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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer in 2003 abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherung nach erklärtem Widerspruch bzw. Rücktritt in Anspruch.
3Der Kläger schloss mit der Beklagten unter der Versicherungsschein-Nr. N01 eine fondsgebundene Lebensversicherung (Internationale Fondspolice mit Sparzielabsicherung) ab. Versicherungsbeginn war danach der 15.11.2003. Der vereinbarte monatliche Beitrag betrug vom ersten bis zum 36. Monat 31,08 € und ab dem 37.Monat 60,00 € (vgl. Versicherungsschein vom 05.11.2003, Anlage K1, Bl. 28 ff. d. A.).
4In dem zweiseitigen von dem Kläger sowie von der Beklagten zur Gerichtsakte gereichten unstreitig vom Kläger unterschriebenen Antragsformular vom 23.10.2003 heißt es auf der Seite 2 wie folgt:
5„Bilddarstellung wurde entfernt“
6Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Antragsformular vom 23.10.2003 Bezug genommen (vgl. Anlage K1, Bl. 31 f. d. A.; Anlage B3, Bl. 145 d. A.).
7Der Kläger unterschrieb am 23.10.2003 auch folgende Erklärung:
8„Bilddarstellung wurde entfernt“
9Der Kläger übte sein Rücktrittsrecht im Jahre 2003 nicht aus.
10Mit Schreiben vom 15.05.2023 erklärte der Kläger über die Z. GmbH den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages (vgl. Anlage K3, Bl. 39 d. A.). Diesen wies die Beklagte mit Schreiben vom 05.06.2023 zurück (vgl. Anlage K4, Bl. 42 d. A.).
11Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.06.2023 forderte der Kläger die Beklagte unter Bezugnahme auf den ausgeübten Widerspruch zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 11.187,98 € auf (vgl. Anlage K5, Bl. 43 ff. d. A.). Die Beklagte lehnte eine Zahlung mit Schreiben vom 29.06.2023 ab (vgl. Anlage K6, Bl. 49 d. A.).
12Der Kläger ist der Ansicht, dass die Widerspruchsfrist nicht begonnen habe und der erklärte Widerspruch daher wirksam und nicht verfristet sei. Es sei von einem Vertragsschluss im Policenmodell auszugehen. Die Police sei dem Kläger übersandt worden.
13Die Beklagte hätte jedenfalls über die Antragsbindungsfrist aufklären müssen. Soweit in den Verbraucherinformationen auf S. 15 unter Abschnitt IV. Ziff. 2 ausgeführt werde, es gebe keine Antragsbindungsfrist, sei dies jedenfalls wegen einer darin liegenden unangemessenen Benachteiligung des Klägers unwirksam.
14Die vorliegende Belehrung sei jedenfalls drucktechnisch nicht ausreichend hervorgehoben. Eine ausreichende Abhebung vom übrigen Text, sodass der Kläger die Widerspruchsmöglichkeit sofort erkennen könne, sei nicht gegeben.
15Die Belehrung sei zudem inhaltlich fehlerhaft.
16Denn sie enthalte keinen Hinweis darüber, dass der Widerspruch in Textform gemäß § 126b BGB erfolgen könne und bezeichne die fristauslösenden Unterlagen nicht korrekt.
17Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm unter Berücksichtigung der eingezahlten Beträge (12.058,88 €) sowie der gezogenen Nutzungen nach Abzug eines Betrages für einen faktischen Versicherungsschutz ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch zustehe. Zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs verweist der Kläger auf eine als Anlage K2 bzw. K8 beigefügte Berechnung (vgl. Bl. 33 ff., 205 ff. d. A.).
18Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht treuwidrig.
19Ursprünglich hat der Kläger mit der Klage eine Rückzahlung in Höhe von 11.187,98 € verlangt. Mit Schriftsatz vom 14.12.2023 hat er die Klage unter Anpassung seiner Forderungsberechnung in Bezug auf Abschlusskosten erweitert.
20Der Kläger beantragt nunmehr,
211. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.437,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 11.437,90 € seit dem 06.06.2023 zu zahlen;
222. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 1.450,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sei bestreitet zunächst die vom Kläger geltend gemachte Höhe des Anspruchs.
