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Der Angeklagte ist des Mordes schuldig.
Er wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die besondere Schwere der Schuld wird festgestellt.
Die in GD. vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 erlittene Freiheitsentziehung wird im Maßstab 1:1 angerechnet.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger werden dem Angeklagten auferlegt.
Angewendete Vorschriften: §§ 211, 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB
G r ü n d e :
2I.
3Der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung xx Jahre alte, kinderlose Angeklagte ist ledig, hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war zuletzt arbeitslos.
4Er wuchs bei seinen Eltern in K. zusammen mit seinen Brüdern, einem älteren und einem jüngeren, auf. Der Vater war als LKW-Fahrer regelmäßig unter der Woche aufgrund von Fernfahrten nicht zuhause, während die Mutter sich um Haushalt und Kinder kümmerte. Ungewöhnliche Umstände oder Geschehnisse während der Kindheit und Jugend sind nicht bekannt geworden.
5Der Angeklagte besuchte ebenfalls ohne besondere Auffälligkeiten die Grund- und Realschule bis er 200x im Alter von 17 Jahren die mittlere Reife erlangte. Danach begonnene Berufsausbildungen wurden vom Angeklagten nicht abgeschlossen, ohne dass die Gründe dafür im Einzelnen bekannt sind. So lernte er für etwa ein Jahr als Koch in einem Restaurant in D. und versuchte möglicherweise auch eine Schlosserlehre, für die er eine Berufsfachschule für Metalltechnik besuchte.
6Im Juli 2018 begann er ein freiwilliges soziales Jahr im I. Hospital in M.. Während dieser Zeit wohnte er im zur Klinik gehörenden Wohnheim und nahm zum August 2019 die Ausbildung zum Krankenpfleger ebenfalls im I. Hospital auf, die er nicht erfolgreich beendete, sondern wegen einer angeblichen Krebserkrankung ab Juni 2021 nicht mehr fortführte (s. dazu im Einzelnen II. 1.). Mit Beginn der Ausbildung war der Angeklagte wieder in sein Elternhaus gezogen, behielt jedoch das Einzelzimmer im Klinikwohnheim auch über den Abbruch der Ausbildung hinaus, obwohl er es zu keiner Zeit nutzte.
7Ab März 2022 ging der Angeklagte, der weder davor noch danach ernsthaft krank war, einer geringfügigen Beschäftigung beim Verein für soziale Dienstleistungen in G. nach, wo er bis November 2022 Nachtbereitschaften in einer von männlichen Jugendlichen bewohnen Wohngemeinschaft des betreuten Wohnens übernahm. Mit Schreiben vom 07.11.2022 wurde dem Angeklagten durch den J. wegen unentschuldigten Nichterscheinens zum Dienst am 31.10. und 03.11.2022 fristlos gekündigt.
8Der Angeklagte verfügte danach über keinerlei Einkünfte mehr und hatte auch keine Ersparnisse. Vielmehr war sein Konto leer und er hatte zu dieser Zeit auch eine beträchtliche Summe Schulden angehäuft. So forderte die X. Krankenkasse Ende Oktober 2022 von ihm die Begleichung ausstehender Krankenversicherungsbeiträge über 11.817,48 €. Zudem hatte er am 2. September 2021 einen Kredit über 8.700 € aufgenommen, den er in 35 monatlichen Raten von knapp 313 €, also insgesamt über 11.200 €, zurückzahlen musste. Außerdem hatte er Schulden bei seinem besten Freund, dem Zeugen E., in Höhe von etwa 1.600 €, auf deren Rückzahlung der Zeuge zwar nicht drängte, aber für die dem Angeklagten klar war, dass er sie in naher und auch ferner Zukunft nicht würde zurückzahlen können.
9Der Angeklagte konsumierte regelmäßig an den Wochenenden Alkohol, teilweise auch im Übermaß, war dadurch jedoch zu keiner Zeit in seiner Lebensführung beeinträchtigt oder sozial gefährdet. Gelegentlich, jedoch auch in sozial ungefährlichem Ausmaß, konsumierte er Cannabis.
10Der heterosexuelle Angeklagte ist bislang zwei feste Intimpartnerschaften, zunächst zu W. und sodann zu der Zeugin A., eingegangen, die jeweils nach weniger als einem Jahr von den Partnerinnen beendet wurden. In keiner der Beziehungen führte der Angeklagte sexuelle Handlungen an seinen Partnerinnen gegen deren Willen aus, quälte sie in sexueller Hinsicht, fügte ihnen Schmerzen zu oder demütigte sie. Die letzte der genannten intimen Beziehung liegt mehr als 10 Jahre zurück.
11Der Angeklagte ist nicht vorbestraft und bislang nur einmal körperlich aggressiv aufgefallen, als er eine körperliche Auseinandersetzung mit seinem besten Freund hatte, den er in diesem Zusammenhang mit der Faust schlug.
12II.
131. Vorgeschichte
14Mit Beginn der Ausbildung zum Krankenpfleger im August 2019 lernte der Angeklagte die damals 17 Jahre alte V. kennen, die Geschädigte dieses Verfahrens, die Mitschülerin des Angeklagten war und ebenfalls im I.Hospital ausgebildet wurde. V. lebte damals zusammen mit ihrer Mutter, später allein an der Anschrift H.-straße 1 in U., dem späteren Tatort. Zwischen dem Angeklagten und V. entwickelte sich zunächst eine funktionierende und innige Freundschaft, die zu keiner Zeit romantische oder körperlich intime Anteile hatte. Dies lag zum einen daran, dass V. nahezu durchgehend in intimen Partnerschaften mit gleichaltrigen Männern war, zum anderen daran, dass sie sich von dem übergewichtigen, gelegentlich ungepflegten und zehn Jahre älteren Angeklagten zu keiner Zeit angezogen fühlte. Für sie nahm er die Rolle eines großen Bruders ein. Der Angeklagte wiederum war unzufrieden damit, dass er außer bei Prostituierten keinen Erfolg bei Frauen hatte und wünschte sich eine intime Partnerschaft, was er V. jedoch nicht erzählte, sondern vorspielte, er habe kein Interesse an einer festen Freundin, weil ihm regelmäßige, kurze sexuelle Bekanntschaften mit verschiedenen Frauen ausreichten, von denen er V. berichtete, obwohl sie nicht stattfanden. V. wiederum berichtete dem Angeklagten im Vertrauen auf dessen ernstgemeinte freundschaftliche Verbindung von ihrem tatsächlich stattfindenden Sexualleben. Ebenfalls berichtete sie ihm von einem sexuellen Übergriff zu ihrem Nachteil, der in der Silvesternacht 2020 stattfand und sie nachhaltig beschäftigte.
15Zum Ende des zweiten Ausbildungsjahres verlor der Angeklagte aus nicht feststellbaren Gründen das Interesse an der weiteren Ausbildung und erfand eine Krebserkrankung, die er ab Ende Juni zur Begründung dafür nutzte, weder in seinem Ausbildungskrankenhaus weiter zu arbeiten noch die Berufsschule zu besuchen. Weder der Angeklagte noch der Ausbildungsbetrieb sprachen eine Kündigung aus, krankgeschrieben war er offiziell auch nicht.
16Der Angeklagte, der insgesamt mit einem brüchigen Selbstwertgefühl ausgestattet ist, hielt es bei der Mitteilung der erfundenen Krebserkrankung auch für möglich, dass er in den Augen seiner empathischen Mitschüler – ganz überwiegend Frauen – durch die angebliche tragische Erkrankung interessanter werden könnte.
17Insbesondere V. und eine gemeinsame Mitschülerin, die Zeugin N., zeigten besonders starkes Mitleid, was die Frauen unter Vernachlässigung anderer Freundschaften dazu brachte, dem Angeklagten viel Zeit und Aufmerksamkeit zu schenken. Dieser schmückte die Krebserkrankung, die seinen Angaben zufolge nach ärztlicher Einschätzung nach sechs Monaten bis spätestens einem Jahr tödlich enden würde, in der Folge immer weiter aus, wobei es ihm sodann auch darum ging, V. und die Zeugin N. näher an sich zu binden. Dass er tatsächlich nie an einem Bronchialkarzinom oder überhaupt an Krebs erkrankt war, offenbarte er der Zeugin N. und seinen engsten Freunden, den Zeugen A. und S., erst, nachdem er wegen der hier gegenständlichen Tat die Flucht nach GD. ergriffen hatte (s. dazu 3.). Seinen Eltern berichtete er von der angeblichen Erkrankung sowie der faktischen Beendigung seiner Ausbildung nichts und richtete seinen Alltag ab Juni 2021 so ein, dass sie den Abbruch der Ausbildung nicht bemerkten.
18Teil der für seine Mitschüler und insbesondere V. sowie die Zeugin N. inszenierten Geschichte über das angeblich aggressive Bronchialkarzinom war, dass der Angeklagte erklärte, er wolle sich wegen der geringen Heilungschancen keiner Chemotherapie oder Operation unterziehen, sondern nach TN. reisen, wo er sich im Wald alleine durchschlagen wolle, bis er sterbe. Da er im Herbst 2021 tatsächlich mit den Zeugen T. und S. sowie einem weiteren Freund nach TN. reiste, nutzte er die anstehenden Reise, um V., die Zeugin N. und weitere nahestehende Personen zu inszenierten Abschiedstreffen und -reisen zu bewegen. Von der Reise nach TN. kehrte er mit einem Verband am Arm zurück, ohne tatsächlich verletzt zu sein. Er erklärte unter anderem V. und der Zeugin N., er habe sich die Hand gebrochen, weshalb er sich im Wald nicht habe selbst ernähren können und entgegen seiner Pläne aus TN. zurückgekehrt sei.
19Das angebliche Bronchialkarzinom nutzte er auch danach weiter, um den Kontakt zu V. und der Zeugin N. aufrechtzuerhalten. Dabei erwirkte er Treffen und Chatunterhaltungen mit den Frauen, indem er durch die fortwährenden Ausschmückungen seiner Krankheitsgeschichte ihr Mitleid erregte und ihnen unter Hinweis auf seinen baldigen Tod ein schlechtes Gewissen machte, wenn sie keine Zeit für ihn hatten.
20Spätestens im Sommer 2022 hatte der Angeklagte ein konkret auf V. gerichtetes sexuelles Interesse entwickelt, welches er unter anderem bediente, indem er in den Gesprächen und Chats mit ihr sexualisierte Themen anschnitt. So behauptete er in einem Chat im Juni 2022, er habe bei der Arbeit mit den Jugendlichen/jungen Erwachsenen in der von ihm betreuten Wohngruppe mitbekommen, wie diese sich über ihre bevorzugten pornographischen Websites unterhielten. Genannt worden sei eine Seite, die sich mit gewalttätigem Sex beschäftige. Tatsächlich handelt es sich bei den auf der benannten Website gezeigten Videos um solche, die den sexuellen Vorlieben des Angeklagten entsprachen, der unter anderem Fesselungen, die Ausübung von Dominanz und Sado-Maso Praktiken – alles zusammen „BDSM“ – erregend fand. Wie von ihm erhofft, reagierte V. darauf, indem sie Details aus ihrem Intimleben preisgab, indem sie erklärte, dass beiderseitiges Einverständnis aus ihrer Sicht wichtig sei und sie selbst es möge, wenn ihr Partner, der Zeuge Y., sie beim Sex leicht würge.
21Weil V. – wie auch die Zeugin N. – im Sommer 2022 weniger Zeit für den Angeklagten fand, da sie unter anderem wegen der Vorbereitung auf die Examensprüfungen eingespannt war, steigerte der Angeklagte sein manipulatives Verhalten zur Herbeiführung von Treffen mit V.. Als sie am 16. Juni 2022 ein für diesen Tag geplantes Treffen unter Hinweis darauf, dass es ihr nun doch nicht mehr gut passe, absagte und stattdessen ein Treffen am darauffolgenden Montag vorschlug, reagierte der Angeklagte ungehalten. Er versuchte zunächst, ihr mit angeblich ihretwegen abgesagten Treffen und sodann mit dringendem Gesprächsbedarf ein schlechtes Gewissen zu machen und unterstellte ihr letztlich, sie habe ihn versetzt, weil sie sich stattdessen mit C. – gemeint war der Zeuge C. Y., mit dem V. seit Juli 2020 intim liiert war – treffen wolle. Darauf reagierte V. verärgert im Chat und hatte für sich erkannt, dass der Kontakt mit dem Angeklagten, den sie nun als manipulativ wahrnahm, ihr nicht guttat. Ab diesem Zeitpunkt stand V. dem Angeklagten nicht mehr für Treffen zur Verfügung und sie chattete auch nur noch sehr sporadisch mit ihm. Für den Angeklagten war deutlich, dass V. sich von ihm entfernte, und er erkannte dies auch.
22Unterdessen kreiste der Angeklagte gedanklich immer mehr um V. und den Wunsch, mit ihr Sex zu haben. Bei einer zweiten Reise nach TN. erzählte er dem Zeugen S. unter anderem, dass sie seine Freundin und die Liebe seines Lebens sei. Er berichtete von Sex mit ihr, nachdem er auf der ersten Norwegenreise noch davon erzählt hatte, dass sie pornographische Videos miteinander austauschen würden, insbesondere solche, in denen zu sehen sei, wie Frauen Gegenstände vaginal eingeführt würden.
23Auch von dieser zweiten Reise kehrte der Angeklagte zurück. Sie endete vorzeitig wegen einer Autopanne, welche die Gruppe zur Rückkehr zwang und von welcher der Angeklagten V. in Whatsapp Nachrichten berichtete.
24In der Folge änderte er seine Krebslüge insofern ab, als er angab, nunmehr doch eine Therapie mit Operationen aufnehmen zu wollen. Grund hierfür war, dass er V. vor der zweiten Norwegenreise mit der Geschichte des bevorstehenden Todes nicht mehr hatte zu einem Treffen bewegen können und deshalb erkannt hatte, dass es hierzu zu neuer Lügen bedurfte. So behauptete er nunmehr, dass die bevorstehenden Operationen – acht insgesamt – eine große Gefahr für sein Leben bedeuteten, und übte damit Druck auf V. aus, die er so zu einem „Abschiedstreffen“ bewegen wollte. Seiner Erwartung zuwider blockte V. jedoch auch diesen Versuch ab und wünschte ihm in einer Whatsapp Nachricht vom 00. September 0000 „aufrichtig alles Gute für die OP“, womit sie endgültig zum Ausdruck brachte, dass sie ihn nicht persönlich treffen wollte. Der Angeklagte antwortete angetrieben von heftigem Zorn über seine Erfolglosigkeit und ihre Ablehnung mit einer Nachricht des Inhalts, sie könne „sich ihr aufrichtig in [ihre] undankbare Fotze stecken“.
25V. blockierte den Angeklagten in der Folge so, dass er mit ihr keinen Kontakt mehr über das Mobiltelefon aufnehmen konnte. Sie hatte nun Angst vor ihm und befürchtete, dass er sich an ihr für den Kontaktabbruch rächen könnte, wobei sie aufgrund einer ebenfalls von ihm erzählten und von ihr nicht erkannten Lüge in dem Glauben war, dass er in der Vergangenheit für eine kriminelle Gang tätig war, weshalb sie ihm Gewalttätigkeiten zu ihrem Nachteil zutraute.
26Ende Oktober „entblockierte“ V. den Angeklagten wieder, woraufhin er den Kontakt zu ihr erneut aufzubauen versuchte. So erklärte er ihr via Whatsapp, er habe sie vermisst und wolle ihr etwas – offenbar persönlich – berichten, worauf V. jedoch nicht reagierte, was dem Angeklagten vor Augen führte, dass V. nicht gewillt war, die persönliche Freundschaft mit Treffen wieder aufleben zu lassen.
27Der Angeklagte hatte sich durch die verschiedenen Lügen in seinem familiären und freundschaftlichen Umfeld aus seiner Sicht in eine ausweglose Lage gebracht. Der Kontakt zu V. war beinahe einseitig geworden, seit sie auf seine Nachrichten nicht mehr oder ablehnend reagierte, ohne dass er noch auf eine positive Wendung hoffen konnte. Das Verhältnis zur Zeugin OT. war ebenfalls distanziert und zwar einerseits örtlich, weil die Zeugin mittlerweile in Q. an einer ihm unbekannten Anschrift wohnte, und andererseits auch emotional, was sich dadurch zeigte, dass die Zeugin ebenfalls ablehnend auf Versuche des Angeklagten reagierte, sie zu treffen.
28Beruflich stand der Angeklagte vor dem Nichts, da er weiterhin weder eine Berufsausbildung abgeschlossen hatte noch sich überhaupt noch in einer solchen befand. Im Übrigen war er seit der Kündigung seines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses durch den J. G. ohne Job und ohne Einkünfte. Dies war umso belastender, als er keine Ersparnisse hatte, demgegenüber beträchtliche Schulden angesammelt hatte und seine Eltern, die er nicht in den Abbruch der Ausbildung eingeweiht hatte, nicht um Hilfe bitten konnte, weil er ansonsten seine Lügen hätte offenlegen müssen.
29Zudem wohnte er mit Anfang 30 wieder im ehemaligen Kinder- und Jugendzimmer im Haus seiner Eltern. Damit befand er sich insgesamt in einer festgefahrenen Lebenssituation, angesichts welcher er auch in Zukunft keine Chancen auf Erfolg bei attraktiven Frauen wie der Zeugin N. oder V. haben würde, wie der Angeklagte auch erkannte.
302. Tatgeschehen
31Dabei kreisten die sexuellen Phantasien des Angeklagten um V., auf die sich sein Interesse konzentrierte, und im Verhältnis zu der eine einvernehmliche Erfüllung seiner Wünsche – wie der Angeklagte erkannte – ausgeschlossen war. Zudem war er wütend über seine desaströse Lebenssituation, wofür er auch V. verantwortlich machte, die sich ihm trotz der vielen Lügen entzogen hatte.
32Nachdem er in der Nacht vom 8. auf den 0. November 0000 gegen Mitternacht Inhalte der Internetseite „F.“ betrachtet hatte und nach wenig oder möglicherweise keinem Schlaf gegen 5 Uhr morgens (wieder) wach war, entschloss er sich, seine sexuellen Phantasien gegen den Willen von V. in die Tat umzusetzen, womit er auch Rache nehmen wollte für den faktischen Kontaktabbruch.
33Ihm war bekannt, dass V. Frühschicht hatte, dass sie deswegen etwa gegen 6:10 Uhr im I.Hospital zu erscheinen hatte und wann sie dafür das Haus verlassen würde. Er plante, sie vor dem versteckt liegenden Eingang des Hauses H.-straße 1, in welchem sich im ersten Obergeschoss ihre Wohnung befand, abzufangen.
34Zu diesem Zweck machte er sich spätestens um 5:20 Uhr mit seinem Pkw Dacia Duster auf den Weg vom Haus seiner Eltern in K. zur Wohnung V.s in U., die bei einer Entfernung von etwa 20 Kilometern in ungefähr 20 Autominuten zu erreichen war. Bei sich führte er ein schweres Arbeits- und Kampfmesser – ein sogenanntes „Bowiemesser“ – mit einer etwa 19 cm langen und 3 cm breiten Klinge sowie Panzerklebeband. Mit Hilfe dieser Gegenstände wollte er die erwartete Gegenwehr V.s unterbinden bzw. brechen, wobei er mindestens beabsichtigte, ihr mit dem Messer zu drohen und das Panzerklebeband zum Fesseln und Knebeln einzusetzen, um so eine Flucht bzw. Hilferufe zu verhindern. Er wollte damit auch einen Zustand schaffen, in dem V. ihm ausgeliefert war. Diesen wollte er in erster Linie für die Durchsetzung seiner sexuellen Wünsche nutzen, aber auch dazu, sich in den Besitz ihrer EC-Karte nebst PIN zu bringen, um eine wenigstens kurzzeitige Linderung seiner finanziell schlechten Lage zu erreichen.
35In dem Bewusstsein, dass zum einem V. ihn identifizieren und als Täter benennen würde, wenn sie die Tat überlebe, und ihm zum anderen für diesen Fall auch eine erhebliche Strafe wegen des von ihm beabsichtigten Vorgehens drohen würde, war er auch bereits jetzt entschlossen, V. am Ende des Geschehens zu töten.
36V. versah sich keines Angriffs, als sie wie üblich etwa gegen 5:45 bis 5:50 Uhr aus dem Haus H.-straße 1 trat, in welchem sie zu dieser Zeit allein die einzige in dem Haus über einem Bestattungsinstitut gelegene Wohnung bewohnte. Der Angeklagte hatte sich so versteckt, dass sie ihn erst bemerkte, als er mit dem Messer in einer seiner Hände an sie herantrat und sie ihm in der Wohngegend ohne Passanten zu der frühen Stunde schutzlos ausgeliefert war.
37Er drängte sie mit dem Messer zurück in den Flur des Hauses, wobei er ihr eine nicht nur unerhebliche und sogleich blutende Schnitt-/Stichverletzung am linken Handgelenk sowie eine weitere Schnittverletzung am rechten Mittelfinger zufügte. Diese waren entweder dadurch entstanden, dass V. das sie bedrohende Messer abwehren wollte und hierzu in die Klinge griff, oder dadurch, dass der Angeklagte durch die Zufügung der Verletzungen seine Entschlossenheit und die Zwecklosigkeit von Gegenwehr sogleich demonstrieren wollte.
38Seinem Tatplan entsprechend, gelang es dem Angeklagten, V. in ihre Wohnung zurückzudrängen. Spätestens dort legte er ihr unter der fortwährenden drohenden Wirkung des Messers einen Knebel aus dem mitgeführten Panzerband an. Zudem fesselte er sie – noch bekleidet – mit weiteren Panzerbandabschnitten an den Handgelenken.
39Die im Moment des ersten Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit V.s wirkte während der gesamten Tat in dem Sinne fort, dass sie danach bis zu ihrem Tod aufgrund der Bedrohung mit dem Messer und der Fesselungen von dem Angeklagten in eine Situation gebracht war, in welcher sie keine Möglichkeiten mehr zu effektiver Gegenwehr hatte.
40Schon durch das rücksichtslose Auftreten an der Haustür und den offensichtlich planvollen Einsatz des Messers und des mitgeführten Panzerbandes erkannte V., dass der Angeklagte, den sie aufgrund seines Äußeren sofort erkannt hatte, „ernst machte“. Sie geriet in Todesangst, weil sie befürchtete, dass der Angeklagte sie nicht als Zeugin überleben lassen würde.
41Die genaue Reihenfolge der folgenden, in der Wohnung V.s im Schlafzimmer stattfindenden weiteren Tathandlungen bis zu ihrer Tötung konnte nicht aufgeklärt werden. Fest steht, dass sich ein mehraktiges Geschehen anschloss, bei dem der Angeklagte der Geschädigten aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besonders starke Schmerzen und Qualen körperlicher und seelischer Art – insbesondere ihre Todesangst erkennend – zufügte, weil es ihn erregte und weil er sich dadurch an ihr rächen wollte. Leitend waren dabei für den Angeklagten sexuelle Motive: Es erregte ihn, V. Schmerzen zuzufügen, sie zu dominieren, zu „demütigen“, woraus er sexuelle Befriedigung ziehen wollte.
42Zu diesem Zweck holte er ein Nudelholz mit gewöhnlichen Abmessungen aus einer Schublade ihrer Küche, als V. wegen der Fesselung nicht in der Lage war, diesen Moment zur Flucht zu nutzen. Der Angeklagte entkleidete V.s Unterkörper bis auf die Socken. Betreffend ihre Oberbekleidung ist unklar geblieben, ob er die Sweatshirtjacke lediglich am Reißverschluss öffnete oder er die Pulloverjacke schon jetzt auszog. Jedenfalls zerriss er das von V. unter der Pulloverjacke getragene T-Shirt und riss ihren BH auf. Beide Kleidungsstücke schob er nach oben in Richtung ihres Kopfes oder bewirkte dies dadurch, dass er die auf ihrem Bett liegende V. an sich heranzog.
43Das Nudelholz führte er V. anal und vaginal ein, was für sich genommen schon äußerst schmerzhaft und demütigend war. Darüber hinaus penetrierte er sie aber damit auch mit einer derartigen Heftigkeit, dass sie Hämatome an den Schamlippen, einen Riss der linken kleinen Schamlippe und blutende Verletzungen an der Vagina und am Anus davontrug. Das Nudelholz legte er anschließend auf dem Bett ab.
44Ebenfalls aus sexuellen Motiven biss der Angeklagte V. in die entblößten Brustwarzen, was zu einer blutenden Wunde führte und V. starke Schmerzen bereitete.
45Die brutale sexuelle Gewalt, die sich in dem später erfolgten Würgen zunächst bis zur Bewusstlosigkeit und daran anschließend bis zum Eintritt des Todes fortsetzte, war bestimmend für die Tat.
46Möglicherweise mit nicht überwiegend sexueller Motivation schlug der Angeklagte V. zudem ebenfalls mit dem Nudelholz auf die Oberschenkel, was ebenfalls sehr schmerzhaft für sie war und wegen der Schlaghärte zu streifenförmigen Hämatomen führte.
47Um mit dem Besitz der V. gehörenden EC-Karte – die er sich entweder direkt nach dem Zurückdrängen in das Haus aus ihrem Rucksack genommen hatte oder von der er wusste, dass sie sich in ihrem Rucksack befinden würde – einen geldwerten Vorteil erzielen zu können, zwang der Angeklagte unter dem Eindruck seines massiv bedrohlichen und später auch gewaltausübenden Verhaltens V. die zur Karte gehörende PIN preiszugeben. Dass V. ihm dabei ausgeliefert war und er Macht über sie ausüben konnte, erregte ihn, wenngleich nicht feststellbar ist, dass das Erzielen von Erregung die Triebfeder für das Abpressen der PIN war.
