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Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger macht gegen die Beklagte Versicherungsleistungen aus einer bei dieser bestehenden Kaskoversicherung wegen eines behaupteten Vandalismusschadens geltend.
3Der Kläger unterhält bei der Beklagten zur Versicherungsschein-Nr. 300029#####-# für das Fahrzeug BMW 5er 535d Touring mit dem amtl. Kennzeichen (Kennzeichen entfernt) eine Vollkaskoversicherung mit vereinbarter Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 €.
4Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung der Beklagten (im Folgenden: AKB) (vgl. Anlage, K4, Bl. 25 ff. d. A.) zugrunde.
5Der Kläger war seit dem 29.01.2021 (bis zum 03.01.2024) Halter des Fahrzeugs. Seither ist seine Ehefrau E. beim KBA als Halterin eingetragen.
6Als frühere Halterin des Fahrzeugs (vor dem Kläger) ist beim KBA Frau M. vermerkt. Bei der Hauptuntersuchung am 24.08.2020 wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 297.105 km auf (KBA-Auskunft vom 12.01.2024, Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 22.01.2024, Bl. 282 ff.).
7Für das Fahrzeug unterhielt der Kläger vom 29.01.2021 bis zum 04.06.2021 eine Kfz-Versicherung bei G.-Versicherung. Anschließend war das Fahrzeug bis zum 18.06.2021 bei der F.-Versicherung versichert, seit dem 18.06.2021 bestand Versicherungsschutz bei der Beklagten.
8Im März 2021 meldete der Kläger seiner damaligen Kaskoversicherung (G.-Versicherung) einen am Fahrzeug eingetretenen Vandalismusschaden, der vom Versicherer entschädigt wurde.
9In dem vom G.-Versicherung eingeholten Gutachten vom 18.03.2021 ist eine abgelesene Laufleistung von 202.768 km vermerkt, die Netto-Reparaturkosten sind mit 5.615,48 € angegeben. Im Gutachten heißt es u.a. „Nach Angaben des Versicherungsnehmers wurde das geparkt abgestellte Fahrzeug durch Unbekannte mut- und böswillig beschädigt / verkratzt.“
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens und der vom Sachverständigen gefertigten Fotos wird auf die Anlage B 4 zum Schriftsatz der Beklagtenseite vom 20.12.2023 verwiesen (Bl. 194 – 268 d.A.).
11Bei der weiteren Hauptuntersuchung am 29.08.2022 betrug der abgelesene Tachostand 243.584 km.
12Am 17.01.2023 stellte der Kläger Strafanzeige gegen Unbekannt und gab dazu an, dass er sein Fahrzeug rundherum verkratzt vorgefunden habe. Er meldete dies der Beklagten, die ihm ein Formular „Schadenanzeige Vollkasko“ übersandte (Bl. 272 – 275 d.A.). Bei Ausfüllen des Formulars (Bl. 269 – 271 d.A.) ließ der Kläger die Frage nach unreparierten Vorschäden unbeantwortet, den Kilometerstand gab er mit ca. 260.000 km an. Zu den Schäden überreichte der Kläger Lichtbilder (Anlage B 1, Bl. 155 -157 d.A.).
13Die Beklagte holte ein Gutachten der Firma B. vom 20.01.2023 ein (Anlage B 2, Bl. 159 – 190 d.A), in dem es u.a. heißt:
14„Im Rahmen der Besichtigung konnte der VN, Herr P., keinen Nachweis über die sach- und fachgerechte Instandsetzung der Beschädigungen aus dem Jahr 2021 vorweisen.
15Aus Sachverständigensicht ist keine weitere Beschädigung im Sinne der Vollkasko AKB am VN-Fahrzeug eingetreten“.
16Der Kläger holte eine „Gutachterliche Kurzfeststellung“ des Sachverständigenbüros A. vom 10.08.2023 ein (vgl. Anlage K4, Bl. 356 ff. d. A.), in dem der Wiederbeschaffungswert mit 12.900,00 € brutto (differenzbesteuert) und der Restwert mit 3.200,00 € brutto angegeben sind.
17Die Differenz (abzüglich der Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 €) macht der Kläger nunmehr mit der Klage geltend.
