lässt sich § 4 des Vertrages entnehmen, wonach für die vom Träger erbrachten Leistungen ein Entgelt erhoben wird.
108Für die Einordnung des Hauses, in dem der Betroffene lebt, unter den Begriff der stationären Einrichtung im Sinne des § 9 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 VBVG spricht außerdem ganz entscheidend die Gesetzesbegründung, in der es am Ende der Erläuterung dieses Begriffs heißt ‘Darunter fallen ab 2020 auch die Wohnformen nach § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Sozialgesetzbuchs (SGB) Zwölftes Buch (XII), die an die Stelle der bis 2019 bestehenden stationären Einrichtungen in der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII treten.‘ Um eine solche Wohnform, die dem erklärten Willen des Gesetzgebers zufolge zu den stationären Einrichtungen im Sinne des Vergütungsrechts gehört, handelt es sich hier. Dies ist schon aus der Fußnote Nr. 1 auf der ersten Seite des Vertrages ersichtlich (Wohn- und Betreuungsvertrag für besondere Formen der Eingliederungshilfe = besondere Wohnformen gemäß § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII). Denn das Haus, in dem der Betroffene lebt, stellt sich nach den oben wiedergegebenen Vertragsbedingungen als Wohnform im Sinne des § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB XII dar, d.h. als Wohnform, in der jemandem keine eigene abgeschlossene Wohnung zur Verfügung gestellt, sondern zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe allein oder zu zweit persönlicher Wohnraum und zusätzliche Räumlichkeiten zur gemeinschaftlichen Nutzung zu Wohnzwecken überlassen wird. (…) Bei den Anträgen auf Vergütung war bisher immer davon ausgegangen, dass der Betroffene in einer stationären Einrichtung untergebracht ist. Daher gehe ich davon aus, dass das Haus bis zum Inkrafttreten der dritten Reformstufe des BTHG als ‚stationäre Einrichtung in der Eingliederungshilfe‘ geführt wurde.
109Aus der Anlage 1 Abschnitt A Ziffer 1.2. ergibt sich folgendes: Die Einstufung in einen Leistungstyp bzw. in eine Hilfebedarfsgruppe ist nach dem mit dem Eingliederungshilfeträger abgestimmten Verfahren erfolgt. Der Nutzer wird auf dieser Grundlage in den Leistungstyp 15, Hilfebedarfsgruppe entfällt, sowie in den Leistungstyp für Tagesstruktur 24 eingestuft. Auf einer Internetseite des LWL (Stichwort „die individuellen Leistungstypen“) sind die Leistungstypen von Leistungstyp LT 1 bis Leistungstyp LT 29 genau beschrieben.
1101) Die Zielgruppe von Leistungstyp 15 sind erwachsene Menschen, die durch eine psychische Krankheit nicht nur vorübergehend wesentlich behindert oder aufgrund der psychischen Krankheit von Behinderung bedroht sind (im Sinne der Eingliederungshilfe – Verordnung), deren Hilfebedarf eine stationäre Betreuung erforderlich macht. Die Personen der Zielgruppe sind dauerhaft auf Unterstützung, Begleitung und/ oder Beaufsichtigung angewiesen; z.B. bei der individuellen Basisversorgung bei der Haushaltsführung, bei der Gestaltung sozialer Beziehungen, bei der Freizeitgestaltung, bei der Kommunikation im psychosozialen Bereich, im medizinischen und psychotherapeutischen Bereich und im pflegerischen Bereich.
1112) Leistungstyp 24: erwachsene Menschen mit wesentlichen seelischen, körperlichen, geistigen bzw. mehrfache Behinderungen, die (in der Regel) stationäre Hilfe im Rahmen einer Wohneinrichtung der Leistungstypen 9 bis 19 erhalten. Die Personen dieser Zielgruppe haben für den überwiegenden Teil der Woche einen Bedarf an gezielter und geplanter Förderung und Betreuung im Rahmen eines tagesstrukturierenden Angebotes innerhalb und außerhalb des unmittelbaren Wohnbereichs, welches über die tagesgestaltenden Betreuungsangebote der Leistungstypen Wohnen hinausgeht.
112Bei den zwei o.g. beschriebenen Leistungstypen benötigen die Bewohner einen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit einer engmaschigen Betreuung. Daher ist davon auszugehen, dass ein Betreuungsangebot, welches laut Vertrag über besondere Wohnformen der Eingliederungshilfe vom 29.01.2020 den Leistungstypen LT 15 und 24 entspricht, nur in einer stationären Einrichtung gewährleistet werden kann und daher auch das Q. Heim in C/ Gruppe 12, eine stationäre Einrichtung ist.
