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Der Angeklagte ist des Mordes schuldig.
Er wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Der Angeklagte wird verurteilt, an die Adhäsionsklägerinnen D1 und D2 ein Hinterbliebenengeld von jeweils 8.000,00 € zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Anspruch auf Hinterbliebenengeld auf einer unerlaubten Handlung beruht.
Im Übrigen wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag vom 24.06.2020 abgesehen.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, die durch den Adhäsionsantrag der Adhäsionsklägerinnen vom 24.06.2020 angefallenen gerichtlichen Kosten und die den Nebenklägerinnen erwachsenen notwendigen Auslagen. Von den den Adhäsionsklägerinnen und dem Angeklagten durch den Adhäsionsantrag vom 24.06.2020 entstandenen notwendigen Auslagen tragen der Angeklagte 40% und die Adhäsionsklägerinnen 60%.
Angewendete Vorschriften: § 211 Abs. 1 und 2 StGB
G r ü n d e :
2I.
3Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 52 Jahre alte Angeklagte arbeitete bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache als Wirtschaftsinformatiker und ist nicht vorbestraft.
4Er ist das einzige Kind seiner Eltern und in P1 geboren. Zu der Zeit arbeitete sein Vater als Koch, während seine Mutter bis zu seinem vierten Geburtstag keiner Erwerbstätigkeit nachging, um ihn zu Hause zu versorgen. Ab seinem fünften Lebensjahr kümmerte sich tagsüber die Großmutter um den Angeklagten und arbeiteten der Vater als kaufmännischer Angestellter, die Mutter in der Wäsche- und Gardinenabteilung eines Kaufhauses. 2013 ist der Vater des Angeklagten verstorben.
5Der Angeklagte besuchte eine Grundschule und anschließend ein Gymnasium, wo er nach unproblematischer Schullaufbahn mit 19 Jahren, also 1987, das Abitur erlangte. Danach verließ er sein Elternhaus und war für 4 Jahre als Soldat auf Zeit an einem Stützpunkt der Bundeswehr in den Niederlanden stationiert. Im Sommersemester 1992 begann der Angeklagte das Studium der Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule N1 und beendete es im Wintersemester 1995 nach Zwangsexmatrikulation ohne Abschluss. Trotzdem bezeichnete er sich später als Diplom Wirtschaftsinformatiker und rühmte sich im weiteren Verlauf seines Arbeitslebens eines Doktorgrades, den er vorgab, in den Niederlanden erlangt zu haben.
6Nach dem Abbruch des Studiums war der Angeklagte für verschiedene Arbeitgeber als Wirtschaftsinformatiker tätig, wobei er zeitweise auch Projekte im Ausland betreute. Das Fehlen eines Abschlussdiploms als Informatiker, das beispielsweise für seine Tätigkeit bei der D3 AG als … (genaue Berufsbezeichnung entfernt) erforderlich war, fiel nicht auf. Seit November 2015 war der Angeklagte Partner in der Firma U1 Software GmbH & Co. KG („U1“), wo er selbstständig für den Geschäftsbereich IT-Architektur, Sicherheit und Datenschutz zuständig war und verschiedene Projekte vorwiegend in …deutschland betreute. Sein Kommanditanteil, den er für 20.000 € erwarb, belief sich auf 10% und erlaubte es ihm, sich einen monatlichen Gewinnvorschuss von zuletzt etwa 5.000 € brutto auszubezahlen. Seinen Gesellschaftsanteil verkaufte der Angeklagte nach der Inhaftierung an die GmbH & Co. KG, wofür er 16.000 € erhielt.
7Seit dem Jahr 2000 ist der Angeklagte mit C1 verheiratet, die im selben Jahr den gemeinsamen Sohn C2 zur Welt brachte. Aus der Ehe ging noch ein weiterer Sohn, C3, hervor, der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 17 Jahre alt ist. Bis zu seiner Inhaftierung in dieser Sache lebte der Angeklagte mit seiner Familie in einem Reihenhaus in B1. Dieses war mit einem Kredit der Raiffeisenbank T1 eG finanziert, der zum 09.12.2019 ein Sollsaldo von 142.793,05 € aufwies. Anfang des Jahres 2020 verkauften der Angeklagte und seine Ehefrau das gemeinsame Haus, da insbesondere die laufenden Kosten der Darlehenstilgung seit der Inhaftierung des Angeklagten von der nunmehr alleinverdienenden und alleinerziehenden Ehefrau nicht mehr getragen werden konnten. Des Weiteren hat die Ehefrau des Angeklagten mittlerweile die Scheidung eingereicht.
8Der Angeklagte führt seit etwa 4 Jahren eine Affäre mit der Zeugin J1, was seiner Ehefrau auch schon im Jahr 2016 bekannt wurde. Es folgte eine vorübergehende Trennung der Eheleute, in deren Zuge der Angeklagte für einige Monate auszog. Nach der Versöhnung mit seiner Frau berichtete er der Zeugin J1, mit der er die Beziehung auch fortführte, wahrheitswidrig, dass seine Ehefrau an einem binnen kurzer Zeit zum Tode führenden Gehirntumor leide, und er deshalb zu ihr zurückziehen müsse, was er auch tat. Die Beziehung zu der Zeugin J1 besteht zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung fort.
9Sowohl seiner Ehefrau als auch seiner Geliebten gegenüber erklärte der Angeklagte, dass er aus seiner im … lebenden Familie verstoßen worden sei, weil er angeblich für den Tod seines Bruders bei einem Blauhelmeinsatz verantwortlich gemacht werde. Diese Geschichte ist frei erfunden, da der Angeklagte außer einem Halbbruder, der aus einer früheren Beziehung seines Vaters stammt und zu dem keinerlei Kontakt bestand, keine Geschwister hat und ihm auch keine Mitschuld an dem Tod eines Familienmitglieds gegeben wurde. Vielmehr löste sich der Angeklagte selbstbestimmt von seinen Eltern und hielt den Kontakt zu ihnen aus eigenem Interesse gering.
10Dabei etablierte er ihnen gegenüber eine Legende, die er auch bis zu seiner Inhaftierung aufrecht erhielt, nach der er in die USA ausgewandert und seitdem überwiegend in Nordamerika ansässig und geschäftstätig gewesen sei. Dass er eine feste Partnerin und 2 Kinder hat, erwähnte er nicht. Auch gegenüber seiner Tante C4, der Schwester seines Vaters und Opfer dieses Verfahrens, und deren Töchtern, den Nebenklägerinnen D2 und D1, gab er wahrheitswidrig vor, in Nordamerika zu leben und arbeiten. So habe er zunächst ein Luxusrestaurant in D4betrieben und Sozialtrainingskurse für straffällige Jugendliche gegeben. Später gab er an, nach Kanada umgezogen und dort gearbeitet zu haben. Er rühmte sich gegenüber seinen Familienmitgliedern auch damit, für Geheimdienste, den MAD und in anderen geheimen Angelegenheiten tätig gewesen zu sein, was ebenfalls frei erfunden war. Genau wie seinen Eltern verheimlichte er auch gegenüber C4 und ihren Töchtern seine Ehe und seine beiden Söhne. Zumindest C4 gegenüber gab er aber zuletzt an, er habe eine Freundin in B2 („…Vorname entfernt“), was insfoern der Wahrheit entspricht, als die Zeugin J1 mit Vornamen …(Vorname entfernt) heißt.
11Der sportliche Angeklagte gibt in seiner Freizeit Kurse in Selbstverteidigungstechniken wie Krav Maga und Aikido. Er trinkt nur selten Alkohol, wobei es sich dann auch nicht um große Mengen handelt, und nimmt keine Drogen. Eine schwere Kopfverletzung oder Hirnerkrankung hat er nie erlitten.
12Wegen der Vorwürfe des hiesigen Verfahrens wurde der Angeklagte am 04.09.2019 polizeilich festgenommen und befindet sich seit dem 05.09.2019 aufgrund des Haft-befehls des AG C5 vom selben Tag ununterbrochen in Untersuchungshaft in der JVA C5.
13II.
141. Vorgeschichte
15Der Angeklagte pflegte etwa seit dem Jahr 2010 ein gutes Verhältnis zu seiner Tante, der 68 Jahre alt gewordenen C4. Diese lebte allein in C5 in ihrem eigenen Reihenhaus, …(Adresse entfernt). Der Kontakt beinhaltete sowohl SMS und Telegram-Nachrichten als auch Anrufe und mehrmals (etwa 2- bis 3-mal) im Jahr stattfindende Besuche, die der Angeklagte seiner Tante in C5 abstattete. Trotz des vergleichsweise engen Verhältnisses – 2016 wohnte er während eines beruflichen Engagements bei der Firma M1 in C5 für einige Wochen bei ihr und gab einen von ihr organisierten Selbstverteidigungskurs in ihrem Bekanntenkreis – verschwieg der Angeklagte seiner Tante bis zuletzt die Existenz seiner Ehefrau und Kinder sowie den Umstand, dass er seit mehreren Jahren in B1 im Landkreis I1 wohnte.
16C4 war, wie der Angeklagte wusste, finanziell gut ausgestattet. So besaß sie neben ihrem Wohnhaus zwei weitere Immobilien, verfügte aus übergegangenen Pensionsansprüchen ihres verstorbenen Ehemanns über einen Betrag von monatlich mehr als 5.000 € und hatte zudem Rücklagen gebildet.
17Im Sommer 2016 gewährte sie dem Angeklagten auf seine Bitte ein Darlehen über 25.000 €. Er hatte ihr gegenüber wahrheitswidrig angegeben, er benötige das Geld, um für das angeblich in D4 betriebene Luxusrestaurant kurzfristig Steuerschulden wegen einer Falschberatung seines Steuerberaters in den USA tilgen und so das Entstehen von Mahngebühren verhindern zu können. Er stellte in Aussicht, den Steuerberater zu verklagen, um den Betrag von dessen Steuerberaterversicherung ersetzt zu bekommen. C4, die den Angeklagten für beruflich erfolgreich hielt und von einem nur kurzfristigen finanziellen Engpass ihres Neffen ausging, schenkte seinen Angaben insgesamt Glauben. Die Darlehensvaluta überwies C4 am 25.07.2016 mit dem Verwendungszweck „PRIVATES DARLEHENLT. VERTRAG V. 23.07.2016“ auf das vom Angeklagten genannte Konto DE00000000000000000000 bei der Commerzbank. Es handelte sich dabei um das gemeinsame Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau. Tatsächlich benötigte er das Geld, und gab es in der Folge größtenteils auch in Erfüllung dieses Zwecks aus, um seinen Kommanditanteil in Höhe von 20.000 € bei der U1 Software GmbH Co. KG entrichten zu können.
18C4 und der Angeklagte vereinbarten in einer undatierten, mit „Darlehensvertrag“ überschriebenen Urkunde das Folgende (Hervorhebungen wurden übernommen):
19Darlehensvertrag
20Zwischen C4. - …(Adresse entfernt)
21im Folgenden "Darlehensgeberin" ,
22und
23…(Name und Adresse d. Angeklagten entfernt)
24im Folgenden "Darlehensnehmer",
25wird folgender Darlehensvertrag geschlossen:
26§ 1 Vertragsgegenstand
27Die Darlehensgeberin gewährt dem Darlehensnehme ein privates zinsloses
28Darlehen in Höhe von 25.000 Euro.
29§ 2 Darlehenslaufzeit und Beendigung
301. ( 1 ) Laufzeit und Tilgung
31Das Darlehen wird für einen Zeitraum von maximal drei Jahren gewährt. Das
32Darlehen ist, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens am
3331.07.2019 auf das von der Darlehensgeberin zu benennende Konto
34zurückzuzahlen. Der Darlehensnehmer ist berechtigt und bemüht, vorfristig
35Zahlungen zu leisten, die seinen Möglichkeiten entsprechen und à priori in
36ihrer Höhe nicht festgesetzt werden. Jegliche Zeitpunkt und Höhen der
37vorfristigen Zahlungen bestimmt der Darlehensnehmer nach seinen
38finanziellen Möglichkeiten. Er ist verpflichtet, die Darlehensnehmerin immer
39vorrangig vor etwaigen weiteren Gläubigern zu bedienen.
402. Verzinsung
41Das Darlehen wird zinslos gewährt. Im Gegenzug verpflichtet sich der Darlehensnehmer dazu, einem von der Darlehensgeberin zu bestimmenden
42gemeinnützigen Verein eine Summe in Höhe von 1.200 Euro zu spenden.
43Diese Spende wird spätestens mit Ablauf dieses Vertrags fällig.
44§ 3 Abtretung
45Sollte die Darlehensgeberin während der Laufzeit dieses Vertrages sterben,
46so ist der Darlehensgeber verpflichtet, die geschuldete Summe in gleichen
47Teilen den beiden Töchtern der Darlehensgeberin, D1, geb.
4800.00.1978, und D2, geb. 00.00.1979, fristgerecht zurückzuzahlen.
49Sollten eine oder beide Töchter zu diesem Zeitpunkt nicht mehr leben oder
50nicht voll geschäftsfähig sein, so treten an die Stelle der jeweiligen Tochter
51deren Kinder zu jeweils gleichen Teilen.
52§ 4 Sicherung
53Der Darlehensnehmer verpflichtet sich dazu, die Darlehensgeberin als
54alleinige begünstigte Person der Lebensversicherung Nr. 000000000 bei der
55U2 Lebensversicherung AG mit Todesfallleistung von mindestens der
56Höhe des Darlehens zu benennen und bis zum 31.08.2016 eintragen zu
57lassen.
58§ 5 Sonstiges
59Sollte eine der Klauseln dieses Vertrages unwirksam sein, so berührt dies den
60Vertrag im Übrigen nicht. Die Parteien verpflichten sich in diesem Fall, an
61Stelle der unwirksamen Klausel eine solche zu setzen, die dem wirtschaftlich
62Gewollten am nächsten kommt.
63Nebenabreden zu diesem Vertrag existieren nicht.
64C5, ____________
65_________________ _________________
66C4 (Name d. Angeklagten)
67Das der Kammer – in Kopie vorliegende - Vertragsformular ist vom Angeklagten auf der dafür vorgesehenen Linie am Ende des Vertragstextes unterschrieben.
68Der Angeklagte stellte sich schon zum Zeitpunkt der Darlehensabrede vor, dass er das Darlehen möglicherweise nicht oder nicht fristgerecht zurückzahlen werde. Rücklagen zur Begleichung der Darlehensschuld bildete er zu keinem Zeitpunkt. Um eine Rückforderung seiner Tante zu erschweren, gab er in dem Vertrag seinen Wohnort mit „…“ (Adresse entfernt) an, obwohl er dort nie gewohnt hatte. Die laut Darlehensvertrag von ihm zu gewährende Sicherheit, seine Tante in Höhe des Darlehensbetrages als allein begünstigte Person aus einer bei der U2 Lebensversicherung AG geführten Lebensversicherung mit der Nummer 000000000 zu benennen, war wertlos, weil eine solche Versicherung nicht existierte, wie der Angeklagte wusste.
69In der Folge kam es zu keinen Rückzahlungen des Angeklagten auf das Darlehen. Seiner Ehefrau spiegelte er jedoch, unter Fingierung entsprechender Anweisungen am 31.03. („Rückzahlung, Teil 1 von 3 Empfänger C4“) und 29.06.2017 („Rückzahlung, Teil 2 Empfänger (gem. Nachname d. Angeklagte u. d. Opfers“) von dem gemeinsam geführten Konto bei der Commerzbank, vor, er habe in zwei Tranchen einen Gesamtbetrag von 6.666 € an seine Tante zurückbezahlt. Tatsächlich gingen von dem Commerzbank Konto der Eheleute … auch zweimal Beträge von 3.333 € ab, allerdings handelte es sich bei dem Zielkonto nicht um ein Konto der C4, wovon die Ehefrau des Angeklagten – wie von diesem beabsichtigt – ausging, sondern um ein ihr unbekanntes Konto des Angeklagten, von wo aus das Guthaben weder an C4 weitergeleitet noch abgehoben und ihr in bar überreicht wurde. Auch hatte C4 bis zu ihrem Tod dem Angeklagten nicht die Rückzahlung des Darlehens erlassen oder – was der Angeklagte seiner Ehefrau im Zusammenhang mit den fingierten Rückzahlungen berichtete – einen über 10.000 € hinausgehenden Betrag des Darlehens schenkweise erlassen.