18Zuvor hatte der Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 02.02.2023 zur Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 10.418,22 € bis zum 22.02.2023 aufgefordert. In diesem Schreiben (vgl. Anlage K5, Bl. 80 ff. d. A.) heißt es u.a.:
19 20Danach lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 06.02.2023 eine Erbringung von Versicherungsleistungen ab.
21Der Kläger behauptet, er sei Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs, er habe dieses nämlich Ende Januar 2021 in Frankfurt a.M. erworben.
22Der Kläger behauptet, am Samstag, den 14.01.2023 habe er das streitgegenständliche Fahrzeug gegen 12:00 Uhr auf dem von ihm – als solches unstreitig – angemieteten Stellplatz in der 5. Etage des U.-Parkhauses in C abgestellt. Am Montag, den 16.01.2023 sei er gegen 15 Uhr wieder zu seinem Fahrzeug gegangen. Im dunklen Parkhaus sei ihm dabei zunächst nichts aufgefallen. Als er unmittelbar im Anschluss mit dem Fahrzeug bei einer Waschstraße gewesen sei, habe er wahrgenommen, dass sein Fahrzeug unterhalb der Scheiben rundherum verkratzt gewesen sei (vgl. Fotos, Anlage K2, Bl. 340 ff. d. A.). Es handle sich dabei um mut- oder böswillige Handlungen eines Unbekannten.
23Der Kläger behauptet, die zur Beseitigung des streitgegenständlichen Schadens erforderlichen Reparaturkosten beliefen sich auf 10.418,22 € (vgl. Kostenvoranschlag vom 24.01.2023, Anlage K3, Bl. 347 ff. d. A.).
24Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs betrage 12.900,00 € und der Restwert belaufe sich auf 3.200,00 € (vgl. Anlage K4, Bl. 356 ff. d. A.).
25Er meint, ihm stehe unter Berücksichtigung der nach A.2.5.3.1 b) AKB vereinbarten Obergrenze bei der fiktiven Abrechnung durch den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert eine Versicherungsleistung in Höhe von 9.700,00 € abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 € zu.
26Der Kläger behauptet, mit einer vermeintlichen Veränderung des Kilometerstandes habe er nichts zu tun. Er habe das Fahrzeug Ende Januar 2021 in Frankfurt a.M. erworben. Damals sei die Laufleistung mit 198.000 km angegeben und entsprechend auch im Kombiinstrument angezeigt worden.
27Der Kläger behauptet, Altschäden am Fahrzeug seien im Sommer 2022 repariert worden. Dies sei aus Kostengründen in Polen erfolgt. Unterlagen hierzu gebe es keine.
28Er hat mit der Klage zunächst behauptet, er mache nur neue, auf dem Vandalismusschaden von Januar 2023 beruhende Schäden geltend.
29Daher habe er in der Schadenanzeige zu Altschäden auch keine Angaben gemacht.
30Mit Schriftsatz vom 24.05.2024 stellt der Kläger nunmehr unstreitig, dass der Schaden am Stoßfänger vorne rechts aus März 2021 nicht behoben worden sei.
31Er behauptet hierzu, dieser Schaden sei aus Kostengründen nicht repariert worden.
32Im Übrigen seien die Schäden allerdings vollumfänglich repariert worden.
33Aus dem Abgleich der von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten ergebe sich jedenfalls, dass es sich um unterschiedliche Vandalismusschäden handle, da sich aus dem Gutachten zum Vandalismusschaden ergebe, dass auch Eindellungen und Schäden an den Leuchten vorgelegen hätten, die bei dem nun streitgegenständlichen Versicherungsfall nicht mehr vorlägen.
34Der Kläger beantragt,
35die Beklage zu verurteilen, an ihn 9.400,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
36Die Beklagte beantragt,
37die Klage abzuweisen.
