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Die Angeklagten T. und P. sind des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig.
Der Angeklagte T. wird zu einer
Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten
verurteilt.
Der Angeklagte P. wird zu einer
Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten
verurteilt.
Die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 277,- € wird angeordnet, wobei die Angeklagten gesamtschuldnerisch haften.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Nebenklägers.
Angewendete Vorschriften: §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 4, 249 Abs. 1, 25 Abs. 2, 52, 73, 73c StGB
Gründe:
2I.
31.
4Der zum Tatzeitpunkt 23 Jahre alte Angeklagte T. ging zunächst in …auf die U.-Grundschule und besuchte nach der Schule eine Tagesgruppe. Zu dieser Zeit lebte er mit seinen leiblichen Eltern in E.. Nachdem sich sein Vater von der Mutter getrennt hatte – der Angeklagte war damals etwa neun Jahre alt –, zog er mit dem Vater nach G.. Er besuchte eine Förderschule, die A.schule in S., und später die X.Gesamtschule in G.. Dort erreichte er mit 18 Jahren nach der Jahrgangsstufe 10 den Hauptschulabschluss. Der Vater heiratete erneut, aus der Ehe entstammt ein heute …jähriger Stiefbruder des Angeklagten; daneben hat seine Stiefmutter auch noch einen Sohn aus anderer Beziehung.
5Nach dem Hauptschulabschluss besuchte der Angeklagte T. in G. ein Berufskolleg mit dem Ziel, einen Realschulabschluss zu erlangen, was ihm jedoch aufgrund unzureichender Noten nicht gelang; er verließ das Berufskolleg nach etwas weniger als einem Jahr im Jahr 2018. Er arbeitete anschließend zunächst in Form eines Praktikums, dann in Form einer Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Fa. J. in O., bei der auch sein Vater als …arbeitete.
6Mit Urteil vom 28.11.2018 wurde er vom Amtsgericht Warendorf zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, die am dem N01.05.2019 rechtskräftig wurde. Im August 2019 wurde er aufgegriffen und der Haft zugeführt, in der er erneut eine Ausbildung zum Maler und Lackierer begann. Mit Urteil vom 18.12.2019 wurde das vorgenannte Urteil einbezogen in ein weiteres Urteil des Amtsgerichts G., das auf zwei Jahre und neun Monate Einheitsjugendstrafe lautete. Der Angeklagte wurde schließlich am 00.00.2021 auf Bewährung entlassen, ohne jedoch die Ausbildung zum Maler und Lackierer abgeschlossen zu haben.
7Anschließend begann er – wie ihm im Rahmen einer Bewährungsweisung auch auferlegt worden war – die Ausbildung zum Maler und Lackierer bei der Fa. J. fortzusetzen, was seitens des Arbeitgebers jedoch nach etwa zwei Monaten wegen Unzuverlässigkeit des Angeklagten beendet wurde. Anschließend, also etwa zwischen September und November 2021, ging der Angeklagte T. keinem geregelten Tagesablauf nach und er unterbrach auch den Kontakt zur Bewährungshilfe; nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Bewährungshilfe habe er in dieser Zeit einen „Zusammenbruch“ erlitten, welcher aber nicht durch Drogenkonsum bedingt gewesen sei.
8In der Folgezeit begann der Angeklagte eine weitere Tätigkeit bei der Fa. K., die indes ebenfalls bereits nach wenigen Wochen wegen Unzuverlässigkeit des Angeklagten seitens des Arbeitgebers beendet wurde. Am 00./00.04.2022 beging der Angeklagte die unter II. festgestellte Tat, am 00.06.2022 wurde er in dieser Sache festgenommen.
9Der Angeklagte begann im Alter von 18 Jahren, gelegentlich Alkohol und Marihuana zu konsumieren, später – vor der Verurteilung vom 28.11.2018 – trat an Wochenenden Amphetaminkonsum hinzu, welchen er auf 1-2 g pro Konsumgelegenheit schätzt. Etwa drei Monate nach dem erstmaligen Haftende, also im Oktober/November 2021, begann er abermals mit Marihuana- und Amphetaminkonsum, wobei er nach seinen Angaben täglich etwa 1 g Marihuana und wiederum ca. 1,5 g Amphetamine pro Wochenende konsumierte. Den Amphetaminkonsum stoppte er aus eigenem Antrieb im Januar 2022, ohne dass es zu Entzugserscheinungen kam. Seit der Inhaftierung in dieser Sache konsumiert er auch kein Marihuana mehr, was in den ersten Tagen zu leichten Entzugserscheinungen (schwitzigen Händen) bei ihm führte.
10Der Angeklagte T. ist bislang wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten:
11Am 16.08.2014 stellte das Amtsgericht Warendorf ein Verfahren wegen einer am 00.01.2014 begangenen Sachbeschädigung nach § 47 JGG ein, nachdem der Angeklagte auferlegte Arbeitsstunden abgeleistet hatte (Az. 70 Ds 83 Js 631/14-45/14). Am 19.12.2016 stellte das Amtsgericht Warendorf ein Verfahren wegen einer am 00.09.2016 begangenen versuchten Nötigung nach § 47 JGG ein (Az. 70 Ds 83 Js 3751/16-175/16).
12Am N01.02.2017 erging gegen ihn durch Urteil des Amtsgerichts Münster wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung – Datum der (letzten) Tat war der 00.10.2016 – eine richterliche Weisung (Az. 19 Ds 63 Js 3654/16-183/16).
13Mit Urteil vom 11.04.2018 verurteilte ihn das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Warendorf wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchter gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, Bedrohung in Tateinheit mit Beleidung und gemeinschaftlicher Sachbeschädigung; Datum der letzten Tat war der 00.05.2017. Unter Einbeziehung einer nicht zentralregisterpflichtigen Entscheidung wurde er zu einer Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az. 75 Ls 83 Js 1936/18-30/18).
14Mit Urteil vom 28.11.2018 verurteilte ihn das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Warendorf wegen vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen – Datum der letzten Tat war der 00.05.2018 – unter Einbeziehung des Urteils vom 11.04.2018 und einer nicht zentralregisterpflichtigen Entscheidung zu der bereits erwähnten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten (Az. 75 Ls-83 Js 1936/18-30/18). Es folgte, unter Einbeziehung der Urteile vom 11.04.2018 und 28.11.2018 und einer nicht zentralregisterpflichtigen Entscheidung, die Verurteilung vom 18.12.2019 durch das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – G. wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung – Datum der letzten Tat war der 00.08.2019 – zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten (Az. 75 Ls-83 Js 2601/19-51/19). Den versuchten gemeinschaftlichen Diebstahl mit Waffen verübte der Angeklagte gemeinsam mit dem Angeklagten P. und einem weiteren Täter. Die Bewährungszeit war bis zum 26.08.2024 festgesetzt.
152.
16Der zum Tatzeitpunkt ebenfalls 23 Jahre alte Angeklagte P. wuchs zusammen mit Halbgeschwistern bei seiner leiblichen Mutter und seinem Stiefvater auf. Ab dem 13. oder 14. Lebensjahr begann er, regelmäßig Cannabis zu konsumieren, zugleich traten schulische Leistungseinbußen auf. Im Jahr 2016 erlangte er nach der 10. Klasse den Hauptschulabschluss Typ A.
17In der Folgezeit verlor er zweimalig Arbeitsstellen und wurde aus dem familiären Haushalt herausgeworfen. Er kam zunächst bei einer Cousine, dann bei einer Großmutter unter, bis auch diese ihn des Haushalts verwies.
18Am 31.05.2017 verurteilte ihn das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Warendorf wegen gemeinschaftlicher versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen – Datum der letzten Tat war der 00.02.2017 – zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, die zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az. 75 Ls-83 Js 515/17-8/17). Im gleichen Jahr unternahm der Angeklagte eine stationäre Entgiftungsmaßnahme im V.-Hospital Q.. In der Folgezeit wechselten sich Abstinenzphasen mit Phasen regelmäßigen Cannabiskonsums bei dem Angeklagten ab.
19Am 14.11.2018 wurde er unter Einbeziehung des Urteils vom 31.05.2017 durch das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Warendorf wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln (Marihuana; Haschisch) und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Marihuana), Datum der letzten Tat war der 00.03.2018, zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt, die wiederum zur Bewährung ausgesetzt wurde (Az. 75 Ls-83 Js 2058/18-33/18).
20Am 00.08.2019 wurde er in Untersuchungshaft genommen und in der Folge durch das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – G. mit Urteil vom 18.12.2019 unter Einbeziehung der Urteile vom 31.05.2017 und 14.11.2018 wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls mit Waffen (-der zusammen mit dem Angeklagten T. begangenen Tat-), wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Marihuana) in drei Fällen, Diebstahls, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung, versuchter Sachbeschädigung und Beleidigung zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Er blieb in Haft und verbüßte die Strafe vollständig, dies jedoch nur, um eine in der Haft begonnene Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker zu beenden; dies gelang ihm wenige Tage vor der Entlassung aus der Haft am 00.01.2022.