48Erst am Ende des von ihm so inszenierten und für V. demütigenden und schmerzhaften Geschehens, währenddessen er den der Geschädigten vor Augen stehenden tödlichen Angriff hinauszögerte, indem er ihr zunächst noch keine tödliche Gewalt antat, erwürgte er sie. Dazu würgte er sie mit einer Hand oder beiden Händen für die Dauer mindestens einer Minute bis zum Eintritt der Bewusstlosigkeit und sodann für wenigstens eine weitere Minute über den Eintritt ihrer Bewusstlosigkeit hinaus. Dies geschah für den Fall dieser Mindestwürgedauer mit sehr festen Griff. Sollte er den Griff, etwa wegen Gegenwehr V.s oder um das Geschehen hinauszuzögern, gelockert haben, dauerte das Würgen auch deutlich länger. Auch bei dem zum Tode führenden Würgen ging es dem Angeklagten darum, sich sexuell zu stimulieren. Gleichzeitig war ihm klar, dass das Würgen einen so erheblichen Zeitraum über die Bewusstlosigkeit hinaus den Tod V.s herbeiführte, was er, um sie, wie von Anfang an geplant, als Tatzeugin auszuschalten, auch wollte.
49Wenn er nicht bereits während der mit sexueller Motivation durchgeführten Handlungen ihre Sweatshirtjacke ausgezogen haben sollte, so entkleidete der Angeklagte V.s Leiche vor dem Verlassen ihrer Wohnung vollständig, bis auf die Socken, indem er die Jacke mit den Fesselungen an den Handgelenken über die Arme zog, ohne die Fesselung zu lösen. In diesem Fall tat er dies, um so Spuren am Tatort zu vermeiden.
50Als der Angeklagte die Wohnung V.s etwa gegen 08:39 Uhr verließ, lag ihre Leiche bäuchlings auf dem Bett. Er nahm das von ihm mitgebrachte Messer, das Panzerklebeband, ihr Handy, ihr Portemonnaie nebst EC-Karte, den Knebel aus Panzerband und die Sweatshirtjacke mit dem Panzerband an den Ärmeln mit aus der Wohnung. Er entfernte sich in Richtung des fußläufig binnen weniger Minuten zu erreichenden Geldautomaten an der NZ.-straße in U., wo er 1.000 € unter Nutzung ihrer Geldkarte und Eingabe ihrer PIN vom Konto der V. abhob. Das Geld verwendete er in der Folge, wie von Anfang an beabsichtigt, für sich.
51V.s Leiche wurde am Vormittag des 0. November von Arbeitskollegen entdeckt, die sich wegen des Nichterscheinens der sehr zuverlässigen Kollegin zur Frühschicht um diese sorgten.
52Noch am 0. November entsorgte der Angeklagte die Sweatshirtjacke mit den Panzerbandabschnitten an den Ärmelenden, den Knebel, die Geldbörse, aus der er vorher die EC-Karte herausgenommen hatte, und ihr nach wie vor eingeschaltetes Handy iPhone 14 im Steinbruch CM. in K.. Das zum Knebel verklebte Panzerband legte er auf einem Parkstreifen ab, die Jacke in einen Mülleimer der Aussichtsplattform, die Geldbörse unterhalb der Aussichtsplattform und das Handy etwa drei Meter von der Aussichtsplattform entfernt.
53Der Angeklagte war bei der Begehung der Tat weder in seiner Einsicht, das Unrecht seines Handelns zu erkennen, beeinträchtigt noch in der Fähigkeit, dieser Erkenntnis entsprechend zu handeln.
543. Verhalten nach der Tat
55Der Angeklagte verbrachte den Nachmittag des 0. November 0000 wie üblich zunächst Computer spielend mit dem Zeugen T., dem er vorspielte, bis zum abendlichen Anruf der Zeugin EY., die ihm vom Tod V.s berichtete, davon nichts gewusst zu haben. Danach tat er so, als wäre er traurig und würde sich fragen, wie EQ. ums Leben gekommen sein könnte. Später am Abend traf sich der Angeklagte mit dem Zeugen S., dem er zuvor geschrieben hatte, er brauche seine Hilfe. Ihm teilte er zunächst mit, V. sei ermordet worden, was er auf Nachfragen des Zeugen insofern relativierte, als er angab, nicht zu wissen, wie sie gestorben sei.
56Am frühen Morgen des 10. November 2022 suchte der Angeklagte mit seinem Handy in einer Suchmaschine nach den Begriffen „handy gps“, „handy gps akku leer“ und „iphone akku leer orten“.
57Mittags wurde er von KOK RG. als Zeuge in dem zu dieser Zeit gegen Unbekannt geführten Ermittlungsverfahren wegen der Tötung V.s vernommen. Er stellte darin sein Verhältnis zu ihr als geschwisterähnlich dar und verneinte ein darüber hinaus gehendes insbesondere sexuelles Interesse seinerseits an ihr. Er nannte eine „fälschliche“ Krebsdiagnose und eine sich daran anschließende Depression als Grund für den Abbruch seiner Ausbildung zum Krankenpfleger und stimmte der Abgabe einer DNA-Probe zu. Die Bitte des Vernehmungsbeamten, sein Handy hinsichtlich des Chats mit V. auswerten zu dürfen, lehnte er ab mit dem Hinweis, er wisse nicht, ob es EQ. Recht gewesen wäre, wenn er den Chat mit ihr jemand anderem zeige.
58Im Nachgang zur Vernehmung und insbesondere zur Abgabe der DNA-Probe suchte er mit dem Browser seines Handys nach den Begriffen „hinterlasse ich dna auf der haut wenn ich jemanden anfasse“ „wie tief bissspur für dna“ und „dna abgleich polizei“, weil im bewusst war, dass er bei der Tatbegehung Spuren hinterlassen haben könnte und fürchtete, alsbald identifiziert zu werden. Abends suchte er mit den Parametern „mord urteil deutschland“, „mord um eine andere straftat zu verdecken“ und „gerichtsverfahren öffentlich“. Zudem beschäftigte er sich spätestens jetzt auch mit einer Flucht aus der Bundesrepublik und recherchierte hierzu Ziele in GD..
59Wann genau der Angeklagte seine Fluchtgedanken in die Tat umsetzte, ist unklar. Sicher ist, dass er mit seinem Fahrzeug Dacia Duster Deutschland alsbald verließ und vor dem 15.11.2022 nach GD. einreiste. Bei sich im Auto hatte er das Panzerband sowie das Tatmesser. Zudem bewahrte er die EC-Karte V.s weiter bei sich auf.
60Am frühen Morgen des 11.11.2022 beschäftigte der Angeklagte sich mit Suchaufträgen betreffend Ortungsmöglichkeiten bei Samsunghandys, wie er polizeiliche Ortungen eines Samsunghandys unterbinden könne sowie „mord welches gefängnis“ und „gefängnis ausschlafen“.
61Am Morgen des 12.11.2022 suchte er nach „fahndungsliste nrw“, Neuigkeiten aus dem Kreis U. und ließ sich Tankstellen in der Umgebung anzeigen, die Bargeld akzeptieren.
62Am Abend des 12.11.2022 legte der Angeklagte einen Ordner auf seinem Handy an, in dem er zwei Bilder speicherte, auf denen V. ausgeschnitten aus Gruppenbildern zu sehen ist. Den Ordner nannte er „VS.“, womit er erneut seine Verachtung ihr gegenüber ausdrücken wollte. Zudem suchte er nach Motels in XO. und BR., Fahndungen in ND. und von Interpol sowie Berichten über den „Mord an EQ. K“.
63Am Morgen des 14.11.2022 erstellte der Angeklagte in seinem Fahrzeug sitzend zwei Videos, die er anschließend per Whatsapp an die Zeugin N. und seine Eltern übermittelte. Darin räumte er die Tatbegehung pauschal mit den Worten ein „ich war´s“ bzw. „ich hab´s getan“ und sprach insofern von „bösen Gedanken und Träumen“, gegen die er angeblich schon sein Leben lang kämpfe. Im Video an die Zeugin N. erklärte er weiter, dass er die Krebserkrankung erfunden habe, um „von euch“ – gemeint sind die Zeugin N. und V. – wegzukommen. Weiter gab er an, EQ. geliebt zu haben und kündigte einen Suizid an, für den er den Mut suche. Im Video an seine Eltern behauptete er, er habe die Kochausbildung wegen der bösen Gedanken abgebrochen und auch die Ausbildung im UH. „gekündigt“, um von EQ. und XC. wegzukommen. Er erkenne sich in BB., dem Sohn seines Bruders, wieder und bat seine Eltern, deswegen auf diesen aufzupassen. Auch ihnen gegenüber kündigte er an, sich selbst umzubringen.
64Am Morgen des 15.11.2022 suchte der Angeklagte unter Eingabe verschiedenen Suchbegriffen nach einem Prostituiertenkontakt in GD...
65Am selben Tag telefonierte er mit dem Zeugen T. und räumte auch diesem gegenüber die Tatbegehung ein. Er habe „das“ – gemeint ist mindestens die Vergewaltigung und Tötung V.s – schon lange gewollt, aber bislang unterdrückt. An dem Morgen sei es passiert.
66Später am 15.11.2022 wurde der Angeklagte aufgrund eines zwischenzeitlich erlassenen europäischen Haftbefehls etwa 40 km entfernt von QU. widerstandslos festgenommen und in RC. Auslieferungshaft genommen.
67Aus dieser schrieb er einen Brief an die Zeugen S. und T., der ohne erkennbare Briefkontrolle einige Tage nach dem 15.11.2022 beim Zeugen T. eintraf. Mit dem Brief versuchte er, die auch für ihn erkennbar in den Augen anderer Menschen überaus brutale Tatbegehung zu erklären und sich selbst als Opfer seiner Gedanken darzustellen, wobei er wiederum die Empfänger des Briefes mit Lügen zu manipulieren suchte. In dem Brief berichtete der Angeklagte zunächst über die Bedingungen in der spanischen Haft und beschrieb anschließend das Geschehen am 0. November – „meine Tat“ – und seine Motivation – verbunden mit der Bitte um Verschwiegenheit – unter anderem wie folgt: er habe seit der 8./9. Klasse immer Phantasien und Träume gehabt, eine Frau zu demütigen und ihr wehzutun, habe sich aber immer unter Kontrolle halten können, obwohl es öfter zu Situationen gekommen sei, in denen er sie würgen wollte. Bei manchen Freundinnen habe er das mit deren Zustimmung auch machen dürfen, aber irgendwann sei das nicht mehr genug gewesen. Bei EQ. sei er in der Vergangenheit schon einmal beinahe übergriffig geworden, weswegen er einen Selbstmordentschluss gefasst und die Krebslüge in die Welt gesetzt habe. Vor dem 0. November habe er drei Nächte nicht geschlafen und es habe sich alles verselbstständigt. Die Tatbegehung habe ihm gefallen, obwohl er wisse, wie schlimm sie sei und wieviel Angst EQ. gehabt habe. Weil es kein vergleichbar schönes Gefühl gebe, als einem Menschen im Moment des Todes in die Augen zu sehen, wolle er die Tat wiederholen, wofür er in der Haft schon eine junge Sozialarbeiterin ausgesucht habe. Er kündigte erneut einen Selbstmord an, womit er auch weitere Opfer vermeiden wolle.
68Am 30.11. wurde der Angeklagte an die Bundesrepublik überstellt und am Flughafen AB. festgenommen. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft in der JVA WX..
69III.
70Die Feststellungen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Art und Umfang aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlich sind.
71Der Angeklagte hat sich sowohl im Ermittlungs- als auch im Hauptverfahren schweigend verteidigt.
721. Feststellungen zur Person
73Die Feststellungen der Kammer zum Werdegang des Angeklagten beruhen auf einer Gesamtschau der durch die Zeugen WS. und IH. T., EY., EX. und OT. gewonnenen Erkenntnisse sowie den bei der Durchsuchung seines Zimmers im Haus seiner Eltern aufgefundenen Urkunden. Die Eltern sowie die beiden Brüder des Angeklagten haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
74Der Zeuge T. hat bekundet, dass er etwa seit dem 17. oder 18. Lebensjahr mit dem Angeklagten befreundet sei und ihn daher gut kenne. Aus dieser langen Freundschaft folgten sowohl Erkenntnisse über das Aufwachsen als auch über die familiäre Situation des Angeklagten und seines Substanzkonsums wie festgestellt. Im Zeitpunkt des Kennenlernens habe der Angeklagte bereits seinen Realschulabschluss erlangt gehabt. Eine anschließende Ausbildung zum Koch habe er nach etwa einem Jahr abgebrochen. Dazu habe der Angeklagte damals erklärt, dass der Betreiber des Ausbildungsbetriebs in D. ihm wegen einer beabsichtigten Umstrukturierung oder Schließung des Restaurants habe kündigen wollen, was ihm – dem Angeklagten – Recht gewesen sei, weil er das Interesse an der Ausbildung ohnehin verloren gehabt habe. Anschließend habe er bei verschiedenen Arbeitgebern gejobbt.
75Ob diese Entwicklung den Umständen entspricht oder der Angeklagte selbst den Ausbildungsvertrag kündigte, konnte die Kammer nicht feststellen. Dabei hat die Kammer erkannt, dass das Video, welches der Angeklagte am 14. November 2022 aufnahm und seinen Eltern per Whatsapp schickte, einen Anhaltspunkt dafür liefern könnte. Darin erklärte er, er habe schon sein Leben lang böse Gedanken und Träume. Um sich diesen zu entziehen, habe er damals seine „Kochausbildung gekündigt“. Diese, genau wie die Erklärung gegenüber dem Zeugen T., ist für sich geeignet, den Angeklagten in der jeweiligen Situation gut dastehen zu lassen, weshalb vorstellbar ist, dass er sie aus dem Grund erfunden hat. In dem Video an seine Eltern versuchte er insofern eine Rechtfertigung seiner Tat zum Nachteil V.s zu etablieren, als er sich selbst als Opfer seiner bösen Gedanken bezeichnete. Gegenüber dem Zeugen T. könnte es möglicherweise darum gegangen sein, eine Ausrede für die unfreiwillige Beendigung des Ausbildungsvertrages zu finden.
76Was genau der Angeklagte in der Zeit nach der Ausbildung gemacht habe, könne er – der Zeuge T. – nicht sagen, obwohl die Freundschaft immer enger geworden sei. Ihm sei klar gewesen, dass er vom Angeklagten belogen worden sei, als dieser ihm gegenüber vorgab, er habe in der Folgezeit sein Abitur nachgeholt, Maschinenbau an der Fachhochschule studiert und mit einem Bachelor abgeschlossen. Ihm – dem Zeugen – sei das Lügen aufgefallen, er habe aber gedacht, dass der Angeklagte dies für sein Selbstwertgefühl gebraucht habe, weshalb er es nicht angesprochen habe. Nach dem angeblichen Bachelorabschluss, etwa im Alter von 25/26, will der Angeklagte im UH.-Hospital als Maschinenschlosser die Verantwortung für Ergotherapiemaschinen getragen haben, bevor er – insoweit dürften die Erzählungen des Angeklagten den tatsächlichen Umständen entsprochen haben – dann die Ausbildung zum Pfleger begonnen habe. Er habe – so der Zeuge T. – berichtet, dass er die Ausbildung wegen der Krebserkrankung vor der ersten gemeinsamen Reise nach TN. im Jahr 2021 unterbrochen habe. Wegen des geringen Krankengeldbetrages habe er dann ab 2022 in einer Einrichtung für betreutes Wohnen Nachtschichten gemacht. Von Fehlzeiten dort oder der Kündigung im November 2022 habe er nichts berichtet.
77Die Angaben des Zeugen sind glaubhaft und auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Aussagekraft der überwiegend nur mittelbaren Beobachtungen geeignet, zur Überzeugungsbildung der Kammer beizutragen. Dies liegt zum einen schon daran, dass der Zeuge T. selbst nicht lediglich ungeprüft die Angaben des Angeklagten entgegengenommen und sie als tatsächlich geschehen an die Kammer weitergegeben hat, sondern genau zu unterscheiden vermochte, welche Umstände er „nur“ vermittelt vom Angeklagten bekommen und welche er selbst wahrgenommen hat.
78Zum anderen werden die Angaben des Zeugen auch gestützt von weiteren Beweismitteln. So hat die Kammer Dokumente in die Hauptverhandlung eingeführt, die der Angeklagte bei seinen Bewerbungen im UH.-Hospital sowie beim J. eingereicht hatte. Daraus ergibt sich jedenfalls, dass er nicht, wie gegenüber dem Zeugen T. behauptet, die allgemeine Hochschulreife erlangt und anschließend ein Fachhochschulstudium aufgenommen, geschweige denn abgeschlossen hätte. Gegenüber dem UH.-Hospital gab er in einem tabellarischen Lebenslauf an, er habe nach Erlangung der mittleren Reife von 2009 bis 2012 eine Ausbildung zum Koch absolviert, und danach bis 2014 das Fachabitur in DC. erlangt. Er habe dann ein Jahr in einem Betrieb in K. gearbeitet, was er in dem tabellarischen Lebenslauf mit „Emalliermaschine“ umschrieb. Ab 2015 bis zur Aufnahme des Freiwilligen Sozialen Jahres habe er dann als Lagerist in NC. gearbeitet. Dem gegenüber hat er bei der Bewerbung beim J. im März 2022 angegeben, er habe von 2009 bis 2012 als Küchenhilfe/Kellner in einem Restaurant in HL. gearbeitet, zwischen 2012 und 2014 das Fachabitur im Bereich Metalltechnik erworben, von 2014 bis 2018 als Lagerist in QK. gearbeitet und ab 2018 eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger im UH. Hospital gemacht.
79Aufgrund der wechselnden, sicher nicht überwiegend richtigen Behauptungen des Angeklagten bei verschiedenen Gelegenheiten hat die Kammer keine sicheren Feststellungen zu seiner Erwerbstätigkeit nach der Zeit in der Kochlehre und vor Beginn des freiwilligen sozialen Jahres im UH.-Hospital getroffen.
80Die Feststellungen zu dessen Beginn beruhen ebenso wie die Feststellungen zum Beginn der Ausbildung zum Krankenpfleger im August 2019 auf den übereinstimmenden Angaben der als Zeuginnen vernommenen Kolleginnen EY., EX., OT. sowie den im Selbstleseverfahren eingeführten Urkunden aus der Personalakte des UH.-Hospitals. Dass der Angeklagte ab März 2022 beim J. als geringfügig Beschäftigter angestellt war und am 07.11.2022 fristlos gekündigt wurde, hat die Zeugin QL., die in der Verwaltung des J. arbeitet, wie festgestellt geschildert.
81Soweit aus dem vom Angeklagten vorgelegten Lebenslauf und auch aus der Vernehmung der Zeugin OT. folgen könnte, dass der Angeklagte eine weitere Ausbildung zum Schlosser bzw. im Bereich Metalltechnik aufgenommen haben könnte, ist mangels objektiver Anknüpfungspunkte der Wahrheitsgehalt unklar geblieben. Denkbar ist auch, dass der Angeklagte einen Gelegenheitsjob im Metallgewerbe zu einer Ausbildung in diesem Bereich erhöht und sodann der Zeugin OT. davon berichtet bzw. dies in seinem Lebenslauf zu Unrecht angegeben hat. Zeugnisse oder dergleichen, etwa über ein Fachabitur oder eine abgeschlossene Schlosserlehre, sind nicht bekannt geworden.
82Aus dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 17. November 2022 folgt, dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist.
832. Feststellungen zur Sache
84Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Angeklagte V. am Morgen des 00. November 0000 in ihrer Wohnung aus den festgestellten Motiven und auf die festgestellte Weise getötet hat. Im Einzelnen:
85a) V.
86Die zur Person V.s getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben ihrer Mutter, der als Zeugin vernommenen Nebenklägerin EL., sowie der Zeugin TV. und des Zeugen Y..
87Die Nebenklägerin hat bekundet, dass ihre Tochter ein liebenswerter, hilfsbereiter und lustiger Mensch gewesen sei. Sie habe vorgehabt, Medizin zu studieren, doch vorher die Pflegeausbildung absolvieren wollen. Trotz verschiedener ernster Erkrankungen, insbesondere Morbus Chron, sei sie lebenslustig und voller Pläne für die Zukunft gewesen. Die langwierige und intensive Krankheitsgeschichte habe sie und ihre Tochter sehr zusammengeschweißt, sie hätten immer ein sehr enges und intensives Verhältnis gehabt, so dass sie auch viel über das Leben ihrer Tochter von dieser direkt erfahren habe.
88EQ. habe nach dem Abitur kurz vor ihrem 18. Geburtstag die Ausbildung zur Krankenpflegerin begonnen. Zu der Zeit habe sie noch mit ihr – der Nebenklägerin – zusammengewohnt. Ab Frühjahr 2020 habe EQ. dann alleine in der Wohnung im ersten Obergeschoss am H.-straße 1 in U. gelebt. Ein Jahr später habe sie ihren Führerschein gemacht, sei bis dahin regelmäßig, so habe EQ. erzählt, von einem anderen Auszubildenden, der in K. gewohnt habe, mitgenommen worden. Es habe sich dabei um den Angeklagten gehandelt. Seit Sommer 2022 habe EQ. als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im UH.-Hospital gearbeitet.
89Befragt zum Umgang V.s mit Passworten, PINs etc. hat die Nebenklägerin geschildert, dass sie trotz des sehr innigen Verhältnisses weder ein Passwort noch die PIN für ZA. EC-Karte gewusst hätte. EQ. sei in dieser Hinsicht sehr vorsichtig gewesen und stets darauf bedacht, dass niemand anderes solche Daten von ihr erlangt habe. So sei es beispielsweise auch regelmäßig so gewesen, dass EQ. bei Einkäufen, wenn sie mit ihrer EC-Karte bezahlt habe, die Eingabe ihrer PIN verdeckt durch ihr Portemonnaie vorgenommen habe. Ihr großes Sicherheitsbedürfnis habe sich auch daran gezeigt, dass EQ. niemals die Tür zu ihrer Wohnung geöffnet habe, wenn sie nicht sicher gewesen sei, wer davorgestanden habe.
90Die Angaben der Nebenklägerin sind authentisch und in jeder Hinsicht glaubhaft. Sie werden auch gestützt durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme im Übrigen. Dass V. ein großes Sicherheitsbedürfnis hatte, hat auch die Zeugin WJ. TV. geschildert. Sie sei die beste Freundin ZA. und mit dieser in ständigem Austausch gewesen. Auch sie habe keine PIN oder Ähnliches von ihr gewusst, nicht einmal den Entsperrcode für ihr Handy. Den habe sie wohl mal gehabt, aber EQ. habe die Berechtigung wieder entfernt und sich bei ihr – der Zeugin – dafür entschuldigt mit den Worten, dass sie nicht anders könne.
91Ebenso wie die Nebenklägerin hat auch die Zeugin TV. berichtet, von einem sexuellen Übergriff in der Silvesternach 2020 auf V. von dieser erfahren zu haben. EQ. habe ihr dazu erzählt, dass ein Freund ihres Partners C. Y. sich zu ihr ins Bett gelegt habe und sie an der Vagina berührt habe. Sie habe das nicht gewollt, was dem Bekannten auch wegen der Beziehung zu C. Y. klar gewesen sei, aber sich in der Situation nicht wehren können. Sie habe sich zwar gegen eine Strafanzeige entschieden, weil sie das Leben des Bekannten nicht habe zerstören wollen, allerdings habe der Vorfall sie so nachhaltig beschäftigt, dass sie noch im Oktober 2022 überlegt habe, ob sie doch noch eine Anzeige erstatten wollte. Maßgeblich sei dafür gewesen, dass sie dem Bekannten, einem Arbeitskollegen von C. Y., weiter in U. über den Weg gelaufen sei und sich vor ihm gefürchtet habe.
92Auch die Angaben der Zeugin TV. zum Werdegang und zur Person V.s sind glaubhaft. Sie stimmen mit den Angaben der Nebenklägerin überein und beruhen erkennbar auf der Erinnerung der Zeugin.
93Bestätigt werden die Angaben beider Zeuginnen im Übrigen durch die gleichlautenden Bekundungen des Zeugen Y., der angegeben hat, dass er seit dem 7. Juli 2020 mit EQ. liiert gewesen sei. Sie hätten sich immer mittwochs und am Wochenende bei ihr getroffen. EQ. sei nicht gerne allein gewesen und habe ihre Wohnung grundsätzlich verschlossen gehalten, womit er auch die Jalousien meine, die EQ. auch nach dem Aufstehen nicht hochgezogen habe. Durch den Vorfall in der Silvesternacht 2020, den er im Übrigen wie die Zeugin TV. geschildert hat, habe sich EQ. seiner Einschätzung nach auch nicht grundlegend verändert, da sie ja schon zuvor eher ängstlich gewesen sei.
94Ebenfalls übereinstimmend haben alle drei Zeugen geschildert, dass die Vorsicht V.s im Umgang mit Passworten und PINs nicht für das Zugangspasswort zu ihrem WLAN-Router gegolten habe. Insoweit sei sie – nach Einschätzung der Kammer gerade unter jungen Erwachsenen in durchaus üblicher Weise – nicht zurückhaltend gewesen, sondern habe jedem, der bei ihr zu Gast war und danach gefragt habe, die Zugangsdaten für das Drahtlosnetzwerk gegeben.
95b) Kennenlernen und Freundschaft
96Die Feststellungen der Kammer zum Beginn der Freundschaft zwischen V. und dem Angeklagten sowie der Entwicklung bis zu der vom Angeklagten erfundenen Krebserkrankung beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
97Sowohl die Zeugin TV. als auch der Zeuge Y. haben bekundet, dass V. und der Angeklagte enge Freunde gewesen seien. Sie hätten sich bei der Ausbildung kennengelernt und durch die gemeinsamen Fahrten zur Arbeit und zur Schule ein engeres Verhältnis zueinander entwickelt. In der Folge hätten beide Zeugen den Angeklagten auch bei verschiedenen Gelegenheiten bei EQ. zuhause oder bei Feiern, zu denen EQ. ihn eingeladen habe, getroffen. Der Zeuge Y. hat dazu nachvollziehbar bekundet, dass er zwar nicht eifersüchtig auf den Angeklagten gewesen sei, weil ihm klar gewesen sei, dass EQ. kein romantisches oder sexuelles Interesse an dem Angeklagten gehabt habe, aber ihm habe gleichwohl nicht gepasst, dass die beiden einen so engen Kontakt gehabt hätten, weil er den Angeklagten nicht gemocht habe. Die Zeugin TV. hat die Freundschaft zwischen EQ. und dem Angeklagten insofern als besonders innig eingeordnet, als er für EQ. „wie ein großer Bruder“ gewesen sei. Wenn EQ. ein über die Freundschaft hinausgehendes Interesse an dem Angeklagten gehabt oder er in diese Richtung Versuche unternommen hätte, dann – so sei sie, was für die Kammer nachvollziehbar ist, sicher – hätte EQ. ihr das berichtet.