38Sie behauptet, es liege nicht das für einen Vandalismusschaden typische Schadensbild vor. Es handle sich hier vielmehr um an der Oberfläche verbleibende Kratzspuren, die nicht wahllos, sondern augenscheinlich gezielt durch ein Rundherumgehen am Fahrzeug angebracht worden seien. Dabei sei so vorgegangen worden, dass nur einzelne unterschiedliche Komponenten des Fahrzeugs immer jeweils mit ein oder zwei Lackkratzern so beschädigt worden seien, dass die Grundlage für eine gewinnbringend fiktive Abrechnung geschaffen worden sei, aber tatsächlich auch eine einfache und günstigere Instandsetzung möglich sei. Erhebliche Blechschäden, Einbuchtungen oder massive Vandalismusschäden mit einem Zerschlagen oder willkürlich auffallenden Zerkratzen lägen gerade nicht vor (vgl. Fotos Anlage B1, Bl. 155 ff. d. A.; Anlage B2, Bl. 159 ff. d. A.). Es sei planmäßig um das Fahrzeug herumgegangen worden und bei vorsichtigem Vorgehen die Oberfläche des Fahrzeugs nur punktuell beschädigt worden. Die Beklagte nimmt für ein planmäßiges Vorgehen insoweit Bezug auf ein als Anlage B3 (vgl. Bl. 191 ff. d. A.) vorgelegtes Privatgutachten der Dekra aus einem anderen Fall.
39Die Beklagte behauptet, es ergebe sich eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung des behaupteten Vandalismusschadens bzw. dafür, dass der Schaden durch eine berechtigte Person bzw. sogar vorsätzlich herbeigeführt worden sei.
40Hierfür würden folgende Indizien sprechen:
41 Zum einen spreche für eine Vortäuschung das für einen Vandalismusschaden atypische und auf eine gewinnbringende Abrechnung abzielende Schadensbild (s.o.)
42 Weiter würden im Wesentlichen Schäden geltend gemacht, die auch schon Gegenstand eines bereits zuvor geltend gemachten Vandalismusschadens gewesen seien. Insoweit nimmt die Beklagte Bezug auf ein Privatgutachten des Sachverständigen R., das unter dem 16.03.2021 erstattet wurde (vgl. Anlage B4, Bl. 194 ff. d. A.). Aus dem zum hiesigen Versicherungsfall eingeholten Privatgutachten der Fa. B. vom 20.01.2023 (vgl. Anlage B2, Bl. 159 ff. d. A.) sowie der Stellungnahme vom 16.04.2024 (vgl. Anlage B7, Bl. 483 ff. d. A.) ergebe sich, dass die Schäden im Wesentlichen deckungsgleich seien. Es gehe um fortbestehende Altschäden mit genau dem gleichen Schadensverlauf und Spurzeichnung. Es fehle mithin an einer wirtschaftlichen Schadensvertiefung.
43 Zudem habe der Kläger versucht, die Beklagte arglistig über die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu täuschen, indem er in der Schadensanzeige angegeben habe, die Laufleistung habe im behaupteten Schadenszeitpunkt gerundet 260.000 km betragen, während das klägerische Fahrzeug - als solches unstreitig - bei einer Hauptuntersuchung vom 24.08.2020 bereits eine Laufleistung von 297.105 km gehabt habe. Als der Kläger das Fahrzeug im März 2021 dem Gutachter bezüglich des Vorschadens vorgeführt habe, habe das Fahrzeug - als solches unstreitig - eine Laufleistung von 202.768 km ausgewiesen, sodass es sich schon zu diesem Zeitpunkt um eine Kilometermanipulation gehandelt haben müsse.
44Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei jedenfalls leistungsfrei, da der Kläger versucht habe, die Beklagte arglistig zu täuschen.
45Der Kläger habe der Beklagten zum einen die Schadensspuren aus dem bereits im März 2021 geltend gemachten Vandalismusschaden als nochmaligen neuen Vandalismusschaden dargestellt, um so eine doppelte gewinnbringende fiktive Abrechnung vorzunehmen.
46Zudem habe er seine Obliegenheiten auch dadurch arglistig verletzt, dass er in der Schadenanzeige betreffend den hier streitgegenständlichen Versicherungsfall keine Angaben zu Vorschäden gemacht habe.
47Schließlich habe der Kläger den Kilometerstand manipuliert bzw. versucht, die Beklagte über die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu täuschen.
48Die Beklagte behauptet, es fehle wegen des vorliegenden Vorschadens jedenfalls an einer Schadensvertiefung, da im Wesentlichen die unreparierten Altschäden aus März 2021 erneut geltend gemacht würden. Soweit der Kläger behaupte, die Altschäden seien repariert, fehle es an Angaben dazu, welche Reparaturmaßnahmen mit welcher Qualität vorgenommen worden seien.