21Nach der Haftentlassung, in deren Anschluss er unter einer bis zum 27.01.2024 laufenden Führungsaufsicht stand, zog er für wenige Tage zu seiner Mutter zurück, ab dem 00.02.2022 lebte er in einer Zweier-WG. Die Mutter verzog in dieser Zeit, zusammen mit weiteren Familienmitgliedern, dauerhaft ins schwedische Y.. Der Angeklagte war in dieser Zeit, einen Monat lang nach seiner Entlassung, bei der Fa. Z. in L. beschäftigt, bevor er mit dem Arbeitgeber einen Auflösungsvertrag schloss; Hintergrund sollen nach seinen Angaben gegenüber dem Führungsaufsichtshelfer Probleme mit Kollegen gewesen sein. Ein Vorstellungstermin im April 2022 bei einem anderen Arbeitgeber verlief erfolglos. Am 00./00.04.2022 beging er die unter II. festgestellte Tat, am 00.06.2022 wurde er in dieser Sache festgenommen.
223.
23Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Warendorf hat zu den Taten der beiden Angeklagten im Urteil vom 18.12.2019, das in der Hauptverhandlung mit folgenden Ausschnitten verlesen wurde, festgestellt:
24„II.
25A
26Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 03.09.2019,
27Aktenzeichen 83 Js 2601/19:
28Nach der durchgeführten Hauptverhandlung steht aufgrund der glaubhaften und
29nachvollziehbaren geständigen Einlassung der Angeklagten P. und M., der Einlassung des Angeklagten T., soweit ihm gefolgt werden konnte, und den Angaben der Zeugen D., W. und B. folgender Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
301.
31Am 00.08.2019 gegen ca. 00.N01 Uhr begaben sich die Angeklagten und der gesondert Verfolgte I. zu dem Vereinsheim der NH. an der FA.-straße …in G., um dort einzubrechen und Stehlenswertes zu entwenden. Sie versuchten mehrfach vergeblich, die rückwärtige Tür mit einem Brecheisen aufzuhebeln. I. sprang und trat zudem mit Anlauf gegen die Tür, konnte diese jedoch lediglich beschädigen, nicht aber öffnen.
32Durch diese Tat haben sich die drei Angeklagte eines Vergehens des gemeinschaftlichen (§ 25 Abs. 2 StGB) versuchten(§§ 22, 23 StGB) Diebstahls mit Waffen gern. §§ 242 Abs. 1, Abs. 2, 244 Abs. 1 Nr. 1 a, schuldig gemacht.
332.
34Der Tatort wurde währenddessen von mehreren Polizeibeamten umstellt. Nachdem der Zugriff erfolgte, flüchteten die Angeklagten. Der Angeklagte T. zog auf der Flucht eine zunächst verdeckt mitgeführte Stahlkette hervor und lief damit auf den Zeugen PHK D. zu, wobei er die Kette vor seinem dem Körper möglicherweise auch über seinem Kopf herumschleuderte, um so sich den Fluchtweg freikämpfen zu können. Erst durch einen Warnschuss und eine Überwältigung durch den Zeugen PK W. konnte das Geschehen beendet werden.
35Durch diese Tat hat sich der Angeklagte T. eines Vergehens des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte gern.§ 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB schuldig gemacht.
36B
37Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 12.08.2019,
38Aktenzeichen 83 Js 2224/19:
39Nach der durchgeführten Hauptverhandlung steht aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren geständigen Einlassung des Angeklagten T. folgender
40Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
411.
42Der Angeklagte T. stieg am 00.06.2019 gegen 20:30 Uhr aus dem von dem Zeugen XT. gesteuerten und an der WV.-straße … in G. geparkten weißen Pkw der Marke XA. aus. Er ging direkt auf den Zeugen MB. zu und schlug diesem mit der rechten Hand gegen das Gesicht, was dem Zeugen Schmerzen bereitete und wodurch sich die Haut an der getroffenen Stelle errötete.
43Durch diese Tat hat sich der Angeklagte T. eines Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht. Der gem. § 230 StGB erforderliche Strafantrag wurde gestellt.
442.
45Nachdem er sich bereits wieder zu dem Pkw begeben hatte, nannte der Angeklagte T. den Zeugen MB. noch „Hurensohn“.
46Durch diese Tat hat sich der Angeklagte T. eines Vergehens der Beleidigung nach § 185 StGB schuldig gemacht. Der gem. § 194 StGB erforderliche Strafantrag wurde gestellt.
47C
48Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 18.07.2019,
49Aktenzeichen 290 Js 545/19:
50Nach der durchgeführten Hauptverhandlung steht aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren geständigen Einlassung des Angeklagten P. folgender
51Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
521.
53Am 00.12.2018 verkaufte der Angeklagte P. dem gesondert Verfolgten JZ. nach vorheriger WhatsApp-Bestellung sechs Gramm Marihuana für 50,00 Euro.
542.
55Am 00.01.2019 übernahm der gesondert Verfolgte JZ., ebenfalls nach vorheriger WhatsApp-Bestellung, von dem Angeklagte P. gegen ca. 15:00 Uhr an einem unbekannten Tatort in G. drei Gramm Marihuana gegen entsprechendes Kaufgeld.
563.
57Nach vorhergehender WhatsApp-Bestellung verkaufte der Angeklagte P. dem Zeugen JZ. am 00.01.2019 für 35,00 Euro acht Gramm Marihuana.
58Durch diese Taten hat sich der Angeklagte P. eines Vergehens des
59unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Marihuana) in drei Fällen gem. §§ 1, 3 Abs. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG schuldig gemacht.
60D
61Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 02.09.2019,
62Aktenzeichen 83 Js 2338/19:
63Nach der durchgeführten Hauptverhandlung steht aufgrund der glaubhaften und
64nachvollziehbaren geständigen Einlassung des Angeklagten P. folgender
65Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
661.
67Am 00.07.2019 in der Zeit zwischen 7:00 Uhr und 15:45 Uhr begab sich der Angeklagte P. mittels eines zuvor entwenndeten Haustürschlüssels in das Einfamilienhaus des Zeugen FS. im GD.-straße … in G.. Dort entwendete er aus dem Büro im Keller eine Geldkassette mit einem Inhalt von ca. 900,00 Euro Bargeld.
68Durch diese Tat hat sich der Angeklagte P. eines Vergehens des Diebstahls gemäߧ 242 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
692.
70Nachdem der Geschädigte bzgl. des Diebstahls Anzeige erstattet hatte und aufgrund von Hinweisen durch Nachbarn bereits ein Verdacht auf den Angeklagten gefallen war, konnte dieser durch PHK D., PK SZ. und PK VA. am …-Jugendzentrum in G. angetroffen werden. Er wurde dort mit der ihm zur Last gelegten Tat konfrontiert und entschloss sich auf dem Weg zu Streifenwagen zu fliehen. Nach einer fußläufigen Verfolgung konnte er zwischen den EC.-straße gestellt und zum Streifenwagen geführt werden. Auf dem Weg dorthin versuchte er sich mehrere Male von den Beamten PK VA. und PK SZ. loszureißen.
71Als er schließlich gegen den Funkstreifenwagen gedrückt wurde, trat er mit den
72Beinen nach hinten gezielt in Richtung der Beamten und traf sie mehrfach. Im Funkstreifenwagen trat er gegen die Tür und spuckte gegen die hintere rechte
73Fahrzeugtür. Die Beamten blieben unverletzt.
74Durch diese Tat ha sich der Angeklagte P. eines Vergehens des Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gem. § 114 Abs. 1 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) mit einem Vergehen der versuchten Körperverletzung gern. §§ 223 Abs. 1, 22, 23 StGB schuldig gemacht.
75E
76Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom 03.09.2019,
77Aktenzeichen 83 Js 2601/19:
78Nach der durchgeführten Hauptverhandlung steht aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren geständigen Einlassung des Angeklagten P. folgender
79Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest:
801.
81Am 00.07.2019 gegen. 20.40 Uhr befuhr eine aus fünf Streifenwagen bestehende Polizeikolonne die HL.-straße in G.. Der Angeklagte P. warf aus Hass auf die Polizei seine Umhängetasche gezielt auf den dritten Streifenwagen, einen BMW 320d mit dem Kennzeichen NRW-N02, um diesen zu beschädigen. Obwohl das Fahrzeug an der rechten Seite getroffen worden war, entstand kein Schaden.
82Durch diese Tat hat sich der Angeklagte P. eines Vergehens der versuchten Sachbeschädigung nach §§ 303 Abs. 1 und 3, 22, 23 StGB schuldig gemacht.
832.
84Die Kolonne hielt sofort an. Die Polizeibeamten CX. und AS. verfolgten den in Richtung „DO.-straße“ flüchtenden Angeklagten P. und nahmen ihn dort fest. Der Angeklagte P. beschimpfte die beiden vor mehreren Passanten mit den Worten „Ihr Hurensöhne“ und „Scheiß Bullen“.
85Durch diese Tat hat sich der Angeklagte P. eines Vergehens der Beleidigung nach § 185 StGB schuldig gemacht. Der gem. § 194 StGB erforderliche Strafantrag wurde gestellt.“
86II.