70Nach der Auskehrung der Darlehensvaluta am 23.07.2016 fragte C4 gelegentlich, so beispielsweise am 16.08.2018 und 20.03.2019 per Textnachricht beim Angeklagten nach, ob und wann er ihr Teile des Darlehens zurückzahlen könne, worauf der Angeklagte sie jeweils vertröstete. So schrieb er in einer Textnachricht vom 20.03.2019 in Beantwortung ihrer Frage nach einer Zahlung auf ihre Darlehensrückzahlungsforderung („Lieber (Vorname d. Angeklagten entfernt), können wir die Tage mal wieder telefonieren … einfach so & wegen Geldrückzahlung. Oder besser noch: du kommst mal wieder vorbei. Herzliche Umarmung (Vorname entfernt)“):
71„Liebe …(Vorname d. Opfers entfernt), bin gerade wegen des Geldes in Nordamerika unterwegs. Wir hatten den Abschluss im Resto für 2018 gemacht () und nächste Woche habe ich in Kanada den Gerichtstermin wegen Zahlung Versicherung ()! Ich bin happy und werde nach Ostern wieder nach DE kommen – und dann sehen wir uns auch endlich wieder. Fühl Dich gedrückt. (Vorname d. Angekl. entfernt)““
72Tatsächlich ließ seine finanzielle Situation in 2019 praktisch keine Rückzahlung des Darlehens aus eigenen Mitteln zu, da das Geschäftsjahr 2018 für den Angeklagten weniger erfolgreich verlaufen war als die Jahre zuvor. Er konnte sich daher in 2019 nur noch einen monatlichen Gewinnvorab von 5.000 € vor Steuern auszahlen lassen, der für die Bildung von nennenswerten Rücklagen zur Darlehensrückzahlung oder sofortigen Rückzahlung nicht ausreichend war, weil er durch Steuern, die Lebenshaltungskosten und finanziellen Verpflichtungen der Familie des Angeklagten regelmäßig aufgezehrt wurde. Im Sommer 2019 verschärfte sich die Situation, als der Angeklagte ab Ende Mai/Anfang Juni kein Projekt mehr für die U1 betreute und der auf ihn laufenden Kostenstelle mangels Umsatzes eine Verlustzuweisung drohte, die zu einer weiteren Kürzung des Gewinnvorabs im Jahr 2020 geführt hätte.
73Auch eine weitere Erwerbsquelle aus einem in 2019 betriebenen „Informatikbüro …(Name d. Angeklagten entfernt)“ („I..“) änderte an den knappen finanziellen Verhältnissen nichts. Gemeinsam mit dem Zeugen D5, der selbstständig und auf eigene Rechnung arbeitete, erstellte der Angeklagte für die Firma I2 GmbH eine App für den Messebau. Die im gesamten Jahr 2019, also auch noch nach seiner Inhaftierung, generierten Einnahmen beliefen sich auf über 71.000 €. Nach der mit dem Zeugen D5 getroffenen Abrede stand diesem davon ein Anteil von etwa 40.000 € zu, den er mit verschiedenen Teilrechnungen einforderte und auch bezahlt bekam. Die verbliebenen Einnahmen des Angeklagten waren noch nicht versteuert, führten jedoch ohnehin nicht zur Schaffung eines finanziellen Polsters, da er im April 2019 eine Steuernachzahlung in Höhe von 25.000 € zu leisten hatte.
742. Tatvorgeschehen
75Für Freitag, den 02.08.2019 war ein Besuch des Angeklagten bei seiner Tante in C5 verabredet, wobei Anlass für den Besuch, welcher nicht nur bis zum Nachmittag, sondern mindestens bis in die Abendstunden gehen sollte, auch die dann seit zwei Tagen fällige Darlehensrückzahlung sein sollte. Tatsächlich wollte der Angeklagte das Geld auch zu dieser Zeit nicht zurückzahlen und verfügte auf seinen Konten auch nicht über entsprechende freie Mittel. Er unternahm auch keine Anstrengungen, ein anderweitiges Darlehen aufzunehmen, um die Forderung seiner Tante zu erfüllen.
76Am Tag vor dem Besuch, also am Donnerstag, den 01.08.2019, suchte der Angeklagte in der Mittagszeit den Baumarkt der Firma G1 GmbH in N1 unweit seines Wohnortes auf und erwarb dort eine „Gewebeplane Standard Profi 3x4 m grün“ mit in den Rand eingelassenen Ösen und Kordelverstärkung, eine „Flaggenleine, 5mm, weiß, KF blau“ und eine Packung mit 50 Stück Kabelbindern 370x4,8 mm. Zu diesem Zeitpunkt zog er es zumindest in Erwägung, C4 zur Vermeidung der weiteren Geltendmachung ihres Rückzahlungsanspruchs zu töten. Sollte es so weit kommen, beabsichtigte er, den Leichnam seiner Tante in die zu diesem Zweck erworbene Gewebeplane einzuwickeln, um ihn ungesehen in ein Auto und sodann ohne das Entstehen von Spuren darin anderenorts zu „entsorgen“.
77Am 02.08.2019 erreichte der Angeklagte das Wohnhaus der C4 etwa gegen 14:10 bis 14:15 Uhr. Er war mit dem ihm von der Firma U1 zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellten Firmenwagen Volvo V 90, amtliches Kennzeichen 00-00 000, angereist und trug sein ebenfalls von der U1 gestelltes Mobiltelefon Samsung Galaxy S8 mit der Rufnummer 00000-0000000 bei sich. Er wurde freudig von seiner Tante empfangen und ins Haus gebeten, wo die beiden ein gemeinsames Mittagessen einnahmen.
783. Tatgeschehen
79Zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt zwischen der letzten Nutzung ihres Handys zum Absetzen einer SMS an ihre Tochter D2 um 15:42 Uhr und etwa 16:00 Uhr setzte der Angeklagte seinen vorher in Erwägung gezogenen Tatplan um und erwürgte seine Tante, wobei das ihn leitende Motiv bei der Tatbegehung war, den fälligen Darlehensrückforderungsanspruch der C4 nicht bedienen zu müssen. Insofern war ihm zwar klar, dass C4 nahestehende Personen, etwa ihre Tochter D1, von der Darlehensschuld wissen konnten. Er ging aber davon aus, dass diese Ansprüche letztlich nicht geltend machen würden oder konnten, weil ihnen Genaueres nicht bekannt war, oder er sich, wie auch gegenüber seiner Ehefrau, darauf würde berufen können, die Darlehensschuld bereits beglichen oder schenkweise erlassen bekommen zu haben.
80Dass C4 im Zeitpunkt des Angriffs auf ihr Leben nicht mit einem solchen rechnete, war nicht festzustellen, zumal es zuvor möglicherweise zu einem Streit des Angeklagten und seiner Tante über die Darlehensrückzahlung gekommen sein könnte. Durch den mit einigem Kraftaufwand geführten und für wenigstens drei Minuten anhaltenden Würgegriff unterbrach der Angeklagte die Luftzufuhr und verursachte den Tod der C4 durch Sauerstoffmangel. Beim Zudrücken des Halses brachen sowohl das linke und rechte Oberhorn des Kehlkopfes als auch das Zungenbein.
81Zum Zeitpunkt der Tatbegehung war der Angeklagte uneingeschränkt in der Lage, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
824. Tatnachgeschehen
83Sodann nahm der Angeklagte das Handy Huawei und den Schlüsselbund der Getöteten an sich, um beides verschwinden zu lassen. Den in die Gewebeplane gewickelten und verschnürten Leichnam seiner 1,65 m großen und schlanken Tante verbrachte er in sein Fahrzeug. Dieses hatte er zu diesem Zweck direkt am vor dem Hauseingang der C4 liegenden Bürgersteig geparkt, um die Gefahr der Entdeckung beim Verbringen in den Pkw zu minimieren. Auf der Autofahrt entsorgte er jedenfalls das Handy, ggfls. auch den Schlüsselbund, in der Zeit ab etwa 16:36 Uhr im Bereich des nahe zum Wohnhaus der C4 liegenden, überwiegend aus Grün- und Ackerflächen bestehenden Gebiets im Umfeld der Straßen N2 und Z1, wo das Handy jedenfalls bis zum 05.08.2019, 6:01 Uhr verblieb, bislang aber nicht gefunden werden konnte. Er fuhr danach im Wesentlichen über die A1 in nördliche Fahrtrichtung nach B1 zurück, wo er am Abend ankam, nachdem er um 17.02 Uhr an der Raststätte … (Ort entfernt) den Bezahlvorgang nach dem Betanken seines Pkw abgeschlossen hatte.
84Entweder fuhr er bereits vor seiner Heimkehr in das Haus der Familie, spätestens jedoch im weiteren Verlauf des nun folgenden Wochenendes, mit dem in die Gewebeplane eingewickelten Leichnam der C4 in seinem Auto zum C6weg nach U3, wo er den Leichnam ohne die Gewebeplane eine steile, 2-3 m tiefe, mit Buschwerk bewachsene Böschung, an deren Fuß sich ein Teich befand, hinunter ließ. Es handelt sich bei dem C6weg um eine einspurige, asphaltierte Zuwegung zu einem Recyclinghof, die wenig von Pkw befahren wird. Dem Angeklagten war der Recyclinghof bekannt, weil er dort in der Vergangenheit Gartenabfälle entsorgt hatte. Die Straße führt an Feldern, Wäldern und Teichen vorbei zu einem Friedhof und wird auch von Spaziergängern und Fahrradfahrern genutzt, ist aber insgesamt wenig frequentiert. Sie mündet an zwei Stellen in die U3er-Straße, eine Bundesstraße. Beim Abladen des Leichnams ging der Angeklagte davon aus, dass der Leichnam an der abgelegten Stelle zumindest für einige Zeit nicht aufgefunden werden würde und durch die fortschreitende Verwesung möglicherweise nicht mehr feststellbar sein würde, dass C4 Opfer eines Gewaltverbrechens geworden war.
85Tatsächlich wurde die Leiche erst am 30.08.2019 in stark verwestem Zustand zufällig von einer Spaziergängerin entdeckt, deren Hund den Leichengeruch gewittert hatte. Der Leichnam lag an einem etwa 5 m hohen Baum direkt am Wasser des Teichs und war von der Straße aus nicht erkennbar. Der Fundort liegt 5,36 km Luftlinie vom Wohnhaus des Angeklagten in B1 entfernt.
86Vorher bereits, nämlich am 06.08.2019, hatte die Enkelin G2 der C4 diese als vermisst gemeldet, nachdem sie keine Lebenszeichen mehr von ihrer auch mit dem Handy sehr kommunikationsfreudigen Großmutter erhalten hatte und ihr am 05. und 06.08.2019 Ungereimtheiten am Wohnhaus … (Adresse entfernt) aufgefallen waren, die mit den Gewohnheiten ihrer abwesenden Oma unvereinbar waren. So war am Haus die gelbe Markise über der Terrasse gespannt, eine Terrassentür befand sich in Kippstellung, die Haustür war nur ge-, aber nicht verschlossen und in der Küche standen ungespülte Kochutensilien mit Essensresten herum, die zum Zeitpunkt der Entdeckung durch G2 und die Nachbarin R1, die über einen Schlüssel zum Haus der C4 verfügte, bereits Schimmel angesetzt hatten.
87Der Angeklagte wurde am 07.08.2019 telefonisch von dem Zeugen KOK P2 befragt und sodann am 09.08.2019 bei der Kriminalpolizei in I1 von KHK D6 als Zeuge vernommen, weil zwischenzeitlich über die Tochter der C4, die Nebenklägerin D1, die vom Besuch des Angeklagten bei ihrer Mutter wusste, bekannt geworden war, dass der Angeklagte seine Tante am 02.08.2019 besucht hatte und er damit die zu dieser Zeit letzte bekannte Person war, die die Vermisste gesehen hatte.
88Der Angeklagte gab in der Zeugenvernehmung an, er habe seine Tante in der Zeit zwischen 14 und 16:00 Uhr besucht, weil diese Stress mit ihrer psychisch kranken Tochter D2 gehabt habe und deshalb Verteidigungstechniken in Krav Maga, insbesondere die Befreiung aus Würgegriffen, habe auffrischen wollen. Nach dem Besuch sei er zur Wohnanschrift seiner Cousine D2 gefahren, die er aber nicht angetroffen habe.
89Nachdem weitere Ermittlungen ergaben, dass der rege Kontakt über Handynachrichten zu der vermissten C4 ungefähr zur Zeit des Besuchs des Angeklagten abgebrochen war, wurde der Angeklagte in den Status des Beschuldigten erhoben und am 12.08.2019 Durchsuchungen seines Wohnhauses und seines Firmenwagens vom Amtsgericht C5 angeordnet, welche am Vormittag des 14.08.2019 stattfanden. Währenddessen äußerte der als Beschuldigter belehrte Angeklagte gegenüber der Zeugin KHK‘in Q1 unter anderem, dass er seiner Zeugenaussage nichts hinzuzufügen habe, dass er nie in den USA gelebt habe, dies vielmehr frei erfunden habe, um gegenüber seiner Verwandtschaft in Münster sein nur sporadisches Melden zu rechtfertigen, er das Informatikstudium in N1 nicht abgeschlossen habe und sich mit einem Doktortitel „schmücke“, weil dies einen besseren Eindruck mache. Er habe sich von C4 vor ca. 3 Jahren 20.000 bis 25.000 € geliehen, die er für seine Selbstständigkeit benötigt habe. Einen Teil des Geldes habe er in bar an seine Tante zurückgezahlt, bei dem Rest habe es sich um eine Schenkung gehandelt. Der damals von C4 aufgesetzte Mustervertrag sei nie unterschrieben worden. Der Angeklagte äußerte nach seiner Verbringung auf die Polizeiwache I1 gegenüber der Zeugin Q1 weiter, dass er nach dem Besuch bei seiner Tante zu deren Tochter D2, … (Adresse entfernt), gefahren sei, um diese zur Rede zu stellen. Sie habe jedoch auf sein Klingeln die Tür nicht geöffnet. Über Faserspuren der Vermissten in seinem Pkw würde er sich nicht wundern, da er mit dieser wegen der Selbstverteidigungsübungen im Wohnzimmer schließlich körperlichen Kontakt gehabt habe.
90In der Mittagszeit desselben Tages wurde eine Kopie des von dem Angeklagten unterzeichneten Darlehensvertrages bei einer erneuten Begehung des Wohnhauses der C4 in deren Arbeitszimmer im 1. OG durch EKHK Q2 aufgefunden.
91Nach dem Leichenfund am 30.08.2019 wurde in der Presse unter der Überschrift „Leiche bei U3 gefunden“ davon berichtet. Das Geschlecht und die Identität des Leichnams wurden nicht mitgeteilt. Dem Angeklagten war danach sofort klar, dass der von ihm in U3 abgelegte Leichnam seiner Tante gefunden worden war. Da er deshalb nunmehr ernsthaft seine Festnahme befürchtete, übersandte er am 01.09.2019, und damit noch vor der am 03.09.2019 erfolgten Obduktion mit Identitätsfeststellung über den Zahnstatus, an seinen Geschäftspartner D5 eine E-Mail mit einem verschlüsselten Anhang, welcher Anweisungen betreffend das oben genannte gemeinsame berufliche Projekt für den Fall seiner Festnahme enthielt. Nach der Festnahme des Angeklagten erhielt der Zeuge D5 das zur Öffnung des Anhangs erforderliche Passwort von der Ehefrau des Angeklagten ebenfalls per E-Mail.
92C4 wurde durch ihre Töchter D1 und D2 aufgrund eines von ihr hinterlassenen Testaments vom 31.01.2010 beerbt.
93III.
94Die Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, soweit die Kammer dieser zu folgen vermochte, sowie auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Art und Umfang aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ersichtlich sind.
95Der Angeklagte hatte zunächst über seine Verteidiger erklären lassen, sich schweigend verteidigen zu wollen. Davon ist er am 6. Hauptverhandlungstag abgerückt, als er zunächst eine Einlassung zu seiner Person verlesen hat, zu der keine Nachfragen gestattet wurden. Am 12. Hauptverhandlungstag dann, nachdem die Kammer zu erkennen gegeben hatte, die Beweisaufnahme schließen zu wollen, hat der Angeklagte über seine Verteidiger von sich aus um die Erteilung des Wortes gebeten und sich sodann auch zur Sache eingelassen und den Nachfragen der Kammer und Prozessbeteiligten insgesamt gestellt.
