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Auf die Beschwerde der Gläubigerin vom 30.09.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts Steinfurt vom 20.09.2021 aufgehoben und das Amtsgericht wird angewiesen, den Zwangsversteigerungsantrag der Gläubigerin vom 01.09.2021 erneut zu bescheiden und ihn nicht mit der Begründung zurückzuweisen, es fehle an einer qualifizierten Vollstreckungsklausel nach § 726 ZPO.
Gründe:
2Am 03.05.2018 bestellte der Schuldner (wohl zur Absicherung ihm gewährter Darlehen) zugunsten der Gläubigerin eine Grundschuld in Höhe von 150.000 EUR nebst Zinsen und einmaliger Nebenleistung an seinem im Grundbuch von I Blatt 000 eingetragenen Grundbesitz, unterwarf sich wegen aller diesbezüglicher Ansprüche der Gläubigerin der sofortigen Zwangsvollstreckung in das belastete Eigentum, übernahm die persönliche Haftung für die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags und unterwarf sich auch insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung. Unter Ziffer 3.3 der Urkunde beantragte der Schuldner beim Notar u.a., der Gläubigerin eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen, wobei er auf den Nachweis der Tatsachen verzichtete, die das Entstehen und die Fälligkeit der Grundschuld bedingen. Am 11.05.2018 erteilte der Notar der Gläubigerin eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zum Zwecke der Zwangsvollstreckung. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 01.09.2021 beantragte die Gläubigerin unter Hinweis auf eine inzwischen erfolgte und dem Schuldner am 09.07.2020 zugestellte Kündigung der Grundschuld beim Amtsgericht D die Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundbesitzes wegen des dinglichen Anspruchs aus der Grundschuld nebst Zinsen, einmaliger Nebenleistung und Kosten. Das Amtsgericht wies den Antrag unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung der Kammer (Beschluss – 5 T 557/18 – vom 10.12.2018) mit Beschluss vom 20.09.2021 zurück mit der Begründung, es fehle an einer qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO.
3Die dagegen eingelegte Beschwerde der Gläubigerin vom 30.09.2021 ist zulässig und auch begründet. Die vom Amtsgericht zitierte Entscheidung der Kammer vom 10.12.2018 kann mit Blick auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keinen Bestand haben.
4In ihrer vom Amtsgericht zitierten Entscheidung hatte die Kammer in einem gleichgelagerten Fall sinngemäß ausgeführt, das Amtsgericht habe die beantragte Anordnung der Zwangsversteigerung zu Recht abgelehnt. Denn gemäß § 1193 Absatz 1 Satz 1 und 3 BGB werde das Kapital der Grundschuld erst nach vorgängiger Kündigung mit einer Kündigungsfrist von 6 Monaten fällig, eine davon abweichende Bestimmung sei gemäß § 1193 Absatz 2 Satz 2 BGB nicht zulässig. Eine Vollstreckungsklausel, die vor Ablauf dieser 6 Monate, also zu einem Zeitpunkt erteilt werde, zu dem die Voraussetzungen des § 1193 BGB unzweifelhaft noch gar nicht vorliegen könnten, sei nichtig. Daran ändere auch der in der Grundschuldbestellungsurkunde erklärte Nachweisverzicht nichts. Dieser Nachweisverzicht könne nicht zu einer Umgehung des mit dem Risikobegrenzungsgesetz verfolgten Schuldnerschutzes führen, zumal er sich lediglich auf den urkundlichen Nachweis der Fälligkeitsvoraussetzungen beziehe, während auf das Vorliegen der Fälligkeitsvoraussetzungen selbst nicht verzichtet werden könne. Zwar habe das Vollstreckungsgericht grundsätzlich nur das Vorhandensein einer von der zuständigen Amtsperson erteilten Vollstreckungsklausel zu prüfen, während die mit der Vollstreckungsklausel bescheinigten sachlichen Erfordernisse der Vollstreckung seiner Nachprüfung entzogen seien. Das könne aber dann nicht gelten, wenn die Klauselerteilung insofern offensichtlich fehlerhaft erfolgt sei, als mit der erteilten Klausel das Vorliegen von Voraussetzungen bescheinigt werde, die denknotwendig zum Zeitpunkt der Erteilung noch gar nicht vorgelegen haben können. Eine derartige offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Klausel müsse für das Vollstreckungsgericht beachtlich sein. Die gegen den Kammerbeschluss zugelassene und seinerzeit zunächst eingelegte Rechtsbeschwerde wurde später zurückgenommen, so dass eine diesbezügliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu gerade diesem Fall nicht vorliegt.