98Wie die Zeugen TV. und Y. hat auch die Nebenklägerin von einer engen Freundschaft zwischen EQ. und dem Angeklagten berichtet. EQ. habe ihr regelmäßig von dem Arbeitskollegen berichtet, mit dem sie auch eine Fahrgemeinschaft habe. Auf ihre Nachfrage, ob dieser Mann vielleicht mehr von ihr – V. – wolle, als nur Freundschaft, habe EQ. ihr geantwortet, dass sie sich da keine Sorgen machen müsste. Denn zum einen habe sie ja, was er gewusst habe, einen festen Freund, zum anderen sei er eher an wechselnden Sexpartnerinnen und nicht an einer festen Beziehung interessiert, was sie aus seinen Erzählungen über sein Liebesleben geschlossen habe. Diese Einstellung habe EQ. in der Bezeichnung zusammengefasst, Jan sei ein „Fuckboy“. Auch diese Bekundungen der Nebenklägerin als Zeugin sind glaubhaft, weil sie wiederum durch die Angaben der Zeugin TV. gestützt werden, die angegeben hat, dass EQ. ihr von dem Liebesleben des Angeklagten berichtet habe. Er habe von häufigen One-Night-Stands berichtet und von einer Frau namens HB., genannt „KE.“, mit der er häufiger Sex habe, mit der er aber – über das Körperliche hinaus – keine Beziehung habe eingehen wollen.
99Dass es die Person „HB.“ im Leben des Angeklagten nicht gab, folgt aus den Bekundungen der Zeugen T. und S.. Auf Vorhalt der Behauptungen des Angeklagten im Chat mit V., er habe regelmäßig auf Partys von „JQ.“ – gemeint ist der Zeuge T., wie dieser erklärt hat – eine Frau namens HB., getroffen und mit dieser häufig Sex gehabt, haben beide Zeugen erklärt, dass es keine HB. in ihrem Bekanntenkreis gebe. In Betracht komme eine „PQ.“, wobei es sich um eine gute Freundin des Zeugen S. handele. Diese sei dem Angeklagten wohl auch mehrmals begegnet, intensiveren Kontakt, gar sexuellen hätten sie jedoch sicher nicht gehabt. Weil PQ. die beste Freundin seiner Schwester sei, sei er, der Zeuge S., sich auch sicher, dass er davon erfahren hätte. Bestätigt werden die Angaben im Übrigen durch die von KHK JI. durchgeführten Ermittlungen zur Feststellung von Rufnummerninhabern. Die beiden im Handy des Angeklagten unter dem Namen „KE.“ gespeicherten Nummern seien einem DB. und einer nicht existierenden Person aus Süddeutschland zugeordnet, in beiden Fällen habe man niemanden erreichen können.
100Die jedenfalls zunächst eher geschwisterähnliche Beziehung zwischen V. und dem Angeklagten wird auch untermauert durch den Eintrag in seinem Telefonbuch. Dort war V. ausweislich der von KOK RG. als Zeuge geschilderten Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten als „EQ. brudi“ eingespeichert.
101c) erfundene Krebserkrankung
102Die Feststellungen betreffend die vom Angeklagten erfundene und bis über die Tötung V.s hinaus aufrecht erhaltene Lüge, er sei an Krebs erkrankt, beruht auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
103Der Angeklagte selbst erklärte in einem der Videos, die er am 14. November 2022 an die Zeugin OT. und seine Eltern geschickt hat, dass er die Krebserkrankung nur erfunden habe. In dem Video für die Zeugin OT. führte er dazu aus, er habe sich die Krebserkrankung „ausgedacht, einfach nur damit ich weg bin von euch“. Dass er im Gegensatz dazu in dem für seine Eltern aufgenommenen Video erklärte, er habe seinen „Job gekündigt, damit ich weder EQ. noch XC. nah bin“, hält die Kammer dagegen für eine unrichtige Darstellung, die durch nichts, insbesondere nicht durch ein entsprechendes Kündigungsschreiben, welches sich in der Personalakte des Angeklagten beim UH.-Hospital hätte finden müssen, bestätigt wird.
104Für die Richtigkeit der Angaben in dem Video für die Zeugin OT. spricht auch der Inhalt des Briefes, den der Angeklagte nach seiner Festnahme an die Zeugen T. und S. geschrieben hat. An der Urheberschaft des Angeklagten für den Brief gibt es aufgrund der zunächst geschilderten Situation in der spanischen Auslieferungshaft und der Erklärungen zu der Tat zum Nachteil V.s keine Zweifel, was auch die beiden Empfänger des Briefes in ihrer Zeugenaussage so geschildert und unter anderem mit der für den Angeklagten typischen, stets zynischen, Ausdrucksweise begründet haben. In dem Brief beschreibt der Angeklagte, er habe zu einem Zeitpunkt im letzten Jahr beschlossen, sich umzubringen, um Schlimmeres zu verhindern, nachdem er beinahe EQ. angegriffen habe. Er habe deswegen nach einer Lüge gesucht, mit der er den Selbstmord erklären konnte, weil er seinem Umfeld sonst einen Selbstmord nicht habe antun können. „So kam dann die Krebsgeschichte ins Rollen“. Dabei sei ihm zupassgekommen, dass er ein verringertes Lungenvolumen habe und das Husten als Symptom der Krebserkrankung nicht habe vorspielen müssen: „Lungenkrebs war sogar etwas plausibel“ deswegen. Der Plan sei aber schiefgegangen, weil er seinen „Eltern diese finale Lüge nicht auftischen konnte“.
105Wenngleich die Kammer an beiden der von ihm nachträglich für das Erfinden der Krebserkrankung – einmal, um von V. und der Zeugin OT. wegzukommen, ein anderes Mal, um eine Ausrede für einen Selbstmord zu schaffen – genannten Gründen Zweifel hat, steht fest, dass es sich um eine von ihm bewusst erfundene Erkrankung handelt. Neben den oben genannten, von ihm stammenden Zitaten spricht dafür auch, dass der Angeklagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung ersichtlich weiter bei guter Gesundheit war und sich bei der Durchsuchung seines Zimmers keinerlei ein Bronchialkarzinom ausweisende ärztliche Berichte fanden, was aus den Bekundungen von KHK JI. folgt.
106Hinsichtlich des Grundes für die falsche Behauptung gründen sich die nicht überwindbaren Zweifel der Kammer auf folgenden Erkenntnissen: So spricht gegen die der Zeugin OT. genannte Begründung, dass der Angeklagte die Krebserkrankung gerade nicht dazu einsetzte, um sich von den beiden jungen Frauen zu entfernen, sondern dazu, den Kontakt zu ihnen zu intensivieren. So hat die Zeugin OT. ausgeführt, dass sich zwischen ihr und dem Angeklagten eine richtige Freundschaft erst nach der Mitteilung der Krebsdiagnose entwickelt habe. Weder im Verhältnis zu ihr noch – soweit sie das beurteilen könne – zu V., mit der der Angeklagte damals schon besser befreundet gewesen sei, sei die Krebserkrankung jemals als Mittel, einen Kontaktabbruch herbeizuführen eingesetzt worden. Soweit er in dem Brief an die Zeugen S. und T. einen wegen seiner bösen Träume und Gedanken angedachten Selbstmord als Grund für die Lüge anführte, spricht aus Sicht der Kammer schon viel dafür, dass der Angeklagte insoweit eine weitere falsche Behauptung aufstellte, um die Erklärung für die von ihm begangene Tat, er sei Opfer seiner bösen Gedanken und habe immer versucht, dagegen anzukommen, zu unterstützen. Dieses Narrativ, an dem die Kammer einige Zweifel hat – siehe dazu unten – dient erkennbar dem Zweck, eine Entschuldigung für die aus Sicht seines Umfelds schreckliche und brutale Tat zu liefern. Aus dem Lebensweg des Angeklagten, aus den Inhalten der Unterhaltungen mit V., in denen er sich mit vielen sexuellen Erfolgen rühmte, sowie den Schilderungen der Zeugen T. und S. folgt erkennbar, dass der Angeklagte zu manipulativem Verhalten neigt, was wiederum dafür spricht, die Erklärungen des Angeklagten auch gegenüber seinen engsten Freunden nicht als grundsätzlich wahrheitsgemäß zu behandeln. Dafür spricht auch, dass er – wie die beiden Zeugen glaubhaft bekundet haben – zu keinem Zeitpunkt ihnen gegenüber erwähnt hätte, dass er bei der Reise in 2021 zum Sterben in TN. bleiben wollte.
107Dass er entgegen seiner eigenen Bekundungen tatsächlich schon zum Zeitpunkt der erstmaligen falschen Behauptungen beabsichtigte, die Zeugin OT. und V. dadurch enger an sich zu binden, hält die Kammer aber anderseits auch für zu weitgehend. Zwar mag dem Angeklagten auch wegen der Berufswahl der beiden Frauen klar gewesen sein, dass sie grundsätzlich empathiebegabt und zugewandt eingestellt waren. Allerdings fehlt es über den konkreten Verlauf der freundschaftlichen Beziehungen hinaus an Hinweisen auf ein solch gezieltes Vorgehen.
108Neben den vom Angeklagten genannten Gründen könnten auch in dem Ausbildungsverhältnis liegende Gründe ausschlaggebend für das Erfinden der Krebsgeschichte gewesen sein: So hat der Angeklagte wegen häufiger Fehlzeiten im Dezember 2021 bereits Mahnungen von seiner Ausbildungsstelle erhalten. Es ist ihm auch grundsätzlich nicht fremd, Ausbildungen zu beginnen, aber wieder abzubrechen, und wurde die Erkrankung insbesondere seiner Ausbildungsstelle gegenüber kommuniziert, um dort einen Vorteil – nämlich das Entfallen der Anwesenheitspflicht – zu erreichen.
109Zum Inhalt der vom Angeklagten behaupteten Geschichte hat die Zeugin OT. glaubhaft berichtet, dass der Angeklagte ihr im Sommer 2021 eine Whatsapp Nachricht geschickt habe. Damals habe sie noch keinen besonders engen Kontakt zu ihm gehabt, sondern eher über Feiern mit allen Auszubildenden der Klasse und gelegentlich mit einem gemeinsamen Mitschüler zusammen. Der Angeklagte habe in dem Whatsapp-Chat mit ihr eine „große Sache“ angekündigt und dann erzählt, dass er gerade im Krankenhaus sei. Ihm sei Lungengewebe entfernt worden, etwas später habe er dann mitgeteilt, dass es ein bösartiger Tumor sei und eine Operation geplant sei. Dabei sei dann aber herausgekommen, dass der Tumor zu groß und der Schaden bei einer noch zu erwartenden Lebensdauer von sechs Monaten irreparabel sei. Er habe ihr bei dieser Gelegenheit angekündigt, dass er keine Therapien machen wollte und zum Sterben nach TN. reisen wollte. Der Klasse habe er erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Krebserkrankung berichtet.
110Dass der Angeklagte V. in identischer Weise von seiner angeblichen Erkrankung berichtete, folgt aus den Angaben der Zeugin EY.. Diese hat geschildert, dass sie, obwohl auch sie mit dem Angeklagten befreundet war, zuerst von V. über die Erkrankung informiert worden sei. Sie hätte es nicht weitererzählen dürfen, habe sie gesagt, aber ihr – der Zeugin EY. – dennoch berichtet: So habe der Angeklagte EQ. in einem persönlichen Gespräch von der Krebserkrankung berichtet. Es sei ein Bronchialkarzinom festgestellt worden, als er wegen seiner „bröselnden Atmung“ in eine Spezialklinik gegangen sei. Als dann Biopsien gemacht worden seien, sei die Schwere der Erkrankung klargeworden. Ende Juli 2021 habe der Angeklagte dann auch mit ihr – der Zeugin EY. – direkt über die Erkrankung gesprochen und gesagt, die Ärzte würden ihm „mit Glück“ noch ein Jahr geben. Kurz darauf habe er es dann auch in der Whatsapp-Gruppe der Klasse erzählt und die Ausbildung abgebrochen.
111d) MF.-reise 2021
112Die Feststellungen dazu, dass der Angeklagte die angebliche Krebserkrankung auch nutzte, um vor der Reise nach TN. im Herbst 2021 den Kontakt zu V. sowie der Zeugin OT. zu intensiveren und eine Reihe von Abschiedsfeiern zu inszenieren, beruht auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
113Die Zeugin OT. hat bekundet, dass der Angeklagte ihr im Rahmen des intensiver werdenden Kontakts nach der tödlichen Diagnose erzählt habe, was er noch erleben wollte, bevor er sterbe. Man sei auf das Thema Kurztrips gekommen und er habe unter anderem MP. als Ziel vorgeschlagen. Sie sei zwar zu der Zeit gerade frisch verliebt gewesen und habe eigentlich Zeit mit ihrem neuen Partner verbringen wollen. Aber weil der Angeklagte unter Hinweis auf die baldige Abreise nach TN. und den Plan dort zu sterben Druck gemacht habe, sei sie mit dem Angeklagten im September 2021 nach MP. verreist. Sowohl die Autofahrten als auch die Übernachtungen in einer Ferienwohnung hätten sie allein verbracht, wobei ein sexuelles Interesse des Angeklagten an ihr nie Thema gewesen sei.
114Weitere Abschiedsfeiern fanden statt mit V. und den Zeuginnen EY. und OT. am KL., mit V. und der Zeugin EY. in Köln und mit V. und ihrem Freund C. Y. in einer Bar in Wuppertal, was sich aus den Vernehmungen der Zeuginnen OT., EY. und des Zeugen Y. ergibt.
115Aus den Vernehmungen der Zeugen T. und S. folgt wiederum, dass der Angeklagte mit diesen und einem weiteren Freund im Herbst 2021 nach TN. reiste. Während er V. sowie die Zeuginnen EY. und OT. – wie diese beiden geschildert haben – glauben ließ, er lasse sich von seinen Freunden nach TN. begleiten, wo er sich in einem Wald von diesen verabschieden wollte, um dort allein zu sterben, war die Reise den glaubhaften Angaben der Zeugen T. um S. zufolge als gewöhnlicher Campingurlaub mit gemeinsamer Hin- und Rückreise geplant. Weil dem Zeugen T., wie dieser berichtet hat, das Campen nicht bekommen sei, sei man mit einem geliehenen Auto durch TN. gereist und habe in Ferienwohnungen übernachtet. Um einen möglichen Verbleib des Angeklagten in TN. sei es nie gegangen. Erst bei dem Norwegenurlaub im Sommer 2022 habe der Angeklagte erwähnt, dass er sich vorstellen könnte, nach TN. auszuwandern und dort zu sterben. Dafür habe er aber, so der Zeuge T., nicht den Urlaub ins Auge gefasst gehabt, sondern habe überlegt, zu einem späteren Zeitpunkt allein nach TN. zu reisen.
116Soweit der Angeklagte seinem Umfeld gegenüber davon berichtete, er würde sich bis zu seinem Tod im Wald selbst versorgen, ist dies nach den Bekundungen des Zeugen T. ohnehin eine starke Übertreibung seiner Fähigkeiten. So habe der Angeklagte zwar ein Bowiemesser – das spätere Tatmesser – in beiden Urlauben dabeigehabt und auch extra für die erste Reise angeschafft. Es sollte groß und stabil genug sein, um Baumrinde zu schneiden und um „zur Not“ auch mal einen Hasen schlachten zu können. Allerdings habe es mit der Selbstversorgung in der Natur alles nicht geklappt, sie seien nicht einmal in der Lage gewesen, einen Fisch zu fangen.
117Seine Rückkehr aus TN. begründete der Angeklagte wie festgestellt mit einer – nach den glaubhaften Angaben der Zeugen T. und S. – erfundenen Verletzung. Er habe, so die Zeugin OT., nach der Rückkehr einen Verband am Arm getragen und erzählt, dass er sich wegen des Knochenbruchs nicht selbst habe versorgen können. Die Zeugin EY. hat insoweit berichtet, der Angeklagte habe einen Streit mit einem seiner Kumpels geschildert und dass er sich dabei die Hand gebrochen habe. Anhaltspunkte dafür, dass er V. etwas anderes erzählt haben könnte, haben sich nicht ergeben, was aber zu erwarten gewesen wäre, weil die Zeuginnen EY. und OT. sie regelmäßig in der Schule sahen und sich mit ihr austauschten.
118e) Streit im Juni 2022
119Die Feststellungen zu dem Streit zwischen dem Angeklagten und V. im Juni 2022 beruhen im Wesentlichen auf dem Inhalt des Whatsapp-Chats zwischen ihnen und Zeugenaussagen, die belegen, dass V. sich vom Angeklagten abgewendet hatte.
120Für den 16. Juni 2022 waren V. und der Angeklagte verabredet und gerieten in Streit, als sie das Treffen absagte, was sich aus dem verlesenen Chatinhalt vom 15. Juni – 20. Juni ergibt. Zunächst hatte sie am Morgen des 16. Juni erklärt, sie könne frühestens ab nachmittags und er könne ja schon mal nach den Zeiten für die Kinofilme gucken. Kurz darauf erläuterte sie, dass sie am Tag zuvor doch „saufen“ war und eben verkatert aufgewacht sei. Sie sei sehr müde, wolle ihren freien Tag aber nutzen, um Schlaf nachzuholen und sei dann gegen 17 oder 18 Uhr bereit. Der Angeklagte antwortete darauf, dass es mit dem Kinofilm dann knapp werden könnte und schlug vor, nicht ins Kino zu gehen, weil man dann ja ohnehin nur zwei Stunden nebeneinander säße ohne zu reden. V. zeigte sich damit einerseits einverstanden, entgegnete aber auch, „oder wir könnten uns auch wann anders treffen also heute ginge save. Aber Montag ginge z.B. eher…“ (16:30 Uhr). Der Angeklagte antwortete binnen einer Minute, „Hä ne Wir treffen uns heute safe “, was V. zunächst bestätigte. Um 16:52 Uhr schrieb sie dann jedoch: „Ginge nicht maybe doch Montag? also es tut mir voll leid, ich hätte eigentlich echt nicht trinken gehen dürfen, wenn ich am nächsten Tag was vorhabe und ich weiß auch, dass du dir extra frei genommen hast … aber ich bin irgendwie generell noch übel kaputt und meine Wohnung ist echt Messi grad Also wie gesagt Sonntag werd ich save nicht saufen und Montag hab ich dann eben noch Wochenende Also … falls du das irgendwie nachvollziehen kannst und mich dann Montag noch sehen möchtest, würde ich da lieber was machen Es tut mir echt sehr leid“
121Der Angeklagte reagierte einsilbig („Dein ernst?“), woraufhin V. erklärte, sie wisse zwar, dass Absagen ihn „triggere“ und habe es auch vermeiden wollen, allerdings habe es sich so entwickelt, dass es heute schlecht und Montag besser passe. Weiter ablehnend antwortete er, er werde Montag sicher nicht kommen, was V. verständnisvoll aufnahm und wiederholte, es tue ihr leid und sie habe ein schlechtes Gewissen. Der Angeklagte entgegnete darauf, das Gespräch vordergründig beendend, „Melde dich nur im Notfall bei mir ....reicht mir erstmal“ (16:57 Uhr). Als V. ihm das Recht zuspricht, sauer auf sie zu sein, entgegnete er ihr zunächst, dass es „kacke und vermeidbar“ gewesen sei, sie einfach früher hätte absagen können. Kurz darauf erweiterte er den Vorwurf, wobei er bewusst ihr schon angedeutetes schlechtes Gewissen ansprach, indem er schrieb: „Ja sags halt einfach früher dann ist doch alles easy....ich kann mich anderes verabreden und fertig ...aber so hab ich es geplant das ich feüh morgens nach Holland fahre und nachmittags zu dir...jetzt hocke ich alleine weil du eine halbe stunde vorher absagen und atti und TL. sind spontan nach YM. gefahren sind....was ich abgesagt habe“ (17:07 Uhr). Aus der Befragung der vom Angeklagten aufgeführten Zeugen T. (JQ.) und S. (TL.) folgt, dass der Angeklagte log, als er behauptete, die beiden seien nach YM. gefahren, was er wegen der nun abgesagten Verabredung verpasse. Der Zeuge T. hat ausgeschlossen, jemals mit dem Zeugen S. in YM. gewesen zu sein, ebenfalls habe es nie eine mit dem Angeklagten auch nur ins Auge gefasste Reise dorthin gegeben.
122Das manipulative Vorgehen des Angeklagten wiederum nicht erkennend, entschuldigte sich V. erneut und gab ihm Recht, woraufhin der Angeklagte ihr schlechtes Gewissen weiter direkt ansprach, indem er ihr vorwarf, mehr als nur diesen einen Abend kaputt gemacht zu haben. Gegen die Anspielung auf das verlorene Vertrauen in ihre Freundschaft wendete sich V. nicht, sondern schrieb, ihr sei auch klar, dass es mit einer Entschuldigung nicht getan sei. Der Angeklagte steigerte sein manipulatives Verhalten wiederum indem er schrieb: „Ach ne Entschuldigung ist mir egal ich weiß halt jetzt das mich nicht auf dich verlassen kann wenn ich mal ein Treffen und Gespräch brauche und dann muss eben jemand anderes diese Lücke füllen“. Weil in der Unterhaltung zuvor nicht die Rede davon gewesen war, dass er Gesprächsbedarf habe, antwortete V., ihr sei das nicht bewusst gewesen, aber dann sei es wohl so, was der Angeklagte mit dem Bemerken aufnahm, es sei erschreckend, wie gleichgültig sie es hinnehme, ihn verletzt zu haben. Dabei steht für die Kammer fest, dass er keinen ernsthaften und schon gar keinen wahrheitsbezogenen Gesprächsbedarf hatte, stattdessen nicht hinnehmen wollte, dass V. ihn „versetzte“. Dies sprach er auch offen an, indem er schrieb, es fühle sich manchmal so an, als ob ihr „andere Dinger“ wichtiger seien (18:8 Uhr).
123Als V. – anders als zuvor – nicht sofort reagierte, schob der Angeklagte um 18:42 Uhr nach: „Ey du hast jetzt aber nicht abgesagt weil C. gleich spontan komnt oder ?“ und um 20:00 Uhr: „Okay da du dich offensichtlich nicht dazu äußern willst, gehe ich mal davon aus das ich recht habe....das bedeutet das du mich sogar angelogen hast und nicht mal die Eier hattest mit mir offen zu reden ....sehr gute Basis für eine Freundschaft“. V. reagierte nun erstmals erkennbar gereizt, bestritt den Vorwurf und nannte den Angeklagten spöttisch einen Hobbydetektiv. Zudem erklärte sie, sie habe ihre Gründe bereits genannt und finde es „grenzüberschreitend“, dass er ihr Lügen unterstelle. Sie ergänzte: „Aber es reicht mir auch Es hat für mich gerade ne übelst respektlose Ebene erreicht und ich diskutiere da jetzt auch nicht mehr weiter“, womit sie den nun folgenden Kontaktabbruch einleitete. Weder auf die sofort vom Angeklagten erklärte Entschuldigung noch auf seine Gesprächsversuche in den nächsten Tagen reagierte sie. Erst am 20. Juni 2022 schrieb sie, sie wisse auch nicht, warum es so eskaliert sei und habe es „beängstigend“ gefunden. Sie ignoriere ihn nicht, aber antworte derzeit insgesamt nicht so viel, womit sie auf die anstehende Prüfungsphase und den diesbezüglichen Lernaufwand anspielte. Ihr Angebot für ein Treffen stehe aber nicht mehr.
124Dass V. den Streit ernst nahm und sich vom Angeklagten distanzierte, beruht auf den Angaben der Zeuginnen TV. und EY.. Letztere hat geschildert, sie habe V. auf der Examensparty am 1. September 2022. gefragt, ob er – der Angeklagte – komme. Sie habe geantwortet, sie wisse es nicht, weil sie keinen Kontakt mehr zu ihm habe. Sie habe den Kontakt abgebrochen gehabt , habe gesagt, das „regele“ sich nicht mehr. Als Grund habe sie angegeben, dass sie ein Treffen spontan abgesagt und er sie daraufhin beleidigt hätte. Er habe sie schlecht gemacht und falsche Dinge behauptet, zum Beispiel dass sie lieber Zeit mit C. verbringen wollte. Es sei ihrer Meinung nach „toxisch“ zwischen den beiden, weil er sie manipuliert habe. Als Beispiel dafür habe sie auch eine Begebenheit von früher erzählt: Sie habe einen Einsatz im März 2021 in Maria Frieden gehabt und habe mit dem Bus nach Hause fahren wollen. Er habe ihr dann ein schlechtes Gewissen gemacht und so getan, als würde sie die Freundschaft nicht wertschätzen. Damit habe er erreichen wollen, dass sie wartet, bis auch er Feierabend habe und er sie mit nach Hause nehmen konnte. Er habe ihr auch ihre Beziehung übel genommen und ihr vorgeworfen, dass sie den Freund ihm vorziehe. Er habe sich zwar entschuldigt nach dem Streit im Chat, auch per Mail. Er sei ihr aber zu „Psycho“, zu verletzend – sie könne nicht mehr für ihn da sein. Sie sagte, sie habe ihn deswegen blockiert. Soweit die Zeugin von einer Beleidigung spricht und damit einen Umstand erwähnt, der ausweislich des Chats zu diesem Zeitpunkt noch nicht stattfand, hält die Kammer dies für eine Verwechselung der Zeugin oder eine Vermischung verschiedener Situationen in der Erzählung durch V.. An der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin EY. im Übrigen ändert dies jedoch nichts.