26Die Beklagte ist der Auffassung, der Vertragsschluss sei im Antragsmodell erfolgt und behauptet dazu, der Kläger habe – als solches unstreitig – den Erhalt sämtlicher vertragsrelevanter Unterlagen, insbes. auch der Verbraucherinformationen, bei Antragsstellung am 23.10.2003 bestätigt (vgl. Empfangsbestätigung, Anlage B1, Bl. 107 d. A.; AVB und Verbraucherinformationen der Beklagten, Anlage B2, Bl. 108 ff. d. A.). Auf Seite 15 im Abschnitt IV. Ziff. 2 werde der Kläger zudem – als solches unstreitig – wie folgt auf die Antragsbindungsfrist hingewiesen: „Solange die Versicherungsverträge nicht zustande gekommen sind, ist der Versicherungsnehmer an seine Anträge nicht gebunden (keine Antragsbindungsfrist).“. Die Vorschrift des § 147 Abs. 2 BGB sei auch dispositiv.
27Da es sich um einen Vertragsschluss nach dem Antragsmodell handele, sei über das Rücktrittsrecht nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. zu belehren gewesen.
28Die im Antragsformular enthaltene Rücktrittsbelehrung genüge auch den Anforderungen, da sie sich in einem separaten Kasten mit einer fettgedruckten Überschrift, die auf das Rücktrittsrecht hinweise, befinde. Diese Überschrift sei in der größten in diesem Antragsformular verwendeten Schrifttype gehalten. Auch die Umrandung dieses Kastens sei dicker gedruckt als der Rest des Antragsformulars. Aus all diesen Gründen springe die Belehrung sofort ins Auge. Darüber hinaus entspreche die Belehrung auch inhaltlich den Vorgaben des Gesetzgebers.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die zulässige Klage ist unbegründet.
32I.
33Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Prämienrückzahlung und Herausgabe von Nutzungen gem. §§ 812 Abs. 1, S. 1., 1. Var. 818 Abs. 1 BGB in Höhe von 11.437,90 € zu.
34Rechtsgrund der Beitragszahlungen des Klägers war – mangels wirksamen Widerspruchs bzw. Rücktritts – der streitgegenständliche Versicherungsvertrag.
35Denn der streitgegenständliche im Antragsmodell geschlossene Vertrag (1.) ist wirksam mit Versicherungsbeginn zum 15.11.2003 zustande gekommen. Dem steht auch nicht der mit Schreiben vom 15.05.2023 erklärte Widerspruch entgegen.
36Denn die im Antragsformular enthaltene und hier maßgebliche Rücktrittsbelehrung ist formell ordnungsgemäß und inhaltlich nicht zu beanstanden (2.).
37Schließlich ist der von dem mit der Erklärung des Rücktritts verfolgte Zweck als rechtsmissbräuchlich anzusehen (3.).
38Im Einzelnen:
391.
40Der Lebensversicherungsvertrag ist im Wege des sog. Antragsmodells zustande gekommen, mit der Folge, dass für eine Lösung vom Vertrag § 8 Abs. 5 VVG in der vom 29.07.1994 bis 07.12.2004 geltenden Fassung maßgeblich ist.
41Denn unstreitig hat der Kläger bei Antragstellung am 23.10.2003 mit seiner Unterschrift den Erhalt u.a. einer Durchschrift des Antragsformulars sowie der Verbraucherinformationen und der Allgemeinen Versicherungsbedingungen bestätigt.
42Zwar ist die Beklagte für den Zugang sämtlicher Informationen und Unterlagen grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet. Dies setzt allerdings voraus, dass der Kläger den fehlenden Zugang der Unterlagen in prozessual zu beachtender Art und Weise bestritten hat. Insoweit trifft den Versicherungsnehmer eine sekundäre Behauptungslast (OLG Hamm, Beschl. vom 26.06.2015, Az.: I-20 U 48/15 – juris).
43Das Bestreiten des Erhalts der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen durch den Kläger erweist sich hier aber als unerheblich. Der Kläger hat mit der Klageschrift vorgetragen, ihm sei die streitgegenständliche Police übersandt worden. Dass er die Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen bei Antragstellung nicht erhalten hätte, behauptet der Kläger aber schon nicht.