961. zur Person
97In seiner Einlassung zur Person hat der Angeklagte seinen Lebenslauf weitgehend wie festgestellt geschildert, jedoch zunächst mit Auslassungen, die er erst im Rahmen seiner Einlassung zur Sache jeweils auf Nachfragen der Kammer aufgeklärt hat. Die Ergebnisse der zum Zeitpunkt der Einlassung bereits durchgeführten Beweisaufnahme zum Werdegang des Angeklagten haben sich durch seine Angaben bestätigt. Dabei war allerdings zu berücksichtigen, dass die Zeugin C7, die Mutter des Angeklagten, ohnehin nur über diejenigen Umstände seines Werdegangs ab dem Auszug aus dem elterlichen Haushalt berichten konnte, die ihr von ihrem Sohn mitgeteilt worden waren. Dass er seiner Mutter falsche Informationen etwa über seine Auswanderung gegeben hatte, hat der Angeklagte ebenfalls eingeräumt. Als Grund hierfür hat er, worüber die Kammer weiter keinen Beweis erhoben hat, angegeben, dass er auf Abstand zu seinen alkoholkranken Eltern gehen wollte, nachdem diese ihm Vorwürfe gemacht hätten, als er von der Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin, mit der er damals noch nicht verheiratet war, berichtet habe. Sie hätten ihn zu dieser Zeit ständig angebettelt, weil sie ihr ganzes Geld in Alkohol gesteckt hätten. Als er berichtet habe, Vater zu werden, habe seine Mutter sinngemäß geäußert, „er lasse seine Eltern verhungern, während er irgendwelchen Schlampen ein Kind mache“.
98Ebenfalls eingeräumt hat der Angeklagte, dass er C4 und ihren Töchtern erfundene Geschichten – wie festgestellt – über seinen Lebensweg „aufgetischt“ habe.
99Dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, folgt aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 09.12.2019.
1002. zur Sache
101a) Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung
102In seiner Einlassung hat der Angeklagte die Begehung der Tat und den Transport des Leichnams nach U3 bestritten. Als er sich am 02.08.2019 gegen 16 Uhr von seiner Tante verabschiedet habe, sei diese „putzmunter und vergnügt“ gewesen. Er habe sein ganzes Leben ein gutes Verhältnis zu ihr und nie einen Grund gehabt, ihr etwas anzutun. Im Einzelnen:
103Das Treffen am 02.08.2019 habe nichts mit dem Darlehen zu tun gehabt. Es sei aber richtig, dass seine Tante ihm im Sommer 2016 einen Betrag von 25.000 € geliehen habe. Es sei jedoch weder ein schriftlicher Vertrag aufgesetzt noch ein Fälligkeitszeitpunkt für die Rückzahlung des Darlehens vereinbart worden. Stattdessen habe seine Tante ihm gestattet, immer nur so viel zurückzuzahlen, wie er eben gerade könne. Er sei davon ausgegangen, dass er das Darlehen binnen 4 Jahren zurückgezahlt haben würde, und habe ihr das auch so gesagt.
104Den von der Polizei in Kopie bei seiner Tante sichergestellten Darlehensvertrag habe er nie zuvor gesehen, geschweige denn unterzeichnet. Man habe darüber gesprochen, ob man einen Vertrag aufsetzen sollte und er habe seiner Tante angeboten, einen Vertrag zu machen. Weil sie aber nicht gewusst hätte, was man da hätte hineinschreiben sollen, hätten sie davon abgesehen. Hintergrund der Überlegungen sei auch lediglich gewesen, dass sie unsicher gewesen seien, ob man für das Finanzamt einen schriftlichen Vertrag brauchen würde. Sie seien sich aber einig geworden, dass man für diesen Fall einen dann zurückzudatierenden Vertrag hätte aufsetzen können. Ansonsten seien Streitereien über den Vertrag oder dessen Modalitäten, für die es einer schriftlichen Fixierung bedurft hätte, nicht zu erwarten gewesen, schließlich „seien sie ja Familie“.
105Er könne sich nicht erklären, woher seine Tante einen kopierten Darlehensvertrag mit dem festgestellten Inhalt gehabt habe. Vielleicht habe sie eine Vorlage aus dem Internet genommen und schon begonnen, diese auf ihr Darlehen auszurichten. Er habe jedenfalls nie in Berlin gelebt und unterschreibe auch anders. Eine Lebensversicherung bei der U2 mit der im Vertrag genannten Versicherungsnummer habe er auch nie besessen, allerdings habe er zwei Lebensversicherungen mit anderen Versicherungsnummern bei der U2 abgeschlossen. Er habe jedoch im Zuge der Darlehensgewährung auch nie mit seiner Tante über Sicherheiten gesprochen. Zinsen seien nicht vereinbart worden, stattdessen habe er – wie auch in der kopierten Vertragsurkunde ausgewiesen – angeboten, eine Spende für eines ihrer Projekte zu leisten.
106Entsprechend der losen Vereinbarungen zwischen ihnen habe seine Tante ihm auch nie Druck gemacht, das Darlehen zurückzuzahlen. Die im Laufe der Beweisaufnahme verlesene SMS aus März 2019, in der seine Tante nach der Rückzahlung von Geld fragte, beziehe sich zwar auf die Darlehensrückzahlungsforderung, sei aber nur als Bitte ihrerseits zu verstehen gewesen. Sie habe für bestimmte Aktivitäten, die er im Einzelnen nicht kenne, Geld benötigt. So habe sie beispielsweise auch Geld an andere Leute verliehen. Es stimme auch, dass er seiner Tante in Beantwortung der Nachricht, um Zeit zu gewinnen, eine Lüge „aufgetischt“ habe, als er vorgab, zu der Zeit in Nordamerika gewesen zu seien und auf den bevorstehenden Gerichtstermin wegen einer Zahlung der Versicherung des Steuerberaters zu warten. Es sei dies eine Fortführung der Lügen gewesen, mit welchen er sie überhaupt erst zur Gewährung des Darlehens überredet habe, denn als er ihr erzählt habe, er brauche das Geld für eine Firmenbeteiligung in Deutschland, habe sie ihm gesagt, dass sie ihr Geld „nicht in windige Firmen investieren“ wolle. Sie habe sich aber damit einverstanden erklärt, dass er mit dem geliehenen Geld Steuerschulden in Nordamerika begleiche, als er ihr die Geschichte von den drohenden Mahngebühren erzählt habe, weil sie ihm dadurch einen reibungslosen Neustart in Deutschland habe ermöglichen wollen.
107Er habe seiner Tante in Erfüllung ihres Rückzahlungsanspruchs bei verschiedenen Gelegenheiten Bargeld übergeben. Sie habe auf seine Frage ausdrücklich erklärt, dass sie weder Barzahlungen noch Überweisungen bevorzuge. Bis zum Zeitpunkt ihres Verschwindens seien so etwa 7.000 bis 8.000 € in bar an sie zurückgegangen, wobei er ihr neben einigen dreistelligen Beträgen im Juni 2019 3.500 € und im Jahr 2018 einmalig 3.000 € überreicht habe. Eine Liste über die Rückzahlungen habe er nicht geführt, so dass er den genauen Stand der Tilgung nicht benennen könne. Was sie mit dem Bargeld gemacht habe, wisse er nicht. Vielleicht habe sie es Flüchtlingen geschenkt oder, was sie ihm gegenüber mal angedeutet habe, davon Reisen mit G2 oder guten Wein finanziert.
108Für die Rückzahlungen an seine Tante habe er unversteuerte Einkünfte („Schwarz-geld“) genutzt. Er habe durch die Erledigung von kleineren IT-Aufträgen bei Freunden und Bekannten, bei denen er einen Router oder Ähnliches installiert habe, aber auch durch größere Installationen, beispielsweise einer Serverumgebung, ein bisschen was nebenbei verdient („ein paar Scheine“). Die Namen der Auftraggeber sowie die Umstände der einzelnen Aufträge wolle er aber nicht benennen. Durch die Rückzahlungen an seine Tante habe er dieses Schwarzgeld gewaschen. Zudem habe er (unversteuerte) Erträge aus Währungsspekulationen mit Kryptogeld erzielt. Einzelheiten dazu, etwa Kontoverbindungen, auf die die Erträge geflossen sein sollen, die Höhe der Gewinne oder die Kryptowährungsart, wolle er ebenfalls nicht benennen.
109Trotz der Rückzahlungen in bar habe er die zwei „Fake-Überweisungen“ vorgenommen, also nur so getan, als überweise er Geld an seine Tante in Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs, während das Geld tatsächlich auf ein anderes von ihm geführtes Konto ging. Er habe diese Überweisungen veranlasst, um seiner Frau, die von dem Darlehen gewusst habe, vorzuspiegeln, dass er das Darlehen ordnungsgemäß zurückzahle. Sie sei als Bankerin strikt gegen Schulden gewesen und habe ihn aufgefordert, die Darlehensforderung möglichst zeitnah zurückzuzahlen. Weil sie von seinen unversteuerten Nebeneinkünften nichts gewusst habe, habe er ihr auch nicht sagen können, dass er das Darlehen bar zurückzahlen wollte.
110Er habe ihr zudem erzählt, dass seine Tante ihm einen über 10.000 € hinausgehen-den Betrag schenkweise erlassen habe. Das sei zwar nicht richtig, aber es stimme, dass C4 ihm angeboten habe, das Darlehen nicht mehr zurückzuzahlen. Das sei 2017 oder 2018 gewesen, als sie nach einem Besuch des Restaurants I3 in C5 „bierduselig“ gewesen sei. Er habe ihre Schenkung nicht angenommen. Auch nicht, als sie ihm zu einem späteren Zeitpunkt nochmal angeboten habe, den Restbetrag zu erlassen. Ihm habe nicht gepasst, dass er so einen großen Betrag von ihr geschenkt bekommen sollte. Stattdessen stellte er sich vor, dass sie sich „irgendwo in der Mitte treffen“, womit er meine, dass er ihr zusätzlich zu den bereits gezahlten 7.000 bis 8.000 € noch weitere 5.000 bis 10.000 € hätte zurückzahlen wollen und sich dann den Rest hätte schenken lassen.
111Es stimme, dass er am 01.08.2019 bei der Firma G1 in N1 eingekauft und währenddessen auch am Telefon mit seiner Tante über den am nächsten Tag anstehenden Besuch gesprochen habe. Er habe den Baumarkt aufgesucht, um Dinge zu kaufen, die in keinem Bezug zu der ihm vorgeworfenen Tat stünden. Er habe ständig eine Liste bei sich im Auto gehabt, auf der er noch zu besorgende Baumarktartikel notiert gehabt habe. An diesem Tag habe er u.a. Feuerholz kaufen wollen. In dem Baumarkt habe er aber feststellen müssen, dass dieses noch nicht im Angebot gewesen sei. Deswegen habe er nur die ebenfalls auf seiner Liste stehende Gewebeplane erworben, die er zur Abdeckung des noch zu kaufenden Feuerholzes besorgen wollte. Er meine auch, dass die von ihm gekaufte Plane im Angebot gewesen sei, weshalb er sie trotz der Ösen, die er für seine Zwecke nicht benötigte, erworben habe. Für sein Schlauchboot, mit dem er gelegentlich auf der Elbe fahre, habe er eine neue „Festmacherleine“ gebraucht und deswegen die Flaggenleine erworben. Die Kabelbinder seien für einen zweiten Arbeitsplatz für ihn im Keller bestimmt gewesen, wo sie Kabel an einem Tisch halten sollten. Zusätzlich habe er auch eine Dose und eine Flasche gekauft, die er fürs Geocaching habe einsetzen wollen.
112Wo diese Sachen, insbesondere die Plane und die Leine abgeblieben und warum sie bei den Durchsuchungen nicht gefunden worden seien, könne er sich nicht erklären. Er habe die Plane unverpackt gelassen und entweder zu dem Holzrest unter dem Küchenfenster oder in den Schuppen gelegt. Er habe sie erst auspacken wollen, wenn er das neue Holz erworben und gestapelt gehabt hätte. Die Leine habe er zu dem nicht aufgepumpten Boot in den Schuppen im Garten gelegt.
113Am 02.08.2019 sei er gegen 08:30/09:00 Uhr mit dem Firmenwagen Volvo V 90 los-gefahren und habe seiner Tante, wie am Tag zuvor abgesprochen, Bescheid gegeben, wann er ungefähr bei ihr eintreffen werde. Er habe niemandem, auch nicht seiner Ehefrau, erzählt, wohin er fahre. Auf der Fahrt habe er schon mehrmals mit C4 telefoniert, wobei es vor allem um den neuen Freund von C4 und D2 bzw. die von ihr ausgehende Gefahr gegangen sei. Er habe wissen wollen, ob er sich Sorgen machen müsse und woher die plötzlich so große Angst ihrerseits komme. C4 habe geantwortet, D2 sei dauernd aggressiv, weshalb sie sich fürchte. In einem Nebensatz, den er damals nicht hinterfragt habe, habe sie auch geäußert, dass sie nicht nur vor D2 Angst habe. Er habe damals gedacht, dass es dabei wohl um den Flüchtling – heute wisse er, dass der C8 heiße – gegangen sein müsse, der ihr mal „an die Wäsche“ gewollt habe.
114Er habe das letzte Telefonat kurz bevor er bei ihr eingetroffen sei, nämlich in Höhe des Hotels D7, mit dem Bemerken, sie könnten ja gleich persönlich weiter darüber sprechen, beendet. Er habe sein Auto etwa 3-4 m versetzt zu ihrer Haustür entgegen der Fahrtrichtung, also auf der Seite des Hauses, geparkt und dann bei ihr geklingelt. Nach der Begrüßung hätten sie auf der Terrasse gesessen, Nudeln gegessen und etwas getrunken. Dabei habe er C4 gefragt, wovor genau sie sich fürchte. Sie habe geantwortet, dass sie Angst vor einem körperlichen Übergriff von D2 habe, etwa mit Schlagen, Schubsen oder geworfenen Gegenständen, was alles in der Vergangenheit schon geschehen sei. Sie habe deswegen den Wunsch geäußert, Verteidigungstechniken gegen diese konkreten Angriffsarten einzuüben. Weil sie schon geäußert hatte, sie wolle ihre Selbstverteidigungskenntnisse auffrischen, als erstmalig über dieses Treffen gesprochen worden sei, habe er – der Angeklagte – auch seinen Selbstverteidigungskoffer im Kofferraum gehabt. Bevor sie mit dem Training begonnen hätten, habe er sie noch gefragt, ob sie nicht den Kontakt zu D2 abbrechen wollte, was sie positiv aufgenommen und D2 gegenüber in einer Textnachricht auch direkt umgesetzt habe.
115Für das anschließende Training habe er sich Schutzausrüstung und einen Helm aus seinem Koffer angelegt und C4 kräftig zuschlagen lassen. Sie hätten sich dafür im Wohnzimmer Platz geschaffen, dann Übungen für einen festen Stand und das Abwehren von Schlag- und Stockangriffen eingeübt. Mehr als blaue Flecken, etwa von Schlägen oder auch „Fassangriffen am Arm“, bei denen er kräftig zugepackt habe, könnten dabei nicht entstanden sein, Verletzungen im Gesicht auf keinen Fall. Etwa nach einer Stunde, er habe noch weiter trainieren wollen, habe C4 begonnen, ihn hinaus zu komplimentieren. Sie habe geäußert, sie wolle nicht noch duschen müssen vor dem Abend, an dem sie – wie sie ihn schon am Telefon während der Autofahrt habe wissen lassen – noch eine Verabredung gehabt habe. Er habe sich schon „etwas blöd“ gefühlt, da er ja immerhin 350 km gefahren sei, um sie zu treffen. Aber er habe auch dem „jungen Glück“ nicht im Wege stehen wollen, weshalb er das „höfliche Hinauskomplimentieren“ über sich habe ergehen lassen und insbesondere nicht nachgefragt habe, mit wem sie sich treffen wollte.
116Er habe seinen Selbstverteidigungskoffer und sein Handy genommen – andere Gegenstände habe er aus dem Haus der C4 nicht mitgenommen – und sei mit seinem Auto zu D2 aufgebrochen. Er habe wegen der Schilderungen seiner Tante Gesprächsbedarf mit D2 gehabt und habe C4 auch mitgeteilt, dass er nun zu ihrer Tochter fahren wolle. Er habe D2 vorsichtig – damit sie nicht ausflippe – beibringen wollen, dass ihre Mutter Angst vor ihren aggressiven Ausbrüchen habe. Dass C4 wiederum von D2 wusste, dass Letztere eventuell gar nicht zu Hause sei, weil sie ihr Fahrrad – wie sie in einer SMS um 10:31 Uhr ankündigte – an diesem Nachmittag/Abend bei C4 abholen kommen wollte, habe er von C4 nicht erfahren.