125Bestätigt werden ihre Angaben auch durch diejenigen der Zeugin TV.. So hat diese geschildert, aus den ständigen Gesprächen und Chats mit V. auch vom Verlauf der Freundschaft im Sommer 2022 zu wissen. Aus ZA. Sicht sei die Krebsdiagnose irgendwann zum Mittel dafür geworden, dass sie sich ständig sehen müssten. Dadurch sei das Verhältnis aus ihrer – ZA. – Sicht „toxisch“ geworden. Es habe als Ausrede im Verhältnis zu vielen anderen Menschen herhalten müssen, die ihr nahestanden, weil EQ. ständig Zeit mit dem Angeklagten verbracht habe. Denn sie habe das Gefühl gehabt, sie müsse ihn treffen, weil er nicht mehr so lange zu leben hatte. Im Sommer habe sie dann die Freundschaft beendet, wie sie ihr in einer Nachricht vom 12. August 2022 geschrieben habe. Danach sei die Beziehung nicht wieder wie vorher geworden, weil sie ihm nach ihren Worten nicht mehr habe vertrauen können. Er habe sie psychisch unter Druck gesetzt und es so dargestellt, als ob er die Freundschaft beendet hätte. Dazu habe er ihr immer erklären wollen, warum er den Kontakt abgebrochen habe und dafür um Treffen gebeten. Da habe sie sich immer „wie im falschen Film gefühlt“ und habe ein ganz schlechtes Gefühl dabei gehabt, dass er sie so dringend habe treffen wollen.
126f) Angeklagter war „besessen“ von V.
127Dass der Angeklagte in der Folge weiter gedanklich um V. kreiste, ihren Kontaktabbruch nicht respektierte und ein starkes sexuelles Interesse an ihr entwickelt hatte, ergibt sich aus folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
128aa)
129Kurz nach dem oben dargestellten Streit mit V. fuhr der Angeklagte mit den Zeugen T. und S. erneut nach TN., was die beiden Zeugen der Kammer übereinstimmend berichtet haben. Von dem Streit, der sich ausweislich der Chatnachrichten vor der Reise nach TN. im Juli 2022 ereignet hatte, sei keine Rede gewesen. Stattdessen habe der Angeklagte, so der Zeuge T. glaubhaft, behauptet, seit Anfang des Jahres 2022 bei EQ. gelebt zu haben, weil sie nach einem Vorfall an Silvester 2021, bei dem sie sexuell belästigt worden sei, nicht mehr habe allein sein wollen. Es habe dann aber vor der Abreise in den Urlaub einen Streit zwischen ihm und EQ. gegeben, weil sie ihm übel genommen habe, dass er wegfahre und sie damit alleine lasse.
130Die Angaben des Zeugen T. sind glaubhaft. Der Zeuge hat wiederum nachvollziehbar zu unterscheiden vermocht zwischen Berichten des Angeklagten und Umständen, die er selbst nachprüfen konnte. So hat er angegeben, dem Angeklagten weder die Krebsgeschichte noch das enge Verhältnis zu V. abgenommen zu haben. Dass sie wegen eines Übergriffs an Silvester 2021 nachts Panikattacken gehabt haben soll, ist – abgesehen von der falschen zeitlichen Behauptung durch den Angeklagten – ein auf den Lebensweg V.s genau passender Umstand, den der Zeuge T. nicht selbst wahrgenommen, sondern nur vom Angeklagten genannt bekommen haben kann.
131Die Bekundungen des Zeugen T. werden auch bestätigt durch diejenigen des Zeugen S.. Hinsichtlich des angeblichen Inhalts des Streits vor der Norwegenreise hat dieser inhaltsgleiche Angaben des Angeklagten wiedergegeben. Im Gegensatz zum Zeugen T. hat der Zeuge S. jedoch auch intimere Gespräche mit dem Angeklagten über dessen angebliches Verhältnis zu V. geführt. So habe der Angeklagte behauptet, V. sei seine feste Freundin, mit der er auch Geschlechtsverkehr habe. Beispielsweise habe er mal von Oralsex mit ihr gesprochen und vorgegeben, er freue sich nach der Rückkehr schon auf den „Dankeschön Blowi“ von EQ., wobei der Begriff „Blowi“ sowohl nach dem Verständnis des Zeugen S. als auch dem der Kammer die Kurzform für „Blowjob“ sein sollte. Schon im ersten Norwegenurlaub habe der Angeklagte bei einem Gespräch über Pornografie behauptet, er tausche mit EQ. Pornos aus, bei denen Frauen Gegenstände vaginal einführen, beispielsweise Flaschen.
132Ähnlich wie der Zeuge T. hat auch der Zeuge S. glaubhaft die ihm berichteten Umständen geschildert und dabei angefügt, dass er dem Angeklagten dessen Prahlerei nicht abgenommen habe. Dies schon allein, weil er von Fotos ja gewusst habe, wie gut EQ. aussah, weshalb er sich nicht habe vorstellen können, dass der Angeklagte eine körperlich-intime Beziehung mit ihr habe.
133Übereinstimmend haben beide Zeugen berichtet, dass der Angeklagte auf der Beifahrerseite seines Autos Fotos von V. und der Zeugin OT. ans Armaturenbrett geklebt hatte. Von N., so der Zeuge T., habe der Angeklagte behauptet, sie sei früher seine feste Freundin gewesen, aber weil sie sich ein Kind gewünscht und er das abgelehnt habe, sei die intime Beziehung etwa zwei Jahre vor V.s Tod beendet worden.
134Insgesamt habe er – der Zeuge S. – in dem zweiten Norwegenurlaub den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte von EQ. „wie besessen“ war. Zu dieser Einschätzung habe auch geführt, dass der Angeklagte von ihr als seine feste Freundin oder „Liebe seines Lebens“ gesprochen habe, was die Bewertung „besessen“ vor dem Hintergrund der vom Zeugen erfassten Unwahrheit der Schilderungen nachvollziehbar macht.
135bb)
136Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte spätestens zu dieser Zeit auch ein sexuelles Verlangen in Bezug auf V. entwickelt hatte, beruht dies neben seinen unwahren Erzählungen von sexuellen Kontakten zu ihr, die bezeichnend für sein Verlangen sind, auch darauf, dass der letzte Chat zwischen ihm und V. vor dem Streit Mitte Juni vom Angeklagten gezielt auf – ebenfalls auf unwahren Umständen beruhend – sexuelle Themen gelenkt wurde, die seinen Vorlieben entsprachen.
137So schrieb er ihr am 15. Juni die folgende Nachricht: „Ich hab eben wieder die Jungs zu ihren sozialstunden gebracht und die reden ja so als ob ich nicht da wär die haben über ihre lieblingsporno seite ...HA....geredet und ich hab natürlich eben mal nachgeschaut was das ist die erste Seite war schon voll mit hardcore bdsm, schlagen und brutal würgen, anpissen, girl humilation und so weiter und das ist deren lieblingsseite ....vlt sollte man doch mal das internet einschränken...so kann sich ja keine normale Sexualität entwickeln“.
138Tatsächlich steht fest, dass der Angeklagte von seinen eigenen sexuellen Interessen sprach. Dafür spricht zum einen, dass er schon im ersten Norwegenurlaub bei einem Gespräch über sexuelle Vorlieben erklärte, er stehe auf BDSM und Dominanz, was der Zeuge S. glaubhaft berichtet hat. Auch die Behauptung, er habe mit V. Pornographie ausgetauscht, die der Zeuge mit dem Wort „Fisting“ umschrieb, also insbesondere das vaginale Einführen größerer Gegenstände, fügt sich in die auf der in Bezug genommenen Internetseite HA. angebotenen Pornografie – insoweit beruhen die Erkenntnisse auf den Angaben des Zeugen KOK RG., der von seiner diesbezüglichen Recherche berichtet hat – ein. Dazu kommen die Ergebnisse der Handyauswertung aus der Nacht vor der Tat, in der der Angeklagte Internetseiten mit ähnlichem Inhalt – AJ..com und F. – ansah sowie das in dem Brief und den Videos geschilderte Interesse daran, eine Frau zu quälen, zu demütigen und zu würgen. Auch wenn aus den oben bereits dargestellten Gründen den dortigen Aussagen des Angeklagte nicht uneingeschränkt Glauben geschenkt werden kann und auch nicht von einer krankhaften Fixierung auf entsprechende sexuelle Praktiken auszugehen ist (siehe dazu noch unten), so ist aber jedenfalls durch die mehrfachen Hinweise belegt, dass den Angeklagten derartige Fetische reizen. Dies wird auch bestätigt durch eine bei der Durchsuchung seines Zimmers aufgefundene Latexmaske. Letztlich wird auch durch die Tat, dazu sogleich, deutlich, dass der Angeklagte Erregung in der Zufügung von Schmerzen und der Ausübung von Macht über eine Frau zu finden sucht.
139Dass die behauptete Begebenheit, bei der er die jungen Erwachsenen bzw. Jugendlichen im betreuten Wohnen, wie er V. berichtete, habe sprechen hören, tatsächlich gar nicht stattfand, schließt die Kammer wiederum aus den Angaben der Zeugin QL.. Diese hat angegeben, der Angeklagte sei ausschließlich als Nachtwache tätig gewesen. Dies bedeute, dass er von 21:45 Uhr bis 7 Uhr morgens ansprechbar zu sein hatte. Fahrdienste seien davon nicht umfasst gewesen, diese seien grundsätzlich von Fachkräften ausgeführt worden.
140IE. reagierte im Whatsapp-Chat umgehend auf die Geschichte des Angeklagten. Sie erklärte, sie verurteile niemanden für seinen Fetisch – „no kink shaming“ – aber halte die vom Angeklagten betreuten Jugendlichen für zu jung, weil Pornos in diesem Alter prägend seien und damit die nächste „Generation Sexualstraftäter bzw. Arschloch Vergewaltiger Ehemänner“ entstehe. Der Angeklagte nutzte die Antwort V.s, um so zu tun, als verfolgten beide dieselben sexuellen Interessen: „.... oder das ist doch normal und wir beiden sind das kernproblem eventuell hat man einfach so sex und ich muss mich halt dran gewöhnen frauen komplett zu benutzen “. V. gab dem Angeklagten in einer darauffolgenden Sprachnachricht unter anderem Details aus ihrem Intimleben preis, nämlich dass sie darauf stehe, wenn C. sie „slightly würge“. Sie finde, es sollte der Normalfall sein, dass C. dies aus Angst sie zu verletzen – was der Zeuge Y. der Kammer auch so berichtet hat – nur äußerst ungern gemacht habe. Entscheidend sei aus ihrer Sicht, dass beide Partner einverstanden seien mit dem praktizierten Sex. Problematisch werde es dagegen, sobald einer von beiden nur zum Höhepunkt kommen könne, wenn er den anderen erniedrige. Der Angeklagte reagierte auf die von V. angesprochenen Punkte und antwortete ihr, „geht für mich auch deutlich zu weit ....das ist ja auch kein normaler bondage mehr bin ja auch für harten sex zu haben aber quälen, verletzen demütigen ist halt schon echt heftig .....und kam das würgen nicht erst von ihm und war dir unangenehm ?“ V. ging darauf nicht weiter ein.
141Auch aus dem Chatinhalt folgt, dass dem Angeklagten das freundschaftliche Verhältnis zu V. spätestens zu diesem Zeitpunkt nicht mehr genügte, sondern für ihn eine sexuelle Komponente in den Vordergrund rückte.
142Dieser Eindruck wird im Übrigen auch bestätigt durch den Inhalt seines Briefes an die Zeugen T. und S. aus der spanischen Haft, in dem er beschreibt, dass er mit zunehmender Bindung auch ein stärker werdendes Verlangen in sich habe, die Frauen zu demütigen, ihnen wehzutun und sie zu würgen. Bei EQ. sei die Bindung durch die „Krebsgeschichte“ noch enger geworden, weshalb er einen „riesen Streit“ provoziert habe, um „Schlimmeres“ zu verhindern.
143Soweit der Angeklagte damit zwar sich als Täter benennt, aber als treibende Kraft hinter der Tat ein ihn beherrschendes und nicht dauerhaft unterdrückbares sadistisches Verlangen, hält die Kammer dies für einen wiederum seinen manipulativen Charakterzügen geschuldeten Versuch, seinen eigenen Werdegang um dramatische Elemente aufzubauschen. So beschrieb der Angeklagte in dem Brief auch, was er alles in den letzten Jahren gemacht hätte, um seine bösen Träume und Gedanken zu unterdrücken und dass es trotzdem alles umsonst gewesen sei. Die Tat wäre, folgte man dieser Argumentation, weniger ihm anzulasten, als den nicht zu kontrollierenden Gedanken, was die Kammer (siehe dazu unten) als Schutzbehauptung wertet.
144Demgegenüber hält die Kammer aber nach dem Vorgesagten seine Ausführungen zu der hinter der Überhöhung stehenden Entwicklung für zutreffend, nämlich, dass er mit zunehmender Bindung ein gesteigertes sexuelles Verlangen empfunden habe. Insbesondere hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte durch die nach außen kundgetane Behauptung, V. sei seine Freundin, und die Geschichten über ihr gemeinsames Intimleben zu erkennen gegeben hat, dass er sich gedanklich damit beschäftigte.
145g) Zuspitzung der Situation des Angeklagten
146Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte in der Folgezeit bis zur Tat in eine aus seiner Sicht in vielerlei Hinsicht ausweglose Situation geriet, beruht dies auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
147aa)
148Zunächst musste der Angeklagte nach einem weiteren Streit mit V. im September erkennen, dass er weder mit Hilfe der – nunmehr um eine Heilungschance abgewandelten – Krebslüge ihr Interesse an ihm wecken konnte noch dass sie überhaupt willens war, ihm weiter einen Platz in ihrem Leben einzuräumen. Dass der Angeklagte nach dem Streit mit V., also ab Ende Juni bis September 2022 gedanklich um sie kreiste, ist belegt auch durch seine Versuche, mit ihr wieder in Chatkontakt zu treten. So hatte er, auf ihre letzte Nachricht vom 20. Juni , am 21. Juni 2022 eine lange Nachricht an sie verfasst, die schließt mit, „ich will einfach meine EQ. wiederhaben“, am 26. Juni 2022 bat er um ein Gespräch, am 30. Juni 2022 wieder („EQ. bitte“), worauf sie dann erstmals seit dem 20. Juni 2022 wieder reagierte und darin bestreitet ihn zu ignorieren. Es sei ein „anderes Gefühl“ seit dem Streit und ihr Leben sei gerade busy und anstrengend. Der Angeklagte fragte umgehend nach, was sie mit dem anderen Gefühl meine und bat darum, dass sie nicht erst wieder in einer Woche antworte und ihn nicht aus ihrem Leben ausschließe. Erneut bat er auch um ein Gespräch mit ihr und beteuerte, dass seine Gefühle ihr gegenüber sich nicht verändert hätten und er sie gerne vor TN. noch sehen würde. Als sie nicht reagierte, gab er vor, sie nunmehr in Ruhe zu lassen, schrieb allerdings eine knappe halbe Stunde erneut und klagte darüber, dass ein Moment der Schwäche das Vertrauen und die Zuneigung so belasten würden. V. antwortete mit einer Sprachnachricht, in der sie ihm sagte, er solle nicht so unterwürfig sein, sie sei nicht super sauer („du hast mich ja nicht umgebracht, ich bin ja noch lebendig“), sondern einfach nur busy. Ein Treffen vor TN. könne noch klappen.
149In den kommenden knapp drei Monaten bestand der Chat im Wesentlichen aus kurzen oder langen Nachrichten des Angeklagten, der versuchte, den einstmals intensiven Kontakt wieder aufleben zu lassen, was V. entweder nicht beantwortete oder ihn vertröstete. Beispielsweise schrieb der Angeklagte ihr am 23. Juli 2022, er müsse die Norwegenreise abbrechen wegen einer Autopanne und fragte sie am 25. Juli, ob sie in dieser Woche Zeit habe. Weder auf die Mitteilung der abgebrochenen Reise noch auf die Frage reagierte V. und auch nicht darauf, dass der Angeklagte wiederholt Andeutungen zu einem angeblichen und sehr belastenden Gerichtstermin in BF. machte. Am 5. August 2022 schrieb er ihr in einer längeren Nachricht, er müsse nun aufhören, ihr hinterherzurennen, weil es ihn zu sehr belaste, sie zu vermissen. Am 12. August 2022 bat er dann um „ein paar Minuten Zeit“, um zu telefonieren, weil er einfach ohne Druck mit ihr reden wolle. V. lehnte dies deutlich ab, sie wolle keinen Kontakt und deswegen auch nicht telefonieren, er solle ihr Zeit geben. Der Angeklagte, auf seine angebliche Krebserkrankung anspielend, entgegnete sarkastisch mit den Worten, Zeit sei ja, was er habe, was V. damit beantwortete, dass sie nicht einsehe, sich aufgrund seiner Erkrankung Schuldgefühle machen zu lassen. Sie sei „kein Arschloch“, nur, weil sie Grenzen setze.
150In der Folge entwickelte sich ein Dialog, aus dem deutlich wird, dass V. das freundschaftliche Verhältnis beenden will, während der Angeklagte zwar auch immer wieder erklärte, einen Kontaktabbruch zu wollen, dann jedoch umgehend wieder hinter V. herlief und ihr neue Nachrichten schickte.
151Die Kammer zieht daraus zum einen den Rückschluss, dass der Angeklagte sehr stark auf V. fixiert war. Zum anderen zeigte er damit erneut, dass er zur Aufrechterhaltung des Kontakts mit ihr, um sich interessant zu machen und nicht den Zugriff auf sie zu verlieren, manipulierend auf sie einwirkt und wiederum zu Lügen greift.
152In dem im Folgenden wörtlich wiedergegebenen Chat steht „J.K.“ für V. und „A“ für den Angeklagten:
153J.K.: Ich sehe es jetzt nicht ein, mir aufgrund deiner Erkrankung Schuldgefühle machen zu lassen. Ich bin kein Arschloch nur weil ich ne Grenze setze. (12.08.2022, 15:46 Uhr)
154A: Ja ganz ehrlich so war auch nicht gemeint....aber ich glaube ich beende das jetzt mit dir....dachte wir sind echt gute freunde, hab mich wohl geirrt das du alles einfach wegschmeißen willst nur wegen einen kleinen Streit (den du btw angefangen hast weil du lieber saufen wolltest) das ist jetzt 2 monate her und mir reicht es jetzt endgültig....immer höre ich nur ja grenze hier, zeit da....aber das man auch mal miteinander redet und konflikte lösen kann kommt dir nicht in den Sinn....also EQ. es ist anscheinend was zerbrochen was nicht geklebt werden kann.....that it (16:02 Uhr)
155A: Naja gesagt und so gemeint, aber in Herzen wünsche ich dir trotzdem alles Gute und liebe….machs gut war ne schöne zeit (16:07 Uhr)
156J.K.: Jap
157Da lieferst du eben auch direkt schon wieder neue Gründe
158Die Nachricht ist durch und durch toxic, du kannst dir auch mal an die eigene Nase fassen.
159Ich habe einfach nach Freiraum verlangt und du fühlst dich persönlich angegriffen. Und nur weil du damit nicht umgehen kannst, bin ich natürlich die Böse. Und der erledigte Konflikt, wo du ja eigentlich dein Unrecht eingesehen hattest … war icu Iwrit doch natürlich saufen und schuld. Yes.
160Ich kann es auch nicht mehr. Du hast mich 1:1 an meinen Dad erinnert, weil du mich für so ne Kleinigkeit so mega fertig gemacht hast.
161Und wenn ich jetzt meine Gefühle offenlege und sage dass ich Freiraum brauche … wertest du mich einfach komplett ab und nimmst mich nicht ernst und versuchst einfach nur, das alles zu verdrehen und dich in die Opferrolle zu drängen.
162Spar dir diesen Manipulationsstuff doch bitte einfach.
163Wir haben beide Fehler gemacht aber die Nachricht hättest du dir ganz ehrlich auch einfach sparen können.
164Aber naja (16:12 Uhr)
165A: Ne sparen kann ich mir die nicht ....ich mein das schon ernst ....tut mir leid das ich dich an deinen Vater erinnert habe, das war nie meine Absicht... ich wollte einfach nur das unser Konflikt gelöst wird und zumindest einmal in ruhe drüber reden .....die dad nummer hatte ich nicht auf dem Schirm....aber ich bleibe dabei, für mich ist zu viel kaputt gegangen im gegenseitigen Vertrauen....ich hab gemerkt das es so nicht weiter gehen kann....also leider den harten cut (16:16 Uhr)
166J.K.: Ja okay, du siehst anscheinend einfach nicht wie asozial toxic die war.
167Aber gut, wenn du jetzt die Entscheidung getroffen hast, dann wird eben aus meinem Wunsch nach Abstand der Cut (16:17 Uhr)
168J.K.: Ich lass mich einfach auch nicht mehr als schuldig und das Arschloch darstellen nur weil ich n fucking Treffen abgesagt hab (btw mit den wahren Gründen ne☺️) und jetzt einfach gesagt hab, dass ich Abstand braucht. Ich bin ebenso enttäuscht davon wie aggressiv du reagierst. Also alles gut (16:18 Uhr)
169A: Es ist sehr viel los in moment und das ist ne Baustelle die ich nicht länger ertragen kann....verstehst du das? (16:19 Uhr)
170J.K.: Ich bitte dich gar nicht drum, dass du es länger erträgst (16:19 Uhr)
171J.K.: Dann ist jetzt Ende (16:19 Uhr)
172A: Nein ich will dich nicht als arsch hinstellen (16:20 Uhr)
173J.K.: Ich bin auch nicht sauer oder so und wollte auch nicht im Streit auseinander
174Das ist mir noch wichtig zu sagen (16:20 Uhr)
175A: Ich will auch nicht im Streit auseinander (16:29 Uhr)
176A: Man es ist so scheiße alles (16:20 Uhr)
177J.K.: Aber es war mir einfach zu toxic in letzter Zeit. Ich sehe deine Probleme und es tut mir leid, dass ich dir quasi jetzt einen heartbreak mehr mache
178Aber wenn du ganz abschließen musst dann ist das so (16:21 Uhr)
179J.K.: Ich muss btw weg, kann erstmal net antworten (16:21 Uhr)
180A: Weiß ich nicht ob ich das will (16:22 Uhr)
181A: Ach keine Ahnung (16:22 Uhr)
182A: Ich weiß nicht was ich machen soll .....ich glaube wenn ich nicht den cut setze, setze ich dich bestimmt (unbewusst) weiter unter Druck....es fällt mir sehr schwer einen Konflikt ungelöst zu lassen und vorallen weil der von einen tag auf dem nächsten alles verändert.. auf der anderen seite hatten wir ne wirklich schöne zeit zusammen (16:26 Uhr)
183A: Ich muss mal meine Gefühle sortieren ..... aber wichtig ist erstmal das du neue Denkanstöße gegeben hast ....toxische Nachrichten, Verhalten wie dein Vater.... (16:30 Uhr)
184A: Ich hoffe du antwortest wenn du zeit hast (16:31 Uhr)
185A: Ich muss noch was sagen ...das ich traurig bin und auch etwas enttäuscht darüber wie es gelaufen ist und das ich mich etwas alleine gelassen gefühlt habe von dir hab ich nicht aus manipulation heraus geschrieben oder um dir schuld Gefühle zu machen oder um dich als böse darzustellen....ich wollte einfach nur mit dir teilen wie es mir geht und mehr nicht. Es sollte mir keinen Vorteil bringen, sondern war einfach die Sehnsucht nach vergangenen Gesprächen....es hat mich wirklich getroffen das du mich mit deinem Vater vergleichst ...so sollte das auf keinen fall rüber kommen (16:44 Uhr)
186A: Nach der Emotion....ich wähle den Cut. Tut mir leid (18:43 Uhr)
187A: Klingt jetzt etwas doof, aber kannst du mir bitte meinen Ring zu schicken? Der bedeutet mir wirklich eine Menge.....alles andere was bei dir rumliegt kannste gerne behalten (18:44 Uhr)
188A: Und wenn du hören möchtest warum genau können wir gerne drüber reden...ich denke das bin ich dir schuldig, aber die Entscheidung bleibt (18:47 Uhr)
189A: Ich will nicht das es im Streit auseinander geht und es irgendwie böses Blut gibt aber leider sind wir an einem punkt wo sich unsere wege trennen sollten. Du warst aber ein sehr wichtigerteil meines Lebens....desswegen werde ich abschließend noch ein paar Sätze schreiben die ich 100prozent ernst meine:
190Du warst wie eine Schwester für mich und eben wie eine habe ich dich auch geliebt, wir haben den gleichen dummen humor und haben viel zusammen gelacht. Wir konnten sehr viel lernen voneinander. Ich fand es war immer mehr als ein joke, dass wir ne wirklich gute Verbindung hatten. Kurz gesagt du warst ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und ich werde das in ehren halten. Ich hoffe du kannst deinen Weg gehen, so wie du es willst, ich hoffe das du mit C. oder wen auch immer ein tolles langes Leben führen wirst. Und ich wünsche dir die Stärke, dass du dich gegen jede Art des gegenwindes stellen kannst. (19:11 Uhr)
191J.K.: Ich brauche nur ne Adresse
192Dann ja (21:50 Uhr)
193J.K.: Ne, ist alles gut, ich versteh das (21:51 Uhr)
194J.K.: Ja idk was ich dazu sagen soll
195Aber kann ich denke ich nur so zurückgeben. Du hast mir auch mega viel bedeutet. Aber gerade ist es echt sehr kaputt und ich seh grad auch nicht (zumindest in der Zeit) dass es wieder normal werden kann.
196Tut natürlich auch alles weh, aber … trotzdem danke für die Worte. Die Zeit wird auch immer besonders für mich bleiben.
197Dir auch noch ne gute Zeit, kämpf noch weiter tapfer gegen den Schimmel in dir (21:52 Uhr)
198A: Behalt den Ring (21:55 Uhr)
199A: Meine Operation kommt doch schon viel schneller als gedacht....ich würde mich riesig freuen wenn du irgendwann 10 minuten frei machen kannst damit ich mich richtig verabschieden kann ich will an unsere Situation nichts ändern, nur einmal richtig verabschieden....hab ja auch noch den Stuff den ich dir aus CL. mitgebracht habe...das sollst du auch noch bekommen
200Ich hoffe ehrlich das du dass nicht als manipulativ oder so aufnimmst....ist mir ein aufrichtiges Anliegen (06.09., 11:26 Uhr)
201J.K.: Wann ist denn die OP? (07,09., 12:28 Uhr)
202A: Mittwoch (12:51 Uhr)
203J.K.: Also nächste Woche? (13:03 Uhr)
204A: Ja (13:04 Uhr)
205A: Ich kann also nicht damit rechnen dich jemals wieder zusehen? (11.09.22, 01:32 Uhr)
206J.K.: Ich wünsch dir trotzdem aufrichtig alles Gute und dass du wieder aufwachst
207Bzw dass du auch danach stark bist und es schaffst (14.09.22, 07:44 Uhr)
208Es folgen zwei Nachrichten vom Angeklagten am 14. September um 8:09 und 10:43 Uhr, die er selbst wieder gelöscht hat und die deswegen bei der Auswertung nicht mehr angezeigt werden konnten.