87Am Abend des 00.04.2022 trafen sich die beiden Angeklagten mit den Zeugen JX., GS. und QL. in G. und hielten sich zunächst in der Nähe der Musikschule in der SK.-straße auf. Die Gruppe konsumierte dort mindestens einen Kasten von 20 oder 24 Flaschen à 0,33 Liter Bier sowie eine Literflasche Wodka, letztere aus Pinnchen. Im Verlauf des Aufenthalts holten der Zeuge GS. und der Zeuge JX. zwei weitere Sixpacks mit 0,33-Liter-Flaschen eines Biermischgetränks (Veltins V+ Curuba) nach, die ebenso von der Gruppe konsumiert wurden. Nicht auszuschließen ist überdies, dass jeder aus der Gruppe auch an einem Cannabis-Joint zog. Die genaue Trink- bzw. Cannabiskonsummenge der beiden Angeklagten konnte nicht festgestellt werden. Sie waren in der Folge alkohol- und nicht ausschließbar auch cannabisbedingt enthemmt, ihre Steuerungs- und ihre Einsichtsfähigkeit war bei ihrem Handeln aber nicht beeinträchtigt.
88Irgendwann zwischen 0:00 Uhr und 0:50 Uhr, d.h. am 00.04.2022, machte sich die Gruppe auf den Weg zum Bahnhof in G.. Auf dem CC.-straße oder in einem Fußgängerweg in dessen Nähe traf die Gruppe um die Angeklagten auf den später geschädigten Zeugen KS. und den Zeugen WZ., die sich – nachdem sie in der Nähe der …Realschule G. einen Cannabis-Joint konsumiert hatten – auf dem Weg zum Wohnhaus des Zeugen WZ. in der nahegelegenen DS.-straße befanden. Die Gruppe um die Angeklagten sprach die Zeugen KS. und WZ. an und fragte sie, ob sie Marihuana dabeihätten, was diese aber verneinten. Der Zeuge WZ. fragte den Angeklagten T., ob er ihn noch von früher kenne, was dieser seinerseits verneinte. Danach gingen die Zeugen KS. und WZ. und die Gruppe um die Angeklagten zunächst getrennter Wege, die Zeugen KS. und WZ. zum Wohnhaus des Zeugen WZ. in der DS.-straße, die Gruppe um die Angeklagten zum Bahnhof.
89Auf dem Weg zum Bahnhof unterhielten sich die beiden Angeklagten darüber, dass sie den Zeugen KS. und WZ. ihre Angabe, kein Marihuana bei sich zu haben, nicht glaubten. Sie fassten den Plan, den beiden Zeugen das in ihrem Besitz vermutete Marihuana und sonstige bei ihnen auffindbare Wertgegenstände wegzunehmen oder sie zur Herausgabe zu nötigen, soweit nötig unter Drohung mit und Einsatz von körperlicher Gewalt. Das Marihuana wollten sie gemeinsam konsumieren, alle etwaigen weiteren Wertgegenstände für sich behalten, wobei sie vorab keine nähere Absprache über die Aufteilung solcher Tatbeute trafen.
90Gegen 1:00 Uhr, wenige Minuten nachdem die Gruppe um die Angeklagten den Bahnhof erreicht hatte, verließ der Zeuge KS. das Grundstück des Zeugen WZ. in der DS.-straße, um nach Hause zu gehen. Um der Gruppe um die Angeklagten nicht wieder zu begegnen, vor der ihn der Zeuge WZ. gewarnt hatte, bog er – obwohl dies nicht der direkte Nachhauseweg für ihn war – vom Grundstück WZ. aus nach rechts in einen weitgehend beidseitig von mannshohen Hecken umfassten Fußgängerweg zwischen der DS.-straße und dem CC.-straße ab. Die Angeklagten, die den Grundstücksausgang von ihrer Position in der Nähe des Bahnhofs sehen konnten, nahmen dies war. Die Angeklagten entschlossen sich, den Zeugen KS. entsprechend dem vorgefassten Tatplan aufzuhalten und anzugehen. Der Angeklagte T. fuhr mit seinem Fahrrad über die ZT.-straße und den CC.-straße zu dem vom Geschädigten KS. angestrebten Ende des Fußgängerwegs; der Angeklagte P. fuhr mit seinem Fahrrad dem Geschädigten KS. hinterher.
91Als die Angeklagten die beiden Enden des Fußgängerwegs erreicht hatten, fuhr zuerst der Angeklagte T. mit seinem Fahrrad auf den Geschädigten zu und fuhr ihm damit zwischen die Beine, d.h. er stieß ihn mit Lenkrad und Reifen des Fahrrads leicht an, um ihn zu stoppen. Der Angeklagte T. riss sodann den Geschädigten zu Boden und beide Angeklagten begannen, auf den Geschädigten einzuschlagen und einzutreten. Einer der beiden Angeklagten riss dem Geschädigten dessen Handy, ein eineinhalb Jahre altes, einst für 760 € neu gekauftes UI., aus der Hand. Der Angeklagte P. steckte seine Finger in die Hosentaschen des Geschädigten auf der Suche nach Beute. Nachdem eine Person aus der Gruppe um die Angeklagten – wer, ließ sich nicht klären – die Vermutung geäußert hatte, der Geschädigte könnte Marihuana in der Unterhose versteckt haben, versuchten die Angeklagten, die Hose des Geschädigten herunterzuziehen. Als der Geschädigte um Hilfe rief, sagte jemand aus der Gruppe, wenn er noch einmal um Hilfe rufe, werde man ihn abstechen. Der Angeklagte T. forderte dann den Geschädigten auf, seine Taschen zu leeren, mit der Bemerkung, er wolle „alles“ haben. Der Geschädigte leerte daraufhin, beeindruckt von den vorhergehenden Schlägen und Tritten und aus Angst vor weiterer Gewalt gegen ihn, seine Taschen, in der sich ein Zugticket, ca. 27 Euro in bar, eine EC-Karte und ein Haustürschlüssel befanden. Der Angeklagte T. nahm dem Geschädigten die 27 Euro, den Haustürschlüssel und die EC-Karte aus der Hand; das Geld steckte er ein, Schlüssel und EC-Karte warf er auf den Boden.
92Die Angeklagten warfen anschließend den Geschädigten erneut auf den Boden und traten und schlugen weiter für mindestens 30 Sekunden auf ihn ein. Dem Geschädigten fiel dabei der Personalausweis aus der Tasche. Der Angeklagte P. hob diesen auf und sagte: „Jetzt wissen wir, wo du wohnst, wenn du zur Polizei gehst, kommen wir zu dir.“
93Anschließend entfernte sich die Gruppe um die Angeklagten vom Tatort. Der Geschädigte hob EC-Karte und Haustürschlüssel auf, als der Angeklagte T. zu ihm auf seinem Fahrrad zurückgefahren kam, ihn erneut ins Gesicht schlug und von ihm die Mitteilung der Handy-PIN verlangte. Der Geschädigte versuchte wegzulaufen, der Angeklagte T. schlug ihn jedoch nieder und der Geschädigte fiel in ein Gebüsch. Nachdem der Geschädigte noch mehrfach die Mitteilung der PIN ihm gegenüber verweigerte, ließ der Angeklagte T. von ihm ab. Der Angeklagte P. warf später den Personalausweis des Geschädigten auf den Boden. Das weggenommene Bargeld und das weggenommene Handy behielten die Angeklagten – wer genau was behielt, konnte nicht aufgeklärt werden –, sodass einer oder beide 27 € Bargeld und das Handy erlangten, dessen Wert die Kammer auf 250 € schätzt. Jeder Angeklagte war mit den Handlungen des jeweils anderen einverstanden.
94Ob auch die Zeugen GS. und JX. an dem Geschehen auf dem Fußgängerweg aktiv beteiligt waren, ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls befanden sich die Zeugen GS. und JX. in unmittelbarer Nähe zu der Stelle, an der sich die Tat ereignete. Der Zeuge QL. stand an der Ecke zu der Gasse. Er konnte das Geschehen zwar nicht sehen, aber hören.
95Der Geschädigte KS. erlitt bei dem Vorfall eine Trommelfellperforation rechts, Frakturen der Querfortsätze von Lendenwirbelkörper 2 und 3 links, eine Thoraxprellung, eine Prellung des Beckens, eine Prellung des Ellenbogens rechts und eine Prellung des Mittelhandknochens rechts. Die Heilung der Frakturen der Querfortsätze dauerte am längsten. Diese Verletzung war nach zwei bis zweieinhalb Monaten ausgeheilt. Die ersten Wochen nach der Tat hatte der Zeuge KS. Angst im Dunkeln und traute sich nicht, sich nachts alleine draußen zu bewegen. Im Zeitpunkt der Hauptverhandlung fühlte er sich immer noch im Dunkeln unwohl, drehte sich öfter um und benutzte keine Seitenstraßen mehr. Aus diesem Grund besuchte er zuletzt im Juli 2022 die Psychotraumaambulanz/Psychosomatische Station der Kinderklinik des ….klinikums ….
96III.
971.
98Die Feststellungen zur Person des Angeklagten T. (I.1.) beruhen auf dessen persönlichen Angaben in der Hauptverhandlung, die vollständig auch mit den Mitteilungen der Bewährungshelferin Hettler und den geschilderten Erkenntnissen der vom Gericht beauftragten psychiatrischen Sachverständigen TN. in Einklang standen; sie wurden ergänzt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Einträge aus dem Bundeszentralregisterauszug für den Angeklagten vom 23.01.2023.
992.