44Soweit der Kläger allein vorbringt, es fehle an einer Angabe der Beklagten zur Antragsbindungsfrist, greift dies hier nicht durch. Der BGH führt in seiner Entscheidung vom 18.07.2018 (BGH, Urt. vom 18.07.2018, Az.: IV ZR 68/17) zwar aus, dass es grundsätzlich auch dann zur Anwendung des Policenmodells kommt, wenn einzelne Informationen bei Antragstellung dem Versicherungsnehmer nicht erteilt worden sind, da es der Versicherer andernfalls in der Hand hätte, bestimmte Informationen zunächst nicht zu übergeben, mit der Belehrung über das Rücktrittsrecht die Rücktrittsfrist auszulösen und nach deren Ablauf eine Bindung an den Vertrag zu schaffen.
45Nach der Rechtsprechung des BGH gehöre zu den relevanten Einzelinformationen auch die geforderte Angabe zur Antragsbindungsfrist, die insbesondere auch die mangels vertraglicher Vereinbarung geltende gesetzliche Antragsbindungsrist nach § 147 Abs. 2 BGB erfasse. Dem Versicherungsnehmer werde durch diese Angabe der zeitliche Rahmen, in dem der Vertrag durch Annahme seines Antrags seitens des Versicherers zustande kommen konnte, aufgezeigt. Er könne dann abschätzen, ab wann er nicht mehr mit einer Annahme zu rechnen brauche und sich ggf. an andere Anbieter wenden (vgl. dazu BGH, a.a.O.; BGH, Urteil vom 29.11.2023, IV ZR 177/22, BeckRS 2023, 38730).
46Nach § 147 Abs. 2 BGB kann der einem Abwesenden gemachte Antrag bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Bei einer nicht rechtzeitigen Annahme erlischt der Antrag, § 146 BGB. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsteller aber gem. § 145 BGB grundsätzlich an seinen Antrag gebunden, sofern er die Gebundenheit nicht ausgeschlossen hat.
47Hier hat die Beklagte in den Verbraucherinformationen auf Seite 15 im Abschnitt IV. unter Ziff. 2 („Vertragsgrundlagen, anwendbares Recht“) jedenfalls hinreichend darauf hingewiesen, dass vorliegend keine Antragsbindungsfrist galt.
48Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich weder aus dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Abschnitts 1 Nr. 1 lit. f) Teil D der Anlage zu § 10a VAG a.F. ergibt, dass eine Antragsbindungsfrist zwingend vorzusehen wäre. Eine konkrete Frist mit Hinweis auf § 147 Abs. 2 BGB war danach nicht erforderlich, da die Vorschrift des § 147 Abs. 2 BGB dispositiv ist (vgl. MüKo, § 147 BGB, Rn. 34 mwN). Der Ausschluss der Bindungswirkung hat auch nicht zur Folge, dass kein echter Antrag mehr vorliegen würde. Auch ein nicht bindendes Angebot ist ein vollwertiges Angebot. Der Angebotsempfänger trägt dabei aber das Risiko, dass der Antragende sein Angebot widerruft (vgl. hierzu LG Osnabrück, Urteil vom 19.12.2023, Az. 9 O 397/23, Anlage B7, Bl. 243 ff. d. A.).
492.
50Da die im Antragsformular enthaltene Belehrung des Klägers über sein Rücktrittsrecht formell ordnungsgemäß ist (a.) und auch den inhaltlichen Anforderungen des § 8 Abs. 5 S. 2 VVG a.F. genügt (b.), wurde die 14-tägige Frist mit der Folge in Gang gesetzt, dass der erst im Jahre 2023 erklärte Rücktritt bzw. der gem. §§ 133, 157 BGB als Rücktritt auszulegende Widerspruch verfristet ist.
51a)
52§ 8 Abs. 5 VVG in der vom 29.07.1994 bis zum 07.12.2004 gültigen Fassung lautet wie folgt:
53„Bei der Lebensversicherung kann der Versicherungsnehmer innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen nach Abschluß des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Unterbleibt die Belehrung, so erlischt das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie. Die Sätze 1 bis 4 finden keine Anwendung auf Versicherungsverhältnisse bei Pensionskassen, die auf arbeitsvertraglichen Regelungen beruhen.“
54§ 8 Abs. 5 VVG a.F. verlangt demnach eine Belehrung über das Rücktrittsrecht, ohne näher zu beschreiben, welche Form und welchen Inhalt die Belehrung haben muss. Erforderlich ist aber, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, VersR 2015, 224).
55An einer ausreichenden drucktechnischen Hervorhebung kann es dabei z.B. fehlen, wenn die Belehrung inmitten eines Textblocks abgedruckt ist, der weitere Informationen, etwa über die Ermächtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, zur Datenverarbeitung und zum Widerspruch in der Unfallversicherung, enthält, und der Hinweis auf das Rücktrittsrecht innerhalb des Textblocks in keiner Weise drucktechnisch hervorgehoben wird (so im Fall BGH, VersR 2015, 224).