209A: Ach halts maul und laber mich nicht voll ...und steck dir dein aufrichtig in deine undankbare fotze (14.09.22, 10:48 Uhr)
210J.K.: Joa, wenn du jetzt so kommst, dann bitte (14:43 Uhr)
211Es folgen wiederum vom Angeklagten verfasste und gelöschte Nachrichten vom 17. September um 17:58, 17:59 (3x) Uhr, 9. Oktober 2:55, 6:17, 6:18 (2x), 6:19, 6:20, 6:22, 6:23, 6:26 (3x), 6:28, 6:29 (2x) und 6:30 Uhr
212Das Verhalten V.s ließ auch aus Sicht des Angeklagten und von diesem erkannt nur den Schluss zu, dass sie sich von ihm losgesagt hatte. Damit einher ging, dass ihm klar war, sein auf sie bezogenes sexuelles Verlangen auf keine Weise mehr im Einvernehmen mit ihr befriedigen zu können. Zuletzt gesehen hatte er sie vor dem ersten Streit im Whatsapp-Chat Mitte Juni, was angesichts der von ihm dramatisch angekündigten Operation, vor der er sich verabschieden wolle, umso eindrucksvoller belegte, dass V. sich aus Verärgerung über sein Verhalten von ihm gelöst hatte und nicht mehr freundschaftlich an seiner Seite stand. Dass der Angeklagte schon zu dieser Zeit eine große Wut auf V. wegen des Kontaktabbruchs verspürte und auch diese einen Sexualbezug hatte, folgt schon aus der Wortwahl seiner Nachricht am 00. September 0000, mit der er sie sexuell gefärbt beschimpfte, herabwürdigte und beleidigte.
213bb)
214Gleichfalls bemerkte der Angeklagte einen solchen Verlust auch in Bezug auf die Zeugin OT.. Diese war – wie sie der Kammer nachvollziehbar und glaubhaft berichtet hat – nicht nur örtlich, sondern auch emotional auf Abstand zum Angeklagten gegangen, für den sie im Herbst 2022 nur noch per Whatsapp erreichbar war. Vorher, etwa ab April 2022 habe der Angeklagte behauptet, es seien entgegen der ursprünglichen Bekundungen der Ärzte doch Behandlungsmöglichkeiten gegeben, viele Operationen stünden an, dazu auch eine Chemotherapie. Er habe häufig davon gesprochen, dass er den Mut verliere und die Behandlung abbrechen wolle, was sie jeweils mit viel Aufwand und gutem Zureden, insgesamt also viel Aufmerksamkeit, beantwortet habe. Als dann im Sommer 2022 angestanden habe, dass sie für die Aufnahme ihres Studiums wegziehen würde, habe sie auf Drängen des Angeklagten mit diesem im Juni 2022 noch eine weitere, letzte Reise unternommen. Sie seien nach GG. gefahren, wo sie auf seinen Wunsch unter anderem ein Foltermuseum besucht hätten. Sie hätten zusammen in einem Tinyhouse übernachtet und ein Bett geteilt. Es sei aber weiter rein freundschaftlich und ohne Intimitäten gewesen. Er habe auch keine Versuche unternommen, daran etwas zu ändern. Danach sei sie durch die anstehenden Examensprüfungen sehr eingebunden gewesen und anschließend aus WX. weggezogen. Dem Angeklagten habe sie in dieser Zeit weiter viel zur Verfügung gestanden, vor allem über das Handy. Sie hätten sich auch noch zweimal in WX. und OZ., wo ihr Vater wohnte und sie zwischenzeitlich untergekommen war, gesehen. Er habe ihr viel und wie immer sehr ausführlich von den angeblichen Operationen und dem Verlauf der Therapien berichtet, dabei auch Zitate der Ärzte und Therapeuten eingebaut.
215Etwa zu dieser Zeit habe sie erstmals sicher bemerkt, dass der Angeklagte mehr als ein freundschaftliches Interesse an ihr habe. In Nachrichten an sie habe er nun geschrieben, er müsse sie „face to face“ sehen und „ich will dich berühren“, was nach ihrer Wahrnehmung und dem bisherigen Verlauf der Freundschaft „drüber“ war. Zumal sie zu dieser Zeit einen Freund gehabt habe, was dem Angeklagten auch bewusst gewesen sei.
216Als sie dann zum Start des Wintersemesters 2022 nach Q. gezogen sei, wo sie ein Psychologiestudium aufgenommen habe, sei eine Situation entstanden, in der der Angeklagte sie nicht einfach habe treffen können. Ihre Anschrift in Q. habe sie ihm nie gegeben. Das sei ihr auch recht gewesen, weil sie sich zunehmend vom Angeklagten bedrängt gefühlt und bemerkt habe, dass er ihr nicht guttue. Beispielhaft als Auslöser für das ungute Gefühl hat die Zeugin von einer Begebenheit im Sommer 2022 erzählt, bei der der Angeklagte ihr von einem Psychiatrieaufenthalt erzählt habe. Er sei wegen Gewaltgedanken dort gewesen, „morbide Gedanken“ habe er das genannt und auch von Suizidgedanken berichtet. Die Ärzte hätten ihm empfohlen, sich mit anderen Themen als Gewalt zu beschäftigen. Anhaltspunkte dafür, dass er tatsächlich in psychiatrischer Behandlung war, haben sich für die Kammer nicht ergeben. Dies dürfte wegen der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, der zur Lösung von Problemen erkennbar eher auf Manipulationen seines Umfelds und nicht auf ärztliche Hilfe setzte, auch fernliegend sein.
217Ebenfalls im Sommer 2022, nämlich im August, habe er ihr auch von nächtlichen Alpträumen berichtet. Zuerst habe er dazu nur gesagt, dass es den von ihm geliebten Menschen schlecht ginge, dass sie leiden würden. Sie habe gedacht, er befürchte, dass er durch seine Krebserkrankung Leid über seine Angehörigen und Freunde brächte und deswegen Alpträume habe. Im September 2022 dann, nach den angeblichen ersten Operationen wegen des weiter vorgetäuschten Bronchialkarzinoms, habe er von hohem Fieber und Schmerzmitteln berichtet, unter denen die Träume zurückgekehrt seien. Er könne die Träume nun deuten, was er in einer Whatsapp-Nachricht an die Zeugin OT., die diese in der Hauptverhandlung vorgelesen hat, so erklärte: „Erinnerst du dich an meine Alpträume? Sie nehmen Gestalt an ... ich hab zum ersten Mal gesehen wer der unbekannte Folterknecht ist. .. ich bin es ... ich bin es der dir und anderen wehtut....ich bin für das Leid verantwortlich ...“ Ähnlich wie bei V. im Juni lenkte der Angeklagte also auch hier die Unterhaltung auf die Anwendung von Gewalt – Folter – gegen eine Frau, woraus die Kammer den Schluss zieht, dass der Angeklagte um dieses Thema kreiste, wobei er wie schon bei V. auch gegenüber der Zeugin OT. verheimlichte, dass ihn die Ausübung von Gewalt nicht abschreckte, sondern erregte.
218Einem Treffen gegenüber noch ablehnender eingestellt sei sie – die Zeugin OT. nach ihren Bekundungen – geworden, als der Angeklagte ihr zu dieser Zeit einen „kuriosen Text“ geschrieben habe, in dem er davon berichtet habe, dass er zusammen mit dem Zeugen T. deutsche Soldaten für Kämpfe in SR. rekrutiert habe und deswegen nun angeklagt sei. Sie – die Zeugin OT. – habe harsch reagiert, ihm erklärt, dass sie mit derlei Geschichten nichts zu tun haben wolle und sie für ihn wegen der Krankheit als Freundin da sein wolle, aber nicht für solche Sachen. Erkennbar handelte es sich insoweit auch um eine weitere Lügengeschichte des Angeklagten: Weder fand sich im zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister ein Hinweis auf ein Strafverfahren gegen den Angeklagten noch hat der sichtlich überraschte Zeuge T. gewusst, wovon die Rede ist, als er zu diesem Thema von der Kammer befragt wurde.
219Das zunehmend „schlechte Bauchgefühl“ in Bezug auf den Angeklagten habe ihr – der Zeugin OT. – dabei geholfen, seine weiteren Versuche, ein Treffen herbeizuführen, abzublocken. Etwa Ende September – also nach dem Kontaktabbruch mit V. – habe er sie mehrmals um eine Nacht am Meer mit ihr gebeten. Es sei angeblich die Zeit vor den „ganz großen Operationen“ – auch am Gehirn – gewesen. Sie habe immer eine Ausrede gefunden, warum es nicht gepasst habe, so dass sie auch seine aufdringlichen Versuche – er würde einige Stunden fahren, nur um sie kurz zu sehen – habe abwehren können. Er habe zuweilen schnippisch darauf reagiert, aber weil sie nie gesagt habe, dass sie gar keinen Kontakt mehr wollte, sei es anderseits auch zu keiner Zeit eskaliert.
220Aus den Umständen, dass er die Zeugin OT. zuletzt im September 2022 in OZ. sehen konnte und bis November im Vergleich zu früheren Zeiten nur noch eher sporadischen Kontakt per Whatsapp zu ihr hatte, wurde dem Angeklagten deutlich, dass sie sich, genau wie V., seinem Einfluss entzogen hatte. Weder konnten neue spektakuläre Geschichten noch anstehende hochbrisante Operationen oder Heilungsperspektiven die Zeugin dazu bringen, ihm weiter persönliche Zeit zu widmen. Somit war für den Angeklagten auch ohne den offenen Bruch in dieser Beziehung deutlich, dass die Zeugin OT. ihm nicht mehr wie zuvor zur Verfügung stand. Die von ihm schon zum Gegenstand von Erzählungen gemachte Intimbeziehung zu ihr war damit unerreichbar geworden.
221cc)
222Neben den für ihn frustrierenden Entwicklungen mit V. und der Zeugin OT. wurde dem Angeklagten auch bewusst, dass er finanziell „mit dem Rücken zur Wand“ stand. Wegen seines ungeklärten Ausbildungsstatus – gekündigt hatte weder er noch der Ausbildungsbetrieb, Krankenversicherungsbeiträge wurden aber auch nicht mehr bezahlt – hatten sich zum Oktober 2022 Schulden in Höhe von knapp 12.000 € bei der X. Krankenkasse angesammelt, deren Zahlung mit Schreiben vom 21. Oktober 2022 bereits angemahnt wurden. Dass der Angeklagte Kenntnis von dem Schreiben hatte, steht fest, weil es in seinem Zimmer im Elternhaus gefunden wurde, wie die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder von der dortigen polizeilichen Durchsuchung vom 11. November 2022 ergeben hat.
223Mittel für die Rückzahlung des im September 2021 aufgenommenen Kredits standen ihm nach der Kündigung seines Arbeitsvertrages beim J. ebenfalls nicht mehr zur Verfügung. Das Schreiben erreichte den Angeklagten zwar erst am 8. November 2022, jedoch war ihm naheliegender Weise wegen der letztlich zur Kündigung führenden Fehlzeiten im Oktober und der ersten Novemberwoche schon klar, dass er die geringfügige Beschäftigung, die ohnehin seine finanziellen Sorgen nicht beseitigen konnte, nicht würde behalten können. Gesprächsangebote seitens des J. am 30. Oktober und 3. November hatte er nicht angenommen, wie die Zeugin QL. bekundet hat.
224Mit dem Eingang der Kündigung am 8. November 2022 wurde ihm somit bestätigt, dass die circa 450 €, die er nach den Angaben der Zeugin QL. monatlich durch die Übernahme der Nachtschichten verdiente, wegfallen würden, so dass er keine Aussichten hatte, die Kreditraten zu bedienen. Dass ihn diese Kündigung auch vor der hier gegenständlichen Tat vom 0. November 0000 erreicht hatte, folgert die Kammer aus dem Umstand, dass sie ausweislich der Angaben der Zeugin QL. am 8. November 2022 zugestellt wurde. Zwar geschah dies an der Anschrift seiner Eltern und durch Entgegennahme von AC. XS. – seiner Mutter – so dass zunächst auch in Betracht gekommen wäre, dass der Angeklagte selbst den Brief nicht gelesen hätte. Da beide Eltern allerdings, was der Zeuge T. nachvollziehbar erläutert hat, bei einem Gespräch mit ihm nach der Festnahme des Angeklagten angegeben hätten, sie seien bis zur anderslautenden Mitteilung durch die Polizeibeamten davon ausgegangen, dass ihr Sohn im UH.-Klinikum arbeite, scheidet eine Kenntnis von dem Inhalt des Kündigungsschreibens aus. Denn daraus ergibt sich, dass der Angeklagte beim Verein für soziale Dienstleistungen in G. beschäftigt war. Verantwortlich dafür, dass der geöffnete Brief in seinem Zimmer lag, wie die Lichtbilder der Durchsuchung ebenfalls ergeben haben, kann also nur der Angeklagte gewesen sein. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte besonders viel Post bekam, diese über längere Zeit nicht öffnete oder aus anderen Gründen an der Kenntnisnahme des Inhalts des Briefes schon am 8. November gehindert gewesen wäre, liegen nicht vor.
225Ersparnisse hatte er ausweislich der von KK GK. eingeholten Kontoverdichtungen ebenfalls nicht. Das einzige zu seinem Namen vorhandene werthaltige Girokonto sei – so der Zeuge KK GK. – am 0. November 0000 mit einem Betrag von nur 3,65 € im Haben geführt worden.
226dd)
227Erheblich frustriert war der Angeklagte auch, weil er weiter keine Intimpartnerin hatte. So hat der Zeuge S. berichtet, dass der Angeklagte sich zwar für einen tollen Kerl gehalten habe, aber sich diese Einschätzung nicht in entsprechendem Erfolg bei Frauen niedergeschlagen habe.
228Der Zeuge T. hat angegeben, der Angeklagte habe seines Wissens nach zuletzt eine feste Beziehung zu seiner Cousine A. vor 6 bis 8 Jahren gehabt, was die Zeugin T. dahin bestätigt hat, dass die Beziehung, die weniger als ein Jahr gedauert habe und von ihr beendet worden sei, sogar über 10 Jahre zurückliege. Davor – so der Zeuge T. – habe er eine intime Beziehung zu einer KG. EH. gehabt, die eher kürzer gedauert habe.
229Von anderen Intimkontakten des Angeklagten zu Frauen hätten beide Zeugen ihren glaubhaften Angaben nach nichts mitbekommen, was der Zeuge T. mit der Einschätzung verband, dass der Angeklagte viel Wut in sich getragen habe, weil er seine Situation für ungerecht gehalten habe. Aus der Vernehmung der Zeugin OT. folgt, dass der Angeklagte Prostituierte aufsuchte, wovon er bei einer gemeinsamen Reise gesprochen habe.Ein Hinweis darauf ergibt sich auch aus seiner Internetrecherche nach der Tat. So belegen die von ihm in den Morgenstunden des 15.11.2022 verwendeten Suchbegriffe „Prostitution GD.“, „GV. bordell“ und „GV. rotlichtviertel“, dass der Angeklagte nach seiner Flucht nach GD. dort Prostituiertenkontakt suchte.
230Aussichten auf eine baldige Änderung seiner Situation hatte der Angeklagte nicht. So war ihm naheliegender Weise klar, dass er mit Anfang 30 ohne Ausbildung und Geld war und wieder in seinem Jugendzimmer im Elternhaus lebend keine guten Voraussetzungen hatte, eine Frau zu finden. Hinzu kam, dass er aufgrund seiner Übergewichtigkeit ohnehin bei den Frauen, die er attraktiv fand, praktisch keinerlei Chancen erhielt, wie ihm jedenfalls aufgrund des Verhaltens der V. und der Zeugin OT., die ihm – wie ausgeführt – stets den lediglich kameradschaftlich-vertrauten Charakter ihrer Beziehungen vor Augen führten und sich ihm zuletzt auch insofern entzogen, klar war.
231ee)
232Anhaltspunkte dafür, dass sich seine Situation in naher Zukunft würde verbessern und einer der belastenden Umstände wegfallen könnte, bestanden auch aus Sicht des Angeklagten nicht. Vielmehr war es so, dass er durch die erhaltene Kündigung jegliche Aussicht auf Besserung seiner finanziellen Situation oder seiner allgemeinen Lebensumstände verloren hatte. Ein berufliches Talent, Durchhaltevermögen oder eine konkrete Aussicht auf einen anderen Job hatte er nicht, was die Frustration naheliegender Weise noch erheblicher machte.
233Subjektiv standen dem Angeklagten keine Mittel zur Verfügung, sein Schicksal positiv zu verändern. Seine Eltern hätte er nicht um Geld bitten können, ohne offenbaren zu müssen, dass er die Pflegeausbildung abgebrochen hatte, was er offenbar fürchtete, weil er es – wie sich aus den oben wiedergegebenen Bekundungen des Zeugen T. ergibt – nicht tat.
234h) Tatentschluss
235In dieser Situation, geprägt von Wut auf sich selbst, der Frustration wegen seiner Lebensumstände, der Mittellosigkeit und der Erkenntnis, dass seine sexuellen Phantasien, die sich auf V. konzentriert hatten, unbefriedigt bleiben würden, entschied der Angeklagte sich zu der hier gegenständlichen Tat zum Nachteil der V., weil er sich von ihr schlecht und undankbar behandelt fühlte und sie für seine desolaten Lebensumstände verantwortlich machte.
236aa)
237V. und die Zeugin OT. konnte er mit den bisherigen Mitteln nicht mehr an sich binden und er musste befürchten, dass sie ihm die Krebslüge bei ihrer Aufdeckung nicht verzeihen würden. Selbst wenn er es geschafft hätte, eine von beiden Frauen weiter zur Kontakthaltung und regelmäßigen Treffen bewegen zu können, wäre aus seiner Sicht zu befürchten gewesen, dass ihnen – wegen der zuletzt behaupteten schwerwiegenden Operationen und Chemotherapien – Zweifel gekommen wären, ob seines unverändert guten körperlichen Allgemeinzustands. Selbst für den Angeklagten, der sich in der Vergangenheit durch zahlreiche Lügen schwierigen Situationen entziehen konnte – beispielsweise hatte er sich bei einem der letzten Treffen mit der Zeugin OT. ihren Bekundungen zufolge ein großes Pflaster im Bereich des Schlüsselbeins aufgeklebt und dazu behauptet, es stamme von einer Operation – war dieses Zusammenkommen negativer Umstände naheliegender Weise eine ausweglose Situation.
238Dass er für diese Situation insgesamt und zunehmend V. die Schuld gab, wurde bereits an seiner beleidigenden Nachricht vom 19.09.2022 („ach halts maul und laber mich nicht voll ... und steck dir dein aufrichtig in deine undankbare fotze“) sichtbar und manifestierte sich sodann in der zielgerichtet auf besondere Brutalität und Erniedrigung ausgelegten Tat zu ihrem Nachteil. Auch der von ihm nach der Tat erstellte Ordner mit Fotos der Geschädigten auf seinem Handy und der Betitelung „„Zitat wurde entfernt““ belegt seine fortbestehende Wut auf V..
239bb)
240Soweit zur Vorbereitung der Tat gehörte, den Dienstplan V.s in Erfahrung zu bringen, um ihr morgens ungestört auflauern zu können, ist nicht bekannt geworden, wie der Angeklagte an diese Information gelangte. Der Umstand, dass sie Frühdienst hatte, war ihm jedoch sicher bekannt, wie sich aus dem Brief an die Zeugen S. und T. ergibt („ich wusste, dass sie Frühschicht hat“). Diese Aussage in dem Brief beruht zur Überzeugung der Kammer auf wahren Umständen, da sie nicht taugt, seine Tat wie vorbeschrieben zu überhöhen, und die Geschädigte tatsächlich Frühschicht hatte, wie ihre Kollegen, der Stationsleiter NG. und die Anleiterin der Geschädigten AA. als Zeugen bekundet haben. Beide haben angegeben, dass die zuverlässige V. zur Frühschicht, zu der sie spätestens um 6:10 Uhr hätte auf der Station sein müssen, nicht erschien und sie sich aus Sorge gegen 10 Uhr entschlossen hätten, zu ihrer Wohnung zu fahren, zumal sie sie zuvor auch telefonisch nicht hätten erreichen können. Danach lässt die Erklärung des Angeklagten in dem Brief, er wusste von ihrer Frühschicht, auch die Schlussfolgerung zu, dass er sich vor dem Tatrausch, in dem er sich am 0. November 0000 befunden haben will, zielgerichtet um die Erlangung dieser Informationen bemüht hatte.
241Das bei der Tat sicher verwendete Messer sowie das Panzertape hatte der Angeklagte ohnehin in seinem Besitz und musste es nur bereitlegen und nach Ankunft an der Wohnanschrift V.s mitnehmen. Insoweit haben die Zeugen T. und S. berichtet, der Angeklagte habe das für den UG.urlaub angeschaffte Bowiemesser immer im Auto aufbewahrt. Das Panzerband hätte eigentlich bei den nach dem Urlaub aus dem Auto des Angeklagten ausgeräumten Gegenständen und damit in der Garage des Zeugen T. sein müssen. Dass er es unbemerkt in seinem Auto belassen habe, sei aber durchaus möglich, so die beiden Zeugen. Im Übrigen wäre das Panzerband auch problemlos, etwa in einem Baumarkt, zu erwerben gewesen.
242Soweit darüber hinaus wegen der geringen Menge an Spuren aus dem Bereich DNA und Daktyloskopie naheliegt, dass der Angeklagte weitere Hilfsmittel einsetzte, etwa Latexhandschuhe, war dies mangels eindeutig dafür sprechender objektiver Anhaltspunkte nicht nachzuhalten.
243Dass er in dem Bewusstsein, eine schwere Straftat zu begehen, aber durchaus Vorkehrungen traf, die seine Identifizierung als Täter verhindern sollten, steht aus anderen Gründen fest. So hat die von KOK VL. vorgenommene Auswertung der Tatortfunkzelle ergeben, dass das Handy des Angeklagten zur Tatzeit dort nicht eingeloggt war. In Betracht kommen insoweit drei mögliche Ursachen, wenn – wie festgestellt – davon ausgegangen wird, dass der Angeklagte der Täter war: Entweder hatte er das Handy nicht dabei oder er hatte es ausgeschaltet dabei oder es befand sich im Flugmodus.
244Aus dem von dem IT-Forensiker IC. erstellten und in der Hauptverhandlung erläuterten Bericht über die Auswertung des Routers in der Wohnung V.s folgt sicher, dass der Angeklagte sein Handy mit sich führte und es auch insoweit aktiv war, dass es sich in das Drahtlosnetzwerk in V.s Wohnung einwählen konnte (siehe dazu sogleich). Zur Überzeugung der Kammer ist dies nur damit zu erklären, dass der Angeklagte es im Flugzeugmodus hatte und diesen entweder dauerhaft oder händisch an diesem Tag so modifiziert hatte, dass die Verbindung mit Drahtlosnetzwerken nicht deaktiviert war. In jedem Fall folgt daraus aber, dass der Angeklagte zur Vermeidung von Funkzellenspuren Einstellungen an seinem Handy vorgenommen hatte, nämlich mindestens den Flugmodus aktiviert hatte. Nicht bekannt war ihm möglicherweise, dass das Einwählen in einen WLAN-Router Spuren hinterlässt bzw. dass dieses Gerät insoweit Gerätedaten speichert und es ausgelesen werden kann.
245Zudem folgt aus der Vernehmung des Zeugen T., dass der Angeklagte sein Aussehen am Tattag verändert hatte. Die von ihm getragene Kleidung war ausweislich der am Geldautomat NZ.-straße in U. kurz nach der Tat aufgenommenen Aufnahmen der Überwachungskamera (siehe dazu unten) völlig untypisch für ihn. So habe der Angeklagte praktisch immer und auch im Winter kurze Jeanshosen, T-Shirt und oft ein „französisches Hütchen“ getragen. Mit letzterem meine er, wie die Nachfrage ergeben hat, eine Art traditionelle, flache Herrenmütze mit Schirm. Der auf den Fotos von der das Geld abhebenden Person getragene Mantel, die Anzugschuhe und die Wollmütze seien dagegen nicht sein Stil.
246cc)
247Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Angeklagte mit dem Tatentschluss auch die Absicht gefasst hatte, V. zu töten, beruht dies auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
248Mit der Tat wollte der Angeklagte im Wesentlichen seine sexuellen Wünsche an V. ausleben (siehe dazu unten). Um ihren erwarteten Widerstand zu brechen und um sie seinem Willen auszuliefern, beabsichtigte er ein Messer und Panzerband einzusetzen. Die von ihm gewollte und so auch ausgeführte Tat war somit von einer solchen Massivität und Verwerflichkeit, dass ihm bei lebensnaher Betrachtung zweierlei klar war: Zum einen würde V. die Tat zur Anzeige bringen, sollte sie überleben, und zum anderen, dass ihm eine sehr empfindliche Freiheitsstrafe dafür drohen würde.
249Die Tat war damit auch in keiner Weise vergleichbar mit derjenigen, die V. Silvester 2020 widerfahren war. Denn während die Tat in 2020 zwar auch einen sexuellen Hintergrund hatte, war sie nicht von Gewalt geprägt und stellte auch keine Vergewaltigung dar, was auch in der laienhaften Bewertung des Angeklagten einen gewichtigen Unterschied darstellte. Wegen der Unterschiede in der Brutalität und Heftigkeit der Taten bestand auch kein nachvollziehbarer Grund für den Angeklagten darauf zu hoffen, dass V. die Tat – wie diejenige aus der Silvesternacht – nicht zur Anzeige bringen würden. Überdies hatte V. noch im Jahr 2022 darüber nachgedacht, diese Tat doch zur Anzeige zu bringen, was die Zeugen TV. der Kammer glaubhaft geschildert hat, weshalb naheliegt, dass sie auch mit dem Angeklagten darüber sprach. Insoweit wertet die Kammer den Umstand, dass der Angeklagte beim zweiten UG.urlaub noch behauptet hatte, es habe ein sexueller Übergriff zu ZA. Nachteil stattgefunden, aufgrund dessen sie aus Verängstigung nicht alleine schlafen wollte, als Beleg dafür, dass dieser Vorfall noch Thema war.