100Die Feststellungen zur Person des Angeklagten P. (I.2.) beruhen auf den Angaben seines Verteidigers in der Hauptverhandlung zum erworbenen Schulabschluss und zur erfolgreichen Zerspanungsmechanikerausbildung in der JVA NT.; alle weiteren Feststellungen beruhen auf den Mitteilungen des Führungsaufsichtshelfers KF. sowie den geschilderten Erkenntnissen der Sachverständigen TN.. Sie werden ergänzt durch die in der Hauptverhandlung verlesenen Einträge aus dem Bundeszentralregisterauszug für den Angeklagten vom 30.01.2023.
1013.
102Die Feststellungen zum Tatablauf (II.) beruhen auf folgenden Beweismitteln:
103Die Angeklagten haben sich nicht zur Sache eingelassen. Sie werden indes überführt durch die glaubhaften Angaben des geschädigten Zeugen KS. sowie der Zeugen WZ. und QL. zum Tatablauf am 00./00.04.2022, die durch die nicht minder glaubhaften Angaben der Zeugen PK’in ET. und PK UD. gestützt werden. Soweit die Zeugen GS. und JX. davon abweichende Angaben machten, waren diese Aussagen nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer von den festgestellten Abläufen zu erschüttern:
104a)
105Der geschädigte Zeuge KS. bekundete das Tatgeschehen wie unter II. festgestellt, soweit er dabei anwesend war, d.h. beginnend mit seinem Cannabiskonsum zusammen mit seinem Schulfreund, dem Zeugen WZ., auf dem Gelände der ……-schule, und dann fortgesetzt mit dem ersten Zusammentreffen der beiden Zeugen mit der Gruppe um die Angeklagten, dem anschließenden kurzen Aufenthalt auf dem Grundstück des Zeugen WZ. und dem darauffolgenden Überfall durch die Angeklagten.
106Diese Angaben waren in jeder Hinsicht lebensnah, präzise geschildert und – wie selbst die Verteidiger der Angeklagten in ihren Plädoyers mehrfach betonten – zu keinem Zeitpunkt von einer übermäßigen Belastungstendenz, sondern dem steten Bemühen des Zeugen geprägt, wahrheitsgemäß auszusagen. Der Zeuge verhehlte seinen eigenen Cannabiskonsum in der Tatnacht nicht. Er konnte zudem besondere Details des Tatablaufs schildern – so etwa, dass beim ersten Aufeinandertreffen der Zeugen KS. und WZ. mit der Gruppe um die Angeklagten jemand die Schuhe der Zeugen kommentiert hatte; dass der Zeuge WZ. den Angeklagten T. fragte, ob er ihn noch kenne; dass jemand während der eigentlichen Tat rief: „Der hat das Gras an den Eiern“; und dass der Angeklagte T., als er zurückkam, um an die Handy-PIN zu gelangen, ihn hämisch auslachte mit den Rufen „Renn nur, renn nur!“. Und schließlich gab der Zeuge KS. nachvollziehbare Erinnerungsschwächen unumwunden zu und versuchte nicht, diese zu verhehlen:
107Namentlich beschrieb er etwa, dass der Angeklagte T. „sehr zügig“ mit dem Fahrrad auf ihn zugefahren sei, und dass er dies als „erstes Gewaltmittel“ gegen ihn begreife; dass er zugleich aber – wie er es schon bei seiner ersten Vernehmung in der ersten, ausgesetzten Hauptverhandlung gesagt habe – den Kontakt mit dem Fahrrad als „nicht doll“ beschreiben würde, und nicht mit Sicherheit sagen könne, ob er durch das Fahrrad selbst zu Boden gegangen sei. Er war sich zudem sicher, dass die beiden Angeklagten auf ihn eingeschlagen und -getreten und ihn beraubt hatten, zugleich gab er an, sich nicht sicher zu sein, ob sich auch die anderen Mitglieder der Gruppe um die Angeklagten an den Schlägen und Tritten beteiligten. Gleichermaßen gab er zu, keine genauen Angaben zu deren Standorten machen zu können; er meinte sich zwar erinnern zu können, dass ein weiteres Gruppenmitglied mit einem Fahrrad hinter dem Angeklagten T. her- und ebenfalls auf dem Fußgängerweg auf ihn zugefahren sei, um wen es sich handelte, konnte er aber nicht mehr sagen. Dass diese letzten Angaben über den Standort und die Rolle der übrigen Gruppenmitglieder um die Angeklagten nicht vollständig mit den Angaben des Zeugen QL. übereinstimmen, zieht seine Aussage zum Rest(-Kern-)geschehen nicht in Zweifel:
108b)
109Denn seine Angaben werden gestützt von der Aussage des Zeugen WZ.. Dieser bestätigte den Cannabiskonsum mit dem Zeugen KS., schilderte das erste Aufeinandertreffen mit der Gruppe um die Angeklagten in gleicher Weise – insbesondere mit seiner Frage an den Angeklagten T., ob er ihn noch kenne, und den Kommentar zu den Schuhen der beiden Zeugen –, und konnte gleichermaßen lebensnah schildern, dass er den Zeugen KS. gewarnt und aufgefordert hatte, doch bei ihm in der DS.-straße zu bleiben, um den Angeklagten nicht nochmals zu begegnen. Den eigentlichen Tatablauf im Anschluss bekam er nicht mit, sondern hörte am Folgetag aus den Nachrichten über den Raub.
110c)
111Die Tatschilderung des geschädigten Zeugen KS. und die weiteren Angaben des Zeugen WZ. fügen sich überdies auch bruchfrei in die Angaben des Zeugen QL. ein:
112Dieser schilderte, dass er sich erst zusammen mit dem Zeugen GS. und anschließend gemeinsam mit den Angeklagten und dem Zeugen JX. getroffen habe. Nachdem man von dem Schulgelände aufgebrochen sei, sei man auf die Zeugen KS. und WZ., die ihm als Mitschüler in einer Parallelklasse bekannt waren, getroffen, dort sei es dann aus der Gruppe um die Angeklagten zu der Frage an die Zeugen gekommen, ob sie Gras dabeihätten, was diese verneinten. Anschließend sei man weitergezogen Richtung Bahnhof, und er habe – als Letzter in der Gruppe gehend – vernommen, dass sich die Angeklagten über die Zeugen KS. und WZ. unterhielten; konkret hätten die beiden gemeint, dass die Zeugen „etwas“ (nämlich Marihuana) dabeihätten, und dass man ihnen dieses wegnehmen wolle. Als man dann wenig später von der Position am Bahnhof aus den Zeugen KS. in der DS.-straße wahrgenommen hätte, sei die gesamte Gruppe hinter ihnen her – der Angeklagte T. außenrum, alle anderen hinterher – und die Angeklagten hätten ihn dann in der Gasse zusammengeschlagen und ausgeraubt. Er selbst habe sich währenddessen hinter einer Ecke aufgehalten und ein Handyspiel gespielt, er habe aber die Schläge („wie Schläge auf einen Boxsack“) und die Hilferufe des Geschädigten gehört. Die Zeugen JX. und GS. hätten dabei einige Meter weiter vorne gestanden und hätten das Geschehen in der Gasse beobachten können. Anschließend habe sich die Gruppe um die Angeklagten zurück zum Bahnhof begeben, auf dem Weg habe jemand gesagt, dem Geschädigten habe man Geldbeutel und Handy abgezogen; außerdem sei über dessen Schuhe geredet worden, und es sei gesagt worden, der Geschädigte hätte es „verdient“ gehabt.
113Diese Angaben des Zeugen QL. zum Kerngeschehen waren glaubhaft. Die Kammer berücksichtigt dabei ausdrücklich, dass die weiteren Angaben des Zeugen QL. zu der Frage, ob die Angeklagten in der Tatnacht und/oder bei früheren Gelegenheiten bereits Drogen konsumiert hätten, für eine Überzeugungsbildung untauglich waren. So gab der Zeuge zunächst an, es sei vor allem aus der – von ihm mitgebrachten – Kiste Bier getrunken worden, und dass er nicht mehr sicher sagen könne, ob andere aus der Gruppe ebenfalls Alkohol dabeigehabt hätten. Die Frage nach Drogenkonsum verneinte er. Dann meinte er aber plötzlich, die Angeklagten hätten auf dem Schulgelände Marihuana geraucht, bei den Zeugen GS. und JX. wisse er es nicht mehr, er selbst habe noch nie Marihuana konsumiert. Auf Nachfrage der Sachverständigen meinte er dann wiederum, die Angeklagten hätten zusätzlich Pep oder Kokain, jedenfalls eine weiße Substanz, durch die Nase gezogen. Auf Nachfrage des Verteidigers des Angeklagten P. hieß es dann von ihm, er habe die Angeklagten bei früheren Gelegenheiten Marihuana und Kokain oder Pep konsumieren sehen, er sei dort „passiv“ dabeigewesen.
114Diese Angaben waren nicht belastbar. Sie wurden vom Zeugen nach ständigem, wiederholten Zögern vorgetragen, und auf jede Nachfrage setzte er neue Details zum angeblichen Drogenkonsum der Angeklagten hinzu, die mit den vorherigen Angaben nicht übereinstimmten. Zudem sagte der Zeuge GS., der mit dem Zeugen QL. gut befreundet war, aus, es habe an dem Abend (nur) einen Joint gegeben, den er auch dem Zeugen QL. weitergereicht hätte. Die Behauptung, es sei Pep oder Kokain konsumiert worden, fügt sich auch nicht damit zusammen, dass der Angeklagte T. selbst – glaubhaft – angab, in den Wochen rund um die Tat nur noch Marihuana konsumiert, seinen regelmäßigen Amphetaminkonsum aber schon seit Januar 2022 aus eigenem Antrieb beendet zu haben. Auch das Leben des Angeklagten P. war lange und auch zu der Zeit der Tat von regelmäßigem Marihuanakonsum, nicht aber Konsum von Amphetaminen oder gar Kokain geprägt.