117Er sei den Bogen des Althauswegs entlang gefahren, bevor er rechts auf den P3-Weg und wieder rechts auf die N3-Straße abgebogen sei, um von dort Richtung N2 zu fahren. Dort sei er an der Kreuzung mit der D8-Straße links in Richtung Innenstadt abgebogen. Nach etwa 20-30 Minuten sei er in der Nähe von D2s Wohnung angekommen, die hinter dem G3kreisel liege. Er habe an der großen Einkaufsstraße hinter dem Kreisverkehr – es dürfte sich hierbei um die B3-Straße handeln – geparkt und sei zu Fuß zu Neles Wohnung gegangen. Er habe vorher nicht versucht, D2 zu erreichen. Auf sein Klingeln an der Haustür habe niemand geöffnet, weswegen er direkt wieder zu seinem Auto gegangen sei. Dort habe er zwei Textnachrichten an C4 geschrieben, in denen er ihr davon berichtet habe, D2 nicht angetroffen zu haben. Er habe sich dann auf den Nachhauseweg gemacht, wozu er zunächst angegeben hat, er sei dieselbe Strecke in umgekehrter Richtung zurück gefahren, nämlich bis zur Autobahnauffahrt C5 Nord, also bei N2 auf die Autobahn aufgefahren, dann an der Autobahn auf die Tankstelle … (Ortsbezeichnung entfernt) zum Tanken und von da aus Richtung Norden. Auf Vorhalt der Kammer, dass dies ausgeschlossen sei, weil die Tankstelle …(Ortsbezeichnung entfernt) – abgesehen von einer nicht öffentlichen Zuwegung für den Lieferverkehr – eine nur von der Autobahn zu erreichende Raststätte zwischen den Autobahnauffahrten C5 Nord und Süd, Fahrtrichtung Norden sei, hat er sich korrigiert und angegeben, er sei doch nicht mehr durch den Kreisverkehr, sondern die große Straße, auf der er geparkt habe, geradeaus gefahren und dann „am …(Örtlichkeit entfernt)“ auf die Autobahn aufgefahren, wobei es sich um die Autobahnauffahrt C5 Süd handelt. Anschließend sei er die A1 Richtung Norden gefahren, wobei er während der Fahrt an vielen Orten seinem Hobby, dem Geocaching, „gefrönt“ und dazu die Autobahn verlassen habe.
118Er beurteile seine bzw. die finanziellen Verhältnisse seiner Familie auch in 2019 als ordentlich. Es sei auch im Sommer 2019 finanziell keinesfalls kritisch gewesen. Weder das Fehlen eines neuen Projekts noch die von den Geschäftsführern D9 und Y1 in den Raum gestellte Änderung der Gewinnverteilung in der U1 – die im Übrigen erst in der Woche nach dem Verschwinden von C4, nämlich am 07.08.2019, kommuniziert worden sei – seien für ihn beunruhigend gewesen. Es sei auch keinesfalls ungewöhnlich, dass er eine Zeitlang ohne Projekt gewesen sei, sowas könne immer vorkommen.
119b) Ergebnisse der Beweisaufnahme
120Diese Einlassung des Angeklagten ist, soweit sie den hiesigen Feststellungen widerspricht, durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt; soweit der Angeklagte sich zu relevanten Umständen nicht geäußert hat, folgen die diesbezüglich getroffenen Feststellungen ebenfalls aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
121aa)
122Die Feststellungen zu den Lebens- und Vermögensverhältnissen von C4 beruhen auf den glaubhaften Angaben ihrer Enkelin, der Zeugin G2, ihrer Tochter, der Nebenklägerin D1, ihrer Nachbarin und Freundin, der Zeugin R1, sowie des Finanzermittlers KHK J2.
123G2 hat angegeben, dass sie insbesondere in den letzten beiden Jahren vor dem Tod der C4 ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Großmutter gehabt habe. C4 sei 68 Jahre alt geworden und habe allein gelebt. Sie habe für die von ihr gegründete „…(Name entfernt)“ gearbeitet, für die ein Büro im obersten Stockwerk ihres Hauses eingerichtet worden war. Dort sei auch der Arbeitsplatz ihrer beiden Mitarbeiter gewesen.
124Die genauen finanziellen Verhältnisse ihrer Großmutter habe die Zeugin bis zu deren Tod nicht gekannt. C4 sei aber finanziell so gut aufgestellt gewesen, dass sie die gemeinsamen Urlaube immer bezahlt habe. Die Zeugin habe damals lediglich gewusst, dass ein Großteil des Lebensunterhalts aus der auf C4 übergegangenen Pension ihres zweiten Ehemanns N4 stamme, der bei einem Fahrradunfall verstorben sei. Nach dem Tod der Großmutter habe die Zeugin von ihrer Tante D1 erfahren, dass es sich um einen monatlichen Betrag von 8.000 € gehandelt haben soll.
125Die Nebenklägerin D1 hat diese Umstände in ihrer Vernehmung als Zeugin bestätigt und ergänzt. Ihrer Mutter sei es finanziell sehr gut gegangen, was einerseits an der Hinterbliebenenrente ihres zweiten Ehemannes lag, zum anderen auch an ihrer Tätigkeit für die…, wobei sich die Zeugin auf eine genaue Höhe der Einkünfte nicht festlegen wollte. Die monatlichen Witwenbezüge hätten aber ihres Wissens nach jedenfalls über 5.000 € gelegen. C4 habe zusätzlich zu ihrem Haus noch über zwei Wohnungen in Q3 und C5 verfügt, die vermietet gewesen seien.
126Die Angaben werden bestätigt von der Zeugin R1, der Nachbarin und Freundin der Getöteten. Diese hat angegeben, dass C4 zuletzt geplant gehabt habe, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen und nicht weiter für die „…“ tätig zu sein. Sie habe sich das finanziell leisten können, weil sie eine Pension über ihren verstorbenen Mann bezogen habe. Sie sei auch immer viel gereist und habe sich dabei um das Geld keine Sorgen machen müssen.
127Der Finanzermittler des Polizeipräsidiums C5, KHK J2, hat die gute finanzielle Situation von C4 ebenfalls bestätigt. Neben den monatlichen Einkünften und den Erträgen aus den Mietzinsen für die noch nicht vollständig abbezahlten Wohnungen in C5 und Q3 habe C4 auch über ein werthaltiges Aktiendepot verfügt.
128bb)
129Die Feststellungen zu der finanziellen Situation des Angeklagten gründen sich auf folgende Erkenntnisse und Erwägungen:
130Der Zeuge Y1, einer der Geschäftsführer der Firma U1, hat der Kammer glaubhaft geschildert, dass die Situation des Angeklagten in der Kommanditgesellschaft im Sommer 2019 im Hinblick auf seine Einkünfte angespannt gewesen sei und kurzfristig keine Aussicht auf Besserung bestanden habe. So habe der Angeklagte ab Anfang 2019 einen monatlichen Gewinnvorab von 5.000 € erhalten, während dieser zuvor 6.000 € betragen habe. Der Gewinnvorab sei quasi eine monatliche Gehaltszahlung, die unter Berücksichtigung der im vorherigen Geschäftsjahr erzielten Gewinn- und Verlustpositionen eine Aufteilung des über das Jahr prognostizierten Gewinns darstellt. Von dem Gewinnvorab habe jeder Kommanditist selbstständig Abzüge für die Kranken- und Rentenversicherung sowie die Einkommenssteuer leisten müssen, zusätzlich soweit gewünscht eine Altersvorsorge. 2018 sei, was den Gewinn angehe, kein gutes Jahr gewesen, weswegen die Höhe des an den Angeklagten ausgezahlten Gewinnvorabs gesunken sei. Dies beruhe auf einem Solidaritätsmodell, wonach die Gesellschaft zunächst Gewinne und Verluste unter den Gesellschaftern ausgleiche, um jedem ein genügendes Auskommen zu sichern. Die nicht erfüllten Gewinnerwartungen aus dem Vorjahr hätten dann zu dem geringeren Gewinnvorab in 2019 geführt, über den die Gesellschaft sich anteilig das verauslagte Geld für 2018 zurückgeholt habe. In 2019 habe der Angeklagte das letzte Projekt im Mai/Juni abgeschlossen gehabt und für die Zeit danach, trotz Akquise, noch kein neues finden können. Es sei deshalb bereits abzusehen gewesen, dass er für das folgende Jahr 2020 eine Verlustzuweisung erhalten hätte, die sich in einer weiteren Verringerung des Gewinnvorabs niedergeschlagen hätte. Er, der Zeuge, habe als Geschäftsführer die Zahlen jedes Kommanditisten gekannt.
131Die Angaben des Zeugen Y1 sind glaubhaft, weil er ohne Belastungseifer und erkennbar um die Wahrheit bemüht ausgesagt hat. Seine Angaben werden auch weitgehend vom Angeklagten bestätigt. Soweit der Zeuge für 2020 eine weitere Verringerung des Gewinnvorabs prognostiziert hat, beruhen diese Angaben auf einer nachvollziehbar dargestellten Grundlage, wobei der Zeuge deutlich gemacht hat, dass es sich um eine Erwartung seinerseits gehandelt habe.
132Der im Rahmen der beim Polizeipräsidium C5 gebildeten Mordkommission mit den Finanzermittlungen betraute Zeuge KHK J2 hat der Kammer die Ergebnisse der Auswertung der Kontoverdichtungen nachvollziehbar anhand konkreter Buchungen und Übersichten erläutert, durch welche die Kammer zu den Feststellungen betreffend die Vermögenssituation des Angeklagten und seiner Familie gelangt ist. Danach hätten der Angeklagte und seine Ehefrau zwar in soliden finanziellen Verhältnissen gelebt, die es ihnen erlaubt hätten, ihre Konten überwiegend im Haben zu führen. Allerdings hätten die Einnahmen nicht genügt, um nachhaltige Rücklagen zu bilden. Größere Anschaffungen und Steuernachzahlungen wie etwa 25.000 € im April 2019 hätten immer wieder dazu geführt, dass das Hauptkonto der Eheleute kurzzeitig im Minus geführt worden sei. Durch die festgestellten Zahlungen der I2 GmbH beginnend im Frühjahr 2019 – die, was der Angeklagte eingeräumt hat, ihm nicht vollständig zustanden, sondern in Höhe von etwa 40.000 € an den Zeugen D5 weiter überwiesen werden mussten und im Übrigen noch zu versteuern waren – befanden sich auf den Konten der Familie des Angeklagten im Juli 2019 28.686 und im August 2019 37.253,03 €. Da die Guthaben auf den Konten jedoch nicht allesamt (nur) dem Angeklagten zustanden, beispielsweise ein gemeinsames Depot der Eheleute im Wert von 4.000 € sowie die Konten der Söhne, wären sie für den Angeklagten nicht ohne weiteres und vollständig verfügbar gewesen.
133Ein weiterer Beleg dafür, dass der Angeklagte sich im ersten Halbjahr 2019 finanziell in einer angespannten Lage befand, sind die vom Zeugen D5 geschilderten Verzögerungen bei den Weiterleitungen von Zahlungen der I2 GmbH, die ihm, dem Zeugen, zustanden. Seinen glaubhaften Angaben zufolge, sind bei dem weit überwiegenden Teil der Zahlungen an ihn Verzögerungen aufgetreten. Für sämtliche Rechnungen, die er an das vom Angeklagten geführte Informatikbüro … (Name d. Angeklagten entfernt) (I..) gestellt habe, habe er ein Zahlungsziel von einer Woche gesetzt, welches der Angeklagte in etwa 70-80% der Fälle nicht eingehalten habe. Er habe sich mit Zahlendrehern im Überweisungsauftrag, Verzögerungen bei der kontoführenden Bank oder der I2 GmbH herausgeredet. Nach der Inhaftierung des Angeklagten und die Übernahme der Zahlungsweiterleitungen an ihn durch die Ehefrau des Angeklagten sei dies nicht mehr vorgekommen.
134cc)
135Die von der Kammer getroffenen Feststellungen zu dem Darlehen, welches C4 dem Angeklagten gewährte und auskehrte, beruhen auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
136Während er die von der Kammer festgestellten Modalitäten und Einzelheiten der Abrede mit seiner Tante bestreitet, hat der Angeklagte den Abschluss eines Darlehensvertrages eingeräumt. Letzteres deckt sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme, unter anderem der im Selbstleseverfahren eingeführten SMS von C4 an den Angeklagten vom 23.07.2016, in der sie schrieb:
137„… Ich leihe dir gerne das Geld und hoffe, dass es der Trittstein wird, von dem aus du einfach weitergehst. …“
138Dass die Darlehensgewährung nicht nur vereinbart war, sondern der Betrag in Höhe von 25.000 € auch ausgekehrt wurde, folgt aus den gleichlautenden Buchungen auf dem Konto der C4 (Bankverbindung DE00000000000000000000 bei der Spardabank) und dem Konto des Angeklagten und seiner Ehefrau (DE00000000000000000000 bei der Commerzbank) vom 25.06.2016 in der genannten Höhe und unter Angabe des festgestellten Verwendungszwecks, wovon die Kammer sich durch Vernehmung des Finanzermittlers KHK J2 sowie Verlesung des entsprechenden Buchungstextes aus der Kontoverdichtung überzeugt hat.
139Soweit der Angeklagte allerdings behauptet, der Darlehensvertrag sei nicht schriftlich fixiert und zudem ohne besondere vertragliche Modalitäten vereinbart worden, ist seine Einlassung durch eine Gesamtschau der Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt. Hierzu im Einzelnen:
140EKHK Q2, der am 14.08.2019 das Haus der damals vermissten C4 durchsuchte, hat als Zeuge angegeben, dass er die Kopie einer Vertragsurkunde mit dem oben wiedergegebenen Text und dem handschriftlichen Textzug … (abgekürzter Name des Angeklagten entfernt) in einem Ordner im Regal des Arbeitszimmers von C4 aufgefunden habe. An die Vertragsurkunde sei ein Beleg über die SEPA-Überweisung getackert gewesen. Durch Inaugenscheinnahme und Verlesung der Kopie hat die Kammer sich von deren Inhalt, Gestaltung sowie des Unterschriftzuges am Ende des Vertragstextes über dem Namen des Angeklagten überzeugt.
141Die Aussagen der auch zur Frage eines Darlehensvertrages vernommenen Zeuginnen Nele und G2 sowie der Zeugin R1, waren in Bezug auf die Frage des Bestehens eines schriftlichen Darlehensvertrages sowie der Vereinbarung einzelner Modalitäten unergiebig, was die Kammer eher als Indiz dafür wertet, dass es keinen schriftlichen Vertrag gegeben haben könnte.
142Für das Bestehen eines schriftlichen Vertrages sprechen aber die Angaben der Nebenklägerin D1, deren Aussage glaubhaft und insoweit von besonderer Bedeutung war, als sie trotz ihres Wohnortes in Italien ein sehr enges Verhältnis zu ihrer Mutter mit wöchentlich mehreren Telefonaten pflegte und der Kammer daher als besonders gut informiert erschien. Sie hat angegeben, ihre Mutter habe ihr von dem Darlehen an …(Vorname des Angeklagten entfernt) berichtet. Zeitlich einordnen könne sie das Gespräch darüber nicht mehr. Sie habe auch eine Darlehenssumme von 40.000 € im Kopf gehabt, bis sie im Zuge des hiesigen Verfahrens erfahren habe, dass es um 25.000 € gegangen sein soll. Was sie noch sicher erinnere, sei das Gespräch mit ihrer Mutter, die ihr von dem Darlehen berichtet und gesagt habe, sie wolle, dass sie – also ihre Tochter D1 – von dem Darlehen wisse, damit sicher sei, dass das Geld auch an sie und D2 zurückgehe. Aus diesem Grund habe sie mit … (Vorname d. Angeklagten entfernt) auch einen Vertrag gemacht, wobei die Kammer davon ausgeht, dass sie – wie aus Laiensicht üblich – damit eine schriftlichen Fixierung meinte, siehe unten. Die Zeugin hat deutlich gemacht, dass sie nur über die Schilderungen ihrer Mutter, nicht über eigene Wahrnehmungen zu einem etwaigen Vertrag berichten könne. Die Kammer hält ihre Angaben, bei denen die Nebenklägerin deutlich zu erkennen gegeben hat, wenn sie unsicher war, für glaubhaft.