250Bei dieser vom Angeklagten vorgenommenen Betrachtung war ihm auch bewusst, dass V. ihn in jedem Fall, selbst bei einer Maskierung, als Täter würde identifizieren können. Nach der intensiven, beinahe drei Jahre dauernden Freundschaft war sicher zu erwarten, dass sie ihn etwa an der Stimme, an seinen Bewegungen und an seiner Körperfülle erkennen würde, zumal er ihr wegen seiner auf die Befriedigung seiner sexuellen Phantasien ausgerichteten Tat auch zwangsläufig nahekommen musste.
251Dass dem Angeklagten die Entdeckung der Tatbegehung durch ihn auch nicht gleichgültig oder zumindest nicht so wichtig war, ergibt sich wiederum aus den bereits dargelegten Vorkehrungen, seine Identifizierung als Täter durch Dritte zu verhindern. Diese machten letztlich nur Sinn, wenn nicht schon sein Opfer ihn gegenüber der Polizei als Täter benennten konnte.
252i) überraschender Angriff am Morgen
253Die Feststellungen dazu, dass V. überrascht wurde und deswegen auch ohne Abwehrmöglichkeiten dem Angriff des Angeklagten ausgeliefert war, beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
254aa)
255Zwar steht fest, dass V. nach dem Kontaktabbruch zum Angeklagten Angst vor diesem bzw. seiner Rache hatte. Insoweit hat die Zeugin TV. angegeben, V. habe ihr berichtet, dass sie nach dem Kontaktabbruch manchmal Angst gehabt habe, aus dem Haus zu gehen, oder befürchtet habe, der Angeklagte würde ihr hinter der nächsten Ecke auflauern. Ihre Angst habe sich auch aus dem Umstand gespeist, dass der Angeklagte während der Freundschaft damit geprahlt habe, er sei schon mal Teil einer Gang gewesen und habe für die DK. Straftaten begangen, weshalb sie ihm durchaus die Begehung von Straf- und insbesondere auch Gewalttaten zu ihrem Nachteil zugetraut habe. Die Angaben der Zeugin TV. sind glaubhaft, insbesondere weil sie durch eine Nachricht V.s vom 00. September 0000 an sie belegt sind, die in der Hauptverhandlung von der Zeugin wiedergegeben wurde: „Hab tbh nur Angst, ... dass der jetzt Rache plant Ich find den momentan so Psycho und unberechenbar und er war ja einfach schon zweimal Teil einer Gang“.
256Allerdings kann die Kammer aufgrund des ohnehin eher ängstlichen Charakters V.s ausschließen, dass sie aus dem Haus getreten wäre, wenn sie einen konkret bevorstehenden Angriff befürchtet hätte. Insoweit sind die oben bereits dargestellten Angaben der ihr nahestehenden Personen unter II. 2. a) eindeutig und belastbar. Auch mag V. eine große Angst vor dem Angeklagten im September, also unmittelbar nach dem Kontaktabbruch verspürt haben. Da zwischenzeitlich allerdings Ruhe eingekehrt war und sich insbesondere keine neuen, den Angeklagten aus Sicht V.s konkret provozierenden Vorfälle ereignet hatten, geht die Kammer davon aus, dass V. sich am Morgen des 0. November keines Angriffs versah oder hätte versehen können.
257Dafür spricht auch, dass im Whatsapp-Chat sogar eine gewisse Wiederannäherung stattgefunden hatte. Nachdem V. den Angeklagten nach der Beleidigung Mitte September blockiert hatte, muss sie diese Verhinderung einer Kontaktaufnahme vor dem 00.Oktober 0000 beendet haben. Denn ausweislich des verlesenen Chats, schrieb der Angeklagte ihr an diesem Tag um 01:52 Uhr, er habe beim Durchsehen seiner Kontaktliste erkannt, dass sie ihn „entblockt“ habe. Er wolle sich entschuldigen. Zwar wisse er nicht, welche der gelöschten Nachrichten sie gesehen habe, aber eigentlich habe er immer geschrieben, dass es ihm leid tue. Er sei dumm, kleingeistig und unfair gewesen. V. antwortete um 22:05 Uhr, dass es okay sei und bedankte sich dafür, dass es ihm so wichtig war, sich zu entschuldigen. Direkt im Anschluss sandte sie ihm ein Video, worauf er sie – wohl humorvoll – zurechtwies und sie Monster nannte. Zu der Nachricht davor ergänzte er, dass er zum Zeitpunkt des Streits ziemlich durch den Wind gewesen sei. Am 24. und 25. Oktober 2022 schrieb V. je eine kurze Nachricht zu dem Video, die der Angeklagte beantwortete, und begann dann von einem gemeinsamen Bekannten zu erzählen, was vom Angeklagten wiederum kurz beantwortet wurde. Als er ihr daraufhin zwei Nachrichten schickte, in denen er fragte, ob sie eine E-Mail von ihm bekommen habe, und erklärte, wie froh er sei, dass sie Kontakt zulässt, weil er sie sehr vermisst habe und dass er ihr viel erzählen wolle, aber erstmal „jede beschissene Frage“ beantworten wolle, die ihr einfalle, antwortete V. nicht mehr.
258Daran zeigte sich zwar unmissverständlich für den Angeklagten, dass die Geschädigte zurückhaltend blieb und nicht zum einstmaligen vertrauten Verhältnis zurückkehren werde. Es gab danach aber im Vergleich zu dem vorher im Chat offen ausgetragenen Streit mit Kontaktabbruch weniger Veranlassung zu der Befürchtung, der Angeklagte könne Rache nehmen wollen.
259bb)
260Dass der Angriff im Bereich der Haustür erfolgte, schließt die Kammer aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Tatort, aus denen sicher geschlussfolgert werden kann, dass V. in diesem Bereich verletzt wurde. So befand sich einerseits ihr augenscheinlich mit Proviant und dergleichen für die Arbeit gepackter Rucksack direkt hinter der Haustür, also im Hausflur im Erdgeschoss. Zudem sind durch die Spurensicherung mehrere Bluttropfen im Treppenhaus gesichert worden, die von der Haus- zur Wohnungstür führten und V. zugeordnet werden können. Mangels anderer blutender Verletzungen ist davon auszugehen, dass die Blutspuren von der Verletzung am linken Handgelenk stammen. Insoweit hat die rechtsmedizinische Sachverständige Dr. LR. angegeben, dass es sich um eine sicher zügig zu Blutverlust führende, 2,5 cm lange und bis zu 0,3 cm breite, klaffende Verletzung handelt, die zwanglos für die Bluttropfen verantwortlich sein kann. Ebenfalls in Betracht komme eine kleinere, 0,8 cm lange Schnitt-/Stichverletzung am rechten Mittelfinger der Geschädigten. Aufgrund der Art der Wunden und ihrer Lokalisation halte sie die Wunden für typische Abwehrverletzungen bei einem Messerangriff, ohne dass sie dies sicher belegen könnte.
261Dass das Blut von V. stammt, folgt aus den Bekundungen der molekulargenetischen Sachverständigen Prof. Dr. CK. vom Universitätsklinikum WX., die die Blutspur analysiert und ihr Gutachten in der Hauptverhandlung erläutert hat. Danach handele es sich aufgrund eines weiblichen Amelogenin-Befunds bei der aus dem Treppenhaus analysierten Blutprobe und mangels Vorliegens nachweisbarer Y-chromosomaler DNA-Merkmale sicher um das DNA-Profil einer weiblichen Verursacherin der Blutspur. Bei dieser handelt es sich mangels anderer berechtigter Personen – das Treppenhaus führt lediglich zur Wohnung V.s – sicher um V.. Dass es sich um frische Blutspuren handelte, ergibt sich aus den Bekundungen des Zeugen PK DD., der nach seinen Bekundungen als einer der ersten Beamten ab 11:09 Uhr nach dem Notruf der Auffindezeugen um 10:50 Uhr am Tatort war.
262Dass die Verletzungen vom Messer des Angeklagten stammen, ergibt sich aus dem Gutachten aus dem Bereich DNA-Analytik der Sachverständigen Dr. Q. vom LKA ND. vom 14.02.2023. Nach der dort vorgenommenen biostatischen Bewertung ist die am Messer des Angeklagten gesicherte Blutspur ausschließlich V. zuzuordnen. Aus dem Gutachten der Sachverständigen folgt insoweit, dass anhand der 16 ausgewerteten, DAD-relevanten STR Systeme berechnet wurde, wie wahrscheinlich der erzielte Befund unter Annahme der Hypothese A ist, dass die ausschließlich bzw. dominierend nachgewiesenen DNA-Merkmale von der Geschädigten stammen, versus der Annahme der Hypothese B, dass diese DNA-Merkmale von einer unbekannten, mit der V. nicht blutsverwandten Person stammen. Demnach sind die nachgewiesenen DNA-Merkmale der jeweiligen Spur bei Zutreffen der Hypothese A über 30 Milliarden Mal wahrscheinlicher zu beobachten als bei Zutreffen der Hypothese B. Vor dem Hintergrund dieser Wahrscheinlichkeiten bestehe aus gutachterlicher Sicht kein berechtigter Zweifel daran, dass V. als Verursacherin der oben aufgeführten Spur anzusehen ist. Die Kammer hat sich dieser Beurteilung nach eigener Prüfung angeschlossen.
263Der Hauseingangsbereich bietet sich auch für einen überraschenden Angriff an. Denn zum einen befindet er sich, was ebenfalls aus den in Augenschein genommen Lichtbildern und den Bekundungen des den Tatort aufnehmenden PK DD. folgt, in einer ohnehin ruhigen Wohnlage in einer Sackgasse, so dass kaum Durchgangsverkehr herrscht. Zudem ist der Eingangsbereich relativ verwinkelt, so dass er gute Versteckmöglichkeiten bietet. Insoweit folgt aus dem Tatortbefundbericht der KK’in UU. auch, dass der Bereich vor der Haustür durch das Carport und die verdeckt liegende Haustür abgeschirmt werden. Insoweit wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen auf die Lichtbilder Bl. 95 und 96 d. A., die auch zeigen, dass nicht zu erwarten war, dass in direkter Nähe lebenden Nachbarn die Tat würden stören können. Das ebenfalls im EG, also unter V.s Wohnung, gelegene Bestattungsinstitut war zur Zeit des überraschenden Angriffs noch nicht besetzt, sondern öffnete erst um 8 Uhr, wie dessen Inhaber, der Zeuge AV., bekundet hat.
264Die festgestellte Uhrzeit des Angriffs auf V. folgt aus der Vernehmung des IT-Forensikers RBr IC., der der Kammer die Ergebnisse der Auswertung des WLAN-Routers in der Wohnung V.s erläutert hat. Danach erhalte jedes Gerät, welches sich mit dem Router verbindet, um eine drahtlose Internetverbindung aufzubauen, von diesem eine sog. RY.-Adresse. Am Morgen des 0. November 0000 seien zwei RY.-Adressen in den Router eingewählt gewesen, bei der einen sei der Gerätename „iPhone-von-EQ.“ bei der anderen „DE.n“ ausgewiesen worden. Eine Zuordnung des letztgenannten Handys zum Angeklagten sei möglich, da zwar bei jedem Gerät, mit dem das Handy sich verbinde, eine andere RY.-Adresse erzeugt werde, der Name des Geräts jedoch vom Nutzer festgelegt und somit dauerhaft sei. Der Name „DE.n“ sei auch in dem WLAN-Router im Haus der Eltern des Angeklagten hinterlegt, was auch aus Sicht der Kammer eine Zuordnung erlaubt. Zudem ist der Kammer aus der Auswertung des bei der Festnahme des Angeklagten sichergestellten Handys bekannt, dass es sich um ein Samsung Galaxy A72 handelt, was der Zeuge KOK RG. der Kammer vermittelt hat. Insofern besteht kein Zweifel daran, dass das eingeloggte Handy dem Angeklagten zuzuordnen ist.
265Dieses Handy habe sich, so das Ergebnis der Auswertung des Routerprotokolls, erstmals um 5:49 Uhr in das WLAN-Netzwerk V.s eingewählt. Aufgrund unterschiedlicher Reichweiten sowohl der Handymodems als auch der Router könne nicht mit Sicherheit gesagt werden, wo genau sich das Handy zu diesem Zeitpunkt befunden habe. Denkbar sei, dass eine Verbindung erstmals schon vor der Haustür hergestellt worden sei, gleichfalls sei aber auch denkbar, dass dies erst im Treppenhaus gelänge. Spätestens in der Wohnung V.s, die aufgrund der Größe überall Netzwerkempfang biete, habe sich das Handy des Angeklagten aber in das Netzwerk einwählen können. Für eine Reichweite des WLAN-Routers nicht bis vor die Haustür spricht, dass V.s Handy, welches sie nach allgemeiner Lebenserfahrung bei sich trug, sich um 05:47 Uhr abmeldete und genau eine Minute später wieder anmeldete, was durch das Verlassen des Hauses und anschließende Zurückdrängen in das Haus erklärt werden könnte. Damit wäre auch vereinbar, dass das Handy des Angeklagten sich etwa eine Minute später ebenfalls in das Netzwerk einwählte.
266cc)
267Aus dem oben Gesagten schließt die Kammer, dass V. in dieser Situation keine Abwehrmöglichkeiten hatte und diese auf ihrer Arglosigkeit beim Verlassen des Haus gründende Wehrlosigkeit bis zu ihrem Tod fortwirkte.
268Ohnehin war sie – ausweislich des Gutachtens der Obduzentin Dr. LR. nur 164 cm groß und etwa 56 Kg schwer – dem mehr als doppelt so schweren Angeklagten und deutlich größeren Angeklagten körperlich stark unterlegen, was durch den überraschend erfolgten Angriff des Angeklagten – worauf es diesem gerade ankam – noch gesteigert wurde. Angesichts des schon zu diesem Zeitpunkt massiven Auftretens mit dem Messer waren ihr wirksame Abwehrmöglichkeiten genommen, zumal angesichts ihrer – wie ausgeführt – naheliegend als Abwehrverletzungen einzustufenden Wunden lebensnah davon auszugehen ist, dass sie sich erfolglos durch Griffe in das Messer zu wehren versucht hatte. Auch ein Schreien konnte der Angeklagte unter Androhung des Messereinsatzes unterbinden und wäre zudem angesichts dort nicht zu erwartender Personen, die hätten eingreifen können, und dem Umstand, dass sich das Tatgeschehen schnell ins Haus verlagerte, nicht erfolgversprechend gewesen.
269Dort in der Wohnung waren die Rollläden entsprechende der Gewohnheit der V. und ausweislich der Bekundungen der Zeugen NG., AA. und AV. heruntergelassen, wodurch ein Aufmerksamwerden Dritter auf das darin stattfinde Geschehen praktisch ausschied. Dass V. noch die Möglichkeit hatte, verbal auf dem Angeklagten im Sinne eines Ablassens von ihr einzuwirken, schließt der Kammer angesichts des zur Tat fest entschlossenen und darauf vorbereiteten Angeklagten aus.
270j) Ablauf der Tat
271Die Feststellungen zum Tatablauf beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
272aa)
273Soweit die Kammer das Schlafzimmer und dort das Bett V.s als Ort, an dem die Misshandlungen und das Erwürgen stattgefunden haben, festgestellt hat, beruht dies auf folgenden Erkenntnissen: Der Fundort der Leiche, den die Zeugen NG., AA. sowie der Zeuge AV. übereinstimmend so benannt haben, und die auf dem Bett gefundenen Blutspuren legen nahe, dass die Tat auch auf dem Bett stattfand. Dafür spricht auch, dass das für die Tat eingesetzte Nudelholz ausweislich der in Augenschein genommenen Fotos der Spurensicherung neben der Leiche auf der Bettdecke gefunden wurde.
274bb)
275Dass EQ. HI. während der Tat gefesselt und geknebelt wurde, folgt zur Überzeugung der Kammer aus den im Steinbruch – wie festgestellt – gefundenen Tatmitteln (siehe dazu unten). Das Aussehen des aus verschiedenen Abrissstücken bestehenden Panzerbandgeflechts lässt sich anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilder mit einer Verwendung als Knebel erklären. Dazu passt auch, dass das Klebebandgeflecht schon augenscheinlich beblutet war und die wiederum aus dem Gutachten von Dr. Q. stammende biostatische Bewertung ergeben hat, dass es sich ausschließlich um das Blut V.s handelt. Insoweit folgt aus dem Gutachten der Sachverständigen, dass anhand der 16 ausgewerteten, DAD-relevanten STR Systeme berechnet wurde, wie wahrscheinlich der erzielte Befund unter Annahme der Hypothese A ist, dass die ausschließlich bzw. dominierend nachgewiesenen DNA-Merkmale von der Geschädigten stammen, versus der Annahme der Hypothese B, dass diese DNA-Merkmale von einer unbekannten, mit der V. nicht blutsverwandten Person stammen. Demnach sind die nachgewiesenen DNA-Merkmale der jeweiligen Spur bei Zutreffen der Hypothese A über 30 Milliarden Mal wahrscheinlicher zu beobachten als bei Zutreffen der Hypothese B. Vor dem Hintergrund dieser Wahrscheinlichkeiten bestehe aus gutachterlicher Sicht, der sich die Kammer anschließt, kein berechtigter Zweifel daran, dass V. als Verursacherin der oben aufgeführten Spur anzusehen ist.
276Für die Fesselung an den Armen spricht die ebenfalls im Steinbruch aufgefundene Kapuzenjacke V.s, bei der die Ärmel mit Panzerklebeband verklebt waren, wovon die Kammer sich durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder überzeugt hat.
277Auch die am Tatort gefundenen Spuren lassen den Schluss zu, dass V. während der Tat gefesselt und geknebelt war. Dafür spricht, dass der Angeklagte das Nudelholz aus der Küche holte und V. nicht unter dem Eindruck des Messers mit dorthin genommen hat. Dies schließt die Kammer daraus, dass sich in der Küche keine Bluttropfen finden, die V. aber fortwährend aufgrund ihrer Verletzungen – wie sich im Treppenhaus und auf dem Bett zeigt und die Sachverständige Dr. LR. ausgeführt hat – verloren hat. Die Blutspuren an und in der Schublade, in der das Nudelholz nach den Bekundungen der Zeugin EL. aufbewahrt wurde, sind zwanglos dadurch zu erklären, dass der Angeklagte sie angetragen hat, als er das Nudelholz holte, nachdem er Kontakt zu der stark blutenden Wunde an der Hand seines Opfers hatte, etwas als er dessen Hände fesselte. Da es sich aber lediglich um dezente Antragungen handelt und nicht um Tropfspuren denen vergleichbar, wie sie sich auf dem Boden fanden, ist zu schlussfolgern, dass der Angeklagte die Küche allein betreten konnte, ohne dass er befürchten musste, V. könnte sich befreien oder Hilfe holen. Das wiederum ist zwanglos damit zu erklären, dass sie gefesselt war und – da sie ansonsten die Situation hätte nutzen können, laut zu schreien – auch geknebelt war. Ausgeschlossen hat die Kammer dagegen, dass V. zu diesem Zeitpunkt bewusstlos oder bereits verstorben war (siehe dazu sogleich).
278cc)
279Die Feststellungen zu den V. zugefügten Verletzungen außerhalb des Erwürgens folgen aus dem Gutachten der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. LR.. Diese hat die Leiche V.s am 10. November 2022 obduziert. Zudem hat sie den Leichenfundort in Augenschein genommen und der Kammer ihre Obduktionsergebnisse anhand von Lichtbildern nachvollziehbar erläutert. Neben den bereits dargestellten Anzeichen scharfer Gewalteinwirkung hat die Sachverständige insbesondere Verletzungen im Anal- und Vaginalbereich sowie an den Brustwarzen V.s festgestellt. So habe sie im Bereich des unnatürlich weit geöffneten Afters und an den inneren und äußeren Schamlippen umfangreiche Hämatome und Unterblutungen festgestellt. Die Schamlippen seien, insoweit hat die Kammer sich durch die in Augenschein genommen Lichtbilder selbst überzeugen können, auffällig blau verfärbt gewesen. Zudem habe sie einen Riss der rechten kleinen Schamlippe festgestellt. Diese Verletzungen seien ihrer sachverständigen Einschätzung zufolge, der sich die Kammer anschließt, klassische Folgen sexualisierter Gewalt und zwanglos mit der Beibringung durch das Nudelholz vereinbar.
280Dafür spricht nach Einschätzung der Kammer auch, dass weder in den anal und vaginal genommenen Abstrichen noch an dem Nudelholz selbst Spermaspuren, die für eine Penetration durch den Angeklagten mit seinem Penis gesprochen hätten, sicher festgestellt wurden. Insoweit ist die Kammer durch das Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. CK. über die Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchungen und deren Bedeutung beraten worden. Danach könne ihrer Auffassung nach nur anhand eines in geringer Menge festgestellten PSA Wertes an dem Nudelholz ohne gleichzeitiges Auffinden von Spermienköpfen kein sicherer Rückschluss auf das Vorliegen von Ejakulat gezogen werden. Zudem bestehe auch die Möglichkeit, dass es sich insoweit um Sperma des Freundes C. Y. der V. handelte, der nach seinen Angaben drei Tage vor der Tat ungeschützten Geschlechtsverkehr mit ihr hatte. Die Kammer hat sich nach eigener Prüfung den von Prof. Dr. CK. nachvollziehbar erläuterten Ergebnissen angeschlossen.
281Dafür, dass eine Penetration mit dem Nudelholz stattfand, spricht weiter, dass dieses an einer Griffseite deutlich beblutet war. Insoweit wird gemäß § 267 Abs. 2 S. 3 StPO wegen der Einzelheiten auf die Lichtbilder Bl. 208 oben sowie Bl. 1761 d. A. Bezug genommen. Nach der aus dem Gutachten von Dr. Q. stammenden biostatischen Bewertung steht wiederum fest, dass es sich dabei ausschließlich um das Blut V.s handelt. Demnach sind die nachgewiesenen DNA-Merkmale der jeweiligen Spur bei Zutreffen der Hypothese A – V. ist die Spurenverursacherin – über 30 Milliarden Mal wahrscheinlicher zu beobachten als bei Zutreffen der Hypothese B.
282Diese Blutspuren passen auch dazu, dass die Sachverständige Dr. LR. Einblutungen an der Vagina festgestellt hat, was wiederum sowohl durch die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder von der Auffindung der Leiche als auch durch die Lichtbilder der Leichenöffnung bestätigt worden ist, da sich dort im Vaginalbereich und der darunter befindlichen Bettdecke deutliche Blutantragungen erkennen ließen. Zudem hat die Sachverständige angegeben, dass eine besonders massive, also starke Penetration notwendig für die Herbeiführung entsprechender Wunden und Hämatome im Bereich der Vagina sei, da das Scheidengewebe seiner Art nach besonders dehnbar und robust sei.
283Als weiteres Zeichen sexueller Gewalt hat die rechtsmedizinische Sachverständige Verletzungen an den Brustwarzen V.s eingeordnet: So hätten sich an der linken Brustwarze blutsuspekte Antragungen und um diese herum angeordnet nahezu zirkuläre, schmalstreifige Vertrocknungen befunden. Innen- und außenseitig angrenzend an den Brustwarzenvorhof hätten sich eine je 1 cm durchmessende, blaulivide Hautverfärbung gezeigt. An der rechten Brustwarze sei eine bis zu 1,5 cm breite, blaulivide Hautverfärbung erkennbar gewesen, dazu mehrere schmalstreifige, oberflächliche, bräunliche Hautverfärbungen, welche sich bogenförmig um den Brustwarzenvorhof herum erstreckt hätten. Die Hämatome und Oberhautdefekte sind ihrer sachverständigen Bewertung nach wahrscheinlich als Bissspuren zu deuten.
284Dieser Einordnung der Gutachterin hat die Kammer sich nach eigener Prüfung der Befundtatsachen und der gut nachvollziehbaren Bewertung der Sachverständigen angeschlossen. Für die Einordnung als Bissspuren spricht neben dem Umstand, dass der Angeklagte sexuelle Erregung in der Zufügung von Schmerzen suchte (siehe dazu unten) und die Brustwarzen als besonders sensibel bekannt sind, auch, dass er nach der Tat im Internet dazu forschte, ob und wann bei „Bissspuren DNA“ hinterlassen wird. Da andere Bissverletzungen an V.s Leiche nicht gefunden wurden, ist naheliegend, dass der Angeklagte die Suchmaschine wegen des Beißens ihrer Brustwarzen bemühte.
285Schließlich hat die Sachverständige Dr. LR. berichtet, dass sich bei der Obduktion striemenförmige Spuren in Form von Hautunterblutungen an den unteren Extremitäten, insbesondere den innen- und streckseitigen Oberschenkeln, gezeigt hätten. Bei diesen hätte jeweils die längliche Formung bei 7-11 cm Länge und 0,5-0,9 cm Breite imponiert. Ihrer Einschätzung nach handele es sich dabei um Zeichen stumpfer Gewalteinwirkung, am ehesten Schläge mit einem langen, stockartigen Gegenstand. Eine Beibringung mit dem neben der Leiche gefundenen Nudelholz sei zwanglos vorstellbar und passe zu den Befunden. Anhand der in Augensein genommenen Lichtbilddokumentation hat die Kammer die Befundtatsachen der Sachverständigen wiederum nachvollziehen und mindestens sechs der genannten streifenförmigen Hämatome erkennen können.
286dd)
287Wenn auch die Reihenfolge der Misshandlungen nicht feststellbar war, so ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte sich für die Tatbegehung Zeit ließ und diese nicht in Eile verübte, was wiederum das Leiden V.s steigerte.
288Dafür spricht zum einen der Zeitraum von beinahe drei Stunden, den er ausweislich der Routerauswertung in der Wohnung V.s verbrachte. Zudem öffnete der Angeklagte um 6:02 Uhr, also kurz nachdem er V. überwältigt und in ihre Wohnung zurückgedrängt hatte, die SO. App. Die Kammer schließt aus, dass V. zu diesem Zeitpunkt schon verstorben war, da der Zeitraum zwischen dem Drängen in ihre Wohnung und dem Öffnen der App dafür angesichts der verschiedenen Tathandlungen, des Fesselns und Knebelns und dem allein schon mindestens zwei Minuten dauernden Würgen kaum ausgereicht hätte. Insofern schließt die Kammer aus dem Umständen, dass der Angeklagte sich derart lange am Tatort aufhielt, kurz nach Beginn dieses Zeitraums SO. öffnete und mehrere Gewalthandlungen vornahm, dass er die Tat bei Abspielen von Musik geradezu inszenierte und sich dafür Zeit ließ.