49Jedenfalls beeinflusse der Vandalismusschaden aus März 2021 mit Reparaturkosten in Höhe von rund 6.000,00 € den Wiederbeschaffungswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs, was in dem von dem Kläger hierzu eingeholten Kurzgutachten nicht berücksichtigt werde.
50Die Beklagte meint, die Klage sei auch schon deshalb abzuweisen, da keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für einen Sachverständigen bezüglich der für den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ebenfalls maßgeblichen Laufleistung bestünden, weil hier der tatsächliche Kilometerstand zum Zeitpunkt des behaupteten Schadensfalls unklar sei und nur bekannt sei, dass das Fahrzeug zu einem früheren Zeitpunkt bereits einen deutlich höheren Kilometerstand gehabt habe, hier in 2020 nämlich schon gut 300.000 km.
51Schließlich sei auch zu bezweifeln, dass der Kläger Eigentümer des Fahrzeugs sei und dieses nicht vielmehr fremdfinanziert worden sei.
52Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
53Entscheidungsgründe:
54Die zulässige Klage ist unbegründet.
55I.
56Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 9.400,00 € aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vollkaskoversicherungsvertrag i.V.m. A.2.2.2.3 AKB bzw. A.2.2.2.2 AKB.
571.
58Die Beklagte ist gem. E.1.1.3, E. 2.1 AKB i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden, weil der Kläger die ihm gegenüber der Beklagten bestehenden Aufklärungsobliegenheiten durch wahrheitswidrige Falschangaben zur Behebung der unstreitig am Fahrzeug eingetretenen Vorschäden arglistig verletzt hat.
59Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Nach E.1.1.3 AKB bedeutet dies insbesondere, dass der Versicherungsnehmer die Fragen des Versicherers zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten muss. Er hat insbesondere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zur Leistungspflicht der Beklagten wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten.
60Bezogen auf die Behebung von Vorschäden am Fahrzeug liegt indes eine Falschbeantwortung und damit eine Obliegenheitsverletzung vor, die nach Auffassung des Gerichts darauf schließen lässt, dass die Beklagte durch die unzutreffenden Angaben arglistig getäuscht werden sollte, um einerseits eine Prüfung zu erschweren, ob durch den hier streitgegenständlichen Unfall neue Schäden eingetreten sind, und um andererseits ggf. eine höhere Regulierungsleistung zu erzielen.
61Im Einzelnen:
62a)
63Der Kläger hat gegenüber der Beklagten objektiv wahrheitswidrig angegeben, sämtliche Vorschäden seien bereits vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall behoben worden.
64Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.02.2023 behauptet der Kläger, die von dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen vertretene Auffassung, dass es sich bei den hier streitgegenständlichen Schäden um Altschäden handeln würde, sei unzutreffend. Diese Schäden seien bereits im Sommer 2022 fachgerecht beseitigt worden. Die Vorschäden würden sich nicht ansatzweise mit dem nun am Fahrzeug des Klägers vorliegenden Schadensbild decken.
65Dies stellt sich als objektiv unwahr dar. Jedenfalls im Hinblick auf den Schaden am Stoßfänger vorne rechts hat der Kläger im Verfahren mit Schriftsatz vom 24.05.2024 eingeräumt, dass dieser Schaden seinerzeit nicht repariert worden sei.
66Ohne, dass es hierauf entscheidungserheblich noch ankäme, da mit Vorgenanntem bereits eine Falschangabe gegeben ist, hat die Kammer angesichts der von der Beklagten als Anlage B7 (vgl. Bl. 484 ff. d. A.) vorgelegten Lichtbilder, mit denen die Vorschäden den hier streitgegenständlichen Schäden gegenübergestellt werden, jedenfalls auch erhebliche Zweifel daran, dass die Vorschäden tatsächlich im Übrigen sämtlich wie der Kläger – allerdings ohne Vorlage näherer Nachweise, wie z.B. einer Reparaturrechnung – behauptet, vor dem hier streitgegenständlichen Versicherungsfall behoben worden sind.
