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Der Angeklagte wird kostenpflichtig wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
3 Jahren
verurteilt.
Die im Zimmer des Angeklagten in der Wohnung M-Straße ## in X am 20. August 2020 sichergestellten 27.590,00 Euro Bargeld werden eingezogen. Die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von weiteren 7.650,00 Euro wird gegen den Angeklagten angeordnet.
Angewendete Vorschriften: §§ 29a Abs. 1, Abs. 2, 30a Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 BtMG, 53, 73, 73a Abs. 1, 73c Satz 1 StGB
G r ü n d e :
2I.
3Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 22-jährige Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder.
4Der Angeklagte wuchs bei seiner Mutter auf, zu der er auch heute noch ein enges Verhältnis hat und bei der er auch noch in einem eigenen Zimmer wohnt. Seine Mutter arbeitet in X bei einem caritativen Verein. Auch zu seinem Vater, der ebenfalls in X wohnt, hat er ein gutes Verhältnis. Väterlicherseits hat er auch eine Halbschwester.
5Der Angeklagte besuchte ab dem Jahr 2004 die Grundschule. Im Jahr 2014 beendete er die Realschule erfolgreich mit einem Abschluss und besuchte im Anschluss das Berufskolleg, das er 2017 mit dem Fachabitur abschloss.
6Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte keine konkrete Berufsplanung und beabsichtigte, zunächst eine Pause einzulegen. Im Jahr 2018 begann er bei der Firma S eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik. Der Ausbildungsvertrag wurde seitens des Arbeitgebers noch in der Probezeit gekündigt, wobei der Angeklagte die genauen Gründe nicht kennt.
7Nach der Kündigung begann er, im Rahmen einer Nebentätigkeit im Security-Bereich zu arbeiten, wobei er vor allem als Türsteher in Diskotheken und Clubs eingesetzt wurde. Dieser Tätigkeit kann er aufgrund der Schließungen im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen zurzeit nicht nachgehen. Zusätzlich wurde er von seiner Mutter finanziell unterstützt.
8Der Angeklagte begann im Alter von 16 Jahren mit dem Konsum von Nikotin. Im Jahr 2018 begann er, gelegentlich Cannabis zu konsumieren. Dieser Konsum steigerte sich im Laufe der Zeit auf etwa zwei bis drei Mal pro Woche. Feststellungen zum Konsum von weiteren illegalen Rauschmitteln, insbesondere Kokain, konnten nicht getroffen werden.
9Alkohol konsumiert der Angeklagte gelegentlich und auch nur in unerheblichen Mengen.
10Der Angeklagte wurde in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Münster vom 20.08.2020 noch am selben Tag vorläufig festgenommen und befand sich seit dieser Zeit in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl wurde mit Beschluss der Kammer vom 22.12.2020 gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Die Entlassung erfolgte am 23.12.2020.
11Der Angeklagte war vor seiner Inhaftierung verlobt. Während der Inhaftierung löste seine Lebensgefährtin die Verlobung.
12Der Angeklagte nimmt seit dem 19.01.2021 Termine bei der Drogenberatung wahr.
13Der Angeklagte ist bisher einmalig strafrechtlich in Erscheinung getreten. Das Amtsgericht Münster verurteilte ihn mit Urteil vom ##.##.2018 wegen gemeinschaftlichen Diebstahls und wies ihn nach Jugendstrafrecht an, 80 Stunden unentgeltliche gemeinnützige Arbeit zu erbringen. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Angeklagte und ein weiterer Mittäter am 27.03.2017 einen Raubüberfall vortäuschten. Dabei suchte der Angeklagte maskiert und mit einer Softair-Waffe den Mittäter in einer Tankstelle, in der dieser beschäftigt war, auf und bedrohte ihn zum Schein mit der Waffe. Die vom Mittäter an den Angeklagten übergebenen Tageseinnahmen in Höhe von etwa 2.000,00 Euro teilten beide sich später am Abend des Tattages hälftig untereinander auf. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem ##.##.2018.
14II.
15Die Kammer hat folgende Feststellungen getroffen:
161.
17Am ##.09.2019 verkaufte der Angeklagte dem gesondert verfolgten T ein Kilogramm Marihuana zu einem Preis von 4.700,00 Euro. Die Absprachen zum Kauf und zur Übergabe erfolgten in der Zeit vom ##.09. bis ##.09.2019 über WhatsApp. Wie vereinbart, traf man sich gegen 19.00 Uhr in X, wo es zur Übergabe der Drogen und des Kaufpreises kam. Das Kilogramm hatte einen Wirkstoffgehalt von etwa 13,7 % und machte damit etwa 137 Gramm THC aus, was einer gut 18-fachen nicht geringen Menge entspricht.
182.
19Am ##.09.2019 verkaufte der Angeklagte dem gesondert verfolgten T 50 Klemmverschlusstüten mit einer Gesamtmenge von mindestens 159,75 Gramm Marihuana für 2.950,00 Euro. Die Absprachen zum Kauf und zur Übergabe erfolgten in der Zeit vom ##.09. bis ##.09.2019 wiederum über WhatsApp. Wie zuvor vereinbart, traf man sich gegen 15.00 Uhr in X, wo es zur Übergabe der Drogen und des Kaufpreises kam. Die 159,75 Gramm hatten einen Wirkstoffgehalt von etwa 13,8 % und machten damit knapp 22 Gramm THC aus, was knapp der dreifachen nicht geringen Menge entspricht.
203.
21Am 20.08.2020 hielt der Angeklagte morgens gegen 08.30 Uhr in seinem Zimmer, das sich in der von ihm und seiner Mutter gemeinsam bewohnten Wohnung an der M-Straße ## in X befindet, gegen 08.30 Uhr eine Menge von 29,046 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 70,4 %, also einem Wirkstoffanteil von knapp 20,45 Gramm Kokainhydrochlorid, sowie 27,97 Gramm Marihuana vorrätig.
22Zugunsten des Angeklagten wird nicht ausgeschlossen, dass von dem Kokain maximal 20 % und das Marihuana in Gänze zum Eigenkonsum bestimmt waren. Zumindest das übrige Kokain, also mindestens 23,24 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffanteil von 16,36 Gramm Kokainhydrochlorid, dienten dem beabsichtigten Weiterverkauf.