289ee)
290Die Feststellungen zum todesursächlichen Erwürgen beruhen ebenfalls auf dem rechtsmedizinischen Sachverständigengutachten Dr. UC.. Danach habe die Leichenöffnung diverse sichere Anzeichen für einen Tod durch Erwürgen ergeben, insbesondere ein massives Stauungssyndrom mit Zyanose. Mit bloßem Auge erkennbar seien die Dunsung des Gesichts und dessen Blaufärbung. Typische Anzeichen des Stauungssyndroms seien auch die diversen punkt- und kleinfleckförmigen Einblutungen im Kopf, etwa auf den Lidhäuten, den Augenbindehäuten, den Wangen, der Haut hinter den Ohren sowie den Mundvorhofschleimhäuten der Ober- und Unterlippe. An den Schlüsselbeinen zeigten sich Würgemale, zudem hätte die Leichenöffnung eine für das Würgen eines jungen Menschen typische Umblutung des rechten Schildknorpelhorns gezeigt, die wegen der noch nicht erfolgten Verknöcherung anstelle eines Bruchs des Schildknorpelhorns erfolge. Schließlich seien auch am Hals Zeichen des Würgens erkennbar, nämlich Hautunterblutungen und ein breiter Streifen punkt- sowie kleinfleckförmiger Einblutungen und Striemen. Das Fehlen einer abtrennbaren zirkulär verlaufenden Strangmarke als Zeichen eines Drosselns spreche aus ihrer Sicht für ein Stauungssyndrom als Folge des händischen Würgens. Ob dieses von hinten oder vorne, mit ein oder zwei Händen erfolgt sei, könne sie – die Sachverständige Dr. LR. – mangels eindeutiger Anzeichen wie beispielsweise Abdrücken der Fingerbeeren nicht sagen.
291Das Abdrücken der Halsweichteile mit den Händen führe zu einer Kompression, die weder die dickwandigeren Arterien noch die Luftröhre erfasse, stattdessen aber zu einer Verschließung der Venen führe. Oberhalb der Kompressionseben entstehe dadurch ein Rückstau, da die Arterien weiter Blut in den Kopf pumpen, dieses aber nicht abfließen könne. Durch die Zunahme des Blutdrucks oberhalb der Kompressionsebene platzten dann als erstes die dort vorhandenen kleinen Gefäße auf, etwa im Bereich der Augen, hinter den Ohren und den Mundschleimhäuten. In der Folge komme es zu einem Anschwellen des Gehirns und zu einer – hier ebenfalls bei der Leichenöffnung feststellbaren – Blähung der Lunge.
292Zeitlich sei aus sachverständiger Sicht wie festgestellt von einem Mindestzeitraum von zwei Minuten auszugehen, wovon mindestens eine Minute nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit des Opfers gewürgt werden müsse. Dies gelte jedoch ausdrücklich nur für Zeiträume im Falle von idealem, also einem festen und zu keiner Zeit lockernden Würgegriff. Für den Fall, dass das Würgen etwa durch Gegenwehr des Opfers oder durch Lockerlassen des Würgenden gestört werde, verlängere sich die notwendige Zeit, da die Entstehung des Stauungssyndroms durch das Abfließen von Blut hinausgezögert werde.
293k) sexuelle Motive stehen im Vordergrund
294Soweit die Kammer festgestellt hat, dass bei der Tat sexuelle Motive leitend waren, beruht dies auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
295Das mehraktige und maximal bis zu drei Stunden andauernde Tatgeschehen erhielt sein wesentliches Gepräge durch die heftige sexuelle Gewalt, die den Vorlieben des Angeklagten entspricht. So war jeder Teil des Tatablaufs aus Sicht des Angeklagten sexuell aufgeladen und diente jedenfalls auch der Erzielung eines sexuellen Lustgewinns. Das Abfangen an der Tür stellte dabei den notwendigen ersten Schritt dar für die Ausübung von Dominanz, die Unterwerfung V.s unter den Willen des Angeklagten und seine Möglichkeit, ungestört auf sie einwirken zu können. Die Dominanzausübung wurde sodann noch durch ihre Fesselung und Knebelung verstärkt, wonach sie sich ihm weder entziehen noch durch stimmliche Entäußerungen auf sich aufmerksam machen oder überhaupt auf das Geschehen Einfluss nehmen konnte.
296Die ihr dann zugefügte Gewalt durch vaginale und anale Penetrationen mit dem nach der Fesselung geholten Nudelholz sowie durch das Beißen in die Brustwarzen ist allein schon durch die ausgewählten Körperregionen eindeutig sexueller Art.
297Zur Überzeugung der Kammer gilt dies auch für das letztlich tödliche Würgen. Zwar ließ sich nicht sicher feststellen, dass der Angeklagte die Herbeiführung des Todes an sich sexuell erregend gefunden haben könnte. Das Würgen als solches und damit die für den Tod verantwortliche Behandlung seines Opfers war jedoch aus Sicht des Angeklagten eine Handlung mit Sexualbezug, die ihn erregte. Dies folgt zunächst schon aus dem Umstand, dass das Würgen zum Lustgewinn keine seltene Sexualpraxis ist. Diese wurde auch, wie V. im Juni 2022 im Chat mit dem Angeklagten berichtete, an ihr durch C. Y. praktiziert, soweit ihr Freund dazu bereit war. Dass es auch für den Angeklagten erregend war, hat dieser in dem Brief an die Zeugen S. und T. beschrieben, indem er zu seinen früheren sexuellen Erfahrungen berichtete, dass er frühere Partnerinnen würgen durfte, das Einvernehmliche aber irgendwann nicht mehr genug gewesen sei. Trotz der beschriebenen Zweifel der Kammer an der uneingeschränkten Glaubhaftigkeit dieser auch – wie ausgeführt – auf eine Entschuldigung abzielenden Äußerungen in dem Brief, lässt diese Aussage aber mindestens erkennen, dass auch für den Angeklagten dem Würgen des Intimpartners eine erregende Komponente zukommt. Dies gilt unabhängig davon, dass der Angeklagte solche Sexualpraktiken in den Intimkontakten zu den festen Freundinnen A., wie diese bekundet hat, und W. nicht probiert hatte. Bezogen auf die Intimkontakte mit W. hat die Kammer dies zu seinen Gunsten ebenso unterstellt wie die Feststellungen, dass er sie nicht in sexueller Hinsicht quälte, ihr Schmerzen zufügte oder sie demütigte. Danach bleibt es aber möglich, dass der Angeklagte das Würgen als Sexualpraxis bei späteren Intimkontakten – etwa im Kontakt zu Prostituierten – anwandte oder sie sich zumindest vorstellte. Dass er sie sexuell erregend fand, ist auch angesichts seiner auf Dominanz ausgerichteten sexuellen Vorliebe naheliegend, weil sich die als besonders eindringlich empfundene Gewalt gegen den vulnerablen Hals zur Ausübung von Macht über den Sexualpartner besonders gut eignet.
298Schließlich spricht für die besondere sexuelle Bedeutung des Würgens beim konkreten Tatgeschehen auch, dass dem Angeklagten deutlich effektivere, insbesondere schnellere Möglichkeiten zur Beseitigung der Tatzeugin zur Verfügung gestanden hätten, etwa das Bowiemesser, wäre es ihm nur darum und nicht um das Würgen an sich gegangen. Dass er dieses jedoch nicht erneut einsetzte, sondern V. auf die deutlich zeit- und kraftintensivere Art und Weise tötete, spricht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nochmals für den Sexualbezug des Würgens.
299Des Weiteren wird die grundlegende sexuelle Ausrichtung der Tat auch deutlich durch das Entkleiden V.s. Im Oberkörperbereich führte der Angeklagte ihre damit verbundene Entblößung dadurch herbei, dass er ihr T-Shirt vorn aufriss und ihren BH abriss, was auch für sich genommen eine weitere Dominanz- und Gewalthandlung mit Sexualbezug darstellte. Dies hat die Inaugenscheinnahme der bei der Auffindung des Leichnams nach den Angaben der Notärztin Dr. NE. noch hochgeschoben am Oberkörper befindlichen Kleidungsstücke ergeben. So war die vom Halsausschnitt bis zum unteren Ende des Shirts führende Naht vollständig und unter Hinterlassung der durchgerissenen Nahtfäden aufgetrennt und die Verschlussösen des lachsfarbenen BHs so stark verformt und teils aus dem Stoff gerissen, dass er sich in diesem Zustand nicht mehr schließen ließe.
300Die Kammer vermochte auch auszuschließen, dass die sexualisierte Gewalt ungeplant und erst bei Gelegenheit der Tat passiert sein könnte. Nach dem Vorgenannten spricht dafür schon wenig und im Übrigen hätte es dann nahegelegen, dass der Angeklagte, der mit den Videobotschaften und dem Brief offensichtlich eine Entschuldigung bzw. eine Erklärung für sein Handeln liefern wollte, in diesen auch Entsprechendes erklärt hätte. Er erklärte aber an keiner Stelle, dass es erst im Verlauf der Tat „ausgeartet“ sei oder er eigentlich etwas Anderes im Sinn gehabt habe. Stattdessen erklärte er seinem Freund, dem Zeugen T., am 00. November 0000 am Telefon, er habe „das“ schon länger gewollt. Aus dem Kontext habe sich für ihn, den Zeugen, zweifelsfrei ergeben, dass damit die Tat gemeint sei. Denn zuvor sei es in dem Gespräch um die Flucht und den Grund dafür gegangen, den der Zeuge T. mit den Worten, „du hast Scheiße gebaut“ umschrieben hatte. Zur Tat sei dem Zeugen damals bekannt gewesen, dass es sich um ein Sexualdelikt mit Mord gehandelt habe. Dies sei vom Angeklagten am Telefon nicht weiter konkretisiert worden, aber für ihn – den Zeugen T. – habe das auch nicht in Frage gestanden. Dass der Angeklagte selbst die Tat auch als Sexualdelikt sah, ergibt sich im Übrigen aus dem wenige Tage später verfassten Brief an die Zeugen T. und S., in dem er die sexuelle Tatseite deutlich hervorhebt.
301Aufgrund der durch die Tat gesuchten sexuellen Befriedigung ist die Kammer auch zu der Überzeugung gelangt, dass die Misshandlungen V.s vor dem Erwürgen stattfanden. Insoweit hat die Kammer das durch die vom Angeklagten angesehenen Pornoseiten – HA.com im Juni 2022 und F. bzw. AJ.com in der Tatnacht – erkennbare sexuelle Interesse an Fesselungen, sadistischen Praktiken und Dominanz berücksichtigt und zudem auch seine Äußerung in dem Brief an die Zeugen S. und T., dass V. starke Angst empfunden haben müsse, ihm die Tat aber gefallen habe. Die sich daraus ergebende Erregung durch das Leid des Opfers setzt denknotwendig voraus, dass die Schmerzen, die Unterlegenheit und das Ausgeliefertsein von diesem auch wahrgenommen werden. Die Kammer hat daraus den Rückschluss gezogen, dass der Angeklagte IE. bewusst zunächst quälte und ihr erst am Ende die todbringende Gewalt gegen den Hals antat.
302Das Leid V.s wiederum wurde wie festgestellt neben den physischen Schmerzen noch durch das von ihr als sicher vorausgesehene tödliche Ende verstärkt. Insoweit war maßgeblich für die Kammer, dass V. dem Angeklagten ein großes Gewaltpotenzial zutraute (s.o.). Zudem hatte er sich ausweislich der Angaben der Zeugin EY. seinen Kolleginnen gegenüber in der Vergangenheit bereits als potentiellen Mörder dargestellt, als er äußerte, vielleicht habe die Krebserkrankung was Gutes, sonst hätte er noch als Massenmörder im Knast geendet. Die von ihr weiter für möglich gehaltene tödliche Krebserkrankung des Angeklagten trug ohnehin zu seiner Unberechenbarkeit in dem Sinne bei, dass er möglicherweise nichts mehr zu verlieren hatte.
303Maßgeblich für die Feststellung, dass V. durch das Auftreten des Angeklagten in Todesangst geriet, sind jedoch die Gründe, die die Kammer für die Tötungsabsicht des Angeklagten herangezogen hat: Ihr war aufgrund der Massivität seines Vorgehens mit dem gewaltsamen Zurückdrängen in ihre Wohnung unter Einsatz eines Messers und der dann erfolgten Fesselung klar, dass der Angeklagte „ernst“ machte. Da sie ihn identifizieren konnte, war ihr auch klar, dass sie als Zeugin zur Verhinderung einer langen Freiheitsstrafe aus wem Weg geschafft werden musste. Anhaltspunkte dafür, dass sie dies nicht hätte erkennen können sind ebenso wenig bekannt geworden wie Gründe, aus denen der Angeklagte diese Absicht verheimlicht haben könnte. Im Gegenteil war die Panik, in die V. nachvollziehbarer Weise geriet, aufgrund der bereits genannten Umstände besonders erregend für ihn.
304l) Abpressen der PIN
305Soweit die Kammer neben der sexuell motivierten Tatseite auch festgestellt hat, dass der Angeklagte seinem Tatplan entsprechend den Besitz an V.s EC-Karte sowie ihren PIN-Code erlangen wollte, beruht dies auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
306Die erheblichen und zuletzt immer drängender gewordenen Geldnöte des Angeklagten stellen bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände einen nicht nur unerheblichen Tatantrieb dar. So wusste der Angeklagte aus den oben bereits dargestellten Gründen, dass er nicht mehr in der Lage sein würde, seine Verbindlichkeiten zu bedienen. Einen Plan, die von der X. Krankenkasse erhobene Forderung im fünfstelligen Bereich zu begleichen, hatte er noch nicht einmal im Ansatz und es stand zu befürchten, dass seine Eltern, etwa durch Gerichts- oder Gerichtsvollzieherschreiben in Kürze von den Schulden, dem aufgenommen Darlehen und damit dem Ausbildungsabbruch erfahren würden.
307Dass der Angeklagte von Anbeginn der Tat auch vorhatte, sich durch diese zu bereichern, folgt aus einer Gesamtbewertung der Umstände. Neben dem Tatanreiz durch die finanzielle Notlage spricht wiederum der Umstand, dass der Angeklagte in keiner seiner Botschaften die Tat betreffend diese oder Teile davon damit zu entschuldigen versuchte, dass sich irgendetwas anders entwickelt habe, als von ihm gewollt. Dabei musste er davon ausgehen, dass die Geldabhebung, die nur mittels Karte und PIN von Statten gegangen sein konnte, den Adressaten seiner Nachrichten bereits bekannt sein konnte. Gleichwohl führte er dazu nichts aus, sondern schrieb sich das Gesamtgeschehen zu.
308Weiter ist für die Bewertung der Kammer, dass es sich um ein geplantes Element der Tat handelte, von Bedeutung, dass keinerlei Anhaltspunkte für einen spontanen Tatentschluss sprechen. Insoweit wäre zu erwarten gewesen, dass der Angeklagte die Wohnung V.s nach einem Hinweis auf ihre PIN hätte durchsuchen müssen, wenn er erst nach der Tötung V.s den Entschluss gefasst hätte, sich mit ihrer EC-Karte zu bereichern. Es sprechen allerdings keine am Tatort aufgefundenen Spuren dafür, dass der Angeklagte die Papiere V.s durchsucht haben könnte. Aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom Schlafzimmer V.s, in dem auch ein kleiner Tisch mit Papierablage stand, in der sie offensichtlich ihre Unterlagen aufbewahrte, folgt, dass dieser nicht durchsucht wurde. Zwar ist das Schlafzimmer in einem unaufgeräumt chaotischen Zustand, der allerdings vor allem durch die auf dem Boden liegenden Wäscheberge entsteht. Auf dem Tisch mit den Unterlagen und in den dazugehörigen Fächern ist diese Unordnung nicht festzustellen. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 193 und Bl. 240 d. A. Bezug genommen. Auch die übrigen Räume der Wohnung wirken ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder davon nicht durchsucht.
309Das zügige Aufsuchen des Geldautomaten nach der Tat (sieh dazu unten) spricht jedenfalls auch indiziell dafür, dass der Angeklagte nicht erst spontan auf die Idee kam, die Tat zur Bereicherung auszunutzen.
310Weil im Übrigen auch gar nicht klar gewesen sein kann, ob V. ein Dokument, aus dem sich ihre PIN ergibt, in ihrem Besitz hatte, musste der Angeklagte davon ausgehen, dass der bloße Besitz ihrer EC-Karte für ihn wertlos sein könnte. Es liegt daher nahe, dass er sich über die Erlangung ihrer PIN Gedanken gemacht hatte, bevor er zur Tat schritt.
311Ausschließen kann die Kammer dagegen, dass er V.s PIN kannte. Aus den oben bereits dargestellten Vernehmungen der Nebenklägerin und der Zeugin TV. folgt, dass V. ihre PIN mit niemandem teilte und sich auch grundsätzlich gegen ungewolltes Beobachten bei der Eingabe schützte. Eine Mitnahme der PIN im Portemonnaie haben beide Zeuginnen ebenfalls ausgeschlossen. Im Übrigen hätte der Angeklagte sich, sollte er die PIN trotz der oben genannten Erwägungen gekannt haben, diese auch über einen langen Zeitraum merken müssen, noch bevor er den Tatentschluss gefasst hatte. Denn sicher ausgeschlossen werden kann, dass er sie in den letzten fünf Monaten vor der Tat erfahren haben kann, da die beiden sich seit Mitte Juni 2022 nicht mehr gesehen hatten und es folglich auch keine Gelegenheiten gab, bei denen der Angeklagte die PIN in Erfahrung hätte bringen können.
312m) Tötungsabsicht
313Aus den vorgenannten Gründen, die für eine am Ende der Tat beabsichtigte Tötung sprechen, sowie den bereits dargestellten Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. LR. schließt die Kammer, dass der Angeklagte mit Tötungsabsicht würgte. Denn insoweit ist jedem Menschen klar, dass heftige komprimierende Gewalt gegen den Hals eine tödliche Wirkung entfalten kann. Wenn diese, wie vorliegend sicher geschehen, für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum von mindestens einer Minute über den Zeitpunkt des Eintritts der Bewusstlosigkeit hinaus mit massiver Kraft fortgeführt wird, lässt dies nach Wertung der Kammer den Schluss zu, dass mit dem Würgen der Tod herbeigeführt werden sollte. Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten dies allgemein oder in der konkreten Situation nicht bewusst gewesen sein könnte, liegen nicht vor.
314n) Geldabhebung
315Die Feststellungen betreffend das Abheben des Geldes vom Konto der V. beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
316Aus der oben bereits beschriebenen Auswertung des Routerprotokolls, über die der Zeuge RBr GQ. der Kammer Erkenntnisse vermittelt hat, ergibt sich, dass der Angeklagte die Wohnung V.s etwa zwischen 8:39 Uhr, als sich das Handy V.s aus dem Router ausloggte, und 08:45 Uhr, als sich sein Handy ausloggte, verließ. Die Kammer geht dabei davon aus, dass das tatsächliche Entfernen aus der Wohnung eher in dem frühen Bereich des Zeitkorridors lag, was aus einem Abgleich mit den zur Abhebung des Geldes erlangten Erkenntnissen folgt. Aus den Bekundungen des Zeugen KK GK. sowie den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Überwachungskamera am Geldautomaten ergibt sich nämlich, dass der Angeklagte an diesem um 08:46 Uhr die Abhebung von 1.000 € unter Eingabe der PIN vollzog. Der Sparkassenautomat an der Dreibrückenstraße liegt in etwa 500 m Entfernung zum Tatort am H.-straße 1, wofür zu Fuß ein Zeitraum von etwa fünf Minuten einzuplanen wäre und mit dem Auto etwa zwei Minuten.
317Zwar ist der Angeklagte gesichtsmäßig auf den Lichtbildern der Überwachungskamera nicht zu erkennen. Die Person, welche einzig für die Abhebung in Betracht kommt, entspricht aber der Größe und der Statur nach dem Angeklagten. Zwar ist die Person – wie schon oben ausgeführt – anders gekleidet, als es dem Stil des Angeklagten entsprach. Der Grund hierfür lag aber – wie ebenfalls schon ausgeführt – in der vom Angeklagten erstrebten Vermeidung seiner Identifizierung als Täter. Der Zeuge T. hat zudem angegeben, dass der Angeklagte sich eine Mütze in der Art, wie sie die abgebildete Person trägt, in einem TN.-urlaub gekauft habe. Diese Angabe des Zeugen wird bestätigt durch ein in Augenschein genommenes Lichtbild von der Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten, auf der die Mütze zu sehen ist. Zudem wisse er – so der Zeuge – von einem Mantel, den der Angeklagte besessen habe und der so aussehen könnte, wie der auf dem Lichtbild zu sehende Mantel. Da der Angeklagte nach der Tat über die Kontokarte der Geschädigten verfügte, wie sich schon daraus ergibt, dass sie bei seiner Festnahme nach den Bekundungen des KHK JI. in seinem Auto gefunden worden ist, kommt für die Barabhebung ohnehin nur er in Betracht.
318o) Entsorgung von Gegenständen im Steinbruch
319Dass der Angeklagte die Sweatshirtjacke der Geschädigten mit den Panzerbandabschnitten an den Ärmelenden, den aus Panzerband geformten Knebel, die Geldbörse der Geschädigten und ihr eingeschaltet gebliebenes Handy zeitnah mit Steinbruch CM. in K. entsorgte, ergibt sich zunächst aus dem Bericht des KK DW. vom 11.11.2022, wonach die Gegenstände dort schon am 10.11.2022 wie festgestellt gefunden worden waren.
320Dass es sich dabei um das bei der Tat verwandte Panzerklebeband handelte, steht bereits aufgrund des daran nach den obigen Ausführungen befindlichen Bluts der V. fest (siehe oben II. 2. i) bb)).
321Dass es sich bei der Damengeldbörse der Marke Guess und der Sweatjacke um Gegenstände der V. handelte, ergibt sich wiederum aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Q.. Nach der dort vorgenommenen biostatischen Bewertung sind die von der Geldbörse innen und außen genommenen Griffspuren sowie vom Nackenbereich der Jacke genommenen Tragespuren ausschließlich oder dominierend V. zuzuordnen. Aus dem Gutachten der Sachverständigen folgt insoweit, dass anhand der 16 ausgewerteten, DAD-relevanten STR Systeme berechnet wurde, wie wahrscheinlich der erzielte Befund unter Annahme der Hypothese A ist, dass die ausschließlich bzw. dominierend nachgewiesenen DNA-Merkmale von der Geschädigten stammen, versus der Annahme der Hypothese B, dass diese DNA-Merkmale von einer unbekannten, mit der V. nicht blutsverwandten Person stammen. Demnach sind die nachgewiesenen DNA-Merkmale der jeweiligen Spuren bei Zutreffen der Hypothese A über 30 Milliarden Mal wahrscheinlicher zu beobachten als bei Zutreffen der Hypothese B. Vor dem Hintergrund dieser Wahrscheinlichkeiten bestehe aus gutachterlicher Sicht kein berechtigter Zweifel daran, dass V. als Verursacherin der oben aufgeführten Spuren anzusehen ist. Die Kammer hat sich dieser Beurteilung nach eigener Prüfung angeschlossen.
322Davon, dass der Angeklagte die Gegenstände zeitnah nach der Tat dort entsorgt hatte, geht die Kammer aus, weil er – wie schon ausgeführt – auf Spurenbeseitigung bedacht war, was zusätzlich durch die Mitnahme dieser zur Tat verwandten Gegenstände aus der Wohnung V.s und deren Entsorgung belegt wird. Daran, die Gegenstände länger bei sich zu behalten, kann der Angeklagte deswegen kein Interesse gehabt haben.
323Dass dem Angeklagten der Steinbruch und die dortige Aussichtsplattform bekannt waren, ergibt sich aus den Bekundungen der Zeugin DI. VB., die glaubhaft angegeben hat, mit dem Angeklagten auf einer Party im April 2022 über den dortigen Jugendtreffpunkt gesprochen zu haben.
324p) Nachtatgeschehen
325Die für den Zeitraum bis zur Überstellung des Angeklagten aus der spanischen Auslieferungshaft nach Deutschland und der hier erfolgten Festnahme getroffenen Feststellungen beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
326KOK RG. hat der Kammer die aus der Handyauswertung des Angeklagten folgenden Erkenntnisse wie festgestellt vermittelt. Insbesondere die Suchanfragen ergeben sich dabei direkt aus dem Handy, welches die spanischen Polizeibeamten bei seiner Festnahme bei dem Angeklagten sichergestellt haben, wie auch der Zeuge KHK JI., der an der Überstellung des Angeklagten von GD. nach Deutschland beteiligt war, der Kammer vermittelt hat.
327Die Zeugen S. und T. und haben der Kammer wie festgestellt berichtet, dass sie den Angeklagten am 0. November 0000 sowie – der Zeuge T. – auch am 10. November 2022 getroffen hätten. Die Zeugin EY. hat bekundet, dem Angeklagten am Abend des 0. November 0000 den Tod der V. mitgeteilt zu haben.
328Aus der Vernehmung des Zeugen T. folgt zudem wie festgestellt und im Übrigen oben bereits dargelegt der Inhalt des Telefonats am 00. November 0000.
329Die vom Angeklagten aufgenommenen Videobotschaften an seine Eltern und die Zeugin OT. hat die Kammer durch Abspielen in Augenschein genommen. Die Zeitpunkte der Übersendung an die Empfänger folgt wie festgestellt aus den Bekundungen des Zeugen KHK RG., der – wie ausgeführt – das Handy des Angeklagten ausgewertet hat.
330Der an die Zeugen S. und T. adressierte Brief ist im Selbstleseverfahren eingeführt worden. Soweit durch Lochungen in der Kopie Teile nicht lesbar waren, ist der Brief im Original in Augenschein genommen und die entsprechende Textpassage durch Verlesung eingeführt worden.
331Die Umstände der Festnahme des Angeklagten am 15.11.2022 auf einer Autobahn in der Nähe LE. beruhen auf den Angaben des Leiters der Mordkommission KHK JI., der diese wie festgestellt, ihm wiederum mitgeteilt durch Kollegen der spanischen Polizei, beschrieben hat. Bei der Festnahme im Auto seien die EC-Karte V.s, das anhand der molekulargenetischen Untersuchung als Tatmesser zu bewertende Bowie-Messer sowie zwei Rollen Panzerklebeband sichergestellt worden, die sodann an die deutsche Polizei übergeben worden seien. Die Überstellung des Angeklagten nach Deutschland sei am Abend des 00.00.0000 erfolgt.
332q) Angeklagter war der Täter
333Die Täterschaft des Angeklagten folgt aus einer Gesamtabwägung der in der Hauptverhandlung gewonnen Ergebnisse:
334Folgende für die Täterschaft des Angeklagten sprechenden Umstände, wurden oben bereits beweiswürdigend dargestellt: Der Fund von V.s EC-Karte im vom Angeklagten zur Flucht benutzten Auto, ebenso das Tatmesser mit Blutantragungen V.s in seinem Auto, die in den Videobotschaften und in dem Brief enthaltenen Geständnisse, das Einräumen der Tat gegenüber dem Zeugen T. am Telefon, die Begriffe, die der Angeklagte nach der Tat mit dem Browser seines Handys suchte, das Anlegen eines Ordners mit zwei Fotos V.s unter Verwendung eines sie beleidigenden Namens sowie des Einloggen seines Handys in den WLAN Router V.s zur Tatzeit. Es besteht bereits danach kein Zweifel, dass der Angeklagte V. getötet hat. Die von ihm in den Videobotschaften und in dem Brief formulierten Geständnisse sind eindeutig auf das Geschehen zum Nachteil V.s bezogen. Seine Ausführungen zu seinen bösen Träumen und Gedanken spielen erkennbar auf die brutalen Tatumstände an und werden ergänzt durch die Tatsache, dass er sich durch Flucht nach GD. der Strafverfolgung entziehen und angeblich sogar Selbstmord begehen wollte.
335Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Befunde des molekulargenetischen Gutachtens von Prof. Dr. CK.. Danach sei an einem aus dem Mundraum V.s entnommenen Abstrich sowohl eine eindeutig ihr zuzuordnende DNA-Spur detektiert worden. Die durchgeführte DNA-Quantifizierung habe aber daneben auch eine geringe Menge spezifisch männlicher DNA-Anteile nachgewiesen. In der Analyse Y-chromosomaler DNA-Merkmale wurde ein Y-DNA-Profil dargestellt, das durchgehend mit dem DNA-Profil des Angeklagten übereinstimme. Demnach komme er oder eine in männlicher Linie mit ihm verwandte Person als Verursacher der Spur in Betracht. Bei einer Wahrscheinlichkeitsbewertung ergebe sich aus den Befunden, dass diese unter der Hypothese, die Spur stamme vom Angeklagten oder einer mit ihm in direkter väterlicher Linie verwandten männlichen Person, 814.603 mal wahrscheinlicher sei, als dass sie nicht von ihm oder einer mit ihm in väterlicher Linie verwandten Person stamme.
336Zudem ist für eine Mischspur auf der Stirn V.s der Angeklagte sicher als Spurenleger der nicht dominierenden Spur zu beurteilen. Ausweislich des Gutachtens des LKA ND. von Dr. Q. wurde bei einem an der Stirn V.s entnommenen Abrieb eine Spur festgestellt, die vollständig mit den DNA-Merkmalen von V. und dem Angeklagten erklärt werden können. Untersucht worden seien die DNA-Merkmale der 16 DAD-relevanten STR-Systeme. Die Hypothese, dass Urheber der Mischspur V. und der Angeklagte seien, sei 30 Milliarden Mal wahrscheinlicher als dass neben V. eine andere Person Spurenverursacher sei.
337r) Schuldfähigkeit
338Die Feststellungen betreffend die voll erhaltene Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
339Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. KT. hat ausgeführt, dass wegen des Schweigens des Angeklagten und dessen in der Vergangenheit häufig nicht der Wahrheit entsprechenden Angaben lediglich mit einer Ausschlussdiagnostik gearbeitet werde könne. Weil keine Auffälligkeiten oder Veränderungen im Persönlichkeitsbild des Angeklagten berichtet worden seien, sei eine schizophrene oder manisch-depressive Episode zur Tatzeit auszuschließen. Das gelte auch für hirnorganische Beeinträchtigungen, da es dafür an Auslösern und entsprechenden Symptomen fehle. Hinweise auf eine Intoxikation zur Tatzeit fehlten ebenfalls. Insoweit sei auch der Brief an die Zeugen S. und T. eine verlässliche Quelle, da der Angeklagte dort ja eine in gewisser Weise rauschhafte Tat beschreibe, dies allerdings mit keinem Wort in Richtung eines Substanzkonsums begründe, sondern mit der Erfüllung seiner bösen Gedanken und Träume.
340Des Weiteren hätten sich auch keine Anhaltspunkte für eine impulsiv begangene Tat ergeben, was sich mit dem Eindruck der Kammer deckt, dass es sich um eine geplante Tat handelte. Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung sei ohnehin bei dem mehraktigen Geschehen über einen nicht unerheblich langen Zeitraum fernliegend.
341Eine forensisch relevante Intelligenzminderung sei ebenfalls auszuschließen, da der Angeklagte mindestens einen Realschulabschluss der mittleren Reife erlangt habe.
342Auszuschließen sei auch eine der schweren anderen seelischen Störung zuzuordnende Störung in der Gesamtpersönlichkeit und/oder in seiner Sexualität. Hinsichtlich seiner Persönlichkeit imponiere eine offensichtliche Tendenz, gegenüber Freunden und Arbeitskolleginnen, aber auch gegenüber seinen Eltern, unwahre Geschichten über sich zu erzählen, über angebliche Studienabschlüsse, angebliche partnerschaftliche Beziehungen und sexuelle Kontakte, angebliche dramatische kriminelle Aktionen und zuletzt eine angebliche unheilbare Erkrankung. Gemeinsam sei diesen Geschichten, dass sie entweder seine Besonderheit betonen, sei es als besonders kriminell oder besonders krank, oder dass ihm in den Geschichten das gelingt, was er in der Realität wahrscheinlich gerne gehabt hätte, was für ihn aber nicht erreichbar war, beispielsweise die vielen „one-night-stands“, die von ihm gegenüber dem Zeugen T. erfundene intime Beziehung zu der Zeugin OT. oder die von ihm gegenüber dem Zeugen S. erfundene intime Beziehung zu V.. Psychodynamisch legten solche Darstellungen den Rückschluss auf ein sehr fragiles Selbstwertgefühl nahe, das der Angeklagte durch diese Darstellungen zumindest nach außen hin nicht hat deutlich werden lassen wollen. Insofern weist seine Persönlichkeit offensichtlich auch narzisstische Züge auf. Dazu komme eine in der Hauptverhandlung erkennbar gewordene emotionale Unbewegtheit und eine in dem Tatgeschehen deutlich werdende Empathielosigkeit.
343Ein Hinweis darauf, dass der Angeklagte eine ausgeprägte sexuell-sadistische Orientierung hat, finde sich zwar in dem Tatgeschehen, ansonsten in seiner Biographie aber nicht. Dass der Angeklagte bei der Tat ein hohes Maß an aggressiver Wut auf V. ausgelebt habe, wird u.a. an den Zeichen der stumpfen Gewaltausübung auch im Bereich der Beine deutlich, aber vor allem an der Massivität des Einführens eines Gegenstandes in die Scheide und den After. Dabei erscheine es eher unwahrscheinlich, dass diese Penetration mit einem Gegenstand allein einem Ausagieren seiner Wut entsprochen haben könnte. Aus seiner forensischen Erfahrung gelte eine solche gewaltsame Penetration mit Gegenständen als deutlicher Hinweis auf eine sadistische Komponente, diente also einer Steigerung der sexuellen Erregung, wofür auch die Befunde an den Brustwarzen sprechen würden.
344Eine progrediente sexuelle Fehlentwicklung, bei der die Sexualstruktur weitestgehend durch die paraphile Neigung bestimmt sei, bei der es keine anderen Formen sexueller Befriedigung mehr gebe und bei der der Betroffene überflutet wird von dranghaften paraphilen Impulsen, die zur Umsetzung auf die Verhaltensebene drängen, habe beim Angeklagten jedoch offensichtlich zumindest bislang nicht vorgelegen. Dagegen spreche alleine schon das auf seinem Handy vorhandene Pornomaterial, das – insofern entspricht dies auch der Bewertung der Kammer, die KOK RG. zum Inhalt der wenigen pornografischen Bilder und zwei Videos befragt hat – keinen Bezug hatte zu sadistischen Sexualpraktiken.
345Auch lasse sich eine solche ausgeprägte sexuell-sadistische Orientierung nicht dem Brief an die Zeugen S. und T. entnehmen. Auch BDSM, die vom Angeklagten als von ihm präferiert bezeichnete Sexualpraxis, sei als eine Möglichkeit der gemeinsamen Sexualität etwas ganz anderes als ein zunehmender und als nicht mehr kontrollierbar erlebter Drang zu sadistischen Handlungen i.S. einer sexuellen Perversion. Zum Wesen einer solchen Perversion gehöre es, dass die sexuelle Handlung an sich im Zentrum des Erlebens steht und völlig unabhängig ist von dem jeweiligen Sexualpartner. Insofern widerspreche die Beschreibung des Angeklagten in den Videos und dem Brief, sein Drang sei immer stärker geworden, wenn ihm eine Frau nahe gestanden habe, dem Bild einer tatsächlichen sadistischen Perversion.
346Ferner widerspricht seine Darstellung, er habe den Bruch mit V. bewusst herbeiführen wollen, seinen nachfolgenden Bestrebungen, den Kontakt wieder aufleben zu lassen. Und wenn seine aggressiv-sadistischen Impulse immer stärker geworden wären, je näher er einer Frau emotional gekommen war, dann hätten die Impulse gegenüber V. ja in den Hintergrund treten müssen, nachdem diese sich deutlich von ihm distanziert gehabt habe. Tatsächlich dürfte es nach seiner gutachterlichen Einschätzung diese zunehmende Distanzierung gewesen sein, die ihn schon am 00. September 0000 zu der Beleidigungsnachricht an V. veranlasst habe, die ja bereits einen massiv sexuell-aggressiven Charakter hat und die im Nachhinein als eine Art verbaler Vorläufer dessen erscheint, was er dann am 0. November 0000 in die Tat umgesetzt habe.
347Insofern erscheine der Brief an seine Freunde und weite Teile seines Inhalts eher als ein Versuch, sich selbst als Opfer eines unbezwingbaren inneren Drangs darzustellen, und nicht wie ein erlebnisbasiertes Geständnis unkontrollierbar sexuell-sadistischen Erlebens und Verlangens. Für Letzteres spreche auch, dass er mit der Beschreibung seines nächsten Opfers – einer hübschen Sozialtherapeutin mit einem einsamen Büro und schlecht erreichbarem Notfallknopf – eher nicht ein tatsächliches Geschehen beschreibe, sondern sich offenbar einer Szene aus dem Film „Das Schweigen der Lämmer“ bediene.
348Die Kammer hat sich den Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Prüfung und kritischer Würdigung der Anknüpfungstatsachen und der Wertungen angeschlossen.
349IV.
350Den getroffenen Feststellungen entsprechend war der Angeklagte wegen Mordes zu verurteilen. Durch die Tat wurden die Mordmerkmale zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, heimtückisch und grausam verwirklicht. Die ebenfalls angeklagten Mordmerkmale der Verdeckungs- und Ermöglichungsabsicht sowie der Habgier ließen sich wegen ihrer fehlenden Dominanz für den Tatentschluss und bei der Tatausführung nicht feststellen. Für die Verdeckungsabsicht mangelt es darüber hinaus auch an einer zu verdeckenden Vortat, da der Angeklagte für das gesamte Tatgeschehen eine bereits vorher gefasste Tötungsabsicht aufwies.
351Im Einzelnen:
3521. Verdeckungsabsicht
353Nach gefestigter Rechtsprechung liegt schon keine zu verdeckende „Vortat“ vor, wenn der Täter schon bei der möglicherweise zu verdeckenden Tat mit Tötungsvorsatz handelte, da es dann an der notwendigen Zäsur zwischen Vor- und Nachtat fehlt (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - 5 StR 432/00).
354Anders wäre die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn zwischen einer (erfolglosen) Tötungshandlung und der erneuten mit Verdeckungsabsicht vorgenommenen zweiten Tötungshandlung eine deutliche zeitliche Zäsur liegt. Fasst der Täter dann den Entschluss, das (zumindest aus seiner Sicht zunächst überlebende) Opfer auch deshalb zu töten, um die Aufdeckung des versuchten Tötungsdelikts zu verhindern, ist das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass das zwar mehraktige Geschehen auch eine zeitlich abgrenzbar in mehrere mit Tötungsabsicht vorgenommene Handlungen unterteilt werden kann, liegen nicht vor.
3552. Ermöglichungsabsicht und aus Habgier
356Vorliegend war nicht feststellbar, dass der Angeklagte gerade zur Ermöglichung einer anderen Straftat handelte. Handelt der Täter aus einem Motivbündel, muss eine Gesamtbetrachtung der Motive ergeben, dass das Gewinnstreben oder die Absicht eine andere Straftat zu ermöglichen bei der Tatbegehung bewusstseinsdominant war (BGH, Beschluss vom 18. März 2020 − 4 StR 487/19). Dies war wegen des von der Kammer angenommenen maßgeblich der sexuellen Erregung dienenden Tatgeschehens nicht anzunehmen.
357Dazu ist die Kammer auch davon ausgegangen, dass für den Angeklagten finanzielle Dinge nicht so sehr im Fokus seiner Aufmerksamkeit stehen. Dafür spricht, dass durch die Beweisaufnahme keine – falschen – Geschichten des ansonsten sehr manipulativ und der Wahrheit zuwider sich selbst erhebenden Angeklagten bekannt geworden sind, bei denen das Thema Geld, Wohlstand oder Verdienste im Vordergrund gestanden hätten. Ebenfalls gegen ein bewusstseinsdominantes Streben nach Bereicherung spricht, dass der Angeklagte die ihm zur alleinigen Verfügung stehende EC-Karte V.s nur ein einziges Mal einsetzte.
3583. zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
359Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes tötet, wer das Töten unmittelbar oder zumindest mittelbar zur eigenen geschlechtlichen Befriedigung nutzt. Gemeint ist der Fall, in dem der Täter beim Entschluss zur Tötung und bei der Tötungshandlung von sexuellen Motiven geleitet wird (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2001 - 4 StR 52/01). Dies war vorliegend bezogen auf das zur Tötung der V. eingesetzte Würgen der Fall. Es genügt bereits ein motivationaler Zusammenhang zwischen Tötung und sexueller Befriedigung, wohingegen ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang nicht vorausgesetzt wird (BGH, Urteil vom 22. April 2005 - 2 StR 310/04). Das Gesetz sieht stattdessen die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs als besonders verwerflich an, weil der Täter das Leben eines Menschen der Befriedigung seiner Geschlechtslust unterordnet, wobei es unerheblich ist, ob und wann diese Befriedigung erlangt wird.
3604. heimtückisch
361Heimtückisch tötet, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers zur Tatbegehung ausnutzt und dabei in feindlicher Willensrichtung handelt.
362In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer von langer Hand geplanten und vorbereiteten Tat das heimtückische Vorgehen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB auch in Vorkehrungen liegen kann, die der Täter ergreift, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen, sofern diese bei der Ausführung der Tat noch fortwirken. Wird das Tatopfer in einen Hinterhalt gelockt oder ihm eine Falle gestellt, kommt es daher nicht mehr darauf an, ob es zu Beginn der späteren Tötungshandlung noch arglos war. Infolge seiner Arglosigkeit wehrlos ist auch derjenige, der in seinen Abwehrmöglichkeiten fortdauernd so erheblich eingeschränkt ist, dass er – wie hier V. – dem Täter nichts Wirkungsvolles mehr entgegenzusetzen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2021 - 3 StR 316/20).
3635. grausam
364Der Angeklagte hat V. auch auf grausame Weise getötet. Das ist immer dann der Fall, wenn der Täter dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt.
365Der objektive Teil des Mordmerkmals verlangt danach die Zufügung besonders starker Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Grundsätzlich erforderlich ist dabei, dass die als grausam zu bewertenden Umstände Bestandteile des Tatgeschehens sind, das die Tötung bewirkt. Ausnahmsweise können aber auch Umstände, die vor dem Beginn der tatbestandsmäßigen Tötungshandlung liegen, „vorbereitende Quälereien“, dann zur grausamen Tötung führen, wenn der Täter dabei bereits mit Tötungsvorsatz handelt (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2007 - 3 StR 180/07). In diesen Fällen „protrahierter Tötung“ bildet die Tötung den Schlusspunkt einer von vornherein beabsichtigten gewaltvollen und auf Zufügung von Schmerzen gerichteten Entwicklung.
366Dies ist hier der Fall. Wie oben dargelegt, ging es dem Angeklagten darum, seine sexuellen Wünsche, die auf die Zufügung von erheblichen körperlichen Schmerzen gerichtet waren, an V. auszuleben. Um sie als Zeugin auszuschalten und in dem Versuch, sich damit der Strafverfolgung zu entziehen, hatte der Angeklagte schon vor Beginn des Angriffs und der ersten Misshandlungen beschlossen, V. an deren Ende zu töten. Die durchgängig vorhandene gefühllose Gesinnung des Angeklagten verschmilzt hierbei die Körperverletzungen mit der am Ende erfolgten Tötung zu einer Wertungseinheit und bewirkt eine über die Tötung deutlich hinausgehende Leidzufügung gegenüber seinem Opfer, die eine Qualifikation des Tötungsverbrechens auch deshalb rechtfertigt, weil eine Unrechtssteigerung durch die besonders schweren Qualen des Opfers erfolgt.
367Insoweit sind auch nicht lediglich die schweren körperlichen Schmerzen V.s insbesondere bei der heftigen Penetration mit dem Nudelholz, sondern jedenfalls zusammen mit ihrer Todesangst geeignet, das Mordmerkmal zu begründen. Nach herrschender Auffassung unterfällt nicht nur die Zufügung körperlicher, sondern auch das Bewirken starker seelischer Leiden, wozu die Todesangst gehört, dem Mordmerkmal der grausamen Tötung (BGH, Beschluss vom 8. November 2016 − 5 StR 390/16). Einschlägig sind namentlich Sachverhalte, in denen das Opfer in Kenntnis seines Schicksals längere Zeit auf den Tod wartet. Durch den Messereinsatz zu Beginn des hinterrücks erfolgten Angriffs und das insgesamt massive Vorgehen des Angeklagten war V. spätestens während ihrer Fesselung und Knebelung klar, dass der Angeklagte, dem sie ausgeliefert war, sie nicht überleben lassen werde. Gesteigert wurde ihr seelisches Leid durch die sodann die sexuellen Gewalthandlungen einleitende gewaltsame Entblößung, gegen die V. sich nicht wehren konnte.
368Auf der inneren Tatseite setzt die grausamen Tötung eines Menschen die Kenntnis und das Wollen aller Tatumstände voraus, welche die dem Opfer zugefügten besonderen Qualen bedingen, also Vorsatz hinsichtlich der Grausamkeiten, und zudem eine gefühllose Gesinnung, in der dieser Wille wurzelt (BGH, Beschluss vom 13. März 2007 - 5 StR 320/06). Nach den Feststellungen besteht an der Erkenntnis des Angeklagten, dass V. durch die Behandlung starke Schmerzen und Qualen erlitt, kein Zweifel. Ihm ging es ja gerade darum, weil er durch das ihr zugefügte Leid sexuelle Erregung erfahren wollte. Dass er weiterhin auch ihre Todesangst wenigstens billigend in Kauf nahm, ist wiederum angesichts seiner Absicht, V. in große Angst zu versetzen, naheliegend und wird durch die im Brief an die Zeugen S. und T. beschriebene Erkenntnis, dass EQ. große Angst gehabt haben müsse, bestätigt.
3696. weitere Tatbestände
370Hinsichtlich aller neben dem Mord in Betracht kommenden Delikte ist in der Hauptverhandlung eine Verfahrensbeschränkung vorgenommen worden.
371V.
372Gegen den Angeklagten war gemäß § 211 Abs. 1 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen.
373Maßregeln der Besserung und Sicherung waren nicht anzuordnen. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kam mangels eines überdauernden, die Schuldfähigkeit beeinträchtigenden Zustands nicht in Betracht. Da weder ein Hang des Angeklagten zu Rauschmittelkonsum in sozial gefährlichem Ausmaß noch ein irgendwie gearteter Rauschmittelbezug zur Tat besteht, war auch keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
374Den Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat die Kammer trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen des § 66a Abs. 2 StGB nicht angeordnet. Denn insoweit hat eine Gesamtwürdigung des Angeklagten aufgrund der derzeit vorliegenden Informationen und seiner Tat nicht mit hinreichender Sicherheit ergeben, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist, § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB.
375Das wäre der Fall, wenn den Angeklagten eine fest eingewurzelte Neigung oder ein eingeschliffener innerer Zustand zur Begehung dieser und ähnlicher Taten antreiben würde, wenn also eine stabile und persönlichkeitsgebundene Bereitschaft zur Begehung entsprechender Straftaten vorliegen würde.
376Der psychiatrische Sachverständige Prof. Dr. KT., dessen Beurteilung sich die Kammer auch insoweit angeschlossen hat, hat dazu ausgeführt, dass es sich beim Angeklagten um einen bislang strafrechtlich unauffälligen Menschen handele. Bei diesem liege zwar insofern ein überdauernder Zustand vor, als dass ein emotionaler Defekt in Form eines mangelnden Mitleidserlebens bei ihm festzustellen sei, weil er eine solche Tat andernfalls nicht hätte begehen können. Damit liege aber kein ihn zu der Tat antreibender Defekt vor. Der Angeklagte habe eine zwar außerordentlich schreckliche Tat begangen, die aber bislang kein festgefügtes Handlungsmuster erkennen lasse. Auch wenn man – wie festgestellt – davon ausgehe, dass er bei der Tat sexuell-sadistische Impulse ausagiert habe, wären solche Impulse bei ihm – zumindest soweit bislang bekannt – nicht ausgeprägt im Sinne des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB.
377Soweit der Angeklagte in dem Brief an die Zeugen S. und T. behauptete, er habe schon seit der Jugendzeit sadistische Wünsche und sich in der Auslieferungshaft in GD. bereits ein neues Opfer ausgesucht, sind diese Äußerungen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus den oben bereits genannten Gründen nicht als realitätsbasierte, belastbare Hinweise auf künftige vergleichbare Taten des Angeklagten zu werten.
378VI.
379Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten gebietet eine Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren hinaus im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB.
380Die zusammenfassende Gesamtwürdigung des Tatgeschehens und der Täterpersönlichkeit ergibt, dass die Tat unter Umständen begangen wurde, die ein besonderes Gewicht haben, weshalb die Aussetzung der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe nach 15 Jahren unangemessen wäre.
381Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Angeklagte im Alter von 31 Jahren noch nicht vorbestraft war.
382Allerdings überwiegen die schulderschwerenden Umstände in einem Maße, das die Kammer zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld veranlasst hat. Insoweit waren die folgenden Umstände für die Bewertung der Kammer maßgeblich:
3831. ebenfalls verletzte Rechtsgüter
384Schulderschwerend hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte bei der Tat über die tenorierte Tat hinaus weitere Rechtsgüter von bedeutendem Rang durch vorsätzliche Gewalthandlungen verletzt hat. So hat er die Fortbewegungsfreiheit V.s über einen nicht nur unerheblichen Zeitraum aufgehoben, sie vergewaltigt und die Sorge um ihr Wohl ausgenutzt, um die Herausgabe ihrer PIN abzupressen.
385Dass die ausgeschiedenen Gesetzesverletzungen und festgestellten Handlungen trotz der Einstellung bzw. Verfahrensbeschränkung bei der Strafzumessung von Bedeutung sein können, ist dem Angeklagten und seinem Verteidiger mit dem Beschluss zur Verfahrensbeschränkung mitgeteilt worden.
3862. Nähe zur Verwirklichung weiterer Mordmerkmale
387Durch die Tat hat der Angeklagte ebenfalls überwiegend die Voraussetzungen für die Annahme der Mordmerkmale „aus Habgier“, zur Ermöglichung einer Straftat“ sowie „zur Verdeckung einer Straftat“, verwirklicht. Die Nähe zu Umständen, die von Gesetzes wegen eine Tötung wegen der besonders erheblichen Tatschuld zu einem Mord qualifizieren ist ein Umstand von besonderem Gewicht, zumal vorliegend mehrere Mordmerkmale betroffen sind.
388Die Annahme der Mordmerkmale scheiterte zum einen lediglich daran, dass die Kammer insoweit keine Überzeugung von der Bewusstseinsdominanz der – in der Person des Angeklagten vorliegenden – subjektiven Mordmerkmale für seine Motivation festgestellt hat und auch im Falle der Verdeckungsabsicht nicht an der fehlenden Absicht des Angeklagten, sein Tatopfer zur Verhinderung einer Entdeckung zu töten, sondern daran, dass er durch die schon von Anbeginn bestehende Tötungsabsicht, die eine besondere kriminelle Energie offenbart, keine einer Verdeckung zugängliche „andere“ Tat vor Entdeckung schützen konnte.
3893. Verwirklichung mehrerer Mordmerkmale durch die Tat
390Ebenfalls schulderhöhend hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte mehr als ein Mordmerkmal verwirklicht hat, wobei nicht unberücksichtigt geblieben ist, dass er zur Befriedigung des Geschlechtstriebs gerade die grausame Tatbegehung gewählt hat, die Mordmerkmale also in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Die schulderhöhenden Umstände – die Bereitschaft, ein Leben zu beenden, um sexuelle Befriedigung zu finden, auf der einen und die bei der für das Opfer besonders qualvollen Tötung zum Ausdruck kommenden unbarmherzige Haltung des Täters auf der anderen Seite – knüpfen jedoch an verschiedene strafwürdige Umstände an, weshalb die schulderhöhende Bewertung angemessen ist.
391VII.
392Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465, 472 StPO.