67Da der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 02.02.2023 – noch während die Beklagte den ihr gemeldeten Versicherungsfall geprüft hat und noch vor der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 06.02.2023 – die Richtigkeit der von dem von der Beklagten beauftragten Gutachter vertretenen Auffassung in Abrede gestellt und ausdrücklich erklärt hat, dass die Vorschäden insgesamt behoben worden seien, führt der Umstand, dass der Beklagten zu diesem Zeitpunkt das von der vormaligen Versicherung zum Vorschaden eingeholte Privatgutachten sowie das von ihr selbst eigens eingeholte Privatgutachten bereits vorgelegen haben, auch nicht zu der Annahme, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufklärungsbedürftig gewesen wäre. Denn der Kläger hat in Kenntnis der Ausführungen des von der Beklagten beauftragten Sachverständigen ausdrücklich erklärt, dass alle (Vor-) Schäden beseitigt worden seien und erst im laufenden Verfahren eingeräumt, dass dies doch nicht vollständig der Fall gewesen sei.
68b)
69Der Kläger hat damit seine Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Schadensfalls durch diese Falschangabe vorsätzlich und arglistig verletzt, was gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m. E.2.1 AKB zur vollständigen Leistungsfreiheit der Beklagten führt.
70Vorsatz des Versicherungsnehmers erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Wissen um das Vorhandensein der Obliegenheit. Eine Absicht, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen, ist nicht erforderlich und bedingter Vorsatz genügt. Vorsatz setzt also voraus, dass der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung (und damit zum einen die Obliegenheit als solche und zum anderen einen Verstoß dagegen) zumindest für möglich hält und dennoch billigend in Kauf nimmt.
71Arglist ist dabei eine qualifizierte Form des Vorsatzes. Sie ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich eine Obliegenheit mit der Absicht verletzt, auf die Entscheidung des Versicherers einzuwirken, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen oder ein Vorgehen des Versicherers zu verhindern, das gerade durch die Obliegenheit gesichert werden soll. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist hierfür nicht erforderlich. Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Beweisschwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen oder vermeiden will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann.
72Arglist kann deshalb auch dann vorliegen, wenn mit der Täuschung an sich berechtigte Ansprüche lediglich schneller oder einfacher durchgesetzt werden sollen (BGH, Urt. vom 16.06.1993, Az.: IV ZR 145/92, VersR 1994, 45; Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 31. Auflage 2021, § 28 Rn. 196 ff.), oder wenn der Versicherungsnehmer lediglich Beweisschwierigkeiten überwinden oder den Versicherer von an sich gebotenen Ermittlungen abhalten will (Armbrüster, in: Prölss/Martin, a.a.O., § 28 Rn. 198 m.w.N.). Denn wenn der Versicherungsnehmer weiß, dass er den erkennbaren Informationsbedarf des Versicherers nicht befriedigt hat, wird der Grund dafür meistens in dem bewussten und gewollten Versuch einer dem Versicherungsnehmer günstigen Beeinflussung der Regulierung liegen (Rixecker, a.a.O., § 28 Rdn. 105). Das ist in aller Regel der Fall, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer über den Wert der versicherten und zu entschädigenden Sache oder über diesen Wert bestimmende Faktoren in erheblichem Maße zu täuschen versucht (OLG Saarbrücken, Urt. vom 30.04.2008, Az.: 5 U 614/07-58, VersR 2008, 1643).
73Beim Vorliegen von objektiven Falschangaben trifft den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast: Er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist. Kann er das nicht, ist von Vorsatz auszugehen. Der Versicherungsnehmer hat seiner sekundären Darlegungslast genügt, wenn sein Vortrag in sich stimmig und nachvollziehbar ist. Zweifel daran sind unschädlich, da die sekundäre Darlegungslast nicht zu einer Umkehr der Beweislast führt. Sind die Angaben in sich stimmig, verbleibt es vielmehr bei der grundsätzlichen Beweislastverteilung: Es ist dann also Sache des Versicherers, die in sich stimmigen Darlegungen des Versicherungsnehmers zu widerlegen (vgl. BeckOK, § 28 VVG, Rn. 129).
74Geht es um solche Umstände, wie insbesondere die Laufleistung oder die Vorschäden eines kaskoversicherten Fahrzeugs, wird alles für Arglist sprechen (Rixecker, in: Langheid/Rixecker, Versicherungsvertragsgesetz, 7. Aufl. 202, § 28 Rn. 105).
75So liegt es hier.