115Diese wenig belastbaren Angaben zu dem Drogenkonsum innerhalb der Gruppe in der Tatnacht ziehen die übrigen Angaben des Zeugen QL. indes nicht in Zweifel. Denn alle anderen Angaben zum Kerngeschehen der Tat waren erkennbar von einer Erinnerung an den Ablauf getragen; der Zeuge wollte hierbei – anders als bei der Frage nach dem Drogenkonsum – seine und die Rolle der anderen Beteiligten weder beschönigen noch übertreiben. Insbesondere gab er zu, nicht genau zuordnen zu können, wer von den beiden Angeklagten genau äußerte, dass man bei den Zeugen KS. und WZ. Gras vermutete, und er schilderte sehr lebensnah sein eigenes, feiges Verhalten während der Tat selbst. Zugleich erinnerte er sich an konkrete, individuelle Details, wie etwa den Namen des Handyspiels („American Dad“) und das Gespräch über Schuhe. Es liegt deshalb fern, dass er sich den Ablauf erdacht oder ihn unzutreffend geschildert hätte, vielmehr ist die Kammer von der Wahrheit seiner Angaben zu diesem Kerngeschehen überzeugt.
116d)
117Die Schilderung der Zeugen vom Tatgeschehen wird überdies gestützt durch verschiedene Indizien:
118So gaben die Zeugen PK’in ET. und PK UD. übereinstimmend an, in der Tatnacht gegen 1 Uhr in ihrer dem Tatort nahegelegenen Dienststelle Hilferufe wahrgenommen zu haben. Eine Nahbereichssuche im Bereich des Bahnhofs habe nichts ergeben, jedoch sei dann bei ihrer Rückkehr von der Suche der Geschädigte auf der Polizeiwache erschienen und habe angegeben, soeben ausgeraubt worden zu sein. Daraufhin seien sie beide zum Tatortbereich geeilt, und gegen 1.20 Uhr hätten sie den Angeklagten P. in der nahegelegenen HC.-straße angetroffen. Der Angeklagte P. habe frische Verletzungen im Gesicht aufgewiesen, die fotografiert wurden; der Zeuge PK UD. bestätigte, dass die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder, wegen deren Einzelheiten auf die Abbildungen Bl. 27-30 d.A. verwiesen wird (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO), seinen Zustand zu dieser Uhrzeit zeigten. Der Angeklagte habe, nach Einschätzung beider Polizeibeamter ersichtlich unglaubhaft, angegeben, er habe einem Freund beim Umzug geholfen und sich dabei die Verletzungen zugezogen.
119Überdies hat der geschädigte Zeuge KS. erhebliche Verletzungen in Form einer Trommelfellperforation rechts, Frakturen der Querfortsätze von Lendenwirbelkörper 2 und 3 links, eine Thoraxprellung, eine Prellung des Beckens, eine Prellung des Ellenbogens rechts und eine Prellung des Mittelhandknochens rechts erlitten, die vorher nicht bestanden. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Geschädigten und den in der Hauptverhandlung verlesenen Berichten des …klinikums …über die ambulante Behandlung des Geschädigten vom 00.04.2022 ab 03:28 Uhr, der Praxis QT./UJ. aus Q. vom 00.05.2022 und der Radiologie KK.-straße in …vom 00.05.2022; zudem wurden auch die vom Geschädigten in der Nacht des 00.04.2022 durch die Polizei angefertigen Lichtbilder in Augenschein genommen, wegen deren Einzelheiten auf die Abbildungen Bl. 10-12 d.A. verwiesen wird (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO). Zudem war der Geschädigte explizit wegen des Überfalls in psychologischer Behandlung, wie aus dem verlesenen Berichten des …klinikums …vom 00.07.2022 und 00.09.2022 hervorgeht; dort heißt es etwa im Bericht vom 00.07.2022 ausdrücklich: „Anlass der Vorstellung war, dass [der Geschädigte] am 00.04.2022 nachts um 01:00 Uhr überfallen wurde von ihm teilweise bekannten 23-jährigen Tätern, die ihn bedroht hatten und ihm seinen Ausweis abgenommen hatten.“ Diese Verletzungen und psychologischen Behandlungen fügen sich zwanglos in den von ihm und dem Zeugen QL. geschilderten Ablauf eines Raubüberfalls mit erheblicher Gewalteinwirkung durch Schläge und Tritte mehrerer Personen ein.
120e)
121Soweit die Zeugen GS. und JX. einen Raubüberfall auf den Geschädigten KS. abstritten, waren diese Aussagen nicht glaubhaft:
122Denn die Aussage des Zeugen GS., es seien zwar in der Gruppe an der Musikschule Bier, Wodka und die beiden Sixpacks V+ Curuba getrunken worden, und später hätten er, der Zeuge JX. und der Zeuge QL. sich schlicht von den Angeklagten verabschiedet und sie seien per Taxi zum Haus des Zeugen QL. in AA. gefahren, wo man weitergefeiert habe, war eine offensichtliche Falschaussage. Der Zeuge GS. hatte erkennbar noch eine Erinnerung an die Tatnacht, namentlich an die Alkoholsorten und an Details dazu (etwa dazu, dass er mit dem Zeugen JX. zwischendurch losgegangen war, um die beiden Sixpacks zu holen); und er gab auch nach mehrfacher Nachfrage zu, dass man zwischenzeitlich auf die beiden Zeugen KS. und WZ. getroffen war und er selbst die beiden nach Gras gefragt hätte. Dann aber stritt er kategorisch ab, dass es zu irgendeiner Art weiterem Zusammentreffen mit dem Zeugen KS. gekommen sei. Eine Schlägerei habe es nicht gegeben. Dies ist mit den – wie dargestellt – lebensnahen Angaben des Zeugen QL., der mit ihm zumindest zum damaligen Zeitpunkt gut befreundet war, nicht in Einklang zu bringen und fügt sich auch in keiner Weise zu der Aussage des Zeugen KS., dass während der Tat neben den Angeklagten weitere Personen aus der Gruppe zumindest in unmittelbarer Nähe zu den Angeklagten standen.
123Der Zeuge JX. schließlich gab an, an den Tatabend, schon beginnend mit dem Aufenthalt an der Musikschule, keine konkrete Erinnerung mehr zu haben, weil er schon zuvor Cannabis geraucht habe. Er bestritt zwar, dass es sein könne, dass er daneben gestanden habe, als der Zeuge KS. ausgeraubt wurde; dies indes erklärte er nicht, weil er eine Erinnerung daran hatte, sondern weil er es nicht für möglich hielt. Seine Aussage war deshalb schlicht unergiebig.
1244.
125Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite und zum mittäterschaftlichen Willen folgen aus den Angaben der Zeugen KS. und QL. und sind im Übrigen aus dem Tatablauf zu schließen. Der Zeuge QL. hat glaubhaft ausgesagt, dass sich die beiden Angeklagten nach dem ersten Zusammentreffen mit den Zeugen KS. und WZ. konkret darüber unterhielten, sie würden den letztgenannten Zeugen die Angabe, kein Marihuana bei sich zu führen, nicht glauben. Der Zeuge KS. hat glaubhaft angegeben, die Angeklagten hätten ihn gezielt nach Marihuana durchsucht und versucht, ihm die Hosen herunterzuziehen, nachdem einer aus der Gruppe der Angeklagten die Vermutung geäußert hatte, er könnte in der Unterwäsche Marihuana versteckt halten; und kurz darauf habe der Angeklagte T. ihn aufgefordert, seine Taschen zu leeren, weil er „alles“ haben wolle. Diese konkreten Äußerungen der Angeklagten, zusammen mit den objektiven Umständen der Tat – dem planvollen „Einkesseln“ des Zeugen KS., des direkt danach, ohne vorherige Ansprache, durchgeführten körperlichen Angriffs auf ihn, und der Wegnahme aller vorgefundenen Wertgegenstände – lassen sich nur so erklären, dass die Angeklagten bereits in dem Gespräch nach dem ersten Zusammentreffen mit den Zeugen KS. und WZ. den Plan fassten, einem oder beiden Zeugen mit körperlicher Gewalt das vermutete Marihuana und etwaige weitere Wertgegenstände zum eigenen gemeinsamen Nutzen oder zumindest zum Nutzen des einen oder anderen wegzunehmen. Sie wollten dabei gemeinschaftlich zusammenwirken, zumal sie auch schon in der Vergangenheit gemeinsam einen Diebstahlsversuch unternommen hatten.
1265.