143Zu den Beweggründen für die Gewährung des Darlehens hat die Zeugin D2 angegeben, dass es 2016, als … (Vorname d. Angeklagten entfernt) einige Zeit bei ihrer Mutter gelebt habe, auch um Geld gegangen sei. … (Vorname d. Angeklagten entfernt) habe berichtet, dass er im Zusammenhang mit seinem Restaurant in D4 Steuerschulden gehabt hätte. Damit die Mahnkosten nicht zu sehr steigen, sei es wichtig, schnell zu bezahlen. Ihre Mutter habe ihm daraufhin Geld geliehen. Das hätten ihr beide auch unabhängig voneinander bestätigt. … (Vorname d. Angeklagten entfernt) habe ihrer Mutter auch gesagt, dass er das Geld nur kurzfristig brauche und es dann zurückzahlen könne. Gestützt werden diese Angaben durch die Aussage der Nebenklägerin D1, die angegeben hat, der Angeklagte habe immer sehr offen darüber gesprochen, dass er viel Geld habe, was sich auch mit dem von ihm vermittelten äußeren Eindruck – „dicke Autos und schicke Anzüge“ – gedeckt habe. Er habe berichtet, dass sein Steuerberater die Steuerzahlung zu spät veranlasst habe und er deshalb eine Strafe hätte zahlen müssen. Weil der Steuerberater versichert sei, habe er im Einvernehmen mit diesem vorgehabt, ihn zu verklagen. Die Angaben beider Nebenklägerinnen decken sich mit der vom Angeklagten eingeräumten Lüge hinsichtlich des Grundes für das bei C4 angefragte Darlehen und sind auch deshalb glaubhaft.
144Zudem hat die Kammer die Angaben des Angeklagten im Ermittlungsverfahren betreffend einen Darlehensvertrag in den Blick genommen. Bei der Durchsuchung seines Wohnhauses am 14.08.2019 äußerte der Angeklagte, der zuvor als Beschuldigter belehrt worden war, gegenüber der Zeugin KHK’in Q1, dass seine Tante wohl einen Vertragstext vorbereitet gehabt habe, es aber keinen schriftlichen Vertrag gebe. Wörtlich habe der Angeklagte nach dem Zeugnis von KHK’in Q1 dazu gesagt: „es wurde kein Vertrag unterschrieben“, während er in der Hauptverhandlung angegeben hat, er habe seiner Tante angeboten einen Vertrag aufzusetzen, diese habe aber nicht gewusst, was man da hätte reinschreiben sollen, weswegen man es gelassen und sich darauf geeinigt habe, man könnte ja einen rückdatierten Vertrag aufsetzen, sollte im Rahmen der Steuererklärung das Finanzamt ein Dokument verlangen.
145Insgesamt sprechen nach dem Dafürhalten der Kammer überzeugende Gesichtspunkte, die auch nicht wesentlich durch entgegenstehende Indizien entkräftet werden, dafür, dass es eine schriftliche Vereinbarung gab und die bei C4 gefundene Kopie diese Einigung abbildet. Diese Bewertung folgt in ganz erheblichem Maße aus den einzelnen Elementen des kopierten Vertragswerkes, die schon aufgrund ihrer Existenz, zusätzlich aber auch wegen ihrer Individualität dafür sprechen, dass es ein Vertragsformular gab, welches vom Angeklagten unterzeichnet und von ihm und C4 zur Grundlage ihrer Vereinbarung gemacht wurde. Insoweit kann auch die vom Angeklagten angeführte Erklärung, seine Tante habe sich möglicherweise einen Mustervertrag aus dem Internet heruntergeladen und diesen partiell an ihre Darlehensabrede angepasst, nicht überzeugen. Denn unterstellt, C4 hätte den Vertragstext ohne Beteiligung des Angeklagten angepasst, ist kein realistisches Szenario denkbar, in dem sie nicht nur die Unterschrift in dem dafür vorgesehenen Feld des Angeklagten selbst leistete, sondern auch eine Kopie davon anfertigte und diese in einem Aktenordner neben anderen finanzielle Dinge betreffende Unterlagen aufbewahrte. Die ggf. sich aufdrängende Erklärung, dass C4 die Unterschrift des Angeklagten gefälscht haben könnte, schließt die Kammer nach allem, was die C4 nahestehenden Zeugen und der Angeklagte über ihren Lebensweg berichtet haben, aus, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sie jemals zu solchen, letztlich kriminellen Mitteln gegriffen hätte. Dies umso mehr, als ein Grund für das Ablegen der Kopie eines gefälschten Darlehensvertrages auch nach der Einlassung des Angeklagten nicht ersichtlich ist. So will er ihr angeboten haben, einen schriftlichen Vertrag aufzusetzen. Sie habe das jedoch abgelehnt und nur für den Fall, dass man aus steuerlichen Gründen einen Vertragstext hätte vorlegen müssen, in Erwägung gezogen, einen dann zurückzudatierenden Vertrag aufzusetzen. Dass sie für den Eintritt dieses Falls schon hätte „vorbauen“ wollen und einen Vertrag aufgesetzt haben könnte, scheidet als Erklärung aus, da insoweit kein Grund bestanden hätte, ausgerechnet das Unterschriftenfeld, das für den Angeklagten vorgesehen war, mit einem seiner Unterschrift darstellenden Schriftzug zu versehen. Auch hätte sie also keinen Vertrag „in Eigenregie“ entwerfen müssen, da der Angeklagte ja seine Bereitschaft für eine vertragliche Fixierung erklärt haben will.
146Die Einlassung des Angeklagten vor der Kammer ist auch vor dem Hintergrund seiner anderslautenden Angaben im Ermittlungsverfahren nicht glaubhaft. Die Kammer hat sich durch Vernehmung der Zeugin KHK’in Q1 davon überzeugt, dass der Angeklagte ihr gegenüber die festgestellten Angaben im Ermittlungsverfahren entsprechend ihres Vermerks in der Ermittlungsakte gemacht hat. Dies konnte die Zeugin dadurch belegen, dass sie geschildert hat, sie habe die Ausführungen des Angeklagten, die dieser belehrt und aus eigenem Antrieb getätigt habe, direkt mitgeschrieben und ihre Notizen später in einen zur Akte genommenen Vermerk überführt. Die Diskrepanz in den Aussagen damals – es gebe einen Mustervertrag, der nicht unterschrieben worden sei – und heute – über einen Vertrag habe man nachgedacht, aber sich letztlich dagegen entschieden, einen aufzusetzen – sind aus Sicht der Kammer ein Anhaltspunkt für die Unwahrheit der Behauptung des Angeklagten in Bezug auf diesen Umstand.
147Ebenfalls ist auszuschließen, dass C4 versehentlich im falschen Feld unterschrieben haben könnte, da der Schriftzug eindeutig den Buchstaben „…“ vor dem Punkt, der Vor- und Nachnamen trennen soll, erkennen lässt und damit auf den Vornamen des Angeklagten hindeutet.
148Es sprechen aber auch nach dem Inhalt des Vertragstextes gewichtige, die Kammer überzeugende Gründe dafür, dass es sich um die gemeinsame vertragliche Vereinbarung des Angeklagten und seiner Tante handeln sollte. So sind die Vertragsparteien genau, und im Falle der C4 auch mit zutreffender Anschrift benannt, mit anderen Worten ist also nicht von einem noch nicht fertigen Entwurf auszugehen. Dafür spricht auch, dass im weiteren Verlauf weder ein Platzhalter für noch zu ergänzende Regelungspunkte noch ein offensichtlich nicht bearbeiteter Regelungspunkt zu erkennen sind. Denn alle aufgeführten, jeweils mit „§“, einer laufenden Nummer sowie einer Überschrift überschriebenen Abreden sind erkennbar auf die Vertragssituation des Angeklagten und seiner Tante angepasst. Unter § 1 („Vertragsgegenstand“) ist sowohl die Zinslosigkeit als auch die Darlehenshöhe korrekt im Sinne des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Einlassung des Angeklagten wiedergegeben. In § 2 („Darlehenslaufzeit und Beendigung“) ist erkennbar eine Anpassung des Datums erfolgt, da eine Rückzahlung spätestens zum 31.07.2019 festgelegt wird, was den Umständen des am 25.07.2016 ausgekehrtem Darlehens und der ebenfalls in § 2 angegebenen Laufzeit von 3 Jahren entspricht. Ebenso verhält es sich mit der Vereinbarung einer gemeinnützigen Spende anstelle einer Darlehensverzinsung. Diese ist nach Ansicht der Kammer, insbesondere in der auch vom Angeklagten bestätigten Höhe von 1.200 €, so speziell, dass sie sicher nicht einer unbearbeiteten Vorlage aus dem Internet entstammt. Die in § 3 („Abtretung“) genannte Pflicht zur Rückzahlung des Darlehens an die namentlich und mit Geburtsdatum benannten Töchter der C4 ist ebenfalls abschließend an eine Regelung zwischen C4 und dem Angeklagten angepasst. Bevor in § 5 („Sonstiges“) die üblicherweise am Vertragsende aufgeführten Regeln für den Fall der Unwirksamkeit einer Klausel und dem Ausschluss von Nebenabreden getroffen werden, verpflichtet sich der Darlehensnehmer unter § 4 („Sicherung“) dazu, die Darlehensgeberin in Höhe des Darlehensbetrages als allein begünstigte Person einer mit Versicherungsnummer genau bezeichneten Lebensversicherung bei der U2 Lebensversicherung AG eintragen zu lassen. Die dafür gesetzte Frist bis zum 31.08.2016 spricht aus Sicht der Kammer wiederum dafür, dass es sich insoweit nicht um ein bloß in Entwurfform im Internet vorgehaltenes Muster handelt, sondern um ein auf die hier betroffene Vertragssituation konkret zugeschnittenes Regelwerk.
149Diese Bewertung wird auch nicht dadurch entkräftet, dass der Angeklagte weder unter der im Vertragsrubrum genannten Anschrift („… (Adresse enfernt)“) gelebt hat noch eine Lebensversicherung mit der genannten Nummer 0000000000 besessen hat oder jetzt besitzt. Zum einen ist es nämlich auch insoweit aus Sicht der Kammer auszuschließen, dass C4 sich an dieser Stelle Daten ausgedacht haben könnte. Zum anderen, und dies ist die wesentliche Erwägung, beinhalten die objektiv falschen Angaben Elemente, die individualisierbar und dem Angeklagten zuzuordnen sind. So hat dieser, was seine Mutter, die Zeugin C7, vor der Kammer in ihrer Aussage glaubhaft bekundet hat, ihr gegenüber ab dem Jahr 2016 behauptet, auch einen Wohnsitz in Q4 zu haben, obwohl er weiter auch in den USA geschäftstätig sei. Eine Anschrift habe sie nicht gehabt, sondern stets mit ihm über Telefon kommuniziert oder sich von ihm besuchen lassen. Es ist durchaus naheliegend, dass der Angeklagte seiner Tante Gleiches berichtete, weshalb aus ihrer Sicht die Angabe einer Anschrift in Q4 plausibel gewesen sein könnte.
150Eben solche individuell auf den Angeklagten zutreffenden Anknüpfungspunkte gibt es auch zu der als Sicherung versprochenen Begünstigung von C4 in einem bestehenden Lebensversicherungsvertragsverhältnis des Angeklagten. Denn dieser verfügte, wie er selbst einräumte, tatsächlich über zwei Lebensversicherungen eben bei der im Vertrag genannten U2 Lebensversicherung AG, wobei eine über seinen ehemaligen Arbeitgeber abgeschlossen wurde und über die er nicht verfügungsberechtigt ist, so dass die Kammer durchaus belastbare Anhaltspunkte dafür erkennt, dass der Angeklagte auch bei diesem Regelungspunkt mitgewirkt hat. Bei der Gesamtbetrachtung hat die Kammer auch in den Blick genommen, dass der Angeklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie seiner Einlassung große Teile seines Lebens mit immer wieder neuen Lügen gegenüber seinen Verwandten anders als tatsächlich geschehen dargestellt hat. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass er C4 gegenüber nur schwerlich seine tatsächliche Anschrift in B1 hätte nennen können, da er ja ihr gegenüber im Zusammenhang mit der Gewährung des Darlehens und auch noch in der Nachricht vom 20.03.2019 davon gesprochen hatte, in den USA geschäftstätig und ansässig zu sein, er also seine Legende zur Begründung der Darlehensgewährung hätte aufdecken müssen. Des Weiteren hält es die Kammer für wahrscheinlich, dass der Angeklagte es schon im Zeitpunkt der Darlehensabrede für möglich hielt, dass er das Darlehen nicht wie vereinbart würde zurückzahlen können und er durch die falschen Angaben die Durchsetzbarkeit des Rückforderungsanspruchs jedenfalls erschweren wollte. Dafür spricht, siehe insofern unten, schon der Umstand, dass er weder Rücklagen bildete noch Rückzahlungen leistete, stattdessen sowohl seiner Ehefrau als auch C4 gegenüber erfundene Sachverhalte behauptete.
151Schließlich spricht für den Abschluss eines schriftlichen Vertrages auch der Text des Verwendungszwecks, den C4 ihrer Überweisung des Darlehensbetrages hinzugefügt hat. Ihre Bezugnahme auf den „Vertrag“ vom 23.07.2016 erscheint vor dem Hintergrund, dass Laien regelmäßig erst beim Vorliegen schriftlicher Vereinbarungen von einem „Vertrag“ sprechen, was den Mitgliedern der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren aus zivil- und strafrichterlichen Dezernaten bekannt ist, als Hinweis auf eine schriftlich fixierte Vereinbarung.
152Die Kammer hat auch nicht verkannt, dass der Unterschriftszug des Angeklagten auf dem Vertragsformular sich von demjenigen unterscheidet, den er beispielsweise für Rechnungen an den Zeugen D5 verwendet hat. Allerdings ist dies, im Sinne einer bewussten Unterschriftsverfälschung, vor dem Hintergrund des oben für wahrscheinlich erachteten Täuschungsvorbehalts des Angeklagten ohne Weiteres erklärbar.
153dd)
154Die Kammer hat sich durch folgende Erkenntnisse und Überlegungen davon über-zeugt, dass der Angeklagte keinerlei Rückzahlungen auf das Darlehen erbracht hat:
155Zunächst belegen die verlesenen Nachrichten vom 20.03.2019, die aus der Telegram-Cloud von C4 gesichert wurden, dass bis zu diesem Tag jedenfalls keine vollständige Zahlung erfolgt war, was sich auch mit der Einlassung des Angeklagten deckt. In dem Chat stellt C4 die Frage, ob sie und der Angeklagte auch „wegen der Geldrückzahlung“ in den kommenden Tagen telefonieren könnten. Ebenso muss auch die damalige Antwort des Angeklagten, der wahrheitswidrig angab, er sei wegen des Geldes in Nordamerika unterwegs, verstanden werden: Denn hätte er den Darlehensbetrag bereits zurückgezahlt, hätte es nahe gelegen, dies auch so zu formulieren. Selbst wenn man also – anders als die Kammer, was im Folgenden begründet wird – die für den Angeklagten günstigsten Umstände annehmen sollte, würde der Darlehensrückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB noch in Höhe von mindestens 17.000 € bestanden haben und weiter bestehen.
156Allerdings sprechen keine belastbaren Umstände für die vom Angeklagten in einer Größenordnung von 7.000 bis 8.000 € behaupteten Teilrückzahlungen durch verschiedene Bargeldübergaben an C4. Die Kammer hat insoweit in einer Gesamtschau alle denkbaren Umstände, die für mögliche Zahlungsflüsse vom Angeklagten in Richtung von C4 sprechen könnten, in den Blick genommen, jedoch keine objektiven Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten gefunden, so dass auch kein Raum für die Anwendung des „in-dubio-pro-reo“-Grundsatzes blieb.
157Auf der Seite von C4 haben die vom Zeugen KHK J2 ermittelten Ergebnisse der Auswertung ihrer Konten keinerlei Bareinzahlungen auf einem ihrer Konten ergeben, die darauf schließen ließen, dass sie größere Bargeldsummen erhalten hätte. Anhaltspunkte dafür, dass sie Bargeld in größeren Summen von mehr als 500 € Zuhause oder in einem Schließfach verwahrt hätte, ergaben sich durch die Beweisaufnahme insgesamt nicht. Es ist angesichts des Umstands, dass die Geschädigte über eine Vielzahl von Konten bei verschiedenen Kreditinstituten verfügte, auch nicht naheliegend, dass sie viel Geld Zuhause „bunkerte“.
158Soweit der Angeklagte in Bezug auf die Verwendung des von ihm übergebenen Bargeldes angegeben hat, seine Tante hätte ihm gegenüber angedeutet, das Geld für Wein und Reisen mit ihrer Enkelin G2 auszugeben, überzeugt diese – ohnehin an das Ergebnis der bis dahin durchgeführten Beweisaufnahme, wonach es keine Anhaltspunkte für Bargeldzuflüsse unbekannter Herkunft in das Vermögen der C4 gab – angepasste Einlassung nicht. So hat die Enkelin G2 als Zeugin bekundet, ihre Tante sei sehr aktiv mit dem Handy gewesen und habe dieses u. a. auch für Reisebuchungen genutzt. Bei dieser Art der Reisebuchung, also online und mit dem Handy, kommt eine Barzahlung regelmäßig nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine derart kostspielige Weinbegeisterung von C4, dass sie Beträge von mehreren tausend Euro binnen 3 Jahren verschlingen könnte, hat die Beweisaufnahme ebenso wenig ergeben. Es ist aufgrund der genannten Erkenntnisse auch nicht vorstellbar, dass die verschiedenen Verwendungsarten kumulativ zur Nichtauffindbarkeit der angeblichen Bargeldbeträge führten.