76Hier hat der Kläger erst im Prozess eingeräumt, dass der Kratzer am Stoßfänger vorne rechts nach dem durch die G.-Versicherung auf fiktiver Basis regulierten Vandalismusschaden vom 14.03.2021 entgegen seiner vorherigen Behauptung nicht bereits repariert worden war.
77Sowohl für die Prüfung des notwendigen Reparaturumfangs als auch für die Prüfung des Wiederbeschaffungswertes war die Frage nach Vorschäden aber erkennbar von Bedeutung.
78Die unzutreffende Angabe zur Behebung der erlittenen Vorschäden war somit grundsätzlich geeignet, das Interesse der Beklagten an einer nötigen Sachaufklärung und an einer zutreffenden Ermittlung der Höhe einer Entschädigung ernsthaft zu gefährden und zu beeinträchtigen.
79Dem Kläger ist es vorliegend auch nicht gelungen, nachvollziehbar darzulegen, wie und weshalb es zu den unrichtigen Angaben gekommen ist.
80Soweit er die Auffassung vertritt, der Angabe bzw. Nichtangabe von Vorschäden komme keine Bewandtnis für die Leistungspflicht der Beklagten zu, geht dies, wie bereits erörtert, fehl. Hinzu kommt, dass der Kläger die nunmehr auch nach seinem Vortrag fehlende Reparatur des Vorschadens am Stoßfänger vorne rechts auch erst eingeräumt hat, nachdem die Beklagte mit der Anlage B7 eine Gegenüberstellung der in den jeweiligen Gutachten gefertigten Lichtbilder zum Vorschaden sowie zum hier streitgegenständlichen Schaden vorgelegt hat, nach welcher der Vorschaden am Stoßfänger vorne rechts unschwer und auf den ersten Blick als im Zeitpunkt der Begutachtung zum hier streitgegenständlichen Schaden am 20.01.2023 weiterhin bestehend erkennbar ist.
81Dies lässt für die Kammer ohne vernünftigen Zweifel nur den Rückschluss auf das Vorliegen einer bewussten und erheblichen Falschangabe zu, mit der die Beklagte von einer genaueren Prüfung des Schadens abgehalten und zu einer (ggf. höheren) Regulierungsleistung veranlasst werden sollte.
82Der Umstand, dass die Täuschung nicht erfolgreich gewesen ist und die Beklagte die geltend gemachte Erbringung von Versicherungsleistungen abgelehnt hat, ändert an der anzunehmenden arglistigen Aufklärungsobliegenheitsverletzung nichts. Denn auch ein Versuch des Klägers, der sich dann im Ergebnis nicht ausgewirkt haben muss, ist ausreichend.
83c)
84Auf den Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 VVG kann sich der Kläger bei Arglist nicht berufen.
85d)
86Bei Vorliegen von Arglist ist eine Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG nicht erforderlich.
872.
88Darüber hinaus ist die Klage auch deshalb unbegründet, weil es bereits an substantiierten Vortrag zur sach- und fachgerechten Beseitigung der unstreitig bestehenden Vorschäden fehlt.
89Wenn das Fahrzeug nämlich Vorschäden hatte, welche sich – wie hier - mit dem in Rede stehenden Schadensbereich decken, muss ein Versicherungsnehmer, der von seinem Kaskoversicherer Leistungen wegen eines Unfallschadens begehrt, substantiiert den Verlauf der zu den Vorschäden führenden Unfälle und die hierdurch jeweils eingetretenen Schäden konkret und im Einzelnen benennen und insbesondere auch den Reparaturweg und -umfang des vorgeschädigten Fahrzeugs hinreichend darlegen. Der Versicherungsnehmer trägt die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die früheren Schäden nicht mehr vorhanden waren, und zwar hinsichtlich Art und Umfang der Schäden. Es obliegt insoweit dem Kläger, konkret und im Einzelnen detailliert vorzutragen, inwieweit die Schäden durch welche konkreten Arbeiten und durch den Einsatz welcher Ersatzteile beseitigt worden sind. Eine pauschale Behauptung, die Reparaturen seien gemäß den gutachterlichen Vorgaben erfolgt, liefe dagegen auf eine unzulässige Ausforschung hinaus (vgl. zum Ganzen, OLG Koblenz, Beschl. vom 26.03.2009, Az.: 10 U 1163/08; OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2021, 20 U 194/21). Erst wenn detailliert nachgewiesen wurde, welche technisch abgrenzbaren Vorschäden durch welche Reparaturmaßahmen fachgerecht beseitigt worden sind, besteht Raum für eine Schätzung der Schadenshöhe (OLG Dresden, Urt. vom 16.02.2021, Az.: 4 U 1909/20; OLG Hamm, Beschluss vom 29.10.2021, 20 U 194/21).