127Die Feststellungen zum Alkohol- und Drogenkonsum der Angeklagten beruhen auf den Angaben der beteiligten Zeugen QL. und GS.. Die Kammer hat dabei zugunsten der Angeklagten angenommen, dass tatsächlich – wie es der Zeuge GS. mitteilte – ein Kasten Bier, eine Literflasche Wodka und dann noch zwei weitere Sixpacks V+ Curuba konsumiert wurden, bevor die Gruppe von der Musikschule aufbrach. Weiter hat die Kammer zugunsten der Angeklagten unterstellt, dass während dieses Aufenthalts an der Musikschule auch ein Joint die Runde machte, weil dies vom Zeugen GS. konkret ausgesagt wurde und auch der Zeuge QL. einen Cannabiskonsum in der Gruppe schilderte.
128Dass daneben auch Kokain oder Amphetamine konsumiert wurden, ist jedoch nicht zugunsten der Angeklagten festzustellen. Die Angaben des Zeugen QL. dazu waren, wie dargestellt, hierzu nicht belastbar; sie fügen sich auch nicht zu den Angaben des Zeugen GS. und den sonstigen Umständen zusammen.
1296.
130Die Feststellungen zur Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit der Angeklagten beruhen auf folgenden Umständen:
131Die Kammer nimmt zugunsten der Angeklagten an, dass sie während des Aufenthalts an der Musikschule an dem Konsum des Biers, des Wodkas und auch des möglicherweise vorhandenen Cannabisjoints beteiligt waren und sie deshalb eine nicht näher eingrenzbare Alkoholisierung bzw. cannabisbedingte Beeinträchtigung aufwiesen, die sie enthemmte. Dass diese Beeinträchtigungen ihre Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 20 StGB ausgeschlossen hätten, oder auch nur ihre Fähigkeit zur Einsicht und Steuerung im Sinne des § 21 StGB gemindert war, kann die Kammer aber ausschließen. Denn alle Zeugen, namentlich die Zeugen KS., WZ., QL. und die PK’in ET. und PK UD., schilderten übereinstimmend, dass ihnen an den Angeklagten keinerlei alkohol- und/oder cannabisbedingte Beeinträchtigungen oder Ausfallerscheinungen aufgefallen sind:
132So meinte der Zeuge KS. auf die Frage der gerichtlichen Sachverständigen, ob die Angeklagten „unter Stoff“ standen, dass er davon nicht ausgehe; vielmehr seien diese so konzentriert und agil erschienen, dass er nicht glaube, dass sie betrunken waren. Sie hätten einen nüchternen Eindruck gemacht, keiner von beiden hätte gelallt, sie hätten unproblematisch geradeaus gehen können. Der Zeuge WZ. sagte – nach intensivem, glaubhaften Nachdenken darüber – aus, die Angeklagten seien „ziemlich nüchtern rübergekommen“. Ihre Mimik, Akustik, und ihre Blicke hätten ihm zwar suggeriert, dass sie aggressiver Stimmung waren, aber sie hätten nicht gelallt. Der Zeuge QL. schilderte, er habe sich mit den Angeklagten an dem Abend nicht intensiv unterhalten, beide hätten sich aber kohärent unterhalten können. Sie hätten auch problemlos mit ihren Fahrrädern hinter dem Zeugen KS. hinterherfahren können. Sie hätten zwar recht aggressiv, „energiegeladen“, gewirkt; sie seien indes, auch wenn er sie nur lose gekannt habe, so drauf gewesen wie sonst auch.
133Die Zeugin PK’in ET. schilderte, der Angeklagte P. sei – ca. 20 Minuten nach der Tat – ihr „sehr klar“ vorgekommen, er habe allem folgen können und immer eine Antwort parat gehabt. Vielleicht habe er geringe Mengen Alkohol noch im Blut gehabt, aber er habe keine Ausfallerscheinungen aufgewiesen und er habe auch mit Blick auf die angefertigten Lichtbilder kooperiert. Deshalb hätte sie zusammen mit PK UD. auch auf eine Atemalkoholkontrolle verzichtet. PK UD. bestätigte diesen Eindruck; der Angeklagte P. habe einen ziemlich entspannten, sehr kontrollierten, kooperativen und geradezu zuvorkommenden Eindruck gemacht. Anzeichen für Drogen- oder Alkoholkonsum wie Lallen oder ein unsicheres Gangbild habe er, der Zeuge, überhaupt keine gesehen, der Angeklagte habe stocknüchtern auf ihn gewirkt.
134Angesichts dieser Beweislage erscheint der Kammer die Schlussfolgerung der Sachverständigen Redeker in ihrem mündlich vorgetragenen Gutachten, es habe bei den Angeklagten sicher keine intoxikationsbedingten Einflüsse gegeben, die die Steuerungsfähigkeit während der Tat hätten beeinträchtigen können, ohne weiteres schlüssig. Zu dem Angeklagten T. führte die Sachverständige TN. zudem überzeugend aus, seine Tatbeteiligung sei Ausdruck seiner dissozialen Haltung bzw. Gesinnung, und bezüglich des Angeklagten P. meinte sie, die Tat ließe sich zu einem gewissen Grad mit dessen Zugehörigkeit zu der Betäubungsmittel- und Straftatenszene in G. erklären (siehe dazu noch unter V.3.). Dies zeigt aber zugleich auf, dass die – sowieso regelmäßig Marihuana konsumierenden – Angeklagten während der Tat durchweg Herren ihrer Sinne waren, das Unrecht ihrer Taten durchgängig begreifen und nach dieser Einsicht handeln konnten.
1357.
136Die Feststellungen zu den Tatfolgen beruhen bezüglich der Gesundheitsschäden des Zeugen KS. auf dessen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung, die auch durch die unter III.3.d) benannten Arztbriefe belegt werden. Marke, Alter und den (einstigen) Kaufpreis des Handys gab der Zeuge KS. ebenso glaubhaft an. Den Wert des Handys zum Tatzeitpunkt schätzt die Kammer aus persönlichen Erfahrungen der Berufsrichter und der Schöffen aus dem Kauf und Verkauf von Handys auf 33 bis 50 % des ursprünglichen Kaufpreises; um jegliche Benachteiligung der Angeklagten auszuschließen, hat sie deshalb bei der Einziehungsentscheidung 250,- €, also leicht weniger als 1/3 des Kaufpreises, angesetzt.
137IV.
138Die Angeklagten haben sich danach wegen Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung – jeweils als Mittäter – strafbar gemacht.
139Die Tat war als (einfacher) Raub im Sinne von § 249 Abs. 1 StGB zu werten, und nicht – wie die Staatsanwaltschaft in der Anklage vertrat – als schwerer Raub im Sinne von § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) bzw. – wie die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vertrat – als besonders schwerer Raub im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Denn die Angeklagten haben weder ein „sonstiges Werkzeug oder Mittel“ bei sich geführt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, noch haben sie ein „anderes gefährliches Werkzeug“ verwendet. In Frage käme hier allenfalls das vom Angeklagten T. bei der Tateinleitung genutzte Fahrrad, welches aber weder abstrakt noch nach der Art seiner Verwendung die Tat zum schweren oder besonders schweren Raub qualifiziert:
140Denn ein Werkzeug ist im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nur dann „gefährlich“, wenn es objektiv Leib oder Leben gefährden kann, und wenn es zusätzlich auch konkret im Hinblick auf seine tatsächliche oder in Aussicht gestellte Verwendung gefährdend eingesetzt wird. Eine Gefährdung von Leib und Leben muss nicht konkret entstanden sein, sie muss aber zumindest potentiell möglich gewesen sein (vgl. Vogel in LK-StGB, 12. Aufl. 2010, § 250 Rn. 31, 32).
141Derartige Feststellungen hat die Kammer nicht treffen können. Vielmehr ist der Angeklagte T. lediglich mit dem Fahrrad auf den Geschädigten zugefahren und hat ihn leicht berührt. Eine greifbare Gefahr einer Verletzung des Geschädigten entstand hierdurch wegen der offenbar nur sehr geringen Kollisionsgeschwindigkeit jedoch nicht; der Geschädigte ist nach eigenem Bekunden wohl nicht durch die Kollision aus dem Gleichgewicht geraten, sondern erst im Anschluss durch direkte physische Einwirkung der Angeklagten zu Boden gegangen. Auch sonst spielte das Fahrrad bei seinen (tatsächlich erlittenen und durchaus erheblichen) Verletzungen keine Rolle.
142Auch § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB ist nicht nachweislich verwirklicht. Die Norm betrifft Gegenstände, durch die der Täter eine Bedrohungslage für das Opfer schafft oder schaffen will, d.h. das Opfer muss fürchten, durch den Einsatz des Gegenstandes an Leib oder Leben geschädigt zu werden; typisches Beispiel sind Scheinwaffen, die das Opfer für echt hält oder halten soll (Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 250 Rn. 9-10). Daneben kann der Tatbestand auch erfüllt sein, wenn durch den Gegenstand tatsächlich auf den Körper des Geschädigten eingewirkt wird (Fischer, a.a.O., § 250 Rn. 12). Beides war hier indes nicht der Fall. Denn der Fahrradanstoß war weder im engeren Sinne für den Geschädigten KS. gefährdend (s.o.), noch hat der Angeklagte T. durch den Einsatz des Fahrrades objektiv eine Bedrohungslage für den Geschädigten geschaffen; ihm ist deshalb auch die subjektive Absicht, eine solche Bedrohungslage zu kreieren, nicht nachzuweisen. Denn nachdem er den Geschädigten mit dem Fahrrad touchiert hatte, hat er dieses nicht weiter eingesetzt, d.h. für den Geschädigten entstand aus der „Anwesenheit“ des Fahrrads keine gesonderte (gefühlte oder echte) Bedrohung für Leib oder Leben.