159Auf der Seite des Angeklagten ergaben sich aus der Kontoauswertung von KHK J2 weder Anhaltspunkte für die behaupteten Währungsspekulationen mit Kryptogeld noch für Schwarzgeldeinkünfte. Auch finden sich keine Abflüsse von einem der Konten des Angeklagten in Richtung von C4. Zwar weist die Kontoverdichtung zwei Überweisungen mit den Verwendungszwecken „Rückzahlung, Teil 1 von 3“ und „Rückzahlung, Teil 2“ am 31.03. und 29.06.2017 aus. Das Empfängerkonto DE0000000000000000000000 bei der ING-Diba ist jedoch dem Angeklagten selbst – firmierend unter Dr. … (Name d. Angeklagten entfernt)– zugeordnet. Der Angeklagte hat selbst eingeräumt, dass er die Überweisung auf ein von ihm allein geführtes und seiner Frau unbekanntes Konto vorgenommen hat, um dieser eine Rückzahlung des Darlehens vorzuspiegeln. Zum Zeitpunkt der Einlassung stand auch schon fest, dass von dem Zielkonto bei der ING-Diba das Geld jedoch weder an C4 weiter überwiesen worden ist noch entsprechende Geldsummen davon abgehoben worden sind. Vielmehr ist das Guthaben im Rahmen einer „normalen“ Lebensführung weiter genutzt worden. Unter dem gleichen Aspekt sind auch die vom Hauptkonto der Eheleute mit der Endziffer 000 bei der Commerzbank ersichtlichen Bargeldabhebungen zu sehen. Seit 2017 habe es, so der Zeuge KHK J2, nur 3 Abhebungen gegeben, die im Bereich von über 500 € lagen, wobei eine erst im September 2019 erfolgte. Insgesamt kann eine Rückzahlung des Darlehens in bar mit bekanntem Vermögen des Angeklagten daher ausgeschlossen werden.
160Die von KHK J2 vermittelten Erkenntnisse decken sich auch mit den weiteren Ergebnissen der Beweisaufnahme. So hat die Tochter der C4, die Nebenklägerin D2, angegeben, sie habe zu keiner Zeit gehört, dass …(Vorname des Angeklagten entfernt) Rückzahlungen auf das Darlehen geleistet habe.
161Lediglich die Zeugin G2, die Enkelin, hat angegeben, sie meine, ihre Großmutter hätte ihr im gemeinsamen Urlaub in Kopenhagen kurz vor der Tat berichtet, dass …(Vorname des Angeklagten entfernt) auch schon einen Teil zurückbezahlt habe. Allerdings hat sie, was sie glaubhaft durch eine Beschreibung des Verhaltens ihrer Großmutter vermitteln konnte, der die Gewährung eines Darlehens in dieser Höhe an sich unangenehm gewesen sei, auch angegeben, sie könne sich vorstellen, ihre Großmutter habe sie nur beruhigen wollen und deshalb eine Rückzahlung behauptet. Nach allem sind die Angaben der Zeugin G2 so vage bzw. hinsichtlich der Höhe einer möglichen Rückzahlung unergiebig, dass sie keine belastbare Grundlage für die Annahme einer Bargeldrückzahlung sind. Die Zeugin war sich insgesamt in diesem Punkt unsicher, erinnerte sich weder an Begleitumstände noch den Anlass für das Gespräch, so dass die Kammer nicht ausschließen kann, dass es sich schlicht um einen Irrtum der Zeugin handelt und diese den Gesprächsinhalt falsch erinnert.
162Gegen die Plausibilität der Einlassung des Angeklagten betreffend die Rückzahlungen als solche sprechen aus Sicht der Kammer zudem zwei gewichtige Gründe: Zum einen ist es nicht nachvollziehbar, wenn der Angeklagte angibt, er selbst habe keinen Überblick über die Höhe der geleisteten Rückzahlungen, da weder er noch seine Tante eine Liste darüber geführt hätten. Ein solches Vorgehen erscheint der Kammer lebensfremd, da nach den Angaben des Angeklagten Rückzahlungen nicht zu regelmäßigen Terminen, sondern bei Gelegenheit und in stark variierenden Höhen zwischen wenigen hundert und bis zu 3.500 € erfolgt sein sollen. Dass es, um nicht den Überblick über die behaupteten Teilzahlungen zu verlieren, nahe liegend gewesen wäre, eine Liste darüber zu führen, zeigt sich auch daran, dass die Zeugin J1, die Geliebte des Angeklagten, in ihrer Aussage vor der Kammer angegeben hat, dass der Angeklagte ihr gegenüber in einem Gespräch über die Tatvorwürfe in der JVA berichtet habe, dass es eine Liste gebe, aus der die geleisteten Rückzahlungen ersichtlich seien. Er habe ihr gesagt, er könne den Beweis nur nicht führen, da die Liste verschwunden sei. Auf Vorhalt dieser Angaben hat der Angeklagte in seiner Einlassung jedoch eingeräumt, dass er die Zeugin J1 diesbezüglich belogen habe und es in Wirklichkeit keine Liste gebe oder gegeben habe.
163Deutlich spricht gegen den Wahrheitsgehalt der Einlassung des Angeklagten auch dessen Weigerung, die behauptete Herkunft des Geldes für die Rückzahlung durch die Nennung von Details zu den unversteuerten Einnahmen wie etwa Auftraggeber, Höhe des erzielten Lohns oder Zeitpunkt des Auftrags bzw. in Bezug auf die Einnahmen aus Währungsspekulationen mit Kryptogeld die dazu geführten Konten, die Währungsart oder nur die Höhe des Gewinns nachprüfbar zu machen. Soweit er mit seiner Weigerung suggeriert hat, er fühle sich verpflichtet, seine Auftraggeber aus dem Bekanntenkreis zu schützen, ist dies angesichts des ihm vorgeworfenen Tötungsdelikts und der deswegen drohenden Straferwartung abwegig. Gleiches gilt, soweit er sich selbst durch die Aufdeckung seiner unversteuerten Gewinne aus Währungsspekulationen strafbar gemacht haben könnte. Es ist der Kammer auch unter Berücksichtigung des Schweigerechts des Angeklagten nicht verwehrt, aus dem Teilschweigen indiziell nachteilige Schlüsse zu ziehen (BGH, Urteil vom 18. April 2002 – 3 StR 370/01), was vorliegend den Schluss begründet, dass der Angeklagte die Teilrückzahlungen nur erfunden hat und deswegen eine auf seine Einlassung gebotene Aufklärung durch die Kammer verhindert.
164ee)
165Die Feststellungen betreffend den Erwerb der zum Abtransport des Leichnams verwendeten Gewebeplane nebst Zubehör am 01.08.2019 gründen sich, wodurch die insoweit gemachten Angaben des Angeklagten widerlegt werden, auf folgende Erkenntnisse und Erwägungen:
166EKHK Q2 hat der Kammer als Zeuge geschildert, dass im Zuge der Ermittlungen aus der Kontoverdichtung des Angeklagten ersichtlich geworden sei, dass dieser einen Tag bevor er seine Tante in C5 besuchte bei der Firma G1 GmbH in N1 unter Einsatz seiner EC-Karte einkaufte. Durch die Polizei sei daraufhin das Kassenjournal angefordert worden, welches die Kammer durch Verlesung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hat. Daraus ist ersichtlich geworden, dass der Angeklagte die in den Feststellungen genannten Gegenstände am 01.08.2019 erworben habe, was der Angeklagte in seiner Einlassung letztlich auch eingeräumt hat.
167EKHK Q2 hat der Kammer ferner geschildert, dass bei den Durchsuchungen des Wohnhauses des Angeklagten am 14.08. und 17.12.2019 weder die Plane noch die Kabelbinder noch die Leine aufgefunden worden seien, obwohl bei der Durchsuchung am 17.12.2019 nach Bekanntwerden des Einkaufs konkret hiernach das Anwesen des Angeklagten in B1 abgesucht worden sei. Die vom Angeklagten geschilderten Umstände legen jedoch nahe, dass die Gegenstände – zumindest die noch originalverpackte Gewebeplane und die Flaggenleine – noch auf dem Grundstück zu finden sein müssten. Andere als die vom Angeklagten genannten Verwendungsarten sind nicht ersichtlich, folgen weder aus den bekannten Hobbys des Angeklagten noch seinen beruflich veranlassten Tätigkeiten. Vielmehr dürfte eine Verwendung der großen, nicht ohne weiteres versteckbaren Gewebeplane im Gartenbereich, wie vom Angeklagten auch behauptet, naheliegend sein.
168Aus Sicht der Kammer sind die Angaben des Angeklagten damit durch die Ergebnisse der Beweisaufnahme widerlegt. Die Einlassung des Angeklagten ist auch in Bezug auf die Gewebeplane ohnehin von nur eingeschränktem Wert, da sie erkennbar angepasst an die Ergebnisse der Beweisaufnahme ist. Erklärungen und Umstände, die das Verschwinden der Plane und der Flaggenleine plausibel machen, enthält sie schon gar nicht, weshalb die Kammer keine Zweifel an den Ermittlungsergebnissen der Polizei hegt und die Feststellung trifft, dass die Plane und die Flaggenleine nicht im Garten gelagert wurden, sondern sich auch am 02.08.2019 noch im Auto des Angeklagten befanden, als dieser nach C5 fuhr.
169Die Kammer ist sich dabei des Umstands bewusst, dass eine Durchsuchung mit dem konkreten Ziel des Auffindens der Plane und des Zubehörs erst am 17.12.2019 stattgefunden hat, mithin schon eine nicht ganz unerhebliche Zeit verstrichen war. Allerdings handelt es sich bei keinem der gekauften Artikel um klassische Verbrauchsgegenstände, auch nicht um solche, die einmalig oder nur kurzzeitig verwendet und weggeworfen werden. Auch das vom Angeklagten geschilderte Ablegen der Gegenstände im Garten oder Schuppen spricht dafür, dass sie – zumal unbenutzt und bezogen auf die Plane auch originalverpackt – sich noch am 17.12.2019 auf dem Grundstück befunden hätten und nicht etwa von einem Dritten entsorgt worden wären. Auch aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Polizei von der Durchsuchung am 14.08.2019 ergibt sich nichts anderes, wobei der Kammer der eingeschränkte indizielle Wert dieser Aufnahmen bewusst ist, weil zum Zeitpunkt der Anfertigung der Bilder die am 01.08.2019 erworbenen Gegenstände noch nicht im Fokus der Ermittlungen standen.
170Gegen den des Weiteren gezogenen Schluss, dass die Plane für den Transport des Leichnams eingesetzt wurde, spricht auch nicht, dass die Leiche nicht in eine Gewebeplane eingewickelt war, als sie gefunden wurde. Es ist naheliegend, dass der Angeklagte – etwa um das Auffinden von Fingerabdrücken oder DNA-Spuren an der Gewebeplane zu verhindern – die Plane an einem anderen Ort als die Leiche entsorgt hat. Wichtig war die Plane bei der Ablage der Leiche, die mutmaßlich zu einem unbeobachteten Zeitpunkt des Nachts stattfand, nicht mehr, sondern nur zuvor, als es um ein unentdecktes Verbringen des Leichnams vom Haus in das Auto und anschließend einem spurenschonenden Transport im Auto ging.
171ff)
172Soweit die Kammer entgegen der Einlassung des Angeklagten festgestellt hat, dass es bei dem Treffen am 02.08.2019 auch um die nunmehr fällige Darlehensrückzahlungsschuld des Angeklagten gehen sollte, beruht dies auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
173Schon die zeitliche Nähe zum Eintritt der Fälligkeit der Darlehensrückzahlung, die vertraglich für den 31.07.2019 vereinbart war, legt nahe, dass es bei dem Treffen am 02.08.2019 zumindest auch um die Darlehensrückzahlung gehen sollte. C4 hatte ja bereits mehrmals beim Angeklagten wegen einer (Teil-)Rückzahlung nachgefragt. Der vom Angeklagten vorgegebene Grund für das benötigte Darlehen, nämlich die nur kurzfristig benötigte Erlangung von Liquidität, um das Entstehen von Mahngebühren für seine Steuerschuld zu verhindern, war nach Ablauf von 3 Jahren seit der Darlehensgewährung von nur noch verminderter Plausibilität, so dass nahe liegend davon auszugehen ist, dass C4 auf die Erfüllung der vertraglichen Pflicht, wenigstens aber auf eine Erklärung des Angeklagten für das Ausbleiben des Geldes, bestanden hat. Dafür, dass ihr aufgrund ihrer guten finanziellen Situation die Rückzahlung des Darlehens „egal“ gewesen sein könnte, spricht nichts. Im Gegenteil, die Nachfragen nach Rückzahlungen und die schon beschriebenen Schilderungen ihrer Tochter, der Nebenklägerin D1, legen nahe, dass C4 auf die Rückzahlung des Geldes bestand, um es im Falle ihres Todes ihren Töchtern vererben zu können.
174Dies, also der Wunsch C4 das Geld in ihrem Vermögen zu erhalten, um es den Töchtern vermachen zu können, spricht auch dagegen, dass C4 dem Angeklagten die Darlehensrückzahlung (teilweise) schenkweise erlassen oder dies zumindest angeboten hat. Die Kammer hält überdies auch die diesbezügliche Einlassung des Angeklagten, er hätte sich einen so großen Betrag von seiner Tante nicht schenken lassen wollen, nach dem von ihm in der Hauptverhandlung gewonnen Eindruck für fernliegend. Prägend für den Lebensweg des Angeklagten waren weniger noble Gesten, wie es die Zurückweisung des Geschenks gewesen wäre, als vielmehr Lügen und das Verheimlichen tatsächlicher Umstände, mit denen der Angeklagte sich stets – wie er selbst eingeräumt hat – Vorteile verschaffen wollte. In dem Maße, wie C4 bis zuletzt bei Dritten über ihren Neffen geschwärmt hatte, wäre auch zu erwarten gewesen, dass sie diesen Umstand erwähnt gehabt hätte, was aber keiner der vernommenen Zeugen aus ihrem Umfeld zu berichten wusste. Schließlich sprach auch die finanziell angespannte Lage des Angeklagten nicht dafür, dass er einen schenkweisen Erlass der Darlehensrückzahlung abgelehnt haben könnte.
175Dass die Darlehensrückzahlungsforderung am 02.08.2019 für C4 ein Thema war, folgt für die Kammer zusätzlich aus den Angaben der Zeugin J3, denen zu entnehmen ist, dass es zuvor im Sommer 2019 bereits zu einem Streit oder zumindest zu Unstimmigkeiten wegen der noch ausstehenden Zahlungen zwischen C4 und dem Angeklagten gekommen war. Die Zeugin hat angegeben, dass sie im Juni oder Juli 2019 mit C4 und weiteren Freundinnen zu einer Ausstellung von Werken des Malers van Gogh für einen Tag nach Amsterdam gereist sei. Zur zeitlichen Einordnung könne sie nur sagen, dass es der letzte Tage der Ausstellung gewesen sei und die Reise von C4 mit ihrer Enkeltochter G2 nach Kopenhagen – aus den von KHK C9 ausgewerteten Telekommunikationsdaten folgt, dass C4 vom 21.07.-28.07.2019 über die Roaming-Funktion ihres Mobiltelefons kommunizierte, naheliegeenderweise also zu dieser Zeit im Ausland war, was mit dem von G2 als Zeugin geschilderten Aufenthalt in Kopenhagen erklärbar ist – noch bevorstand. Auf der gemeinsamen Rückfahrt von Amsterdam im Auto habe C4 einen Anruf erhalten und nach dem Ablesen des Anrufernamens auf ihrem Display mit verfinsterter Miene erklärt, sie müsse den Anruf entgegennehmen. Das Telefonat habe sie in harschem Ton geführt, sie sei anders als sonst zudem sehr einsilbig gewesen. Nach dem Telefonat habe sie zur Erklärung für ihre offensichtliche Verärgerung gesagt, es handele sich um eine „lästige Geldangelegenheit mit meinem Neffen“. Es sei dann jedoch – so die Zeugin – nicht weiter darüber geredet oder der Name des Neffen genannt worden. Die Zeugin habe nicht hören können, was vom Gesprächspartner gesagt worden sei, auch sei während der Reise nach Amsterdam sonst zu keinem Zeitpunkt über ein Darlehen gesprochen worden.