90Gemessen an diesen Maßstäben ist der Vortrag des Klägers zur Beseitigung der Vorschäden vorliegend unzureichend.
91Soweit der Kläger behauptet, an dem streitgegenständlichen Fahrzeug seien, bis auf den nunmehr eingeräumten noch bestehenden Vorschaden am Stoßfänger vorne rechts keine Vorschäden mehr vorhanden und diese seien in Polen repariert worden, ist der Vortrag unsubstantiiert.
92Das Vorbringen des Klägers stellt sich insbesondere im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten zu den unstreitigen Vorschäden bzw. dem hier streitgegenständlichen Schaden sowie der als Anlage B7 vorgelegten Gegenüberstellung der Schäden anhand der zu den jeweiligen Privatgutachten gefertigten Lichtbilder als unsubstantiiert dar. Insbesondere hat der Kläger keine näheren Angaben zu Reparaturweg und – umfang gemacht. Er bringt zudem selbst vor, keine Unterlagen zu der behaupteten in Polen durchgeführten Reparaturen vorlegen zu können.
93Einer Beweiserhebung durch Vernehmung der als Zeugin angebotenen Ehefrau des Klägers bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht.
94Es bedurfte insoweit auch weder eines Hinweises der Kammer gem. § 139 ZPO noch war dem Kläger gem. § 139 Abs. 5 ZPO vom Amts wegen eine Stellungnahmefrist einzuräumen.
95Gebotene Hinweise des Gerichts können, insbesondere im Anwaltsprozess, nämlich dann entfallen, wenn die betroffene Partei von der Gegenseite bereits auf die Mängel ihres Vorbringens aufmerksam gemacht wurde (vgl. nur MüKo, § 139 ZPO, Rn. 14 mwN).
96Hier hat die Beklagte auf die im Hinblick auf die Schadenshöhe bestehende Problematik der Abgrenzung der Vorschäden bereits mit der Klageerwiderung umfassend hingewiesen.
973.
98Schließlich fehlt es auch an schlüssigem Vorbringen des Klägers zur Laufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Versicherungsfalls und damit insoweit an ausreichenden Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, weil die tatsächliche Laufleistung des Kfz – welche zu den wertbildenden Faktoren für den im Rahmen der Leistungsobergrenze bei der fiktiven Abrechnung nach A.2.5.3.1 AKB maßgeblichen Wiederbeschaffungswert, dessen Darlegung dem Kläger obliegt, zählt – völlig unklar ist (vgl. dazu OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 15.12.2022, 7 U 74/22, NJOZ 2023, 809 zum Verkehrsrecht).
99Denn aus dem von der Beklagten vorgelegten Auszug aus der Akte des KBA (vgl. Anlage, Bl. 282 ff. d. A.) ergibt sich, dass bereits am 24.08.2020 eine Laufleistung von 297.105 km gegeben war, während bei der Hauptuntersuchung vom 29.08.2022 nur noch 243.584 km vermerkt worden sind und nach dem Privatgutachten vom 20.01.2023 – sowie auch vom Kläger in der gegenüber der Beklagten gemachten Schadensanzeige - nur rund 260.000 km angegeben sind.
100Ob insoweit – wie die Beklagte behauptet – auch eine Leistungsfreiheit der Beklagten wegen einer Manipulation des Kilometerstandes bzw. einer arglistigen Aufklärungsobliegenheitsverletzung betreffend die Laufleistung des streitgegenständlichen Pkws vorliegt, bedurfte dabei keiner Entscheidung der Kammer.
101Denn jedenfalls hat der Kläger insoweit keine zweifelsfreien Angaben zur Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Zeitpunkt des Versicherungsfalls gemacht.
102II.
103Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen.
104III.
105Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
106Der Streitwert wird auf 9.400,00 EUR festgesetzt.