5In einer zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung vom 07.10.2020 (VII ZB 2/20) hat der Bundesgerichtshof inzwischen aber in einem vergleichbaren Fall Folgendes ausgeführt: Die Frage, ob ein Notar zu Recht eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO erteilt habe oder ob es der Erteilung einer qualifizierten Klausel gemäß § 726 ZPO bedurft hätte, sei im Verfahren der Klauselerinnerung nach § 732 ZPO zu überprüfen. Bei dem Kündigungserfordernis des § 1193 Absatz 1 Satz 1 BGB handele es sich zwar grundsätzlich um eine Vollstreckungsbedingung im Sinne des § 726 Absatz 1 ZPO mit der Folge, dass der Notar grundsätzlich gehalten sei, eine qualifizierte Vollstreckungsklausel frühestens nach entsprechendem Nachweis der Kündigung der Grundschuld zu erteilen. Habe der Schuldner allerdings auf den Nachweis der fälligkeitsbegründenden Tatsachen verzichtet, verliere die materielle Bedingung ihren Charakter als Vollstreckungsbedingung und der Notar habe eine einfache Vollstreckungsklausel gemäß § 724 ZPO zu erteilen. Ob der Nachweisverzicht aus materiell-rechtlichen Erwägungen unwirksam sei, habe der Notar nicht zu prüfen. Die Erklärung eines Nachweisverzichts sei grundsätzlich zulässig, weil der Verzicht nur der Vereinfachung des Nachweises der Vollstreckungsvoraussetzungen diene, aber keine materiell-rechtliche Wirkung habe und dem Schuldner Einwendungen gegen den Anspruch selbst erhalten blieben. Etwaige Auswirkungen des Sinns und des Zwecks des § 1193 Absatz 2 Satz 2 BGB auf vollstreckungsrechtliche Erklärungen könnten im Klauselerteilungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes sei auch nicht deshalb geboten, weil die notarielle Vollstreckungsklausel die Anordnung der Zwangsversteigerung unmittelbar bedinge. Denn der Schuldner sei nicht schutzlos gestellt. Er könne, wenn es an einer Kündigung oder am Ablauf der 6-Monatsfrist des § 1193 Absatz 1 Satz 3 BGB fehle, mit Erfolg Vollstreckungsabwehrklage erheben und vorläufigen Rechtsschutz beantragen bzw. eine etwaige Unwirksamkeit des von ihm erklärten Nachweisverzichts im Wege einer entsprechenden prozessualen Gestaltungsklage geltend machen.
6Die Kammer schließt sich dieser Entscheidung an, deren Bedeutung sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht auf das Klauselverfahren beschränkt, sondern auch für das Zwangsversteigerungsverfahren maßgeblich ist. Denn wenn ein Notar aufgrund eines grundsätzlich zulässigen und tatsächlich erklärten Nachweisverzichts eines Schuldners gehalten ist, auch schon vor Ablauf der 6-Monatsfrist des § 1193 BGB eine Vollstreckungsklausel nach § 724 ZPO zu erteilen, muss diese Klausel auch dem Versteigerungsgericht als Vollstreckungsorgan genügen, dessen Nachprüfung die mit der Klausel bescheinigten sachlichen Erfordernisse der Vollstreckung grundsätzlich entzogen sind (Seibel in: Zöller ZPO 33. Auflage 2020 § 724 Randnummer 14). Die vom Amtsgericht zitierte Kommentierung Stöbers ist für den vorliegenden Fall unergiebig, weil sie aus dem Jahr 2019 stammt und die hier zugrunde gelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.10.2020 noch nicht berücksichtigen konnte.
7Diese Entscheidung ist unanfechtbar. Da mit dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofes eine grundsätzliche Klärung der hier in Rede stehenden Rechtsfrage erfolgt ist, besteht für eine Übertragung der Sache auf die Kammer mit dem Ziel einer Zulassung der Rechtsbeschwerde kein Anlass.