176Die Angaben der Zeugin J3 sind glaubhaft, insbesondere hat sie offen gelegt, inwieweit es sich bei ihren Erinnerungen um sicheres Wissen oder, insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Einordnung, um eine Schätzung handelt. Eine wissentliche Falschbelastung des Angeklagten ist vor dem Hintergrund, dass sie diesen nicht kennt und ihn durch ihre Angaben auch nur indirekt – „Neffe“ – belastet, fernliegend. Jedoch schließt die Kammer aus, dass es sich bei dem Anrufer nicht um den Angeklagten gehandelt haben könnte, da eine Geldangelegenheit mit einen anderen Neffen nicht bekannt geworden ist und die zeitliche Nähe zur Fälligkeit der Darlehensrückzahlung durch den Angeklagten klar für ihn als Gesprächspartner spricht.
177Die Kammer kommt deswegen insgesamt zu dem Schluss, dass es bei dem Besuch des Angeklagten am 02.08.2019 auch um die Darlehensrückzahlung gehen sollte. Für den Angeklagten, der sich das Darlehen nicht nur mit einer Lüge erschlichen, sondern seine Tante in der Folgezeit mit weiteren Lügen vertröstet hatte, und der sich für ihn selbst erkennbar nicht in der finanziellen Position befand, das Darlehen in absehbarer Zeit zurückzahlen zu können, ohne dass dies zumindest ein größeres Loch in seinen und den Finanzhaushalt seiner Familie gerissen hätte, stellte sich die Situation zunehmend belastend dar. Dem Angeklagten war auch klar, dass die Frage der Darlehensrückzahlung anstand, was sich schon aus seiner Erklärung ergibt, die Nachricht aus März, mit der er seine Tante vertröstete, geschrieben zu haben, um Zeit zu gewinnen.
178Allerdings schließt die Kammer nicht aus, dass es am 02.08.2019 auch um die durch Streitereien belastete Beziehung zwischen C4 und ihrer Tochter D2, insbesondere wegen Beschimpfungen und fordernden Verhaltens der Nebenklägerin, ging. Denn dafür spricht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beispielsweise die SMS von C4 an ihre Tochter D2 um 14:27 Uhr, mit der sie um das Ruhenlassen des Kontakts für 3 Monate bittet. Da sich der Angeklagte zu dieser Zeit schon im Haus von C4 befand, ist seine Angabe, er habe ihr zu dem Kontaktabbruch geraten, jedenfalls nicht fernliegend. Ebenso wenig schließt die Kammer aus, dass der Angeklagte und C4 ihre 2016 in einem vom Angeklagten in C5 geleiteten Kurs erworbenen Kenntnisse in Selbstverteidigungstechniken auffrischen wollten. Insoweit sind die Angaben des Angeklagten in seiner Einlassung vor der Kammer auch konstant zu den im Ermittlungsverfahren als Zeuge getätigten, wovon die Kammer sich durch Vernehmung der Polizeibeamten KHK D6 sowie KOK P2 überzeugt hat. Diese haben übereinstimmend und glaubhaft berichtet, dass der Angeklagte den Grund für das Treffen mit dem von seiner Tante geäußerten Wunsch nach einer Auffrischung ihrer Selbstverteidigungskenntnisse angegeben gehabt habe. Ob dieser Wunsch mit einer von C4 zumindest gefühlten Bedrohung durch das aggressive Verhalten ihrer Tochter D2 zusammenhing oder allgemeiner Natur war, konnte die Kammer letztlich nicht aufklären.
179Es kann jedoch auch dahinstehen, da jedenfalls die im Ermittlungsverfahren durch den Angeklagten als Zeuge getätigte Aussage, C4 habe insbesondere die Verteidigung gegen Würge- oder Angriffe gegen den Hals, die sie von D2 befürchte, mit dem Angeklagten üben wollen, widerlegt ist. Vielmehr ist die Kammer aus den unten zu nn) (4) dargestellten Gründen davon überzeugt, dass der Angeklagte durch diese Angabe von sich als Täter abzulenken suchte und deshalb seine Cousine D2 – in Kenntnis der konkreten Todesursache und vorbauend für den Fall, dass der Leichnam gefunden wird und die Todesursache noch feststellbar ist – in den Tatverdacht rücken wollte, zumal eine zufällige Übereinstimmung betreffend die Todesursache einerseits und die von C4 nach den Angaben des Angeklagten angeblich befürchteten Angriffen andererseits eher fernliegend erscheint.
180Durch Vernehmung von KHK D6 hat die Kammer sich davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte bei seiner Aussage als Zeuge im Ermittlungsverfahren bei der Schilderung der Gründe für seinen Besuch und den Ablauf vor Ort betont hat, dass C4 insbesondere Abwehrtechniken für einen gegen den Hals geführten Angriff einüben wollte. Der Angeklagte habe im Einzelnen ausgeführt, dass man zunächst die Befreiung aus einem Griff um das Handgelenk, dann um den Oberarm und in die Haare geübt habe. Danach sei dann die Verteidigung gegen die verschiedenen Griffe und Umklammerungen am Hals geübt worden. Erst gegen eine einarmige Umklammerung – Schwitzkasten – und dann gegen ein- oder zweihändig geführte Würgeangriffe. Ihm sei es, so der Angeklagte gegenüber dem Zeugen, vor allem darum gegangen, dass C4 es gar nicht zu einem Angriff kommen lasse, diesem also ausweiche und im Falle eines Kontakts einen sicheren Stand habe. Als er ihr noch Verteidigungen gegen Angriffe mit gefährlichen Werkzeugen wie einer Tasse oder einem Stock habe zeigen wollen, habe sie abgelehnt, weil ihr die gelernten Techniken ausreichten und sie erschöpft gewesen sei.
181Diese vom Angeklagten als Zeuge getätigten Angaben entbehren einer tatsächlichen Grundlage, weil die Beweisaufnahme ergeben hat, dass die Nebenklägerin D2 einen gegen den Hals gerichteten Angriff zu keiner Zeit angekündigt, versucht oder durchgeführt hatte. Die Kammer schließt demnach aus, dass C4 den Angeklagten um Hilfe bei der Verteidigung gegen einen derartigen Angriff gebeten haben könnte. Insoweit beruhen die Feststellungen der Kammer nicht nur auf den Angaben der Nebenklägerin D2 selbst, sondern auch auf den von ihrer Schwester, der Nebenklägerin D1 gemachten Angaben. Letzterer habe C4, was D1 als Zeugin bekundet hat, auch von den Problemen mit ihrer Tochter D2 erzählt. Sie hat weiter angegeben, ihre Mutter habe von Streitereien mit D2 berichtet gehabt, in deren Verlauf Porzellan geflogen sei oder D2 ihre Mutter angespuckt habe. Zudem habe sie auch von einem Vorfall berichtet, bei dem D2 ihre Mutter mit der flachen Hand geschlagen haben soll. Der Nebenklägerin D1 ist es sichtlich schwer gefallen, die ihre Schwester in ein schlechtes Licht rückenden Angaben zu machen, die sie mit der psychischen Erkrankung D2s erklärte, weshalb die Kammer sie für glaubhaft hält. Ein Motiv für eine wissentliche Falschaussage ist nicht ersichtlich. Die Nebenklägerin D2 wiederum hat in ihrer Vernehmung als Zeugin eingeräumt, dass es zu Vorfällen dieser Art gekommen sei, wobei sie einen Schlag bestritten und angegeben hat, dass die Tasse, die sie geworfen gehabt habe, ihre Mutter nicht getroffen habe und auch gar nicht habe treffen sollen. Sicher ist danach für die Kammer feststellbar, dass es keinen Angriff gegen den Hals oder eine diesbezügliche Andeutung durch D2 gab. Dies gilt umso mehr, als die feststellbaren Übergriffe durch D2 auf ihre Mutter nicht der Zufügung von Schmerzen oder gar dem Herbeiführen eines als existenzbedrohend wahrgenommenen Zustands – wie regelmäßig bei Angriffen gegen den Hals – dienten, sondern vielmehr Ausdruck der Frustration über den Verlauf des jeweiligen Streitgesprächs waren. Insoweit hat die Nebenklägerin D2 als Zeugin nachvollziehbar angegeben, dass die Streitereien stets „systemischer“ Natur gewesen seien, Uneinigkeit mithin nur darüber geherrscht habe, wie man miteinander umgehe. Sie hätten sich dennoch lieb gehabt, weshalb sie ihrer Mutter nie absichtlich Schaden zugefügt hätte.
182gg)
183Die Feststellungen betreffend die Ankunftszeit des Angeklagten bei C4 sowie den Zeitpunkt seines Aufbruchs gründen sich auf folgende Erkenntnisse und Erwägungen:
184Sowohl als Zeuge im Ermittlungsverfahren als auch in seiner Einlassung vor der Kammer hat der Angeklagte die Zeiten wie festgestellt eingeräumt. Gegenüber dem Vernehmungsbeamten KHK D6 hat er dessen Aussage zufolge angegeben, er sei etwa gegen 14 Uhr bei C4 eingetroffen. Zwar habe der Angeklagte zuerst eine frühere Zeit genannt gehabt, diese jedoch auf Vorhalt der Ergebnisse der Funkzellenauswertung durch den Polizeibeamten korrigiert. In seiner Einlassung am 12. Hauptverhandlungstermin hat er sodann auf Vorhalt der Ergebnisse der Funkzellenabfrage angegeben, dass er das letzte Telefonat – ab 13:55 Uhr für 783 Sekunden, also etwa 13 Minuten – in Höhe des Hotels N2 mit dem Bemerken, man könne ja auch gleich persönlich weitersprechen, abgebrochen habe. Von diesem Ort, den er danach um 14:08 Uhr erreicht hätte, seien es nur noch wenige Fahrminuten bis zum Wohnhaus der C4 in J4, was mit den tatsächlichen Wegstrecken in Einklang steht.
185Die Feststellungen zur Ankunftszeit gründen sich aber auch auf unabhängig vom Angeklagten gewonnenen Erkenntnissen:
186Die Zeugin R1, die eine Wohnung im ersten Obergeschoss des rechts neben dem Haus der C4 liegenden Mehrfamilienhauses bewohnt, hat geschildert, dass sie im August 2019 ihre Mutter in einem Heim gepflegt habe und üblicherweise – so auch am 02.08.2019 – eine Mittagspause zu Hause gemacht habe. Dazu sei sie wie immer gegen 14 Uhr oder kurz danach mit dem Fahrrad an ihrer Wohnung eingetroffen. An besagtem Tag habe sie gesehen, wie ein hoch gewachsener, schlanker Mann mit grauen Haaren bei C4 eingetroffen sei. Nach dem in der Hauptverhandlung gewonnen Eindruck trifft diese Beschreibung auf den Angeklagten zu. C4 habe ihn freudig begrüßt und in die Hände geklatscht. Der Mann sei mit einem schwarzen Kombi gekommen, den er direkt vor dem Haus von C4 auf dem Parkstreifen abgestellt habe. Das Kennzeichen habe das Städtekürzel …(Kürzel entfernt) für I1 getragen, was ebenfalls auf den Angeklagten zutrifft, der einen schwarzen … (Bez. der Automarke entfernt) mit dem Kennzeichen …(Kennzeichen entfernt) fuhr.
187Die Angaben der Zeugin zur Ankunftszeit sind glaubhaft. Die Zeugin kann plausibel erklären, warum sie die Beobachtung mit einer genauen zeitlichen Einordnung verknüpfen kann. Sie hatte, was die Angaben des Weiteren glaubhaft erscheinen lässt, den Besucher für die neue Liebe der C4 gehalten. Zwei Tage zuvor habe C4 ihr nämlich berichtet gehabt, dass sie verliebt sei und den Mann, den sie über eine Dating Plattform im Internet kennengelernt habe, an dem folgenden Wochenende das erste Mal treffen wollte.
188Ebenfalls konstant hat der Angeklagte im Ermittlungsverfahren sowie in der Hauptverhandlung angegeben, dass er das Haus der C4 gegen 16 Uhr wieder verlassen habe. Diese Angaben sind auch mit der weiteren Beweisaufnahme vereinbar, insbesondere den Angaben der Zeugin R1 sowie den Ergebnissen der von KHK C9 vorgenommenen Funkzellenauswertung.
189Die Zeugin R1 hat insoweit angegeben, dass der ihr aufgefallene schwarze Kombi nach ihrem Mittagsschlaf nicht mehr vor dem Haus der C4 gestanden habe. Zeitlich gehe sie davon aus, dass es etwa 16:00 Uhr gewesen sei, spätestens 16:15 Uhr. Zu dieser Zeit sei sie wie üblich wieder zu dem Heim gefahren, in dem ihre Mutter betreut wurde.
190Die Ergebnisse der von KHK C9 durchgeführten Funkzellenauswertung stehen nicht in Widerspruch zu den Angaben der Zeugin sowie der Einlassung des Angeklagten. Sie sind aber weniger präzise, da sie sich auf eine Funkzelle, mithin einen mehrere hundert Quadratmeter großen Bereich, beziehen und nur für bestimmte, von Telekommunikationsvorgängen abhängige, nicht frei wählbare Zeitpunkte Auskunft über die genutzte Funkzelle geben. Die für das Handy des Angeklagten erhobenen Daten, die durch die Vernehmung von KHK C9 in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, bestätigen, dass er sich ab dem Nachmittag im Haus von C4 aufhielt. KHK C9 hat insoweit angegeben, dass der Angeklagte für sein Handy das Netz der Telekom genutzt habe, welches mit anderen Funkmasten und einer anderen Funktechnik arbeite, als das für das Handy der C4 genutzte Netz der Firma Telefonica. Der Angeklagte habe sich aus den für die Funkzellen J4 gelieferten Daten nachvollziehbar zwischen 14:38 Uhr und 15:40 Uhr in einer Funkzelle der Telekom, die den Bereich … (Adresse entfernt) abdeckt und aus sachverständiger Sicht des KHK C9 plausibel für einen Aufenthalt in ihrem Wohnhaus spreche, aufgehalten. Der für das Telekomnetz genutzte Funkmast befinde sich an der … (Straßenname entfernt) und nutze einen in südöstliche Richtung führenden Abstrahlwinkel. Zwischen 15:40 Uhr und 16:11 Uhr ergebe sich aus der Funkzellenauswertung für den Ortsteil J4 eine Lücke in Bezug auf das vom Angeklagten genutzte Mobiltelefon. Weil er selbst jedoch eingeräumt hat, sich bis 16 Uhr bei seiner Tante aufgehalten zu haben, und für die Zeit ab 16:11 Uhr wieder Kommunikation mit dem Handy des Angeklagten im Funkzellenbereich J4 stattfand, schließt die Kammer aus, dass der Angeklagte sich ab 15:40 Uhr nicht im Bereich des …(Adresse entfernt) aufgehalten haben könnte. Für eine Zeit von 19 Minuten beginnend um 16:11 Uhr habe das Handy des Angeklagten, so der Zeuge KHK C9, eine Internetverbindung aufgebaut, die wiederum in der vom Funkmast …(Straßenname entfernt), Abstrahlwinkel südöstlicher Richtung, versorgten Funkzelle liegt.
191Dieser Kommunikationsvorgang ist auch mit der Bewertung der Kammer, dass der Angeklagte zwischen 16:00 und 16:15 Uhr am …(Adresse entfernt) losfuhr, vereinbar. Insoweit ist wiederum auf die relative Ungenauigkeit der Funkzellenauswertung in Bezug auf eine exakte Position eines Handys innerhalb einer Funkzelle hinzuweisen. Zunächst, so der regelmäßig mit der Auswertung von Funkzellen und insoweit mit Sachverstand ausgestattete Zeuge KHK C9, könnten Datenverbindungen auch ohne das Wissen und das Zutun des Handynutzers selbstständig vom Handy initiiert werden, beispielsweise bei der Aktualisierung von Apps oder durch das Herunterladen von Updates. Es sei somit ohne weiteres denkbar, dass der Angeklagte das Handy in der Hosentasche oder neben sich im Auto liegen gehabt habe, als die Datenverbindung begonnen wurde. Des Weiteren wäre es zeitlich auch mit den Angaben der Zeugin R1 noch vereinbar, wenn der Telekommunikationsvorgang im Wohnhaus von C4 gestartet wurde und der Angeklagte sich danach ins Auto gesetzt hätte. Schließlich ist nach den Angaben des Zeugen auch denkbar, dass der Telekommunikationsvorgang auf dem Weg vom …(Adresse entfernt) in Richtung N2 begonnen wurde, da Teile der Strecke in dem von dem Funkmast mit südöstlicher Abstrahlrichtung erfassten Funkzelle liegen. Insoweit wird wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf den bei den Akten befindlichen Landkartenausschnitt Bl. 25 des TKÜ-Sonderheftes Bezug genommen, der mit dem Zeugen in Augenschein genommen wurde. Um den „auf 4 Uhr“ zeigenden Abstrahlwinkel herum liege – so der sachverständige Zeuge – der von dem Funkmast versorgte Funkzellenbereich, der auch Teile des …- und … (Straßennamen entfernt) sowie der N3-Straße erfasse, die der Angeklagte für den Rückweg befahren hat.
