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Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.150.000,00 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 1) gegen den am 04.08.2023 verkündeten Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Warendorf und beantragt, unter Abänderung des genannten Beschlusses den Zuschlag auf ihr Meistgebot in der Höhe von 1.150.000,00 € an sie zu erteilen.
4Mitte Februar 2022 beantragte die Beteiligte zu 2) wegen persönlichen und dinglichen Ansprüchen aus 4 Sicherungshypotheken unter Vorlage des Beschlusses des Amtsgerichts Warendorf vom 07.10.2021 die Wiederversteigerung des im Rubrum genannten Grundstücks. Hintergrund war, dass der Beteiligte zu 4) im ersten Versteigerungstermin am 24.09.2021 Meistbietender für das genannte Grundstück gewesen ist und letztlich auf das Gebot keine Zahlung leistete. Das Grundstück stand damals im Eigentum des jetzigen Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, dem Vater des Beteiligten zu 4). Mit einem Gebot von 1.215.000,00 € hatte der Beteiligte zu 4) den Zuschlag erhalten. Im Verteilungstermin vom 26.11.2021 wurde festgestellt, dass der Ersteher, also der hiesige Schuldner, den zu zahlenden Betrag nicht gezahlt hatte. Die Forderungen der Beteiligten zu 2) und der Beteiligten zu 3) wurden gegen den Ersteher auf die Berechtigten gemäß Teilungsplan übertragen und für die Forderungen Sicherungshypotheken im Grundbuch eingetragen. Wegen dieser beantragte auch die Beteiligte zu 3) mit Schriftsatz von Mitte Februar 2022 die Zwangsversteigerung des in Rede stehenden Grundstücks, sodass das Amtsgericht mit Beschluss vom 25.02.2022 ihren Beitritt zu der bereits mit Beschluss vom 22.02.2023 angeordneten Wiederversteigerung zuließ.
5Nach Einholung eines Wertgutachtens wurde mit Beschluss vom 10.11.2022 der Verkehrswert auf 985.00,00 € festgesetzt und mit Beschluss vom 15.05.2023 Termin für die Zwangsversteigerung auf den 21.07.2023 bestimmt.
6Der Zwangsverwalter teilte mit Schreiben vom 24.05.2023 mit, dass bzgl. des Grundstücks durch den Beteiligten zu 4) am 08.10.2021 ein Mietvertrag mit taggleicher Wirkung mit der QV. GmbH geschlossen worden sei. Die vereinbarte monatliche Warmmiete betrage 4.000,00 € zuzüglich 760,00 € Umsatzsteuer, auf eine Kaution und Hausgeldzahlungen sei verzichtet worden. Mietzahlungen an die Sicherungsverwaltung seien nicht erfolgt und eine Klage deswegen vor dem Landgericht Münster anhängig. Weiter teilte die Stadt K. mit Schreiben vom 03.07.2023 mit, dass rückständige und laufende Grundbesitzabgaben in Höhe von 11.962,69 € bestünden und meldete diesbezüglich eine Forderung an. Mit notarieller Vollmacht vom 20.07.2023 erteilte die Beschwerdeführerin, handelnd durch ihren Geschäftsführer, Frau TZ. Zwangsversteigerungsvollmacht mit Ermächtigung zum Bieten.
7Im Versteigerungstermin gab es fünf Interessenten. Aus dem Protokoll, Bl. 384-393 RS d.A. des AG Warendorf, ergibt sich, dass nachdem die Beschwerdeführerin ein Gebot über 1.015.000,00 € abgab, der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) der Zulassung des Übergebotes gemäß § 72 Abs. 1 S. 1 ZVG widersprach und diesen Widerspruch bei jedem noch folgenden Gebot der Beschwerdeführerin wiederholte, zuletzt bei dem Gebot von 1.150.000,00 €. Nach Ablauf der Bietzeit stellte das Gericht die beiden Meistbietenden, namentlich die Beschwerdeführerin und die Beteiligte zu 5), fest mit den Geboten von 1.150.000,00 € bzw. 1.110.000,00 €. Nach Verkündung des Schlusses der Versteigerung beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) über den Zuschlag erst in 2 Wochen zu entscheiden und reichte den Schriftsatz vom 21.07.2023 ein, mit dem die Beteiligte zu 2) für den Fall des Zuschlags die Anordnung der Sicherungsverwaltung nach § 94 Abs. 1 ZVG beantragte. Dieser wurde den Meistbietenden bekannt gemacht und ihnen die Möglichkeit der Stellungnahme bis zum Zuschlagsverkündungstermin gegeben. Zur Begründung ihres Antrages führt die Beteiligte zu 2) insbesondere aus, dass auf Grund der Wiederversteigerung eine besondere Sach- und Rechtslage bestehe. Der Schuldner habe mit Firmen, bei denen er Gesellschafter sei, Scheinmietverträge abgeschlossen, die nun Gegenstand einer Räumungs- und Zahlungsklage vor dem Landgericht Münster seien. Es stehe zu befürchten, dass bei einem erneuten Zuschlag der Sachverhalt sich wiederhole. Es sei ein Strohmanngeschäft zu befürchten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz, Bl. 382-383 d. A. des AG Warendorf Bezug genommen. Das Amtsgericht verkündete sodann den Beschluss, dass die Entscheidung über den Zuschlag am 04.08.2023 erfolgen solle. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll, Bl. 384-393 d. A. des AG Warendorf, Bezug genommen.
8Mit Schriftsatz vom 01.08.2023 begründete die Beteiligte zu 2) den Widerspruch. Sie führt insbesondere aus, dass die Gebote der Beschwerdeführerin nicht zuzulassen seien, da es sich um rechtsmissbräuchliche und damit unwirksame Gebote nach § 71 ZVG handle. Einen solchen rechtsmissbräuchlichen, gesetzeswidrigen Zweck verfolge die Beteiligte zu 1), da sie die Gebote in der Absicht abgebe, das weit über dem Verkehrswert liegende Bargebot von 1,15 Mio. Euro nicht zu entrichten oder zu hinterlegen. Dies sei sittenwidrig. Diese Annahme folge sowohl aus den wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin als auch aus ihrer unübersichtlichen Gesellschafterstruktur sowie der Besetzung des Geschäftsführeramtes durch den Vater des Schuldners, den ehemaligen Eigentümer des Grundstücks. Die Beschwerdeführerin nehme nicht am wirtschaftlichen Verkehr teil und verfüge über keine zustellungsfähige Geschäftsanschrift. Am angeblichen Sitz der Firme befinde sich lediglich ein Industriegrundstück, welches durch eine Firma als LKW-Abstellplatz genutzt werde, ein Briefkasten der Firma sei ebenso wenig vorhanden wie ein Klingelschild. In der unmittelbaren Nachbarschaft sei weder die Firma noch deren Geschäftsführer bekannt. Eine Kontaktaufnahme zum Gesellschafter der EN. GmbH, die Gesellschafterin der Beschwerdeführerin sei, sei nicht möglich gewesen.
9Es bestehe damit auch der begründete Verdacht, dass die Beteiligte zu 1) das weitere Verfahren verzögern und verschleppen werde. Der ehemalige Eigentümer des Grundstücks, Herr F., versuche durch Zwischenschaltung der Beteiligten zu 1) erneut, die Wiederversteigerung und damit die Verwertung des Objektes zu vereiteln. Bereits beim ersten Versteigerungstermin habe Herr F. mit seinem Sohn, dem jetzigen Schuldner, kollusiv zusammengewirkt. Der Sohn sei finanziell nicht in der Lage gewesen, die Bietersicherheit selbst aufzubringen, die Rückzahlung des hierfür aufgenommenen Darlehens sei auch ratenweise nicht erfolgt, mittlerweile sei eine entsprechende Zahlungsklage vor dem Landgericht Bielefeld anhängig.
10Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz und seine Anlagen, Bl. 411- 475 d.A. des AG Warendorf, Bezug genommen.
11Eine Abschrift des Schriftsatzes und seiner Anlagen wurde am 01.08.2023 an die hiesigen Beteiligten übersandt mit der Bitte um Stellungnahme bis spätestens im Zuschlagsverkündungstermin.
12Mit undatiertem Schreiben, beim Amtsgericht Warendorf am 03.08.2023 eingegangen, teilt die Beschwerdeführerin unter Vorlage einer am 02.08.2023 notariell beglaubigten Abtretungsvereinbarung mit, dass sie ihre Rechte aus dem Meistgebot an Herrn F. als Übernehmer abgetreten habe.
13Mit Beschluss vom 04.08.2023 wurde das in Rede stehende Grundstück der Beteiligten zu 5) entsprechend ihres Gebotes für den Betrag von 1.110.000,00 € zugeschlagen und der Beteiligten zu 1) der Zuschlag versagt. Zur Begründung führt das Amtsgericht Warendorf insbesondere aus, der Widerspruch der Beteiligten zu 2) begründet sei. Das Gebot der Beteiligten zu 1) sei rechtsmissbräuchlich, da es mit der Absicht abgegeben worden sei, den Versteigerungserlös im Verteilungstermin nicht zu begleichen. Sowohl die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu 1) wie auch die Gesellschafterstruktur und Besetzung des Amts des Geschäftsführers ließen darauf schließen, dass hier ein Meistgebot mit der Absicht abgegeben worden sei, hierauf keine Zahlung zu leisten. Bei der Beteiligten zu 1) handle es sich um eine Scheinfirma, die Ermittlungen der Beteiligten zu 2) seien glaubhaft und überzeugend. Die gewählte Bieterkonstellation diene einzig und allein dem Halten des Istzustandes und sei als taktisch gewählte Hülle zum Erreichen des eigentlichen Zwecks, der Verhinderung einer Verwertung des Objekts gewählt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss, Bl. 487 – 491 d.A. des AG Warendorf, Bezug genommen.
14Mit ihrer Beschwerde rügt die Beteiligte zu 1) insbesondere die Versagung rechtlichen Gehörs, was einen unheilbaren Verfahrensmangel darstelle. Der Schriftsatz der Beteiligten zu 2) vom 01.08.2023, in welchem diese den Widerspruch gegen das Gebot der Beteiligten zu 1) begründete, habe die Beteiligte zu 1) erst nach Verstreichen des Verkündungstermins erreicht. Weiter seien die Vorwürfe der Beteiligten zu 2) unzutreffend. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 28.08.2023, Bl. 539 -541 d.A. des AG Warendorf, Bezug genommen.
15Der Beteiligte zu 4) legte mit Schriftsatz vom 24.08.2023 ebenfalls Beschwerde ein, welche hier unter dem Az. 05 T 423/24 anhängig ist.
16Das Amtsgericht half den Beschwerden mit begründetem Beschluss vom 05.09.2023 nicht ab. Insbesondere führt es aus, dass nach § 87 Abs. 3 ZVG die anwesenden Beteiligten im Verkündungstermin gehört werden sollen, wenn nachträglich Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden. Entsprechend sei bewusst normiert, dass sich das rechtliche Gehör in dem Fall auf den Zeitraum des Verkündungstermins beschränke. Den Termin habe die Beteiligte zu 1) nicht wahrgenommen, zudem habe das Gericht versucht, den entsprechenden Schriftsatz zu übermitteln und darauf hinzuweisen, dass eine Stellungnahme spätestens im Verkündungstermin zu erfolgen habe. Zwar sei die Stellungnahmefrist kurz, jedoch hätte es sogar gereicht, wenn der Schriftsatz erst im Verkündungstermin vorgelegen hätte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss, Bl. 545 d. A. des AG Warendorf, Bezug genommen.
17Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 26.09.2023 weiter vor, dass es dem Rechtspfleger möglich gewesen sei, den Widerspruch im Termin sofort zurückzuweisen. Der Widerspruch sei im Termin ausweislich des Protokolls nicht begründet worden. Er hätte gemäß § 72 Abs. 1 S. 1 ZVG das letzte Gebot der Beteiligten zu 1) sofort zurückweisen müssen. Dadurch, dass er dies nicht getan habe, habe er das Meistgebot der Beteiligten zu 5) erlöschen lassen und hierfür keinen Zuschlag mehr erteilen können. Er habe nicht zwei Meistbietende zum Ende der Bieterstunde feststellen können. Die Beteiligte zu 1) habe nicht in dem Termin anwesend sein müssen, da sie über nachträglich bekannt gewordene Tatsachen noch gar nichts gewusst habe. Wegen der Eilbedürftigkeit habe der Schriftsatz vom 01.08.2023 auch per beA oder per Fax und nicht per Brief übersandt werden müssen.
18II.
19Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 95 ff. ZVG i. V. m. §§ 793 ff., §§ 567 ff. ZPO zulässig. Insbesondere wurde die Beschwerde in der Frist des § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO i.Vm. § 88 ZVG eingelegt und die Beteiligte zu 1) ist auch beschwerdeberechtigt nach § 97 ZVG, da sie aus Gründen des § 72 ZVG Meistbietende im Verkündungstermin geblieben ist.
20Die Beschwerde bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Gemäß § 100 ZVG kann die sofortige Beschwerde gegen den Zuschlagsbeschluss nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85a ZVG verletzt oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist.
21Ein solcher Verstoß liegt nicht vor.
221.
23Der von der Beschwerdeführerin vorgetragene Verstoß gegen §§ 100 Abs. 3, 81 ZVG wegen der Berücksichtigung eines vermeintlich erloschenen Gebotes ist nicht gegeben. Das Gebot der Beteiligten zu 5) ist im Versteigerungstermin wirksam geblieben und nicht erloschen.
24a)
25Grundsätzlich gilt ein Gebot als zugelassen, wenn es nicht zurückgewiesen wird (Umkehrschluss aus § 71 Abs. 1 ZVG). Der Zulassung eines Übergebots kann ein Beteiligter gemäß § 72 Abs. 1 ZVG widersprechen, sodass das Erlöschen des früheren Gebots verhindert wird; in diesem Falle bleibt das vorherige Gebot in der Schwebe und kann bei der Zuschlagsentscheidung berücksichtigt werden (vgl. BGH, NJW 1984, 1950 m.w.N. zu dieser allg. Ansicht). Die so verlängerte Bindung an ein Gebot endet erst, wenn ein weiteres Übergebot zugelassen wird und hiergegen kein Widerspruch erhoben wird.
26Vorliegend ist nach dem Protokoll des Versteigerungstermins Widerspruch durch die Beteiligte zu 2) auch gegen das letzte Übergebot 1.150.000,00 € der Beschwerdeführerin eingelegt worden, das Gebot 1.100.000,00 € der Beteiligten zu 5) blieb entsprechend wirksam. Die Beteiligte zu 2) war auch nach § 9 ZVG widerspruchsberechtigt.
27b)
28Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1) muss der Widerspruch auch nicht im Termin sofort begründet werden und das Gericht muss auch nicht sofort über den Widerspruch entscheiden.
29Der Widerspruch muss sofort nach Zulassung des Übergebots erhoben werden. Es handelt sich hierbei nicht um einen Rechtsbehelf, aufgrund dessen über die Zulassung des Übergebots nochmals entschieden werden müsste. Der Widerspruch hat nur den Zweck, das Erlöschen des Vorgebots zu verhindern. Deshalb muss der Widerspruch auch nicht begründet werden. Das hat zur Folge, dass bei der Zuschlagsentscheidung zwei Gebote zur Verfügung stehen. Jetzt erst muss das Vollstreckungsgericht über die Wirksamkeit des Übergebotes entscheiden (vgl. zum Ganzen statt vieler: Bachmann in: Depré, ZVG, 2. Aufl. 2018, § 72 Rn. 6-7 mwN). Eine Entscheidung über den Widerspruch durch das Gericht erfolgt entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 1) nicht, das Gericht kann und darf folglich nicht „den Widerspruch sofort zurückweisen“, wie die Beteiligte zu 1) meint. Dies ist gesetzlich nicht vorgesehen, sondern der Widerspruch hat lediglich die oben dargestellten Rechtsfolgen, nämlich das Gericht zu einer Entscheidung über die Wirksamkeit des Übergebotes zu veranlassen.
30Die Beteiligte zu 1) vermischt die gesetzlich vorgesehenen Abläufe im Hinblick auf §§ 71, 72 Abs. 1 ZVG. Zwar gilt nach § 72 Abs. 1 S. 2 der genannten Norm das Übergebot als zugelassen, wenn es nicht sofort zurückgewiesen wird. Dies ersetzt aber nicht das Erfordernis eines fehlenden Widerspruchs, denn ausweislich des eindeutigen Wortlautes des § 72 ZVG müssen Zulassung und fehlender Widerspruch kumulativ vorliegen. Nur wenn das Gericht bereits im Termin Kenntnis von Gründen hat, die ein Gebot unwirksam machen, muss es dieses gemäß § 71 Abs. 1 ZVG sofort zurückweisen. Eine Nachforschungspflicht von Amts wegen mit Blick auf die Frage der Wirksamkeit besteht nicht. Diese Entscheidung geht dem Widerspruch bereits voraus, denn das Vollstreckungsgericht muss sofort über die Zulassung oder Zurückweisung eines Gebotes entscheiden (bgl. Bachmann, aaO, Rn 8). Erst nach Zulassung ist überhaupt Widerspruch gemäß § 72 Abs. 1 S. 1 ZVG (gegen die Zulassung) möglich.
31Eine sofortige Zurückweisung des Übergebots durch das Amtsgericht muss nur erfolgen, wenn das Gebot unwirksam ist, oder eine erforderliche Vertretungsmacht nicht sofort nachgewiesen oder offenkundig ist, wenn die Zustimmung eines anderen nicht sofort nachgewiesen oder offenkundig ist, wenn die Sicherheit nicht geleistet wurde oder das Gebot aus sonstigem Grund unwirksam ist. Eine solche Konstellation lag hier nicht vor. Darüber, ob das Gebot unwirksam ist, muss der Rechtspfleger im Termin entscheiden, sobald er die Tatsachen, aus denen die Unwirksamkeit hergeleitet werden kann, erfährt. Dies war erst mit Zuleitung des Schriftsatzes vom 01.08.2023 der Fall, sodass im Zuschlagsverkündungstermin eine entsprechende Entscheidung erfolgte. Eine Entscheidung im Versteigerungstermin war hingegen nicht möglich.
322.
33Das Amtsgericht hat auch zutreffend der Beteiligten zu 5) den Zuschlag erteilt, da es sich um das Höchstgebot gehandelt hat. Die Wirksamkeit des Übergebotes hat es zu Recht verneint und ihm den Zuschlag versagt. Es liegt kein Verstoß gegen §§ 100 Abs. 3, 83 Abs. 6 ZVG vor. Das Gebot der Beteiligten zu 1) war wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Gebote, die in der Absicht abgegeben werden, im Falle des Meistgebots hierauf keine Zahlung leisten zu wollen oder zu können, sind rechtsmissbräuchlich und bei Erkennbarkeit sofort zurückzuweisen (vgl. LG Münster, Beschl. v. 13.03.2018, 05 T 27/18 - juris, mit weiteren Hinweisen auf die obergerichtliche Rechtsprechung). Die Ausübung von Rechten im Zwangsversteigerungsverfahren – also auch die Abgabe von Geboten – ist unwirksam, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt oder sich als rechtsmissbräuchlich darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 28.02.2014, V ZB 18/12, ZfIR 2013, 432). Auch das Zwangsversteigerungsgesetz erlaubt nur einen mit den guten Sitten zu vereinbarenden Gebrauch seiner Rechte und es mit dem auch im Versteigerungsrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben unvereinbar, wenn jemand Befugnisse ausübt, die das Gesetz ihm zwar einräumt, dabei aber verfahrensfremde und rechtlich zu missbilligende Zwecke verfolgt, was ausdrücklich dann der Fall ist, wenn ein weder zahlungsfähiger noch zahlungswilliger Bieter andere verfahrensfremde Zwecke verfolgt (BGH, aaO mit Hinweis auf BGH, WM 2016, 1785). Die Kammer geht ebenso wie das Amtsgericht davon aus, dass das Gebot der Beteiligten zu 1) verfahrensfremden Zwecken diente und die Bieterin von vornherein nicht vorhatte, das Gebot in angemessener Frist zu begleichen. Die Beteiligte zu 1) hat dieser Feststellung des Amtsgerichtes und dem Vorbringen der Beteiligten zu 2) in ihrer Beschwerde und den übrigen Schriftsätzen schon nicht widersprochen. Die von der Beteiligten zu 2) aufgedeckten Gesellschaftsstrukturen, die unklaren Sitz- und Adressverhältnisse, die Besetzung des Geschäftsführeramtes mit dem vorherigen Eigentümer des Grundstückes, der nach den Unterlagen fehlende Geschäftsbetrieb – dem auch nicht widersprochen wurde – der Beteiligten zu 1), der vorherige Erwerb des Grundstücks ohne Zahlung auf die Bietersumme durch den Sohn des damaligen Eigentümers, die Höhe des Gebotes weiter über dem Verkehrswert, der Abschluss von Scheinmietverträgen mit Firmen, an denen der ehemalige Eigentümer ebenfalls beteiligt ist, und schließlich die Abtretung des Anspruchs aus dem Meistgebot an den ehemaligen Eigentümer und Geschäftsführer der Beteiligten zu 1) lassen in einer Gesamtschau erkennen, dass Ziel der Beteiligten zu 1) ist, als Strohmann Gebote abzugeben, ohne diese zu erfüllen um letztlich zu erreichen, dass das Objekt nicht verwertet wird und die Gläubiger wirtschaftlich geschädigt werden.