56Gemessen an diesen Maßstäben ist die hiesige Rücktrittsbelehrung nicht zu beanstanden.
57Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot vor.
58Die Belehrung befindet sich auf dem nur zwei Seiten umfassenden Antragsformular unmittelbar über der Unterschriftenzeile in einer gesonderten Abkastung und ist in Fettdruck in größerer Schriftgröße als der übrige Text des Antragsformulars überschrieben.
59Die gesamte Gestaltung der Belehrung sowie auch ihre Stellung unmittelbar oberhalb der zu leistenden Unterschrift des Versicherungsnehmers sind ausreichend, um den Versicherungsnehmer hierauf aufmerksam zu machen und das notwendige Wissen um das Rücktrittsrecht zu vermitteln. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird jedenfalls deshalb auf die Belehrung stoßen, weil er kurz darauf nachfolgend zur Unterschriftsleistung veranlasst wird.
60Bei der vorliegenden Gestaltung der Rücktrittsbelehrung ist es daher dem Versicherungsnehmer selbst zur Last zu legen, wenn er das Dokument ungeprüft mit Unterschriften versieht und die Rücktrittsbelehrung somit nicht wahrnimmt (vgl. zum Ganzen: OLG Brandenburg, Urt. vom 05.11.2014, Az.: 11 U 85/13, Bl. 92 ff. d.A.; Thüringer Oberlandesgericht, Az.: 4 U 462/18, Bl. 125 ff. d.A., LG Osnabrück, Urt. vom 21.12.2018, Az.: 9 O 1667/18, Bl. 136 ff. d.A.; LG Bochum, Az.: Az.: 4 O 149/19, Bl. 142 ff. d.A.).
61Der Kläger hat die Rücktrittsbelehrung schließlich auch, wie es § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F. verlangt, durch Unterschrift bestätigt.
62Da dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a. F. nicht zu entnehmen ist, dass die Rücktrittsbelehrung durch eine gesonderte Unterschrift zu bestätigen ist, reicht die Unterschrift unter dem Antrag, in dem die Belehrung enthalten ist, hierzu aus (vgl. OLG Köln, Urt. vom 14.08.2015, Az.: 20 U 71/15).
63b)
64Die Rücktrittsbelehrung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
65aa)
66Die Belehrung weist zutreffend darauf hin, dass die Rücktrittsfrist „nach Abschluss der Fondspolice" beginnt und führt in Satz zwei zudem aus, dass die Frist mit dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages beginnt.
67Eine nähere Erläuterung, dass der Vertrag in dem Zeitpunkt abgeschlossen war, in dem der Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer zugeht – hierauf wird im streitgegenständlichen durch die Bezugnahme auf § 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Fondspolice sogar hingewiesen –, war nicht erforderlich. Denn die Beklagte als Versicherer war nicht gehalten, dem Versicherungsnehmer die Anforderungen an das Rücktrittsrecht über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erklären (vgl. BGH, Urt. vom 17.10.2018, Az.: IV ZR 106/17 –, juris).
68bb)
69Einer Belehrung über die Form des Rücktritts bedarf es – anders als im Fall des Widerspruchs nach § 5a VVG a.F. – ebenfalls nicht, da der Gesetzeswortlaut ebenfalls nur die Formulierung „zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung“ verwendet. Der BGH hat insoweit zu § 8 Abs. 5 VVG a.F. klargestellt, dass die Belehrung inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht der Verbraucher eindeutig sein muss; sie muss ferner so gestaltet sein, dass sie dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (vgl. BGH, VersR 2015, 224, so auch OLG Köln, Urt. vom 22.12.2015, Az.: 20 U 146/15; OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2014, Az.: 20 U 73/14-juris).
70Diesen Anforderungen wird die vorliegende Belehrung gerecht.