23An der Innenseite der Zimmertür hingen griffbereit an Garderobenhaken, die mittels Beschlägen an der Türoberkante befestigt waren, zwei Säbel mit einer Klingenlänge von jeweils mindestens 75 cm; im unteren Bereich der Klinge mit einer Länge von etwa 14 cm waren sie beidseitig geschliffen. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf die in Augenschein genommene Lichtbilder (Bl. 357, 358 GA). Die Säbel waren ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt. Zudem wurden in dem Zimmer insgesamt 27.590,00 Euro Bargeld sichergestellt, das aus illegalen Betäubungsmittelgeschäften stammte. Es war nicht feststellbar, dass in dem Zimmer des Angeklagten Drogengeschäfte abgewickelt wurden.
244.
25Die Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war bei sämtlichen Taten weder aufgehoben noch erheblich vermindert.
26III.
271. (persönliche Verhältnisse, Konsum, Vorstrafe)
28Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen und zum Rauschmittelkonum des Angeklagten beruhen auf seinen Angaben und ergänzend auf den Ausführungen der Sachverständigen F, die ausführlich über dessen Angaben zu seinem Werdegang ihr gegenüber im Rahmen der Exploration berichtet hat. Der Angeklagte hat die Richtigkeit der Ausführungen der Sachverständigen bestätigt.
29Zum Konsum von Kokain durch den Angeklagten konnte die Kammer keine sicheren Feststellungen treffen. Der Angeklagte hat sich am ersten Tag der Hauptverhandlung dahin eingelassen, dass das aufgefundene Kokain, das Gegenstand der Tat zu Ziffer 3. ist, dem Eigenkonsum gedient habe. Zuvor hatte er am 22.12.2020 in einem Haftprüfungstermin vor der Kammer – wie er am zweiten Verhandlungstag auf Vorhalt bestätigte – angegeben, täglich 1 bis 2 g Kokain konsumiert zu haben. Nachdem er sich erstmals in seiner Exploration zwischen dem 1. und 2. Hauptverhandlungstag gegenüber der Sachverständigen korrigiert hatte, ließ er sich dann am zweiten Tag der Hauptverhandlung dahingehend ein, seine bisherige Einlassung und auch die Angaben im Haftprüfungstermin seien falsch gewesen; er habe seinen Kokainkonsum übertrieben dargestellt. Zum Hintergrund erklärte er, andere Insassen der Justizvollzugsanstalt hätten ihm geraten, „einen auf drogenabhängig zu machen“ und den eigenen Konsum der Wahrheit zuwider deutlich überhöht darzustellen; dies habe er gemacht. Richtig sei vielmehr, dass er Kokain erst im weiteren Verlauf, nachdem er schon einige Zeit Marihuana konsumiert habe, angefangen habe zu konsumieren, insbesondere bei Veranstaltungen, Treffen mit Freunden oder privaten Feiern. Der von ihm praktizierte nasale Konsum sei sehr unregelmäßig gewesen und habe sich auf insgesamt höchstens zehn Mal beschränkt; seit März 2020 habe er allenfalls drei bis vier Mal konsumiert; seit dem 20.08.2020 habe er nicht mehr konsumiert und auch – ebenso wie zuvor – keine Entzugserscheinungen verspürt. Angesichts der widersprüchlichen Angaben, die jeweils auch im Hinblick auf mögliche Rechtsfolgen des Strafverfahrens bzw. Haftentscheidungen der Kammer intentiös erschienen, vermochte die Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit einen Konsum von Kokain seitens des Angeklagten festzustellen, auch wenn sie ihn zu seinen Gunsten bei den Feststellungen zur Tat zu Ziff. 3 nicht ausschließt.
30Die Feststellungen zu der strafrechtlichen Vorbelastung beruhen auf dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 03. Februar 2021, dessen Richtigkeit der Angeklagte bestätigt hat und dem verlesenen Urteil des Amtsgerichts Münster vom 03.09.2018.
31Die Feststellungen zur Wahrnehmung von Terminen bei der Drogenberatung beruhen auf der verlesenen Bescheinigung der Stadt X vom 10.02.2021.
322. (Tat zu Ziff. 1 der Anklage)
33Die Feststellungen zur Tat vom ##.09.2019 beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten. Dieser hat eine entsprechende Erklärung seines Verteidigers bestätigt. Die Einlassung steht auch im Einklang mit der geständigen inhaltsgleichen Einlassung des früheren Mitangeklagten T sowie dem verlesenen WhatsApp-Chat aus dem Zeitraum vom ##.09. bis zum ##.09.2019. Aus dem zwischen dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten T ab dem ##.09.2019, 15:53 Uhr geführten Chat ergibt sich, dass der Angeklagte A1 dem früheren Mitangeklagten T „1 Kilo“ „Cheese“, womit das Marihuana gemeint war, zum Preis von „4.7“ zum Verkauf anbot und sich auf einen geforderten Preisnachlass nicht einließ. Beide verabredeten am ##.09.2021 die Abholzeit 19.00 Uhr. Um 19.10 Uhr schrieb der frühere Mitangeklagte T, er sei in 10 Minuten da.
34Die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt folgen aus dem verlesenen Wirkstoffgutachten vom 08.04.2020 zu Restmengen, die aus dem Verkauf vom ##.09.2019 stammten. Dass diese Restmengen aus dem Verkauf vom ##.09.2019 stammten, ergibt sich aus dem verlesenen Sicherstellungsprotokoll vom 30.09.2019 und der Aussage des früheren Mitangeklagten T. Dieser wurde am 30.09.2019 gegen 16.10 Uhr in X auf einem Parkplatz festgenommen. Dabei wurden 141,7 Gramm Marihuana sichergestellt. Der frühere Mitangeklagte T hat nachvollziehbar und glaubhaft erklärt, dass diese Menge Marihuana aus dem Kauf vom ##.09.2019, nur 8 Tage zuvor, stammte.
353. (Tat zu Ziff. 2 der Anklage)
36Die Feststellungen zum Verkauf vom ##.09.2019 beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten. Dieser hat eine entsprechende Erklärung seines Verteidigers bestätigt. Die Einlassung steht im Einklang mit der geständigen inhaltsgleichen Einlassung des früheren Mitangeklagten T und dem verlesenen WhatsApp-Chat aus dem Zeitraum vom ##.09. bis zum ##.09.2019.