143V.
144Bei der Höhe der zuzumessenden Strafen ist die Kammer von folgenden Erwägungen ausgegangen:
1451.
146Die Strafe war nach dem Strafrahmen des Raubes, d.h. einem Rahmen von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bis hin zu fünfzehn Jahren, zu bestimmen (§ 249 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Im Gesetz vorgesehene Milderungsgründe hat die Kammer dabei nicht feststellen können:
147Namentlich handelt es sich bei den Handlungen der jeweiligen Angeklagten nicht um minder schwere Fälle des Raubes im Sinne von § 249 Abs. 2 StGB. Denn weder die Tatausführung noch die Tatfolgen für das Opfer noch die subjektiven Momente und die Täterpersönlichkeiten weichen in einem so erheblichen Maße vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erschiene. Der Raub wurde durch die Angeklagten mit großer körperlicher Brutalität begangen und hatte für den Zeugen KS. nicht unerhebliche gesundheitliche Folgen, neben mehrfachen Prellungen insbesondere eine Trommelfellperforation rechts und Frakturen der Querfortsätze der LWK 2/3 links, die mehrere Monate ausheilen mussten. Auch mit Blick auf das von § 249 StGB geschützte Vermögen des Opfers war die Tat – die zum Verlust eines noch ca. 250 € teuren Handys und 27 € Bargeld führte – nicht dem unterdurchschnittlichen Bereich des (einfachen) Raubs zuzuordnen. Weiter hatten beide Angeklagte u.a. wegen eines (zusammen begangenen) versuchten Delikts des Diebstahls mit Waffen jeweils bereits eine Haftstrafe abgesessen und standen wegen dieser Verurteilung noch unter Bewährung (so der Angeklagte T.) bzw. Führungsaufsicht (so der Angeklagte P.). Dies hielt sie aber nicht davon ab, acht (T.) bzw. drei Monate (P.) nach Entlassung aus der Haft gemeinsam einen Raub zu begehen. Sie waren dabei alkohol- und möglicherweise cannabisbedingt zwar enthemmt, in ihrer Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit jedoch nicht beeinträchtigt. All dies rechtfertigt die Anwendung des Regel-, nicht des Ausnahmestrafrahmens des § 249 StGB.
148Auch sonstige Milderungsgründe liegen nicht vor, insbesondere ist kein Fall des § 21 StGB (verminderte Schuldfähigkeit) gegeben.
1492.
150Innerhalb des Regelstrafrahmens des § 249 Abs. 1 StGB hat die Kammer die Tat in den Bereich des unteren Drittels eingeordnet.
151Strafmildernde Umstände waren nur in geringem Umfang erkennbar. Die Kammer zählt hierzu das noch recht junge Alter der Angeklagten, welches sich bei beiden Angeklagten verbindet mit Unreife und Unstetigkeit im Leben, die sich auch nach der jeweiligen Haftentlassung (weiter) zeigte und die derjenigen unreifer Heranwachsender nahesteht. Weiter berücksichtigt die Kammer, dass die Tat durch eine Gruppendynamik begünstigt wurde, wobei hierzu wiederum einschränkend gilt, dass die Angeklagten innerhalb ihrer Gruppe mit den Zeugen QL., GS. und JX. die Haupttäter und Ältesten, d.h. selbst die Antreiber dieser Gruppendynamik waren. Weiter berücksichtigt die Kammer die bereits erwähnte alkohol- und ggf. auch cannabisbedingte Enthemmung der Angeklagten, die die Tat begünstigte. Auch haben die Angeklagten im Zuge des hiesigen Verfahrens längerfristige Untersuchungshaft erlitten, was zu ihren Gunsten wirken muss; dies aber wiederum auch nur in eingeschränkter Form, denn die beiden Angeklagten sind hafterfahren und die früheren Hafterfahrungen haben sie gleichwohl kaum beeindruckt.
152Schlussendlich war zu würdigen, dass der Wert der Tatbeute zwar nicht unerheblich war, jedoch nicht im höheren Bereich typischer (einfacher) Raubdelikte lag.
153Zulasten der Angeklagten waren die durchaus erheblichen Verletzungen zu berücksichtigen, die sie dem Zeugen KS. zufügten – die Trommelfellperforation rechts, die Frakturen der Querfortsätze von Lendenwirbelkörper 2 und 3 links, die multiplen Prellungen an Thorax, Becken, Ellenbogen und Mittelhandknochen rechts –, die den Zeugen noch über mehrere Monate belasteten.
154Weiter waren zulasten der Angeklagten deren erhebliche, teils einschlägige strafrechtliche Vorbelastungen zu berücksichtigen. Beide Angeklagten hatten Haftstrafen u.a. wegen eines gemeinschaftlich begangenen versuchten Diebstahls mit Waffen verbüßt und standen deswegen noch unter Bewährung (T.) bzw. Führungsaufsicht (P.). Die hohe (T.) bzw. enorm hohe (P.) Rückfallgeschwindigkeit und die fortgesetzte unstete Lebensführung nach Haftentlassung zeigt auf, wie wenig die Hafterfahrung auf die Angeklagten eingewirkt hat.
155Bei der Bemessung der Strafen für die Angeklagten hat die Kammer, bei allen Gemeinsamkeiten der Angeklagten, Anlass gesehen, die Strafe für den Angeklagten T. etwas höher zu bemessen als für den Angeklagten P.. Denn der Angeklagte T. war es, der den Angriff auf den Zeugen KS. von vorne kommend einleitete; er war es, der dem Zeugen das Bargeld wegnahm; und er war es, der nach dem eigentlichen Abschluss des Geschehens nochmals umkehrte und den Zeugen abermals mehrfach schlug, um ihn zur Preisgabe der Handy-PIN zu nötigen. Von ihm ging deshalb sowohl mit Blick auf die Tatfolgen der gemeinschaftlichen Körperverletzung der Angeklagten als auch mit Blick auf die Tatfolgen des Raubes (im Sinne der Vermögensschädigung des Zeugen) der (etwas) größere Schaden aus. Zugleich war der Angeklagte T. (etwas) schwerwiegender vorbestraft.
156Nach nochmaliger Würdigung aller zugunsten und zulasten der Angeklagten sprechenden Umstände hielt die Kammer danach für den Angeklagten T. eine Freiheitsstrafe von
157drei Jahren und neun Monaten
158und für den Angeklagten P. eine solche von
159drei Jahren und sechs Monaten
160für tat- und schuldangemessen.
1613.
162Die Kammer hat eingehend erwogen, ob zusätzlich als Maßregel der Besserung und Sicherung bei den Angeklagten eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) geboten war. Dies war jedoch bei beiden Angeklagten zu verneinen:
163a)
164Bei dem Angeklagten T. mangelt es hierzu bereits an einem festzustellenden Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermäß zu sich zu nehmen; zudem ging die Tat auch nicht feststellbar auf einen solchen Hang zurück, es fehlt ihr der Symptomcharakter.
165Dies folgt aus den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Redeker, denen sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung anschließt. Die Sachverständige hat, nach eingehender Auswertung der zur Verfügung stehenden Akten – eine Exploration hat der Angeklagte verweigert –, ausgeführt, dass der Angeklagte T. nach dem gescheiterten Versuch, einen Realschulabschluss zu erlangen und anschließend eine Maler- und Lackiererausbildung zu beenden, eine wechselhafte Karriere mit vielen Unzuverlässigkeiten, Kündigungen und erfolgloser Arbeitsplatzsuche zeige. Zugleich zeigten sich, so die Sachverständige weiter, ungefähr ab dem 18. Lebensjahr dissoziale Auffälligkeiten, insbesondere durch zum Teil erhebliche Körperverletzungstaten. Parallel dazu sei der vom Angeklagten selbst geschilderte (mäßige) Cannabis- und Amphetaminkonsum ab diesem Lebensalter aufgetreten. Dies sei jedoch lediglich eine Parallelität; die Dissozialität sei kein Ausdruck und keine Folge des Suchtmittelkonsums, sondern Facette seines Lebens. Die Taten des Angeklagten, auch in der Vergangenheit, seien von Emphathielosigkeit und nicht Suchtmittelkonsum geprägt. Entsprechend sei, so die Sachverständige weiter, ein missbräuchlicher Konsum, jedoch kein Hang zu diesem Konsum zu attestieren, und die Tat habe auch keinen Symptomcharakter für den Angeklagten.
166Diese Einschätzung ist überzeugend. Sie fügt sich insbesondere in das vom Angeklagten – glaubhaft – selbst gezeichnete Bild ein; denn der Angeklagte war nach seinen Angaben in der Hauptverhandlung in der Lage, im Januar 2022, also wenige Monate vor der Tat, aus eigenem Antrieb den zuvor länger geübten regelmäßigen Amphetaminkonsum zu beenden. Hinzu tritt die ins Auge fallende Rohheit der hiesigen Tat, die die von der Sachverständigen attestierte, den Angeklagten prägende Emphathielosigkeit besonders unterstreicht.