113Dem steht auch die im Beschluss des BGH vom 29.06.2021 (Az.: XII ZB 480/21; veröffentlicht in juris) getroffene Entscheidung nicht entgegen. Der zu dieser Entscheidung in juris veröffentlichte Leitsatz lautet: ‚Lebt der Betroffene in einer ambulant betreuten Einrichtung der Eingliederungshilfe (SGB IX), in der er verpflichtet ist, behandlungspflegerische Leistungen, die über einfache ärztlich verordnete behandlungspflegerische Maßnahmen hinausgehen, auf eigene Kosten durch externe Dienstleister zu decken, hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt auch dann nicht in einer stationären Einrichtung oder dieser gleichgestellten ambulant betreuten Wohnform, wenn der Schwerpunkt der angebotenen Leistungen nicht im Bereich der Behandlungspflege liegt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 16. Juni 2021 - XII ZB 46/21, MDR 2021, 1157 und vom 5. Mai 2021 - XII ZB 580/20, FamRZ 2021, 1314).(Rn.9).‘
114In dem durch den BGH entschiedenen o.g. Fall bewohnte der Betroffene ein Zimmer in einer Außenwohngruppe eines Trägers sozialer Dienste. Zweck der Außenwohngruppe ist es, die dort lebenden Bewohner an eine selbständige Lebensführung heranzuführen. Vertragsgrundlage ist ein Wohn- und Betreuungsvertrag in besonderen Wohnformen i.S.v. § 42 a Abs. 2 Nr. 2 SGB XII. Der vorliegende Fall ist anders gelagert. Der Betroffene lebt nicht in einer Außenwohngruppe, sondern in einer Wohngruppe, die sich direkt in der Einrichtung des Q. Heims in C selbst befindet. Aufgrund seines Alters und seiner Diagnose ist es auch nicht mehr möglich, den Bewohner an eine selbständige Lebensführung heranzuführen.
115[…]
116Ferner weise ich auf die Kommentierung im Münchener Kommentar (MüKoBGB/Fröschle, B. Aufl. 2020, § 5 VBVG RdNr. 33), hin, die insoweit ausführt: Die Einrichtung muss außer Wohnraum tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung stellen oder vorhalten. Was Pflege bedeutet, ist unschwer abzugrenzen. Schwieriger ist die Abgrenzung von tatsächlicher Betreuung zu gehobenen Serviceleistungen. Zwar ist der Verweis auf § 1 Abs. 2 HeimG entfallen. Es bleibt aber dabei, dass im Vergütungsrecht dafür eine Betreuung notwendig ist, die die Organisation des Lebens des Bewohners der Einrichtung dem Betreuer im Wesentlichen abnimmt. Dafür spricht eine tatsächliche Vermutung, wenn die Miete im Verhältnis zu den für die Betreuungsleistungen verlangte Entgelt von untergeordneter Bedeutung ist. Dies trifft auf den vorliegenden Fall eindeutig zu. Laut § 4 des Vertrages über die besondere Wohnform in der Eingliederungshilfe vom 29.01.2020 werden folgende Leistungsentgelte erhoben: für den Wohnraum (§ 4 Abschnitt 4.1.) nur 474,23 € und für die Fachleistungen (§ 4 Abschnitt 4.2.) immerhin 3.495,75 €. Hinzu kommen die Kosten des Sachaufwandes für Verpflegung und Hauswirtschaft in Höhe von monatlich 237,00 € (§ 4 Abschnitt 4.3.), so dass für die Betreuungsleistungen monatlich insgesamt ein Betrag in Höhe von insgesamt 3.732,75 € zu zahlen ist.“
117Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 20.12.2023 (Bl. 329 des Vergütungshefts) Stellung genommen. Hierin führt er im Wesentlichen aus, dass es nach seiner Auffassung im vorliegenden Fall ausschließlich auf die Frage der freien Auswahl des Anbieters für Pflegeleistungen ankomme. Die Umstände des BGH Urteils 480/21 vom 29.06.2022 würden die Lebensumstände des hiesigen Betroffenen vollumfänglich spiegeln.
118Das Amtsgericht Beckum hat mit Beschluss vom ##.##.2024 den Vergütungsantrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen und die von dem Betroffenen genutzte Wohnform als stationäre Einrichtung im vergütungsrechtlichen Sinne eingeordnet.
119Es hat hierzu ausgeführt:
120„Der Vergütungsanspruch ergibt sich nach Grund und Höhe aus § 1875 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 7 bis 10 VBVG.
121Bis zu den jetzt vorliegenden Anträgen hat der Betreuer seine Vergütung stets nach Maßgabe einer stationären Unterbringung des Betreuten abgerechnet.
122Unter Berufung auf den Beschluss des BGH vom 29.06.2022, XII ZB 480/21, ist der Betreuer nun der Ansicht, dass die Wohnsituation des Betreuten nicht länger als stationäre Einrichtung oder eine dieser gleichgestellte ambulant betreute Wohnform einzustufen ist. Daher beantragt der Betreuer nun für die Zeit vom 16.08.2023 bis zum 15.11.2023 eine Vergütung nach Maßgabe der für "andere Wohnformen" geltenden Fallpauschale.
123Zudem beantragt der Betreuer für den bereits abgerechneten Zeitraum vom 16.05.2022 bis zum 15.08.2023 die Festsetzung einer Nachvergütung von 1.035,00 EUR, um auch für diese Zeit die entsprechend höhere Vergütung zu erlangen.
124Der Bezirksrevisor ist zu den Anträgen des Betreuers angehört worden. Dieser hat beantragt, den Antrag auf Nachfestsetzung zurückzuweisen und die Vergütungsfestsetzung für die Zeit vom 16.08.2023 bis zum 15.11.2023 nach den für stationäre Einrichtungen geltenden Sätzen vorzunehmen.
125Nach Auswertung der hier maßgeblichen Entscheidungen schließt sich das Betreuungsgericht den Anträgen und sachlichen Ausführungen des Bezirksrevisors in vollem Umfang an.
126Dabei wurde auch der Beschluss des LG Münster vom 04.09.2023 (Az. 5 T 374/23, veröffentlicht bei juris) berücksichtigt. Darin gibt das Landgericht vor, dass in den Fällen, in denen die für das Vergütungsrecht maßgebliche Wohnform streitig ist, eine "teleologische Auslegung" nach Maßgabe bestimmter Kriterien durchgeführt werden soll.
127Nach dem Kriterium Nr. 3 soll für eine stationäre Einrichtung "eine umfassende, von der aktuellen Situation des Betroffenen grundsätzlich unabhängige Versorgungsgarantie" erforderlich sein.
128Unter Berücksichtigung der Größe und der fachlichen Ausstattung der hier zu betrachtenden V-Gesellschaft mbH mit Sitz in U, bestehen hier keine Zweifel daran, dass die oben geforderte Versorgungsgarantie im vorliegenden Falle tatsächlich besteht.
129Sehr überzeugend weist der Bezirksrevisor am Ende seiner Stellungnahme darauf hin, dass die für den Betreuten anfallenden Wohnkosten von 474,23 EUR in einem untergeordneten Verhältnis zu den hier anfallenden Fachleistungen in Höhe von Dem Bezirksrevisor ist somit dahin zu folgen, das die aktuelle Wohnform des Betreuten vergütungsrechtlich als stationäre Einrichtung im Sinne von § 9 Abs. 3 Ziffer 1 VBVG einzustufen ist.
130Der Antrag auf Nachfestsetzung eines Betrages von 1.035,00 EUR war daher zurückzuweisen. Ferner war die die Vergütung für die Zeit vom 16.08.2023 bis zum 15.11.2023 wie folgt zu berechnen:
131Gemäß § 9 VBVG beträgt die monatliche Fallpauschale des Betreuers 102,00 EUR.
132Für die Ermittlung der Fallpauschale ist zu berücksichtigen, dass die Betreuung am 23.03.92 angeordnet wurde, der Betroffene mittellos ist und in einer stationären Einrichtung gem. § 9 Abs. 3 VBVG lebt.
133Damit errechnet sich die beantragte Vergütung für den oben genannten Zeitraum wie folgt:
134Quartal vom 16.08.2023 bis 15.11.2023 (3 Monate) (102,00 EUR * 3) 306,00 EUR.“
135Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde vom 05.02.2024 2023 (Bl. 350 des Vergütungshefts). In dieser wiederholt er sein bisheriges Vorbringen und führt weiter aus, dass in anderen von ihm geführten Betreuungen in den Amtsgerichtsbezirken Gütersloh, Paderborn, Rheda-Wiedenbrück, Hamm und Lippstadt den jeweiligen Vergütungsanträgen entsprochen worden sei.
136Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 06.02.2024 (Bl. 353 des Vergütungshefts) nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht – Beschwerdekammer – zur Entscheidung vorgelegt.
137II.
138Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert nach § 61 Abs. 1 FamFG wird erreicht.
139Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene nicht in einer anderen Wohnform im Sinne des § 5 Abs. 3 VBVG a.F. / § 9 Abs. 3 VBVG lebt. Eine höhere Vergütungsfallpauschale ist nicht gerechtfertigt.
1401.
141Für die drei Quartale im Jahr 2022 richtet sich die Fallpauschale nach § 5 Abs.1 VBVG in der maßgeblichen Fassung vom 27. Juli 2019 bis zum 31. Dezember 2022 und für die drei Quartale 2023 nach dem seit dem 1. Januar 2023 geltenden § 9 Abs. 3 VBVG. Der Inhalt beider Normen entspricht sich. In beiden Fällen richtet sich die Höhe der Fallpauschalen, die ein Berufsbetreuer nach § 8 Abs.1 VBVG bzw. § 4 Abs. 1 VBVG a.F. als Vergütung verlangen kann, nach der Dauer der Betreuung, dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betreuten und dessen Vermögensstatus. Die Betreuungsdauer und der Vermögensstatus des Betroffenen sind unstreitig. Fraglich ist allein, wie die Wohnsituation des Betroffenen vergütungsrechtlich einzuordnen ist.
142Hinsichtlich des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Betreuten ist nach § 9 Abs. 3 VBVG / § 5 Abs. 3 Satz 1 VBVG a.F. zwischen stationären Einrichtungen und diesen nach Satz 3 gleichgestellten ambulant betreuten Wohnformen einerseits und anderen Wohnformen andererseits zu unterscheiden. Stationäre Einrichtungen sind gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG / § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG a.F. Einrichtungen, die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuung oder Pflege zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Ambulant betreute Wohnformen sind gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VBVG, § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VBVG a.F. entgeltliche Angebote, die dem Zweck dienen, Volljährigen das Leben in einem gemeinsamen Haushalt oder einer Wohnung bei gleichzeitiger Inanspruchnahme extern angebotener entgeltlicher Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege zu ermöglichen. Sie sind stationären Einrichtungen dann gleichgestellt, wenn die in der ambulant betreuten Wohnform extern angebotenen Leistungen tatsächlicher Betreuung oder Pflege als Rund-um-die-Uhr-Versorgung durch professionelle Betreuungs- oder Pflegekräfte zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden und der Anbieter der extern angebotenen Betreuungs- und Pflegeleistungen nicht frei wählbar ist (§ 9 Abs. 3 Satz 3 VBVG, § 5 Abs. 3 Satz 3 VBVG a.F.).
143Ist im Einzelfall zweifelhaft, welcher für das Vergütungsrecht maßgeblichen Wohnform der gewöhnliche Aufenthalt eines Betroffenen entspricht, ist eine teleologische Auslegung erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse, jeweils vom 5. Mai 2021, XII ZB 576/20, XII ZB 580/20 und XII ZB 581/20, alle juris; BGH, Beschluss vom 2. Juni 2021, XII ZB 582/20, juris; BGH Beschluss vom 19. Januar 2022, XII ZB 324/21, juris).
144Durch das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019 (BGBl. I S. 866) wurde in § 5 Abs. 3 VBVG nicht nur der Begriff „Heim“ durch den moderneren Begriff der „stationären Einrichtung“ ersetzt, es erfolgte auch die Erweiterung auf die stationären Einrichtungen gleichgestellte Wohnformen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten damit bestimmte ambulant betreute Wohnformen typisierend erfasst werden, bei denen aus strukturellen Gründen der Aufwand für die rechtliche Betreuung dem Aufwand für Betreute in stationären Einrichtungen gleicht (BT-Drucks. 19/8694 S. 28). Für die Auslegung ist damit entscheidend, ob die in der Einrichtung angebotenen Versorgungs- und Pflegeleistungen generell geeignet sind, einem Betreuer die Organisation des Lebens des Betreuten im Wesentlichen abzunehmen, denn nur wenn der Aufwand der rechtlichen Betreuung aus strukturellen Gründen geringer ist, ist eine Herabsetzung der monatlichen Fallpauschale gerechtfertigt (vgl. BGH, Beschlüsse jeweils vom 5. Mai 2021, XII ZB 576/20, XII ZB 580/20 und XII ZB 581/20, alle juris; BGH, Beschluss vom 2. Juni 2021, XII ZB 582/20, juris; BGH Beschluss vom 19. Januar 2022, XII ZB 324/21, juris). So hat der BGH in seiner Entscheidung vom 19. Januar 2022 entscheidend darauf abgestellt, dass es für die Anwendbarkeit der reduzierten Zeitansätze entscheidend darauf ankommt, ob die Wohnform sich durch eine permanente Präsenz oder zumindest durch eine ständige Erreichbarkeit (ständige Rufbereitschaft) professioneller Pflege- und Betreuungskräfte auszeichnet. Erforderlich ist eine umfassende, von der aktuellen Situation des Betroffenen grundsätzlich unabhängige Versorgungsgarantie (Götz in: Grüneberg, BGB-Kommentar, 82. Auflage, Anh. zu § 1881 (VBVG), VBVG 9, Rd. 8). Unerheblich ist es hingegen, ob der Betreuer durch den Aufenthalt des Betreuten in einem Heim bzw. in einer ambulant betreuten Wohnform tatsächlich entlastet ist (vgl. BGH, ebenda; Götz in Grüneberg, ebenda).
1452.
146Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Amtsgerichts zutreffend. Es ist lediglich die reduzierte Fallpauschale zugrunde zu legen, weil der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt und gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einer „anderen Wohnform“ im Sinne des Vergütungsrechts hat.
147Insoweit wird zur Begründung zunächst auf die oben wiedergegebenen und von der Kammer als zutreffend erachteten Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung und im Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts Beckum verwiesen.
148Darüber hinaus ist anzumerken:
149Für § 9 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 VBVG ist es ausreichend, wenn pflegerische oder betreuerische Leistungen vorgehalten werden. Es ist also nicht entscheidend, dass der Betroffene (derzeit) nur einfachste Behandlungspflege erhält.
150Insbesondere beschränkt sich die Leistung, die der Betroffene nach dem abgeschlossenen Vertrag von der Einrichtung erhält, nicht auf die entgeltliche Überlassung einer Wohnung verbunden mit einzelnen Pflegeleistungen eines anderen externen Anbieters. Die Einrichtung vermietet dem Betroffenen nicht nur ein vollmöbliertes Zimmer und einen Aufenthaltsraum und beschränkt sich auch nicht auf haushaltswirtschaftliche Leistungen wie Verpflegung, Wäsche und Reinigung der angemieteten Bereiche, sondern hält darüber hinaus vor und erbringt auch gegenüber dem Betroffenen eine Betreuung in Form der in der oben angeführten Vertragsanlage zusammengefassten Fachleistungen der Eingliederungshilfe, und das durch eigene Fachkräfte, wie sich aus dem vorvertraglichen Informationsschreiben ergibt. Aus diesem ergibt sich auch, dass die Einrichtung ohne Einschränkung Leistungen der medizinischen Behandlungspflege übernimmt, soweit diese nicht vom behandelnden Arzt erbracht wird.
151Der Betroffene kann somit insgesamt innerhalb der Einrichtung auf einen professionellen Organisationsapparat zurückgreifen.
152Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers entsprechen die Lebensumstände des Betroffenen auch nicht denen des Betroffenen aus der Entscheidung des BGH vom 29.06.2022, Az. XII ZB 480/21 (NJOZ 2022, 1348). Dies hat der BGH in dem konkreten Fall abgelehnt, weil eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung in allen aufkommenden Belangen der Betreuung oder Pflege nicht gegeben sei. Denn nach dem dort zugrundeliegenden Vertragswerk hatte sich der Träger vorbehalten, in einigen Fallgruppen den entstehenden Bedarf für pflegerische Betreuungsmaßnahmen nicht erfüllen zu können. Eine solche Einschränkung enthält der vorliegende Vertrag gerade nicht.
153III.
154Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Der festgesetzte Verfahrenswert entspricht der Differenz zwischen der beantragten und der festgesetzten Vergütung.
155IV.
156Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, weil es sich bei der vergütungsrechtlichen Einordnung des Hauses, in dem der Betroffene lebt, um eine Einzelfallentscheidung handelt.