37Aus dem zwischen dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten T ab dem ##.09.2019 geführten Chat ergibt sich, dass der frühere Mitangeklagte T beim Angeklagten A1 „wegen den Tütchen“ anfragte, ob man das am Wochenende hinkriege. Auf Nachfrage des Angeklagten A1 am ##.09.19 „wieviel“ antwortete der frühere Mitangeklagte T: „50“. Der Angeklagte A1 schrieb daraufhin: „59“. Weiter schrieb er, dass er eine feste Zusage benötige, was der frühere Mitangeklagte T dann bestätigte. Ab dem ##.09.2019 wurde besprochen, wann der frühere Mitangeklagte T die Tütchten abholen könne. Letztlich sprach man den ##.09.19 um 15 Uhr ab.
38Die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt folgen aus dem verlesenen Wirkstoffgutachten vom 08.04.2020 zu Restmengen, die aus dem Verkauf stammten. Auch hier ergab sich aus dem verlesenen Sicherstellungsprotokoll vom 30.09.2019 und der Aussage des früheren Mitangeklagten T, dass die untersuchten Betäubungsmittel aus dem Verkauf vom ##.09.2019 stammten. Bei der Festnahme des früheren Mitangeklagten T am ##.09.2019 wurden 47 Klemmverschlusstüten mit Marihuana sichergestellt. Der frühere Mitangeklagte T hat nachvollziehbar und glaubhaft erklärt, dass diese Klemmverschlusstüten noch aus dem Kauf vom ##.09., der gerade zwei Tage zuvor stattgefunden hatte, stammten.
394. (Tat zu Ziff. 3 der Anklage)
40a.
41Die Feststellungen zum Besitz an dem Kokain und dem Marihuana beruhen zunächst auf der geständigen Einlassung des Angeklagten. Dieser hat angegeben, das bei ihm am Tag der Durchsuchung vom 20.08.2020 in einem Baum vor dem Fenster des von ihm bewohnten Zimmers gefundene Kokain habe ihm gehört. Die Säbel habe er im Sperrmüll gefunden, sie als schön empfunden und als Dekoration aufgehängt. Diese Angaben werden darüber hinaus bestätigt durch den Durchsuchungsbericht des KHK W vom 20. August 2020 und die insgesamt glaubhaften Ausführungen der Zeugen W, C, und D. Diese waren als Polizeibeamte an der Durchsuchung beteiligt. KOK D hat angegeben, während dieser die Säbel an der beschriebenen Stelle aufgefunden zu haben.
42KHK C hat ausgeführt, den Beutel mit dem Kokain im Baum entdeckt und später die Feuerwehr hinzugerufen zu haben, die diese mithilfe einer Drehleiter habe bergen können. KHK W hat den Ablauf der Durchsuchung beschrieben und ferner die sichergestellten Gegenstände und auch die jeweiligen Auffindeorte in dem Durchsuchungsbericht vom 20. August 2020 dargelegt.
43b.
44Die Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Kokains beruhen auf dem verlesenen Wirkstoffgutachten des G vom LKA NRW vom 15.09.2020. Aus einem Vermerk des KHK C vom 20. August 2020 ergibt sich, dass durch diesen ein auf die Untersuchung gerichteter Antrag an das LKA gestellt worden ist.
45c.
46Hinsichtlich des Vorwurfs des unerlaubten Handeltreibens hat der Angeklagte am ersten Tag der Hauptverhandlung die durch seinen Verteidiger erklärte Einlassung, wonach die aufgefundenen Betäubungsmittel nicht zum Weiterverkauf bzw. Handel bestimmt gewesen seien, sondern dem Eigenkonsum gedient hätten, als richtig bestätigt. Nachdem er sich erstmals in seiner Exploration gegenüber der Sachverständigen korrigiert hatte, ließ er sich dann am zweiten Tag der Hauptverhandlung dahingehend ein, er habe seinen Kokainkonsum übertrieben dargestellt und er habe das Kokain angeschafft, weil er mit etwa sieben bis acht Freunden und fünf bis sechs Freundinnen – auch bedingt durch die Schließung von Clubs im Zuge der Corona-Schutzmaßnahmen – eine private Feier habe veranstalten wollen. Sie alle hätten hierzu Geld beigesteuert und er habe dann für 1.600,00 Euro das Kokain angeschafft. Die Feier habe an dem auf die Inhaftierung folgenden Wochenende stattfinden sollen.
47Soweit der Angeklagte damit eine Weiterverkaufsabsicht insgesamt abstreitet, ist diese Einlassung insoweit widerlegt, als der Angeklagte nach Überzeugung der Kammer zumindest 80 Prozent des aufgefundenen Kokains zum Handel bestimmt hatte. Die abweichende Einlassung des Angeklagten stellt sich nach Überzeugung der Kammer als bloße Schutzbehauptung dar, was sich aus einer Gesamtwürdigung der nachfolgend dargestellten Ergebnisse der Beweisaufnahme ergibt.
481)
49Zunächst ist die (korrigierte) Einlassung, wonach das Kokain insgesamt für eine private Party angeschafft worden sei, bereits wenig nachvollziehbar. Die gesamte Menge des aufgefundenen Kokains entspricht mehr als 600 Konsumeinheiten, die für die angegebenen 12 bis 14 Personen für eine einzige Party völlig unrealistisch hoch erscheinen. Danach hätte jeder einzelne Teilnehmer der Party durchschnittlich mehr als 40 Konsumeinheiten konsumieren können. Auch im Übrigen erscheint es abwegig, dass sich 12 bis 14 Personen zusammenschließen und gemeinsam Kokain kaufen, zumal der Angeklagte auf Nachfrage nicht einmal angeben konnte, ob jeder seinen Anteil bezahlt habe.
502)
51Zudem spricht für einen beabsichtigten Weiterverkauf und damit gegen die Einlassung des Angeklagten neben der großen Menge Kokains der Umstand, dass neben dem Kokain auch eine Feinwaage und Verpackungsmaterial sichergestellt wurden, welche durch einen beabsichtigten Handel zu erklären sind. Die Zeugen KOK D und KHK C haben nachvollziehbar bekundet, das Kokain habe sich in einer Plastiktüte, die in einem Baum vor dem Balkon des Zimmers des Angeklagten gefunden wurde, befunden. Der Angeklagte hatte diese Tüte zu Beginn der Durchsuchungsmaßnahme vom Balkon seines Zimmers dort hingeworfen. Dies lässt sich daraus schlussfolgern, dass der Zeuge KOK W beim Betreten der Wohnung noch gesehen hat, wie der Angeklagten die Balkontür in seinem Zimmer von Innen wieder schloss, und der Angeklagte zudem die Aufbewahrung des Kokains in seinem Zimmer eingeräumt hat. In der besagten Tüte fanden die Zeugen KOK D und KHK C neben dem Kokain die besagte Feinwaage, deren Sicherstellung sich zudem aus dem verlesenen Sicherstellungsprotokoll vom 20.08.2020 ergibt. Weiter wurde in dem Zimmer des Angeklagten auch das besagte Verpackungsmaterial sichergestellt, was sich aus dem verlesenen Sicherstellungsprotokoll vom 20.08.2020 und der Aussage des Zeugen KOK D ergibt. Die Aufbewahrung von Kokain zusammen mit einer Feinwaage und Verpackungsmaterial ist als starkes Indiz für einen Handel zu werten.
523)
53Weiter spricht für einen beabsichtigten Weiterverkauf der Betäubungsmittel, dass der Angeklagte schon nach seiner eigenen Einlassung früher bereits Handel mit Betäubungsmitteln betrieben hat, auch wenn die Kammer hier nicht aus dem Blick verloren hat, dass es sich dort jeweils um Marihuana und nicht um Kokain gehandelt hat (s. Taten 1. und 2.).
544)
55Zudem spricht der Inhalt eines verlesenen WhatsApp-Chats zwischen dem Angeklagten und seiner Mutter vom 11.08.2020, der vom Zeugen KOK D ausgewertet wurde, für einen Handel mit Betäubungsmitteln. In diesem Chat erhebt die Mutter des Angeklagten Vorwürfe gegen ihn und stellt u.a. die Frage „Und wieso …. und das Klo stinkt so hart nach Ammoniak?“. Dass der andere Gesprächsteilnehmer die Mutter des Angeklagten ist, ergibt sich daraus, dass dieser unter dem Namen „Mama“ abgespeichert ist. Der Umstand, dass die Mutter des Angeklagten von Ammoniak spricht, lässt sich nachvollziehbar damit erklären, dass der Angeklagte dieses zum Aufkochen und Verbessern des Reinheitsgehaltes des Kokains nutzte, was wiederum auf einen Handel hindeutet. Nach den eigenen Angaben des Angeklagten lebte neben ihm und seiner Mutter in der Wohnung sonst niemand.
565)
57Für einen vom Angeklagten betriebenen Handel mit Betäubungsmitteln spricht schließlich das in seinem Zimmer gefundene Bargeld von 27.590,00 Euro. Dieses stammt nach Überzeugung der Kammer aus Drogengeschäften und lässt damit seinerseits den Schluss zu, dass der Angeklagte mit dem gefundenen Kokain Handel betrieb.
58a)
59Der Angeklagte hat den Besitz an dem Bargeld eingeräumt und sich zur Herkunft des Bargeldes abweichend von den Feststellungen dahingehend eingelassen, dieses stamme in Höhe von 24.000,00 Euro aus dem Verkauf eines Pkw Mercedes Benz E350, der seiner Mutter gehört habe und den er für sie an den Zeugen U verkauft habe, sowie im Übrigen aus Ersparnissen. Dies hat der Verteidiger des Angeklagten entsprechend für den Angeklagten erklärt und der Angeklagte hat diese Erklärung dann bestätigt.
60Die Einlassung des Angeklagten zur Herkunft des Bargeldes ist widerlegt. Die Einlassung des Angeklagten ist zwar insoweit richtig, als es eine schriftliche Urkunde über den Abschluss eines Kaufvertrages zwischen ihm und dem Zeugen U vom 15.08.2020 gibt, wonach der Zeuge U auch den Kaufpreis gezahlt habe. Diese Urkunde hat der Verteidiger bereits im Haftprüfungstermin am 22. Dezember 2020 vorgelegt.
61Gleichwohl ist die Kammer davon überzeugt, dass – entgegen dem Wortlaut der verlesenen Vertragsurkunde – eine Zahlung durch den Zeugen U nicht erfolgt ist.
62Dabei ist schon vorab festzustellen, dass auch weitere im Vertrag als erbracht bezeichnete Leistungen tatsächlich nicht erbracht wurden, so dass den Angaben im Vertrag schon eine nur geringe Beweiskraft zukommt. So wurde insbesondere entgegen dem Wortlaut der Urkunde das Fahrzeug nicht an den Zeugen U übergeben, sondern dieses wurde fünf Tage später bei der Durchsuchung vor der Wohnanschrift des Angeklagten aufgefunden, wobei sich in diesem, wie vom Zeugen KHK J festgestellt, noch verschiedene persönliche Gegenstände des Angeklagten befanden.
63Im Einklang hiermit hat auch der Zeuge U, der als Käufer den Kaufvertrag unterschrieben hat und in der Hauptverhandlung unter Berufung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO keine Angaben mehr machte, nach Angabe des Zeuge KHK K in seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe das Fahrzeug noch nicht übergeben bekommen, da der Angeklagte das Fahrzeug noch habe abmelden wollen.
64Schon die Zahlung von 24.000,00 € ohne Erbringung der Gegenleistung erscheint lebensfremd; es hätte insoweit nahe gelegen, eine Anzahlung zu geben, nicht aber den vollständigen Kaufpreis ohne Sicherung zu zahlen.
65Gleichwohl hat der Zeuge U zwar, wie der Zeuge KHK K bekundet hat, in seiner polizeilichen Vernehmung ausgesagt, er habe am 15.08.2020 den vollen Kaufpreis i. H. v. 24.000,00 € gezahlt. Der Zeuge U habe weiter ausgesagt, er sei schon vor dem 15.08.2020 auf der Suche nach einem neuen Fahrzeug gewesen und habe daher schon am 17.06.2020 ein Darlehen über 14.900,00 Euro bei der Deutschen Bank aufgenommen. Von diesem ausgezahlten Darlehensbetrag sowie weiteren Ersparnissen, so der Zeuge KHK K, habe der Zeuge U nach eigenen Angaben dann den Kaufpreis gezahlt.
66Diese Aussage ist nach Überzeugung der Kammer unrichtig, da der Zeuge U am 15.08.2020 keine 24.000,00 Euro zur Verfügung gehabt hat.
67Die Aussage des Zeugen U wird widerlegt durch die Aussage des Zeugen B, den verlesenen Kreditvertrag vom 17.06.2020 mit der Vertragsnummer 450 21344## ##, den verlesenen Kreditvertrag vom 07.04.2020 der Vertragsnummer 450 21344## ## und die verlesenen Kontoauszüge für die Konten des Zeugen U bei der Deutschen Bank. Der Zeuge B, der bei der Deutschen Bank beschäftigt ist und das entsprechende Beratungsgespräch / Abschlussgespräch mit dem Zeugen U geführt hat, hat insoweit bekundet, dass der Zeuge U zwar am 17.06.2020 einen Kredit über 14.900,00 Euro bei der Deutschen Bank aufgenommen habe. Allerdings habe ihm dieser Kreditbetrag letztlich nur in Höhe von allenfalls 2.308,58 Euro zur Verfügung gestanden. Wesentlicher Anlass für die Aufnahme des Kredites sei gewesen, dass der Zeuge U einen Betrag von 1.500 € an seine Mutter habe zahlen müssen; diesen Betrag habe seine Mutter ihm für Aufwendungen an einem Kraftfahrzeug vorgestreckt, wobei der Zeuge B nähere Einzelheiten hierzu nicht wusste. Da es einen vorbestehenden Kreditvertrag vom 07.04.2020 mit der Vertragsendziffer ## gegeben habe, sei dieser durch den neuen Kreditvertrag zugleich abgelöst worden. Daher seien 9.057,11 Euro auf das Kreditkonto des abzulösenden Kredites ausgezahlt worden. Weiter sei ein Betrag von 2.034,31 Euro an die Zurich Deutscher Herold Leben AG ausgezahlt worden, da mit dem Kreditvertrag auch ein Paket von Versicherungsleistungen, u. a. auch eine Arbeitsunfähigkeitsversicherung und eine Arbeitslosenversicherung, abgeschlossen worden sei. 2.800,00 Euro seien in zwei Teil-Beträgen über 1.300,00 € und 1.500,00 € auf das Girokonto des Zeugen U gebucht worden. Diese Aufsplitterung sei deshalb erfolgt, da der Zeuge U einen Betrag von 1.300,00 Euro zum Ausgleich des Girokontos benötigt habe und einen weiteren in Höhe von 1.500,00 Euro für die Bezahlung der Auslagen, die seine Mutter wegen eines Kraftfahrzeugs vorgestreckt habe. Restliche 1.008,58 Euro seien auf ein Sparkonto gezahlt worden (Endziffer 60), um zukünftige außergewöhnliche Belastungen tragen zu können. Die Angaben des Zeugen B sind glaubhaft und decken sich mit den auf dem verlesenen Kreditvertrag angegebenen Auszahlungsbeträgen nebst entsprechenden Auszahlungskonten, dem verlesenen Kreditvertrag vom 07.04.2020 mit der Vertragsendziffer ## und den verlesenen Kontounterlagen des Zeugen U. Danach gibt es auf dem Girokonto des Zeugen U (DE55 4007 0024 0213 44## ##) Gutschriften über 1.300,00 € und 1.500,00 € am 24.06.2020. Es finden sich im Zeitraum 1.6. bis 31.08.2020 auch mehrere (ratierliche) Zahlungen über jeweils 200,00 € an eine U1 mit dem Verwendungszweck „Auto Raten“ (15.06.20, 15.07.2020 und 17.08.2020), die mit den Angaben des Zeugen B in Einklang zu bringen sind und damit für die Richtigkeit der von ihm dargestellten Angaben des Zeugen U zu einer Verbindlichkeit gegenüber der Mutter sprechen. Selbst wenn der Zeuge U die 1.500 € anderweitig eingesetzt hätte, hätte er aus dem Kreditvertrag nur maximal 3.808,58 € (1.300,00 € + 1.500,00 € + 1.008,58 €) zur freien Verfügung gehabt.
68Auch im Übrigen ergibt sich aus den verlesenen Kontoauszügen des Girokontos des Zeugen U (DE55 4007 0024 0213 44## ##) und des weiteren Sparkontos (DE55 4007 0024 0213 44## ##), dass der Zeuge U. nicht im Ansatz 24.000,00 € zur Verfügung hatte, um damit den Kaufpreis auch nur in nennenswerter Weise anteilig zu bezahlen.
69Das Girokonto wies am 31.7.2020 ein Haben von 2.737,99 € auf. Auf diesem Konto gab es im August 2020 folgende nennenswerte Buchungsvorgänge mit einer Umsatzhöhe von jeweils mehr als 100,00 €: Am 3.8.20 wurden 200,00 € auf das Sparkonto umgebucht. Am 3.8.20 wurden 200,00 € an U1 überwiesen („Miete). Am 17.8.20 wurden 200,00 € an U1 überwiesen („Auto Raten“). Am 4.8.20 und 26.08.20 wurden 193,08 € und 123,68 € an die Telekom überwiesen. Am 3.8.20 wurden 2.111,17 € an die Mercedes Benz Bank überwiesen („Darlehensvertragsnummer: 6982#### V / ST-## ####“). Am 10.08.20 wurden 144,55 € per Lastschrift im Roadstop X – einer Gaststätte – bezahlt. Am 27.08.20 wurden 425,19 € auf eine Kreditkartenabrechnung gezahlt. Bargeldabhebungen gab es am 10.08.20 und 31.08.20 i. H. v. jeweils 200,00 €. Eine Gehaltszahlung über 1.791,83 ging am 27.08.20 ein. Am 5.8.20 wurden 2.310 € bar eingezahlt. Der Saldo belief sich am 31.08.20 auf 2.295,11 €. Zieht man die am Ende des Monats eingegangene Gehaltszahlung ab, so standen dem Zeugen am Ende des Monats 503,27 € auf dem Konto zur Verfügung.
70Das Sparkonto wies am 5.7.21 einen Saldo von 2.039,71 € auf. Am 3.8.2020 wurden 200,00 € auf das Sparkonto umgebucht. Weitere Buchungsvorgänge gab es im August nicht mehr, so dass dieses Sparkonto ein Guthaben von 2.239,71 € aufwies. Dieses wurde im August 2020 nicht auf das Girokonto (Verrechnungskonto) umgebucht und damit auch nicht ausgezahlt.
71Daraus ergibt sich, dass der Zeuge U einen Betrag von 24.000,00 € nicht im Ansatz zur Verfügung hatte und er zudem auch keine größeren Bargeldabhebungen von seinem Girokonto und dem mit diesem verknüpften Sparkonto tätigte, um am 15.08.2020 die angebliche Kaufpreisforderung zu bezahlen.
72Weitere Girokonten waren auch dem Zeugen B nicht bekannt, wobei er davon ausging, dass es sich bei dem oben angegebenen Girokonto des Zeugen U um dessen Haupt-Konto gehandelt habe, da auf diesem Konto auch die Gehaltseingänge eingegangen seien. Auch aus den Kontoauszügen ergaben sich keine Anhaltspunkte für weitere Konten des Zeugen.
73Es gibt auch keine Anhaltspunkte für einen anderweitigen Gelderwerb des Zeugen U, dessen Gehalt auch auf das Girokonto ausgezahlt wurde. Die Kammer schließt aus, dass er aus unbekannten Quellen am 20.08.2020 weitere Gelder zur Verfügung gehabt hätte. Denn wenn dies der Fall gewesen wäre, dann hätte er nicht kurz vorher einen neuen Kreditvertrag abgeschlossen, um letztlich bei wirtschaftlicher Betrachtung lediglich einen Betrag von maximal 3.808,58 € zu erhalten. Wenn er schon für einen Bruchteil von 24.000,00 € einen Kredit aufnehmen musste, dann wird er erst Recht nicht aus anderen Quellen 24.000,00 € verfügbar gehabt haben.
74Soweit auch der Zeuge O bekundet hat, es habe eine Zahlung gegeben, ist diese Aussage damit nach Überzeugung der Kammer ebenfalls unrichtig. Die Kammer schließt aus, dass es eine solche Zahlung durch den Zeugen U gegeben hat (s. o.). Für die Unrichtigkeit der Aussage des Zeugen O spricht auch, dass dessen Aussage in einem weiteren Punkt im Widerspruch zu den Ergebnissen der Ermittlungen besteht. So hat der Zeuge KOK W bekundet, das im Zimmer des Angeklagten aufgefundene Bargeld sei durch Gummibänder unterteilt gewesen, wobei die Stückelung wahllos, also in ungleich große Beträge, vorgenommen worden sei. Demgegenüber hat der Zeuge O bekundet, das durch den Zeugen U angeblich gezahlte Geld sei unterteilt gewesen in 5.000er- oder 1.000er-Beträge und diese Unterteilungen seien durch gefaltete Scheine, also nicht durch Gummibänder, vorgenommen worden. Dies steht im Widerspruch zu den von dem Zeugen KOK W durchgeführten Ermittlungen, wonach die Stückelung wahllos gewesen und mit Gummibändern vorgenommen worden sei. Ein Grund für den Umstand, dass das vormals geordnet unterteilte Geld bis zur Durchsuchung in eine wahllose Stückelung gebracht worden ist, ist nicht ersichtlich.
75b)
76Auch eine andere legale Herkunft des bei dem Angeklagten aufgefudenen Geldes ist nicht ersichtlich. Nach den Ermittlungen des Zeugen KHK K habe der Angeklagte keine nennenswerten Einkünfte auf seinen Konten gehabt. So habe der Angeklagte ein Girokonto bei der Postbank unterhalten, das als Verrechnungskonto für einen Kreditkartenvertrag des Unternehmens Visa gedient habe. An Umsätzen sei dort lediglich die Jahresgebühr zu verzeichnen gewesen. Der Angeklagte habe ein weiteres Konto bei der Sparkasse Münsterland-Ost unterhalten. Dieses habe vom 01.08.2019 bis zum 15.08.2020 Lohnzahlungen über einen Gesamtbetrag von 1.574,43 Euro aufgewiesen. Nach Angaben des Angeklagten handelte es sich dabei um die Gehaltszahlungen für seine Tätigkeit im Sicherheitsgewerbe. Nach den Ermittlungen des Zeugen KHK K habe es ansonsten keine nennenswerten Geldflüsse gegeben. Auffällig sei gewesen, dass die EC-Karte nie genutzt worden sei, also weder für Zahlungen mit der EC-Karte, noch für Barauszahlungen am Automaten. Für die wenigen Abbuchungen von dem Konto sei der Saldo durch Bareinzahlungen ausgeglichen worden. Festzuhalten bleibt damit zum einen, dass es auf den Konten des Angeklagten keine Einkünfte zu verzeichnen sind, die das aufgefundene Bargeld erklären können. Zum anderen kann man konstatieren, dass es anderweitige Einkünfte gab, da ansonsten einerseits die Bareinzahlungen nicht zu erklären wären und andererseits nicht nachvollziehbar wäre, wie der Angeklagte alltägliche Ausgaben (Lebensmittel, Tanken etc.) bezahlt haben soll. Zwar hat der Angeklagte auch gegenüber der Sachverständigen angegeben, dass seine Mutter ihn unterstützte. Schon der Begriff der „Unterstützung“ weist darauf hin, dass hierunter nicht die Zuwendung eines Vermögens von 27.590 € zu verstehen ist, sondern eher die Zuwendung von kleineren Beträgen. Die Kammer schließt aus, dass die 27.590,00 € aus Unterstützungsleistungen der Mutter stammten.
77c)
78Ist damit die Einlassung des Angeklagten zur Herkunft des Bargeldes widerlegt und auch keine legale Herkunft ersichtlich, so ist zur Überzeugung der Kammer in einer Gesamtwürdigung festzustellen, dass das Bargeld aus Drogengeschäften stammt. Hierfür sprach neben den mit dem Bargeld aufgefundenen Betäubungsmitteln, der Feinwaage und dem Verpackungsmaterial, dem Whatsapp-Chat sowie dem früheren Betäubungsmittelhandel auch der auffällig hohe Betrag an Bargeld und der Umstand, dass die Stückelung nach Angaben des Zeugen KOK W ungeordnet, also in ungleichen Teilbeträgen war.
796)
80Die Feststellungen zum Besitz an den Säbeln und deren Beschaffenheit folgen aus den Angaben des Zeugen KOK D, einer Inaugenscheinnahme der Säbel, einer Inaugenscheinnahme von durch die Kammer selbst von diesen erstellten Lichtbildern und aus einer Inaugenscheinnahme der Lichtbilder, die anlässlich der Durchsuchung von der Rückseite der Zimmertür des Angeklagten gemacht worden sind. Auf letzteren ist zu sehen, dass die Säbel unbefestigt an einer an der Oberkante der Tür eingehängte Garderobe hängen.
81Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er die Säbel kurz vor der Durchsuchung auf dem Sperrmüll gefunden habe, sie ihm gefallen hätten und er sie dann an die Tür genagelt habe. Dies hat der Verteidiger durch eine entsprechende Erklärung für den Angeklagten angegeben. Der Angeklagte hat dieses bestätigt.
82Soweit der Angeklagte sich durch seinen Verteidiger dahingehend einließ, die Säbel seien festgenagelt gewesen, wird diese Einlassung widerlegt durch die Aussage des Zeugen KOK D. Dieser hat bekundet, die Säbel seien nicht festgenagelt gewesen, sondern hätten an einer „mobilen Garderobe“ an der Innentür gehangen. Mit einem Handgriff habe man sie unproblematisch nehmen können.
83Die Klingen der Säbel waren auch scharf geschliffen, was sich aus einer Inaugenscheinnahme ergab, bei der ein Schneidetest mittels eines DIN A4-Papierblattes gemacht wurde und bei dem sich das DIN A4-Blatt mühelos durch die Klinge zerschneiden ließ. Anhand des von der Kammer erstellten Lichtbildes, bei dem auch ein Zollstock an die Klingen angelegt wurde, ergab sich, dass die Klingenlänge mindestens 75 cm betrug. Für Einzelheiten wird auf die Lichtbilder von Bl. 357, 358 d.A. und die Lichtbilder auf Bl. 90 d.A. verwiesen.
847)
85Die Feststellungen zur Einsichts- und Steuerungsfähigkeit folgen aus den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen F, denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt. Die Sachverständige hat nach Kenntnis der Gerichtsakten den Angeklagten untersucht; der Angeklagte hat hierbei mitgewirkt. Sie hat einen Cannabismissbrauch und – den Angaben des Angeklagten folgend, welche die Kammer für die Prüfung der §§ 20,21 StGB ebenfalls zugrunde legt – einen gelegentlichen Kokainkonsum festgestellt. Das vom Angeklagten dargestellte Konsummuster mit erhaltener Steuerung des Konsums, fehlenden Hinweisen auf eine wesentliche Beeinträchtigung oder Veränderung des Alltags und des Lebensstils erfülle nicht die Kriterien einer Abhängigkeit. In Ermangelung von anderen Hinweisen gäbe es insgesamt keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines der Eingangskriterien der §§ 20,21 StGB.
86IV.
87Nach den getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG und des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG strafbar gemacht.
88Die beiden Säbel stellen sonstige Gegenstände i. S. d. § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG dar, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei ihnen um Waffen im technischen Sinne (Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 Nr. 1 zum Waffengesetz) handelt, da sie ihrem Wesen nach geeignet und bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich oder Wurf Verletzungen beizubringen.
89V.
901.
91Im Rahmen der Strafzumessung war hinsichtlich der Tat vom ##.09.2019 vom Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auszugehen, der eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht.
92Es war vorab zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG vorlag, wofür eine Gesamtwürdigung vorzunehmen war.
93Zugunsten des Angeklagten sprach hier, dass er sich geständig eingelassen hat, dass er sich in dieser Sache für gute vier Monate in Untersuchungshaft befand, dass es sich um eine sog. „weiche“ Droge handelte, dass Taterträge eingezogen wurden, dass er bei der Tatbegehung noch relativ jung war, dass die Betäubungsmittel zumindest teilweise - beim früheren Mitangeklagten T - sichergestellt werden konnten und dass er seit Januar 2021 Termine bei der Drogenberatung wahrnimmt. Zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, dass er bereits vorbestraft ist, wenngleich es sich um eine Sanktion nach dem JGG handelt, und dass es sich bei der hier vorliegenden 18-fachen nicht geringen Menge um eine durchaus große Menge an Betäubungsmitteln handelte.
94Unter Würdigung dieser zugunsten und zulasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände hat die Kammer hier keinen minder schweren Fall angenommen, insbesondere, weil die gehandelte Menge die 18-fache nicht geringe Menge darstellte.
95Unter nochmaliger Berücksichtigung aller zulasten und zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände sah die Kammer eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten für tat- und schuldangemessen an.
962.
97Hinsichtlich der Tat vom ##.09.2019 war wiederum vom Strafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG auszugehen, der eine Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr vorsieht. Auch hier war zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 29 Abs. 2 BtMG vorlag, wofür wiederum eine Gesamtwürdigung vorzunehmen war. Dabei waren dieselben Erwägungen wie schon bei den Ausführungen zur Tat vom ##.09.2019 zu berücksichtigen. Lediglich zulasten des Angeklagten war hier nicht zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine vergleichbar große Menge an Betäubungsmitteln handelte, da bei dieser Tat lediglich etwa die dreifache nicht geringe Menge verkauft wurde.
98Unter Würdigung dieser zugunsten und zulasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände hat die Kammer hier einen minder schweren Fall angenommen, insbesondere, weil es sich hier nur um die dreifache nicht geringe Menge handelte und damit ein Abweichen vom Normalstrafrahmen angemessen erschien.
99Unter Annahme eines minder schweren Falles war damit von einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren auszugehen.
100Unter nochmaliger Berücksichtigung aller zugunsten und zulasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände sah die Kammer hier eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten für tat- und schuldangemessen.
1013.
102Hinsichtlich der Tat vom 20.08.2020 war vom Strafrahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auszugehen, der eine Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren vorsieht. Auch hier war zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall im Sinne des § 30a Abs. 3 BtMG vorlag, wofür eine Gesamtwürdigung vorzunehmen war.
103Zugunsten des Angeklagten sprach, dass er teilweise geständig war, dass er sich gute vier Monate in Untersuchungshaft befand, dass die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangt sind und der Angeklagte Termine bei der Drogenberatung seit dem Januar 2021 wahrnimmt. Zu seinen Gunsten war weiter zu berücksichtigen, dass das aufgefundene Bargeld eingezogen wurde.
104Zulasten des Angeklagten war die Vorstrafe des Amtsgerichts Münster zu berücksichtigen. Es war weiter zu seinen Lasten zu berücksichtigen, dass der Angeklagte seit Ende März 2020 Kenntnis von den gegen seine Person geführten Ermittlungen hatte und trotz dieser Warnung die Straftat beging. Die Kenntnis des Angeklagten von den Ermittlungen ergibt sich aus der von dem Zeugen KOK D vorgenommenen Handy-Auswertung, bei der die in Augenschein genommenen Lichtbilder auf dem Handy des Angeklagten festgestellt wurden. Auf diesen ist ein Bildschirm eines Laptops zu sehen, auf dem Seiten einer PDF-Datei dargestellt sind. Auf einem Bild., dessen Schriftzeichen zusätzlich verlesen wurden, ist der Dateiname zu lesen, der „T Ermittlungsakte.pdf“ lautet; zudem lautet die Überschrift der angezeigten Dokument-Seite „Chatauswertung A1“ und im Text werden die Personalien des Angeklagten genannt. Aus einem weiteren Zusatz auf dem Ausdruck „Erhalten am 31.03.2020“ folgt, , dass der Angeklagte bereits Ende März 2020 Bilder der Ermittlungsakte, die der frühere Mitangeklagte T von seinem Verteidiger bekommen und an den Angeklagten weitergeleitet hatte, kannte und deshalb von den konkreten Ermittlungen gegen seine Person wusste.
105Unter Berücksichtigung dieser zugunsten und zulasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände nahm die Kammer hier einen minder schweren Fall an, insbesondere, weil die besondere Gefährlichkeit des Betäubungsmittelhandels mit Waffen, vor der § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG schützen soll, sich hier nicht realisiert hat; insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte in seinem Zimmer Verkaufsgeschäfte durchführte. Zudem waren die beiden Säbel aufgrund ihrer langen Klingen auch in ihrer Anwendung unpraktikabel und damit aus Sicht der Kammer weniger gefährlich.
106§ 30a Abs. 3 BtMG sieht einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Allerdings war zugleich die Sperrwirkung des § 29a BtMG, der einen Mindeststrafrahmen von einem Jahr vorsieht, zu berücksichtigen. Da hier nach Ansicht der Kammer unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen jedenfalls kein minder schwerer Fall des § 29a BtMG vorliegen würde, galt damit der Mindeststrafrahmen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, so dass sich hier im Ergebnis ein Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren ergab.
107Unter Berücksichtigung aller zugunsten und zulasten des Angeklagten zu berücksichtigenden Umstände sah die Kammer hier eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten für tat- und schuldangemessen an.
1084.
109Unter nochmaliger Berücksichtigung aller Strafzumessungsgesichtspunkte hat die Kammer eine Gesamtfreiheitsstrafe von
110drei Jahren
111für tat- und schuldangemessen angesehen. Neben der überwiegend geständigen Einlassung des noch jungen Angeklagten fiel zu seinen Gunsten vornehmlich ins Gewicht, dass die Betäubungsmittel zu einem großen Teil nicht in den Verkehr gelangt sind; zu seinen Lasten war aber zu berücksichtigen, dass er trotz der strafrechtlichen Vorbelastung gehandelt und in weniger als einem Jahr drei Verbrechenstatbestände verwirklicht hat. Insbesondere hat er sich auch trotz Kenntnis von den gegen ihn geführten Ermittlungen von der dritten Tat nicht abhalten lassen. Deswegen schied eine nur ganz moderate Erhöhung der Einsatzstrafe aus.
112VI.
113Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt war nicht anzuordnen. Die Voraussetzungen für eine Unterbringung gemäß § 64 StGB sind nicht erfüllt.
114Zunächst war, bezogen auf den Konsum von Kokain, bei dem Angeklagten kein Hang im Sinne der Vorschrift feststellbar. Dabei konnte die Kammer selbst schon keine sicheren Anknüpfungstatsachen hinsichtlich eines Konsums von Kokain durch den Angeklagten treffen (s.o.). Auch unter Zugrundelegung der (korrigierten) Angaben des Angeklagten zu seinem Kokainkonsum kam die Sachverständige F zu dem Ergebnis, dass beim Angeklagten, bezogen auf Kokain, kein Hang festzustellen sei. Dieser habe unter Zugrundelegung seiner Angaben allenfalls gelegentlich Kokain konsumiert, was aus ihrer Sicht keinen Hang darstelle.
115Bezogen auf Marihuana ist bei dem Angeklagten nach der überzeugenden Beurteilung der Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließt, zwar ein Hang festzustellen, wobei die Cannabis-Abhängigkeit nur in geringem Maße bestehe. Ein Hang im Sinne einer eingewurzelten, durch Überzeugung erworbenen Neigung des Angeklagten, immer wieder die genannten Rauschmittel zu konsumieren, ist danach zu bejahen.
116Es fehlt allerdings an dem symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang (Cannabis) und den Anlasstaten. Nach den insoweit glaubhaften Angaben des Angeklagten hat dieser Marihuana etwa zwei- bis dreimal pro Woche konsumiert. Danach bestand ein monatlicher Finanzierungsbedarf von kaum mehr als 20 Euro. Denn – gerichtsbekannt – lässt sich Marihuana auch in Kleinmengen mit einem Wirkstoffgehalt im Bereich von durchschnittlich 10 % für zehn EUR pro Gramm erwerben. Darin enthalten sind gut sechs Konsumeinheiten. Die Kammer konnte nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Angeklagte aufgrund dieses sehr geringen Finanzbedarfes die hier in Rede stehenden Betäubungsmitteldelikte mit einem Verkaufspreis im jeweils vierstelligen Euro-Bereich begangen hat.
117VII.
118Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.
119VIII.
120Die Einziehungsentscheidung folgt aus §§ 73, 73a Abs. 1, 73c Satz 1 StGB.