343.
35Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war dem Gebot der Beteiligten zu 5) auch nicht der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen, da das rechtliche Gehör verletzt worden sei. Insofern kann hier offenbleiben, ob tatsächlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vorlag, da die Entscheidung des Amtsgerichts jedenfalls nicht darauf beruht. Denn auch nach dem Vortrag in der Beschwerdeinstanz ist von einer Sittenwidrigkeit des Handels der Beschwerdeführerin auszugehen.
36Auch liegt kein Verfahrensfehler des Vollstreckungsgerichtes darin, dass der Rechtspfleger das Gebot der Beschwerdeführerin sofort hätte zurückweisen müssen und dadurch, dass er es nicht getan hat, ihr die Möglichkeit genommen hätte, der Zurückweisung zu widersprechen. Wie bereits ausgeführt, muss das Gericht unwirksame Gebote sofort zurückweisen. Dies betrifft nur Gebote, die erkennbar unwirksam sind. Hierdurch soll verhindert werden, dass durch eine widerspruchslose Zulassung eines Gebots, auf das der Zuschlag nicht erteilt werden kann, das zuvor abgegebene Gebot erlischt und, falls kein weiteres Gebot abgegeben wird, die Versteigerung damit ergebnislos bleibt (Hintzen in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Rellermeyer, ZVG Kommentar, 16. Aufl. 2020, § 71 Rn. 9). Zum einen konnte zu dem Zeitpunkt nicht von einer Kenntnis des Rechtspflegers über die Sittenwidrigkeit des Gebotes, die letztlich zu seiner Unwirksamkeit führten, ausgegangen werden. Die entsprechenden Tatsachen, auf welche der Rechtspfleger sich insbesondere bei seiner Entscheidung bezogen hat, wurden erst von der Beteiligten zu 2) mit Schriftsatz vom 01.08.2023 vorgetragen. Zum anderen wird der Beteiligten zu 2) auch keine Möglichkeit genommen: Letztlich führt sowohl der Widerspruch gegen die Zulassung eines Gebotes nach § 72 Abs. 1 S. 1 ZVG als auch der Widerspruch gegen die Zurückweisung nach § 72 Abs. 2 ZVG zu einer Bindung an die Gebote, im einen Fall an das Gebot trotz Übergebot, im anderen Fall an das Gebot und das (unwirksame) Übergebot, beide bleiben in der Schwebe und es ist im Zuschlagstermin zu entscheiden, welches Meistgebot den Zuschlag erhält. Da die Beteiligte zu 1) im Termin vertreten war, war ihr auch bekannt, dass ein entsprechender Zuschlagstermin beschlossen wurde.
37II.
38Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 ZPO.
39Die Wertfestsetzung beruht auf § 12 GKG i.V.m. § 3 ZPO, wobei Richtschnur das mit der Beschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse ist. Da das Interesse der Beschwerdeführerin auf den Erwerb des Grundstücks geht, ist es gerechtfertigt, den Beschwerdewert entsprechend ihres Meistgebotes festzusetzen (vgl. dazu BeckOK ZVG/Ferstl, 12. Ed. 01.11.2023, § 95 Rn. 250).
40III.
41Die Rechtsbeschwerde war nicht nach § 574 Abs. 3 ZPO zuzulassen, da es wie unter I. 1. dargestellt, bereits höchstrichterlich entschieden und allgemeine Meinung ist, dass bei Widerspruch gegen ein Übergebot das vorherige Gebot nicht erlischt. Das Übergebot muss in diesem Fall gar nicht durch das Gericht zurückgewiesen werden.