167b)
168Für den Angeklagten P. gilt diesbezüglich Folgendes:
169Zu dem Angeklagten P. hat die Sachverständige TN. nach eingehender Auswertung der zur Verfügung stehenden Akten – auch der Angeklagte P. hat eine Exploration verweigert – ausgeführt, dass bei ihm der Cannabiskonsum bereits im 13. oder 14. Lebensjahr einsetzte und einherging mit schulischen Leistungseinbußen, wobei unklar sei, ob der Suchtmittelkonsum hierfür ursächlich war oder ob umgekehrt die Leistungsschwierigkeiten in den Konsum führten. Nach der Schulzeit hätten sich bei dem Angeklagten, so die Sachverständige, bis heute Phasen regelmäßigen Cannabiskonsums abgewechselt mit Abstinenzphasen. Namentlich habe er im Jahr 2017 die stationäre Entgiftungsmaßnahme im V.-Hospital Q. unternommen, was ein eigenes Problembewusstsein belege. Die Entgiftung sei jedoch nicht nachhaltig gewesen, auch während der Inhaftierung in der JVA NT. sei für ihn nach einer qualifizierten Drogenbehandlung nachgesucht worden. Offenbar sei es ihm aber – ausweislich der Haftunterlagen – gelungen, sich im Zuge der Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker in der JVA vom Suchtmittelkonsum zu distanzieren. Dass er anschließend – wie er gegenüber der Führungsaufsicht behauptete – wieder angefangen habe, Cannabis zu konsumieren, zeige jedoch seine hohe Affinität zur Betäubungsmittel- und Straftatenszene in G.. Diese Szenezugehörigkeit, die Ausfluss seines aus ihrer Sicht bestehenden Hangs zum Cannabiskonsum sei, sei ein zu berücksichtigendes mitmotivierendes Element, ein „Agens“ für die Tat gewesen. Da in der Vergangenheit eine dauerhafte Abstinenz vom Angeklagten nicht gehalten werden konnte, halte sie die Erfolgsaussichten einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für sehr ungewiss.
170Die Kammer lässt dahingestellt, ob auf dieser Grundlage tatsächlich ein Hang im Sinne von § 64 StGB festzustellen ist und die Tat Symptomcharakter für diesen Hang hat. Denn es fehlt jedenfalls an der für eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB erforderlichen Erfolgsaussicht, d.h. der hinreichenden Aussicht, den Angeklagten durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder ihn über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf den Hang zurückgehen. Dies ergibt sich aus der nötigen Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände:
171Bei dem Angeklagten P. ist zunächst festzustellen, dass sich bei ihm eine Vielzahl von Umständen vereinigt, die in der Rechtsprechung als ungünstige („negative“) Faktoren anerkannt sind, d.h. die Erfolgsaussicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erheblich in Zweifel ziehen (vgl. die Auflistung unter van Gemmeren, Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2020, § 64 Rn. 65): Er hat bereits früh mit dem Rauschmittelkonsum begonnen; er ist früh wegen erheblicher Straftaten (u.a. Verurteilung wegen gemeinschaftlicher versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen im Jahr 2017) aufgefallen; er hat – ohne dass dies auf seine Persönlichkeit und seine Drogenabstinenz längerfristig positiv eingewirkt hätte – eine mehrjährige Haftstrafe abgesessen; er hat kurz vor und nunmehr wieder kurz nach dieser Inhaftierung von Aggressivität geprägte Gewaltdelikte begangen; er hat einen letztlich frustranen Entgiftungsversuch hinter sich; er ist ohne feste Anstellung, und zwischenzeitliche Anstellungen hat er schnell wieder verlassen; ihm fehlen nach dem Wegzug seiner engeren Familienangehörigen nach Y. weitgehend die sozialen Bindungen in Deutschland; und bei seinem selbst mitgeteilten Lebensplan, der Familie nach der Haftentlassung hinterherzuziehen, muss ernstlich in Zweifel stehen, ob er in Ermangelung ausreichender Kenntnisse der schwedischen Sprache gute Aussichten hat, im dortigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
172Dem gegenüber steht nur eine geringe Zahl an günstigen („positiven“) Faktoren, die dafür sprechen könnten, dass eine Therapie bei dem Angeklagten erfolgreich verlaufen könnte. Hierzu mag noch die im Jahr 2017 unternommene Entgiftungsmaßnahme in Q. gerechnet werden, die jedoch allenfalls für einen geringen Zeitraum wirkte; denn spätestens 2018 wurde der Angeklagte wieder rückfällig und beging nun – ausweislich seines Bundeszentralregisterauszugs – auch Betäubungsmittelstraftaten (unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln (Marihuana; Haschisch) und unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln (Marihuana), Datum der letzten Tat war der 00.03.2018). Auch mag die abgeschlossene Berufsausbildung einen günstigen Prognosefaktor darstellen, indes gelten hier die bereits aufgezeigten Zweifel für die berufliche Zukunft.
173Von besonderer Bedeutung ist sodann im hier vorliegenden, von der Kammer zu bewertenden Einzelfall, dass der Angeklagte P. persönlich und über seinen Verteidiger in der Hauptverhandlung deutlich und zugleich belastbar zum Ausdruck brachte, an einer Entziehungstherapie kein Interesse zu hegen. Sein Verteidiger führte hierzu aus, dass er seit Beginn der Untersuchungshaft in dieser Sache nicht mehr konsumieren könne und auch keinen Drang zum Konsum mehr habe. Der Angeklagte habe überdies zum Ziel, nach Verbüßung der Haft nach Schweden auszuwandern. Die von der Sachverständigen aufgezeigten psychosozialen Belastungen, die das Leben in G. mit sich gebracht habe, befürchte er in der Zukunft nicht mehr. Er wolle nicht mehr nach G. zurückkehren, die Eltern hätten das eigene Grundstück in RZ. auch verkauft. Der Verteidiger äußerte ausdrücklich, dass der Angeklagte nach seinem Eindruck aus den Gesprächen mit ihm die (belastbare) Einsicht habe, den Kontakt zum bisherigen Milieu in G. völlig abbrechen zu müssen. Zugleich wolle er allenfalls dann, wenn er später irgendwann persönlich eine Therapienotwendigkeit erkenne, eine solche Therapie auch selbst unternehmen. Der Angeklagte, persönlich dazu befragt, bestätigte ausdrücklich, dass er aktuell keine Therapienotwendigkeit sehe.
174Die Kammer ist bei dieser Sachlage nicht davon überzeugt, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für eine Entziehungsmaßnahme bei dem Angeklagten P. besteht. Der Kammer ist dabei bewusst, dass allein die Ablehnung einer solchen Maßregel durch den Angeklagten selbst keinen Grund darstellt, diese nicht anzuordnen; zugleich ist der Kammer bewusst, dass gerade bei Drogenabhängigkeit eine einmalige frühere, frustran gebliebene Therapie für sich gestellt nicht zur Erfolglosigkeitsprognose taugt; und dass für eine Maßregelanordnung nach § 64 StGB auch nicht erforderlich ist, dass deren Erfolg sicher oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die eigene Ablehnung durch den Angeklagten hat hier jedoch erhebliche indizielle Bedeutung für die Einschätzung, dass keine hinreichenden Erfolgsaussichten bestehen. Der Angeklagte P. hat bereits eine einmalige stationäre Entgiftungsmaßnahme wahrgenommen, ihm sind also die Therapieziele solcher Maßnahmen im Großen und Ganzen bekannt; und er sieht für sich selbst, gründend auf die aktuelle Abstinenz in der Haft und auf die Vorstellung, nach der Haft letztlich eine Art „neues Leben“ in Schweden beginnen zu können, keinen Bedarf nach derartiger Therapie.
175Die Kammer hält dies für belastbar, wobei sie ausdrücklich in die Würdigung einbezieht, dass sich der Angeklagte bei diesen Lebensplanungen und der damit verbundenen Hoffnung auf eigenständige Abstinenz selbst überschätzen könnte; eine solche Selbstüberschätzung tritt, so führte es auch die Sachverständige TN. aus, bei Abstinenz während einer Inhaftierung häufig ein und ist gerade ein Kennzeichen des Hangs. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Angeklagte für sich selbst die Therapie ablehnt; und diese Ablehnung ist, wie dargestellt, angesichts seiner bereits bestehenden Therapieerfahrung und seiner nunmehr selbst erlebten Rückfallgefahr nach Haftentlassung, ernst zu nehmen.
176Diese Ablehnung, gepaart mit der dargestellten Vielzahl an negativen Faktoren, die ebenfalls einen erfolglosen Verlauf einer Entziehungsmaßnahme prophezeien, begründet durchgreifende Zweifel daran, dass eine Maßregel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein könnte. Dies entspricht auch der Einschätzung der Sachverständigen, die insoweit erklärt hat,
177VI.
178Gegenüber den Angeklagten war auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Einziehungsentscheidung zu treffen, weil sie durch die Tat in den Besitz des Bargelds von 27 € sowie des Handys des Geschädigten KS. gelangt sind, dessen Wert die Kammer auf noch 250 € schätzt. Weil nicht mehr aufgeklärt werden kann, was mit dem Geld und dem Handy weiter geschehen ist, war die Einziehung des Wertes dieser Taterträge anzuordnen (§§ 73, 73c StGB). Die Angeklagten haften dabei als Gesamtschuldner (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. Juni 2018 – 3 StR 26/18).
179VII.
180Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1 Satz 1, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO.