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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger macht gegen den Beklagten Leistungen aus einer Vollkaskoversicherung wegen eines zwischen den Parteien in Streit stehenden Unfallereignisses vom 22.04.2019 geltend.
3Der Kläger unterhält bei dem Beklagten zur Versicherungsschein-Nr. 26.434.58###-### (vgl. Nachtrag wegen Wiederinkraftsetzung vom 04.01.2017, Anlage B1, Bl. 87 f. d. A.) für das Fahrzeug Mercedes Benz, C-Klasse C 450 AMG eine Kraftfahrtversicherung einschließlich Vollkaskoversicherung bei vereinbarter Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 €.
4Dem Versicherungsvertrag liegen u.a. die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (im Folgenden: AKB) (vgl. Anlage B2, Bl. 91 ff. d. A.) zugrunde.
5Der Kläger hatte den Pkw im Dezember 2016 erworben und den Kaufpreis über die Mercedes Benz Bank unter der Vertragsnummer 70###### finanziert. Das Fahrzeug wurde am 21.12.2016 auf den Kläger zugelassen (vgl. Bestellung und Bestätigung Finanzierungsantrag, Bl. 138 ff. d. A.).
6Am 22.04.2019 rief der Kläger die Polizei zu einem zwischen den Parteien in Streit stehenden Unfallereignis auf der Autobahn A## (vgl. Unfallmitteilung vom 22.04.2019, Anlage K1, Bl. 6 d. A.). Am Folgetag meldete der Kläger den streitigen Versicherungsfall bei dem Beklagten und übermittelte im Folgenden eine Schadenanzeige auf dem am 03.05.20219 (vgl. Anlage K3, Bl. 41 f. d. A.) von dem Beklagten übermittelten Formular (vgl. Schadenanzeige vom 11.05.2019, Anlage B7, Bl. 207 ff. d. A.). Die Fragen nach reparierten und unreparierten Vorschäden wurden hierin mit „Nein“ angekreuzt.
7Der Beklagte beauftragte den Privatgutachter A. mit der Erstellung eines Schadengutachtens, welches dieser unter dem 26.04.2019 erstattet (vgl. Anlage K2, Bl. 7 ff. d. A.) und darin Netto-Reparaturkosten in Höhe von 14.601,08 € ermittelte. Im Folgenden beauftragte der Beklagte zudem den Privatgutachter D. mit der Erstellung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens, welches unter dem 30.07.2019 erstattet wurde.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.06.2019 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers und forderten den Beklagten zur Zahlung in Höhe der Klageforderung unter Fristsetzung bis zum 21.06.2019 auf (vgl. Anlage B5, Bl. 128 f. d. A.). Mit Schreiben vom 19.06.2019 (vgl. Anlage B6, Bl. 130 f. d. A.) teilte der Beklagte mit, die mit o.g Schreiben vom 03.05.2019 an den Kläger gestellten Fragen seien unvollständig beantwortet worden und für den 11.06.2019 ein Besprechungstermin vereinbart worden, der aufgrund der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem abgesagt worden sei.
9Mit Schreiben vom 04.09.2021 lehnte der Beklagte eine Erbringung von Versicherungsleistungen ab.
10Der Kläger teilte dem Beklagten mit, dass der streitgegenständliche Pkw nach zunächst erfolgter Finanzierung des Kaufpreises des Fahrzeugs bei der Mercedes-Benz Bank nach Ablösung in das Eigentum des Klägers übergegangen sei (vgl. Schreiben vom 01.10.2020 Anlage K4, Bl. 43 d. A.).
11Der Beklagte hielt an seiner Ablehnungsentscheidung fest.
12Der Kläger behauptet, am 22.04.2019 sei es zu einem Unfall gekommen als er gegen ca. 22:35 Uhr die Autobahn BAB A## in V in Fahrtrichtung Z befahren habe und diese in Höhe von Kilometer 27,924 habe verlassen wollen. Seine Geschwindigkeit habe dabei ca. 40-50 km/h betragen.
13Infolge von Unachtsamkeit habe er das Fahrzeug bei Befahren der Autobahnausfahrt zunächst zu weit nach links gelenkt und sei linksseitig mit der Leitplanke kollidiert. Er habe sich schlichtweg verschätzt. Reflexartig habe der Kläger sodann das Fahrzeug geschockt ruckartig wieder nach rechts gezogen und sei dann dort mit der rechten Leitplanke kollidiert, um wenig später sein Fahrzeug zum Stehen zu bringen. Ein Abbremsen und der Einschlag in die Leitplanke seien wohl gleichzeitig erfolgt.
14Er behauptet weiter, die in dem Privatgutachten A. dargestellten Schäden seien sämtlich auf das Unfallereignis vom 22.04.2019 zurückzuführen. Dies bestätige der Gutachter A. auch auf S. 4 des Privatgutachtens, wenn dort ausgeführt werde, die vorgefundenen Beschädigungen seien durch das geschilderte Ereignis erklärlich.
15Das Vorliegen eines manipulierten Unfallgeschehens bestreitet der Kläger und behauptet hierzu, das Fahrzeug sei mit dem ausdrücklichen Hinweis „unfallfrei“ an ihn veräußert worden und während seiner Besitzzeit in sehr gutem und beanstandungsfreien Zustand gewesen. Der Pkw sei neben dem auch zu Privatzwecken nutzbaren Dienstfahrzeug des Klägers als reines „Spaßfahrzeug“ erworben worden, was auch aus der unstreitig nach Erwerb nur zurückgelegten Laufleistung von 8.243 Km folge.
16Der Kläger behauptet, es lägen am Fahrzeug keine unreparierten oder reparierten Altschäden vor. Dies ergebe sich auch schon aus dem von dem Beklagten selbst beauftragten Privatgutachten A.. Vorschäden habe das Fahrzeug bei Erwerb nicht gehabt. Auch im Zeitpunkt des Unfalls hätten am Fahrzeug keine Vorschäden bestanden.
17Der Kläger beantragt,
181. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 14.301,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
192. den Beklagten zu verurteilen, an ihn die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € zu zahlen.
20Der Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Er meint, er sei leistungsfrei und behauptet dazu, der Kläger habe den vermeintlichen Unfall jedenfalls vorsätzlich herbeigeführt. Es seien insoweit folgende Indizien für einen manipulierten Unfall zu berücksichtigen:
23Auf Klägerseite sei ein hochwertiges Fahrzeug beteiligt, das in erheblichem Umfang beschädigt worden sei. Es liege ein lukrativ abzurechnender Seitenschaden mit nicht kompatiblen Altschäden vor, der fiktiv mit Auszahlung an sich selbst abgerechnet werde.
24Es bestünden aus technischer Sicht ferner erhebliche Bedenken gegen den vom Kläger behaupteten Unfallhergang. Insbesondere würden sich an den Leitplanken am behaupteten Unfallort nach den auf Anfrage vom Landesbetrieb Straßenbau NRW zur Verfügung gestellten Stellungnahme und Unterlagen keine kompatiblen Leitplankenschäden feststellen lassen. Das auf dieser Grundlage eingeholte unfallanalytische Privatgutachten ergebe, dass wenn es sich um einen unkontrollierten Verlust des Fahrzeugs gehandelt habe, die Schäden vorne links überschaubar begrenzt gewesen sein müssten und der Winkel des Einschlags steiler gewesen sein müsste; überdies ließen sich danach nicht alle Schadenspuren vorne links einem Kontakt mit einer Leitplanke zuordnen. Aus technischer Sicht bestünden sogar Anhaltspunkte dafür, dass der vermeintliche Unfall bewusst herbeigeführt worden sei. Denn für das Lenken nach rechts nach dem behaupteten ersten Kontakt des Fahrzeugs links mit der Leitplanke bestehe überhaupt keine Veranlassung. Mit der vom Kläger behaupteten Panikreaktion seien die Schäden an der rechten Seite jedenfalls nicht in Einklang zu bringen, diese hätten hinsichtlich des Einschlags dann einen steileren Winkel gehabt. Zudem lasse sich der achsparallele Anstoß rechts nur erklären, wenn jegliche Abwehrmaßnahme, z.B. durch Abbremsen, außer Acht gelassen worden sei.
25Die von dem Kläger geltend gemachten Schäden seien auch nicht vollständig auf den behaupteten Kontakt mit Leitplanken zurückzuführen. Dies gelte jedenfalls links für die Schäden im Umlauf des Radlaufs und des oberen Teils des vorderen Stoßfängers; die Beschädigung im unteren Teil der Stoßfängerverkleidung liege außerhalb der Überdeckung der Leitplanke; die bis in die Fahrertür reichenden Kratzer sowie Schrammen der Scheinwerfer lägen zar in ähnlicher Höhenlagewie die Spuren am Radlauf könnten jedoch aufgrund ihrer Lagecharakteristik nicht mit dem Kontakt mit einer Leitplanke zugeordnet werden, es hätten also unreparierte Altschäden bestanden, die hätten überdeckt werden sollen. Aufgrund der Höhe der Leitplanke am Unfallort ließen sich die Schäden an der rechten Seite, die zur Radmitte weisen würden, nicht erklären. Am Fahrzeug hätten außerdem, wie sich aus dem Privatgutachten ergebe, bereits unreparierte Altschäden bestanden.
26Schließlich seien die wirtschaftlichen Verhältnisse im Bereich des Klägers ungeordnet. Im Zwangsvollstreckungsverfahren der Ehefrau des Klägers, Az. DR II ###/20 sei die Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen und die Vermögensauskunft zum Az. DR II ###/19 nicht abgegeben worden.
27Jedenfalls sei der Beklagte auch deshalb leistungsfrei, weil der Kläger arglistig seine Obliegenheiten verletzt habe, indem er die an der linken und rechten Seite des Fahrzeugs bestehenden unreparierten Altschäden verschwiegen habe. Zudem habe der Kläger auch den Unfallhergang nicht zutreffend, nämlich als unfreiwillig, obwohl dieser kontrolliert herbeigeführt worden sei, wiedergegeben.
28Soweit sich der Kläger auf das Privatgutachten A. berufe, sei zu berücksichtigen, dass dieser ein Sachverständiger für Fahrzeugschäden und -bewertungen sei, nicht aber für Unfallanalytik. Dieser habe gerade keine unfallanalytische Stellungnahme abgegeben. Der Beklagte habe sodann, was unstreitig ist, ein gesondertes unfallanalytische Sachverständigengutachten beauftragt.
29Der Beklagte ist schließlich der Auffassung, wegen der vorliegenden Altschäden und des fehlenden Vortrags des Klägers zu den behaupteten Unfallschäden sei die Klage ebenfalls bereits abzuweisen.
30Der Beklagte meint, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten könne der Kläger nicht verlangen, da der Beklagte sich bei Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers noch nicht in Verzug befunden habe, da zu diesem Zeitpunkt noch offene Fragen bestanden hätten. Der Beklagte verweist auf den als Anlage B5 und B6 vorgelegten Schrittverkehr, auf den insoweit Bezug genommen wird.
31Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen H. (vgl. Gutachten vom 13.06.2022, Anlagenband), welches im Termin der mündlichen Verhandlung von diesem mündlich erörtert worden ist. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie hinsichtlich der persönlichen Anhörung des Klägers wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2023 (vgl. Bl. 331 ff. d. A.).
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe:
34Die zulässige Klage ist unbegründet.
35I.
36Der Antrag zu 1) ist unbegründet.
371.
38Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 14.301,08 €. Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vollkaskoversicherungsvertrag.
39Der Beklagte ist zur Leistung nicht verpflichtet. Denn der Beklagte hat zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass der Unfall durch den Kläger vorsätzlich herbeigeführt worden ist.
40Ob der Beklagte zudem auch gem. E.1.1.3, 2.1 AKB i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei ist, weil dem Kläger eine arglistige Obliegenheitsverletzung dergestalt vorzuwerfen ist, dass er Kenntnis von Vorschäden bzw. unfallfremden Schäden gehabt und diese arglistig verschwiegen hat, kann vor diesem Hintergrund offen bleiben.
41Im Einzelnen:
42Der Versicherer ist nur dann gem. § 81 Abs. 1 VVG zur Leistung nicht verpflichtet, wenn er den Vollbeweis für das vorsätzliche Herbeiführen eines Versicherungsfalles durch den Versicherungsnehmer (oder seinen Repräsentanten) führt, ohne dass ihm Beweiserleichterungen zu Gute kommen. Dieser Beweis einer Unfallmanipulation kann dabei durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von typischen Umständen erbracht werden, die für sich betrachtet zwar jeweils auch eine andere Erklärung finden mögen, in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise jedoch nur den Schluss zulassen, dass der Anspruchsteller die Beschädigung seines Fahrzeuges bewusst und gewollt herbeigeführt oder in die Beschädigung seines Fahrzeuges eingewilligt hat (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 17.05.2000, 13 U 35/00, juris, Rn. 10). Hierbei bedarf es in Anwendung des § 286 Abs. 1 ZPO für den erforderlichen Vollbeweis zwar keiner von allen Zweifeln freien Überzeugung des Gerichts. Erforderlich ist aber ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Eine bloße Wahrscheinlichkeit – und sei sie auch erheblich – genügt demgegenüber nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.05.2021, 20 U 256/20, r+s 2021, 685 m.w.N.).
43Vorliegend ist das Gericht nach Vornahme einer Gesamtschau der hier vorliegenden Indizien unter Würdigung der Umstände des hiesigen Einzelfalls davon überzeugt, dass der Kläger den streitgegenständlichen Unfall bewusst herbeigeführt hat.
44a)
45Denn das Gericht ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beschädigungen an dem streitgegenständlichen Pkw aus technischer Sicht jedenfalls nicht vollständig dem von dem Kläger geschilderten Unfallhergang zugeordnet werden können. Schon dies spricht als Indiz für einen bewusst herbeigeführten Unfall (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2014, 20 U 66/14, BeckRS 2015, 9670).
46Der Sachverständige H. hat in seinem Gutachten vom 13.06.2022 ausgeführt, die auf der linken Seite befindlichen diversen Schrammspuren, teilweise kreuzend auf dem linken Scheinwerfer sowie die die Schrammsuren am rechten Frontscheinwerfer und die Beschädigungen am rechten Vorderrad seien nicht kompatibel mit dem behaupteten Unfallhergang. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige hierzu vertiefend ausgeführt, auch soweit hier – wie im Laufe des Verfahrens von dem Kläger behauptet – Bäume oder Gebüsch am Fahrbahnrand vorhanden gewesen wären – wofür nach den ihm zur Begutachtung vorliegenden Lichtbildern mit Datum zwei Monate nach dem streitgegenständlichen Unfall aber nichts ersichtlich sei – ließen sich die vorgenannten Schrammspuren nicht auf einen Kontakt mit diesen zurückführen. Denn es wäre zu erwarten gewesen, dass dann – anders als aber hier – auch Schrammspuren an anderen Karrosserieteilen vorhanden wären. Auf Nachfrage hat der Sachverständige weiter ausgeführt, auch die Schrammspuren an der linken Seite des Fahrzeugs im Übergangsbereich zwischen Kotflügel und Tür seien aufgrund ihrer Färbung nicht dem Kontakt mit einer Leitplanke zuzuordnen. Ob diese durch einen Ast verursacht worden seien, könne er nicht vollständig ausschließen. Insoweit war aber zu berücksichtigen, dass der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung zunächst selbsttätig bei freier Schilderung seiner Wahrnehmungen zum Unfallhergang keinerlei Umstände zu einem schriftsätzlich noch behaupteten Fahrbahnrandbewuchs bekundet hat und auf Nachfrage des Gerichts zwar erklärt hat, an den Leitplanken sei Grünwuchs gewesen, schließlich aber eingeräumt hat, sich an Details dazu nicht erinnern zu können. Dass vorliegend Grünbewuchs am Fahrbahnrand die Schrammspuren verursacht habe, ist zudem im Laufe der Abwicklung des streitgegenständlichen Versicherungsfalls als in Ansehung der unfallanalytischen privatgutachterlichen Feststellungen motivierter Vortrag anzusehen.
47Im Hinblick auf die Beschädigungen an dem rechten Vorderrad hat der Sachverständige zudem ausgeführt, diese könnten auch nicht dadurch entstanden sein, dass die Querstreben der Leitplanken hiermit in Kontakt gekommen seien, da das Schadensbild dann ein anderes wäre und der Pkw bei dem flachen Winkel – wie hier – auch gar nicht so weit unter die Leitplanke komme, dass dort eine Berührung entstehe.
48Das Gericht folgt den nachvollziehbaren und ins ich stimmigen Schlussfolgerunden des Sachverständigen. Dieser ist von den zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat insbesondere auch erläutert, dass die Durchführung eines Ortstermins zum einen aufgrund der vorliegenden Privatgutachten nicht erforderlich war und zum anderen mangels Kenntnis der ganz konkreten Anstoßstellen sowie des mittlerweile erfolgten Zeitablaufs auch keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht hätte.
49b)
50Besonders zu berücksichtigen war im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau auch, dass sich der von dem Kläger geschilderte Unfallhergang nach den Feststellungen des Sachverständigen H. als jedenfalls im Hinblick auf die Kollision der rechten Fahrzeugseite mit der Leitplanke als unplausibel darstellt.
51Der Sachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, dass - bei der vom Kläger behaupteten Geschwindigkeit von 40-50 km/h als zutreffend unterstellt - Ursache des Unfallmechanismus' wegen des feststellbaren Kurvenradius‘ jedenfalls nicht eine unangepasste Geschwindigkeit gewesen ist. Nach der Kollision mit der Leitplanke auf der linken Fahrzeugseite wäre es ohne Einleitung einer Vollbremsung, sondern lediglich durch Einleitung einer starken Angleichbremsung problemlos möglich gewesen, das Fahrzeug kontrolliert bis zum Stillstand abzubremsen. Der Kläger habe für die Abbremsung mehr als 3 Sekunden Zeit gehabt, denn bei unterstellter Geschwindigkeit von 50 km/h wäre die Geschwindigkeit innerhalb von etwa 20m abgebaut gewesen, während die Strecke zwischen den Anstoßstellen mit der Leitplanke nach der durchgeführten Simulation des Unfalls aber 50m betragen habe. Aus unfallanalytischer Sicht sei es auch unter Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 1 Sekunde auf den ersten Leitplankenkontakt links hin demnach nicht notwendig gewesen, im Anschluss der Kollision links noch die rechte Leitplanke zu kontaktieren. In der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige zudem auf Nachfrage, dazu, ob hier die vom Kläger schriftsätzlich als auch in der Parteianhörung wiederholte Behauptung einer Panikreaktion aus technischer Sicht plausibel den Anprall auf der rechten Seite erklären könne, ausgeführt, es habe nach dem ersten Anprall genug Zeit bestanden, um anzuhalten. Bei einer Panikreaktion im Sinne eines schnellen Weglenkens von links und stärkeren Lenkens nach rechts – wie der Kläger sie nach eigenem Vortrag in der Parteianhörung in Form eines ruckartigen Lenkens nach Links beschrieben hat – wären die Schäden mit einem steileren Winkel entstanden, während hier ein flacher Winkel gegeben sei. Zudem hätte der Anprall mit der rechten Seite dann örtlich näher zu dem Anprall auf der linken Seite stattfinden müssen.
52Auch insoweit sind die Ausführungen des Sachverständigen überzeugend. Das Gutachten ist gedanklich nachvollziehbar und in sich stimmig begründet, insbesondere hat der Sachverständige seine logisch und in sich widerspruchsfreien Schlussfolgerungen in der mündlichen Verhandlung vertiefend begründet.
53Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung erklärt, er sei nach dem ersten Anstoß ziemlich aufgebracht gewesen und habe das Fahrzeug ruckartig nach rechts in die Leitplanke gelenkt. Er habe zwar auch versucht abzubremsen, aber er sei dann schon rechts in der Leitplanke drin gewesen. Dem kann vor dem Hintergrund der technischen Feststellungen des Sachverständigen jedoch nicht gefolgt werden.
54Die von dem Kläger behauptete Panikreaktion in Gestalt eines ruckartigen Lenkens nach rechts stellt sich danach – während eine Panikreaktion aus Überforderung nach dem ersten Anstoß für das Gericht als solches durchaus denkbar wäre – als bloße Schutzbehauptung dar, von der das Gericht eingedenk der technischen Feststellungen des Sachverständigen bezüglich des dann zu erwartenden, hier aber nicht vorliegenden, steileren Winkels der Schäden nicht überzeug ist.
55Dass demgegenüber die (erste) Kollision mit der linken Fahrzeugseite aus technischer Sicht nach den Feststellungen des Sachverständigen H. mit dem rekonstruierten Schadensablauf in Einklang gebracht werden kann, spricht indes nicht schon allein gegen die Annahme einer bewussten Herbeiführung des Unfalls. Denn soweit der Kläger schriftsätzlich behauptet hat, die Kollision links sei aus „Unachtsamkeit“ erfolgt und in der persönlichen Anhörung hierzu bekundet hat, er sei von dem Aufprall links überrascht gewesen, während er aber nicht zu schnell unterwegs gewesen sei, jedoch den Streckenverlauf nicht gekannt habe, ist dies nach den Feststellungen des Sachverständigen zwar aus technischer Sicht denkbar, liefert der Kläger jedoch auch im Rahmen der persönlichen Anhörung jedenfalls keine nähere Erklärung, weshalb ihn die Kollision mit der Leitplanke auf der linken Seite überrascht habe, gleichsam was der Grund für seine Unaufmerksamkeit gewesen ist. Vor dem Hintergrund, dass es sich nach eigenen Angaben des Klägers um einen für ihn unbekannten Streckenverlauf gehandelt hat, spricht die behauptete Unaufmerksamkeit nach Auffassung des Gerichts zwar nicht als solches zwingend für eine vorsätzliche Herbeiführung, jedoch ebenso nicht gegen eine solche.
56Auch wenn das geschilderte Fahrmanöver im Hinblick auf die Kollision des Fahrzeugs auf der linken Seite erklärbar ist und für sich genommen keinen Verdacht auf eine vorsätzliche Herbeiführung zu begründen vermag, verleihen die Fahrmanöver in der Gesamtschau dem Unfallgeschehen jedoch den Anschein einer absichtlich herbeigeführten Kollision mit den Leitplanken und zwar sowohl hinsichtlich der linken als auch der rechten Fahrzeugseite.
57Einer Vernehmung der von dem Kläger gegenbeweislich als Zeugen benannten Polizeibeamten bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht, da diese keine eigenen Wahrnehmungen zum konkreten Ablauf des Unfallgeschehens bekunden können.
58c)
59Zudem sind weitere Indizien gegeben, die in der Gesamtschau zur Annahme eines bewusst herbeigeführten Unfalls führen.
60Hierfür spricht einerseits, dass es sich bei dem klägerischen Fahrzeug um einen hochwertigen Pkw – nämlich eine Mercedes C-Klasse AMG – handelt, der in erheblichem Umfang beschädigt worden ist. Die Netto-Reparaturkosten betragen unstreitig 14.801,08 €.
61Ferner ist anerkannt, dass eine fiktive Abrechnung ein Indiz für eine Unfallmanipulation sein kann (OLG Köln, Urt. v. 22.6.2017 – 8 U 19/16, NJW-RR 2017,1370, juris Rn. 67; OLG Hamm, a.a.O., r+s 2021, 685). Unstreitig verlangt der Kläger hier nur Netto-Reparaturkosten, während das Fahrzeug nunmehr nach eigenen Angaben auch in seinem Eigentum steht. Entsprechend macht er die mit dem Klageantrag zu Ziff. 1) begehrte Zahlung der Versicherungsleistungen auch an sich selbst und nicht an die finanzierende Bank geltend.
62Für einen gestellten Unfall spricht hier weiter auch, dass dieser sich gegen 22:35 Uhr in einer nach Angaben des Klägers ansonsten nicht befahrenen Autobahnausfahrt ereignet hat, auf der jedenfalls die Anwesenheit anderer Zeugen als solcher, die ebenfalls die Autobahnausfahrt befahren wollen, nicht zu erwarten gewesen ist (vgl. hierzu OLG Celle, Urteil vom 09.09.2015, 5 U 175/14; NJOZ 2016, 680; OLG München, Endurteil vom 08.09.2017, 10 U 4665/16, BeckRS 2017, 124993).
63d)
64Ob zudem hier – wie von dem Beklagten vorgebracht – unreparierte Vorschäden gegeben sind, die bereits zeitlich vor dem hier streitgegenständlichen Unfallereignis vorlagen, kann offen bleiben.
65Der Sachverständige kommt hinsichtlich der nach seinen Ausführungen nicht mit dem streitgegenständlichen Unfallhergang in Einklang zu bringenden Schrammspuren und Beschädigungen an dem rechten Vorderrad zu dem Ergebnis, dass diese nicht mit geschilderten Unfallhergang kompatibel sind, d.h., dass es sich um unfallfremde Schäden handelt. Darauf diese tatsächlich „Vorschäden“ darstellten, d.h. Schäden die bereits vor dem Unfall vorgelegen haben, hat sich der Sachverständige nicht festgelegt. Dies steht vor dem Hintergrund, dass die privatgutachterliche Schadenbegutachtung durch den Sachverständigen A. erst vier Tage nach dem behaupteten Unfallereignis, nämlich am 26.04.2019 stattgefunden hat.
66Jedenfalls steht nach den oben gemachten Ausführungen aber nach den Feststellungen des Sachverständigen H. fest, dass der Kläger hier unfallfremde Schäden am Pkw gegenüber dem Beklagten als durch den behaupteten Unfall verursachte Schäden abzurechnen suchte. Auch dies fügt sich nach den oben angestellten Erwägungen für sich genommen – schon unabhängig davon, ob hier ein arglistiges Verschweigen gegenüber dem Beklagten anzunehmen ist – in der Gesamtschau in das Bild eines vorsätzlich herbeigeführten Unfalls ein.
67e)
68Dass daneben unstreitig finanzielle Schwierigkeiten auf Seiten der Ehefrau des Klägers bestehen, stellt im Rahmen der anzustellenden Gesamtschau kein entscheidendes Indiz für eine vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls dar, steht dieser jedenfalls aber auch nicht entgegen.
69Auch der Umstand, dass der hiesige Unfall mit dem eigenen Fahrzeug des Klägers und nicht mit dem unstreitig daneben von ihm gefahrenen Dienstfahrzeug erfolgt ist, spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen eine vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls. Bei einem Dienstfahrzeug, welches im Eigentum des Arbeitgebers des Klägers steht, wären für den Kläger jedenfalls bei der Geltendmachung der Forderung wegen des Vorliegens einer Versicherung für fremde Rechnung weitergehende zu beachtende Besonderheiten zu beachten und es würden sich hinsichtlich des ,,Entdeckungsrisikos" zudem auch Risiken im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis ergeben.
70Schließlich führt auch die unstreitig erfolgte Hinzuziehung der Polizei durch den Kläger zu keinem anderen Ergebnis, dies spricht nicht schon indiziell gegen eine bewusste Herbeiführung des Unfalls (vgl. OLG Hamm, a.a.O., BeckRS 2015, 9670).
712.
72Mangels Hauptanspruchs hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen.
73II.
74Auch der Antrag zu Ziff. 2) ist unbegründet.
75Da es nach den oben gemachten Ausführungen bereits an einem Anspruch in der Hauptsache fehlt, steht dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € als Verzugsschadensersatz gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ebenfalls nicht zu.
76III.
77Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
78Der Streitwert wird auf 14.301,08 EUR festgesetzt.