71Die Belehrung entspricht den inhaltlichen Anforderungen von § 8 Abs. 5 VV a.F.; der Belehrungstext orientiert sich am Gesetzeswortlaut. Eines Hinweises in der Belehrung über die Form bedarf es nicht, da mehr als die wörtliche Übernahme des Gesetzeswortlauts von der Beklagten nicht verlangt werden kann (so auch OLG Dresden, Urt. vom 26.01.2016, Az.: 4 U 288/15; OLG Hamm, Beschl. vom 24.10.2014, Az.: 20 U 73/14). Denn es ist nicht Sache des Versicherers, eine unklare gesetzliche Bestimmung in der Belehrung auszulegen, zumal dieser sonst Gefahr liefe, bei unzutreffender Auslegung eine sachlich falsche Belehrung zu erteilen (vgl. OLG München, Beschl. vom 15.09.2015, Az.: 25 U 1836/15; so auch BGH, Beschluss vom 17.05.2017, Az.: IV ZR 501/15).
72cc)
73Der Versicherungsnehmer wird hier auch nicht dadurch verwirrt, dass hier die Rücktrittsbelehrung über einer Belehrung über ein Widerrufsrecht platziert ist. Denn die Widerrufsbelehrung betrifft ausweislich ihres ausdrücklichen Wortlautes die abgeschlossene Zusatzversicherung und nicht die fondsgebundene Lebensversicherung.
743.
75Darüber hinaus ist der vom Kläger mit der Erklärung des Widerspruchs bzw. Rücktritts verfolgte Zweck als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, da er ersichtlich allein aufgrund finanzieller Interessen erfolgte und auf eine bloße Renditeerhöhung nach langjähriger Vertragsdurchführung abzielt. Denn dieser verwendet das Instrument eines „ewigen“ Widerrufsrechts ausschließlich dafür, um sich nach sehr langem Abwarten – vorliegend nach 16 Jahren –über das nationale Bereicherungsrecht nunmehr eine erheblich höhere Verzinsung bzw. Rendite – nun ohne Risiko – zu erreichen.
76Die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens verstößt auch nicht gegen die Grundsätze des Unionsrechts. Die maßgeblichen europarechtlichen Vorgaben – insbesondere Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619 i.V.m. Art. 31 der Richtlinie 92/96, Art. 35 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83 i.V.m. Art. 185 Abs. 1, Art. 186 – erfordern nicht bei jedem Belehrungsfehler ein ewiges Rücktritts- oder Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers, sondern ermöglichen die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung im Einzelfall.
77Der Begründung der Entscheidung des EuGH vom 19.12.2019 lässt sich nämlich entnehmen, dass es unverhältnismäßig wäre, es einem Versicherungsnehmer, dem durch die Belehrung, auch wenn diese fehlerhaft ist, nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Lösungsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, zu ermöglichen, sich von einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen. Die Einräumung des Rücktritts- und Widerspruchsrechts erfolgt nämlich, damit sich der Versicherungsnehmer von einem Vertrag lösen kann, der seinen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Bedürfnissen nicht entspricht. Sinn und Zweck ist es hingegen nicht, dem Versicherungsnehmer ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht zu erhalten, um ihm eine höhere Rendite zu ermöglichen oder auf die Differenz der effektiven Rendite des Vertrages und den vom Versicherer gezogenen Nutzungen zu spekulieren (vgl. hierzu EuGH, Urt. vom 19.12.2019, C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18 – Rust-Hackner – juris).
78Letzteres ist hier aber der Fall.
79Der erklärte Widerspruch diente hier nicht dazu, die Wahlfreiheit des Klägers als Versicherungsnehmer zu schützen, sondern ersichtlich dazu, ihm erhebliche Vorteile aus dem verspäteten Rücktritt zu Lasten der Beklagten und insbesondere der Versichertengemeinschaft zu ermöglichen. Eine solche Zielsetzung unter Berufung auf die auf einen Schutz des Versicherungsnehmers vor übereilten Vertragsabschlüssen ausgerichtete gesetzliche Regelung erreichen zu können, entspricht nicht dem Zweck des Gesetzes und ist nicht schutzwürdig.
804.
81Auch ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht vorliegend mangels Hauptanspruchs nicht.
82II.
83Mangels Hauptanspruchs hat der Kläger gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen.
84III.
85Da weder der Schriftsatz der Beklagten vom 25.01.2024 noch der letzte Schriftsatz der Klägerseite vom 24.01.2024 entscheidungserhebliches neues tatsächliches Vorbringen, sondern lediglich Rechtsausführungen enthalten, bedurfte es keiner Einräumung der beantragten Stellungnahmefristen zugunsten des Klägers und der Beklagten.
86IV.
87Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
88Der Streitwert wird auf 11.437,90 € festgesetzt.