192hh)
193Die Feststellungen der Kammer zum frühestmöglichen Zeitpunkt des tödlichen Angriffs beruhen auf den Ergebnissen der Funkzellenauswertung sowie der von der Firma Telefonica, dem Netzbetreiber der von C4 genutzten Rufnummer, übermittelten Verbindungsdaten.
194Insoweit hat KHK C9 nachvollziehbar anhand der Verbindungsdaten erläutert, dass sich das Handy der C4 und demnach mutmaßlich auch sie am 02.08.2019 bis 16 Uhr in einer der ihr Haus abdeckenden Funkzellenbereiche aufgehalten habe. Der …(Adresse entfernt) sei so gelegen, dass ein dort aktives Handy, welches Verbindungen über das Telefonicanetz herstelle, sich an einem von zwei möglichen Funkmasten einwähle: entweder in den an der ….(Straßenname entfernt) gelegenen Funkmast mit einem Abstrahlwinkel von 150 Grad (südöstliche Richtung) oder in den am …(Straßenname entfernt) gelegenen Funkmast mit dem Abstrahlwinkel 30 Grad (nordöstliche Richtung). Die Hauptstrahlrichtungen der beiden Masten lägen sehr nahe beieinander, so dass die im Schnittbereich aktiven Handys sich jeweils den in dem Moment des Kommunikationsbeginns stärksten Masten aussuchten.
195Über den Tag, und auch schon in der Zeit vor dem 02.08.2019, sei deutlich erkennbar, dass das Handy von C4 meistens in einen dieser beiden Funkmaste eingewählt sei. Dies insbesondere auch zu Abend- und Nachtzeiten, für die davon auszugehen sei, dass sich C4 zu dieser Zeit zu Hause, eventuell sogar schlafend im Bett, aufgehalten und ihr Handy automatische Updates durchgeführt habe. Eine Internetverbindung über den in ihrem Haus befindlichen Router habe C4 danach nicht aufgebaut, sondern das Mobilfunknetz genutzt.
196Dass C4 ihr Handy als alltäglichen Gebrauchsgegenstand, also nicht nur zum Telefonieren, sondern auch darüber hinaus nutzte, beispielsweise – siehe oben -zur Vornahme von Reisebuchungen, steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben der Zeugin G2. So hat diese angegeben, dass sie mit ihrer Großmutter über den Messengerdienst Whatsapp kommuniziert habe, diese darüber hinaus mit anderen Verwandten oder Freunden auch über SMS, E-Mail und den Messengerdienst Telegram Kontakt gehalten habe. Sie habe ihr Handy viel genutzt und Nachrichten stets schnell beantwortet. Dass C4 ihr Handy häufig nutzte, wird durch die in der Hauptverhandlung gewonnenen Eindrücke aus der Funkzellenüberwachung sowie der Auswertung ihrer Telegram-Cloud bestätigt und vom Angeklagten in seiner Einlassung auch nicht in Abrede gestellt. Der Zeuge KHK C9 hat dazu angegeben, dass sich aus der rückwirkend bis zum 1. Mai 2019 gelieferten Datenmenge des Netzanbieters Telefonica eine sehr häufige Nutzung des Handys zu Kommunikationszwecken ergebe. Lücken im Sinne von ganztätigen Kommunikationspausen ergäben sich aus dem Datenbild der C4 bis zum 02.08.2019 nicht. Ab dem 02.08.2019, 15:42 Uhr erfolgte jedoch keine aktive Nutzung des Mobiltelefons mehr, welches sich ab dem 05.08.2019, 06:01 Uhr nicht mehr in irgendeine Funkzelle einloggte, was nach den Angaben des Zeugen KHK C9 nachvollziehbar dafür spricht, dass sich das Handy zu dieser Zeit wegen fehlender Akkuleistung ausstellte.
197Für die ausgehende SMS um 15:42 Uhr nutzte das Handy von C4 den Funkmast …(Straßenname entfernt) 30 Grad, was für eine Nutzung in ihrem Haus spricht. Es handelt sich dabei um die letzte nachweisbare aktive Handlung an ihrem Handy. Die folgenden Verbindungen sind entweder Datenverbindungen, die auch automatisch vom Handy durchgeführt worden sein können, oder eingehende SMS. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte, der zu diesem Zeitpunkt, wie er selbst eingeräumt hat, als einziger mit seiner Tante in deren Haus war, ihren – üblicherweise genutzten – PIN Code kannte und deshalb Urheber der letzten SMS an D2 gewesen sein könnte, hat die Kammer nicht erlangt.
198Insoweit geht die Kammer also davon aus, dass C4 frühestens am 02.08.2019 ab 15:42 Uhr angegriffen wurde und verstorben ist. Nach dem oben Gesagten schließt die Kammer aber wegen des erheblichen Umfangs ihrer Handynutzung auch aus, dass C4 in den folgenden Tagen aus einem anderen Grund als dem auf sie erfolgten Angriff die Benutzung ihres Mobiltelefons einstellte.
199ii)
200Die von der Kammer getroffenen Feststellungen zum Todeszeitpunkt gründen sich auf eine Gesamtbetrachtung, die insbesondere das Ende der aktiven Handykommunikation durch C4 nach der SMS um 15:42 Uhr, das Hinaustreten ihres Mobiltelefons aus der für ihr Wohnhaus zuständigen Funkzelle gegen 16:00 Uhr sowie den Zustand ihres Hauses ab dem Nachmittag des 02.08.2019 umfasst, woraus der von der Kammer gezogene Rückschluss folgt, dass C4 das Haus nicht selbstbestimmt verlassen hat. Dem liegen im Einzelnen folgende Erkenntnisse und Erwägungen zugrunde:
201(1)
202Nach der ausgehenden SMS um 15:42 Uhr, die über den ihr Wohnhaus versorgenden Funkmast gesendet wurde, ist das Mobiltelefon von C4 erstmals wieder um 16:00:48 Uhr aktiv. Die zu dieser Zeit begonnene und für 4 Stunden andauernde Datenverbindung könne, so der Zeuge KHK C9, sowohl durch eine aktive Nutzung des Handys durch einen Benutzer, bei der auf Internetdaten zugegriffen werde, oder bei im Hintergrund durchgeführten automatischen Aktualisierungen von Apps anfallen. Jedenfalls habe sich das Handy zum Beginn dieser Datenverbindung sicher nicht mehr im … (Adresse entfernt) befunden, weil der für die Datenverbindung genutzte Funkmast diesen Bereich nicht versorge. Es handele sich dabei um den Funkmast am … (Straßenname entfernt) mit einem in genau westliche Richtung verlaufenden Abstrahlwinkel von 270 Grad, der unter keinem denkbaren Umstand das Haus am … (Straßenname entfernt) versorgen könne, da dieses nördlich des Funkmasten am …(Straßenname entfernt) liege. Zur Veranschaulichung hat der Zeuge der Kammer den auf Bl. 12 des TKÜ-Sonderbandes bei den Verfahrensakten befindlichen Kartenausschnitt, auf den gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, erläutert und dazu angeführt, dass nur die ober- und unterhalb des Abstrahlwinkels liegenden beiden „Tortenstücke“ von dem Funkmast mit dieser Abstrahlrichtung versorgt werden könnten, nicht aber das deutlich außerhalb davon liegende Haus am …(Adresse entfernt).
203In der Folge empfing das Handy von C4 je eine SMS um 16:11, 16:13, 16:16, 16:17, zwei um 16:19, und je eine um 16:20 sowie 16:22 Uhr über die Funkmasten, die auch für die Versorgung ihres Wohnhauses zuständig sind. Die ersten beiden wurden über den Funkmast …(Straßenname entfernt), Abstrahlwinkel 150 Grad (südöstliche Richtung) empfangen, die SMS ab 16:16 Uhr bis zur ersten um 16:19 Uhr über den Funkmast …(Straßenname entfernt), Abstrahlwinkel 30 Grad (nordöstliche Richtung). Die zweite SMS um 16:19 Uhr kam erneut über den Funkmast ...(Straßenname entfernt), 150 Grad, diejenigen um 16:20 und 16:22 Uhr erneut über den Funkmast ....(Straßenname entfernt), 30 Grad. Ab 16:39 Uhr findet jegliche Kommunikation des Handys, wobei weiterhin keine Zeichen aktiver Nutzung feststellbar sind, über den Mast statt, in den sich das Handy bereits um 16:00 Uhr für die 4-stündige Internetverbindung eingewählt hatte (....(Straßenname entfernt) 270 Grad). Das Mobiltelefon verbleibt ab diesem Zeitpunkt in dieser Funkzelle, wo es am 05.08.2019 um 06:01 Uhr die letzte Datenverbindung aufbaut, die um 08:41 Uhr getrennt wird. Danach wählt das Handy sich nicht mehr in eine Funkzelle ein, was aus Sicht des KHK C9 dafür spricht, dass der Akku des Mobiltelefons entleert war und es sich abgestellt hat.
204Aus Sicht des mit einer Vielzahl von Funkzellenauswertungen befassten und deswegen mit Sachverstand ausgestatteten KHK C9, der auch insoweit als Sachverständiger belehrt wurde, ist der zu beobachtende Wechsel der Funkmasten für Zwecke des Empfangs von SMS am ehesten damit zu erklären, dass sich das Handy in Bewegung befunden haben muss. Dies sei auch in Einklang zu bringen mit der dauerhaft ab 16:00 Uhr bestehenden Internetverbindung über den in westliche Richtung strahlenden Funkmast ....(Straßenname entfernt), da Internet- und Handykommunikation über verschiedene Funkmasten abgewickelt werden. Der Umstand, dass das Handy für die Internetverbindung die gesamten 4 Stunden in den Funkmast ....(Straßenname entfernt) 270 Grad, eingewählt sei, spreche aus sachverständiger Sicht auch dafür, dass ab 16:00 Uhr keine Rückkehr mehr in den häuslichen Bereich stattgefunden habe, da dieser – wie ausgeführt – außerhalb des von diesem Funkmasten versorgten Bereichs liege. Außerhalb des Wohnhauses seien jedoch Schnittmengen mit den anderen beiden Funkmasten, zu denen Verbindungen aufgebaut worden sind, vorhanden.
205Die Kammer hat beruhend auf dem von KHK C9 ermittelten Ergebnis der Funkzellenauswertung die Feststellung getroffen, dass das Handy von C4 um 16:00:48 Uhr eine Internetverbindung in einem südwestlich des Hauses liegenden Bereich aufgebaut hat und anschließend seine Position weiter verändert hat, bis es sich ab 16:39 Uhr nicht mehr bewegte. Soweit KHK C9 daraus den Schluss zieht, dass das Mobiltelefon der C4 sich ab 16:00 Uhr nicht mehr in ihrem Wohnhaus befand, schließt die Kammer sich dieser Bewertung an. Maßgeblich spricht dafür, dass die um 16:00 Uhr begonnene Datenverbindung erst nach 4 Stunden – mithin dem Erreichen der Höchstdauer einer Datenverbindung, wie der Zeuge ausgeführt hat – beendet wurde. Wäre C4 in ihr Haus zurückgekehrt, hätte sie die Funkzelle, in die sie eingeloggt war, verlassen müssen, was wiederum zur Folge gehabt hätte, dass sich ihr Mobiltelefon für die Fortsetzung der Datenübertragung in eine andere Funkzelle eingeloggt hätte. Dieser Mechanismus wird nachvollziehbar dadurch belegt, dass die zuvor vom Mobiltelefon genutzte Datenverbindung ab 13:26 Uhr nicht für die Maximallaufzeit von 4 Stunden bestand, sondern durch das Verlassen des Hauses um 16 Uhr getrennt wurde.
206Die dauerhaft vom Handy initiierten Datenverbindungen, vorher und nachher von 4-stündiger Länge, sprechen aus Sicht der Kammer dafür, dass es sich dabei nicht um Anzeichen einer aktiven Handybenutzung handelt, sondern um im Hintergrund ablaufende Datentransfers. Dafür spricht auch, dass die ab 13:26 Uhr bestehende Datenverbindung während des Besuchs des Angeklagten, der keine durchgehende Handynutzung seiner Tante geschildert hat, fortbestand.
207Die Bewertung, dass das Handy sich ab 16:39 Uhr nicht mehr fortbewegte, ist nachvollziehbar anhand der Daten der Funkzellenauswertung belegt, die ab dieser Zeit eine Verbindung zu dem Funkmast ....(Straßenname entfernt) 270 Grad ausweist. Der Schlussfolgerung, dass das Handy sich am 05.08.2019 mangels Akkuleistung abstellte, schließt die Kammer sich aufgrund der Gesamtumstände ebenfalls an.
208(2)
209Aus dem von den Zeuginnen R1 und G2 entsprechend der Feststellungen geschilderten Zustand des Hauses zieht die Kammer die Schlussfolgerung, dass zu dem Zeitpunkt, als ihr Handy die für den Bereich ihres Wohnhauses zuständigen Funkzelle verlassen hat, der Angriff auf C4 bereits stattgefunden hatte. So haben beide Zeuginnen übereinstimmend und glaubhaft geschildert, dass C4 sehr achtsam mit der Markise über der Terrasse sowie mit dem Haustürschloss gewesen sei. Die Markise habe sie stets eingefahren, wenn sie den häuslichen Bereich verlassen habe. Die Zeugin G2 hat insoweit beschrieben, dass C4 ihre Markise „geliebt“ habe und deswegen sehr schonend mit ihr umgegangen sei. Dasselbe hat die Zeugin R1 geschildert, die insoweit davon berichtet hat, dass es ungewöhnlich gewesen sei, dass das „Sonnensegel“ entgegen der sonstigen Angewohnheit der C4 nicht eingefahren gewesen sei. Die ausgefahrene Markise habe sie schon nach ihrem Mittagsschlaf, also gegen 16:00 bis 16:15 Uhr gesehen, als das Fahrzeug des Angeklagten bereits nicht mehr am …(Adresse entfernt) stand.
210Gleichfalls sei es den Angaben der Enkelin G2 zufolge absolut ungewöhnlich für C4 gewesen, einen Topf mit Essen so in dem Haus zurückzulassen, dass der Inhalt bei Öffnung des Hauses am 06.08.2019 verschimmelt gewesen sei. Es habe sich um die Reste eines Nudelgerichts gehandelt, was wegen der Angabe des Angeklagten, ein solches mit seiner Tante bei seinem Besuch eingenommen zu haben, klar dafür spricht, dass der von den Zeuginnen vorgefundene Zustand des Hauses demjenigen entspricht, der auch schon zum Ende des Besuchs des Angeklagten bestand. Zudem sei C4 „zwanghaft“ mit dem Haustürschloss umgegangen, welches sie immer – auch bei nur kurzen Abwesenheiten wie beispielsweise zum Brötchenholen – verschlossen habe. Insoweit gründen sich die Erkenntnisse der Kammer auch auf die Angaben der Nachbarin R1, die eine entsprechende Angewohnheit der Getöteten geschildert hat. Die Zeugin G2 hat insoweit zusätzlich angegeben, dass ihre Großmutter auch vor Spaziergängen stets abgeschlossen habe. Ebenso sei beiden Zeuginnen ungewöhnlich vorgekommen, dass die Terrassentür in Kippstellung zurückgelassen wurde.
211Diese für sich glaubhaften Schilderungen der Zeuginnen über die bei C4 jahrelang zu beobachtenden Gewohnheiten lassen den Schluss darauf zu, dass diese ihr Haus nicht eigenbestimmt mit dem Handy verlassen hat. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der unverschlossenen Tür eine geringere Indizwirkung zukommt, weil die Tür auch bei einem späteren Schließen durch eine berechtigte Person oder einen Schlüsselinhaber lediglich ins Schloss gezogen worden sein könnte. Eine Gesamtschau der für ein ungeplantes und nicht von C4 beherrschtes Verlassen des Hauses sprechenden Umstände lässt für die Kammer aber den sicheren Rückschluss zu, dass C4 das Haus gegen 16 Uhr nicht freiwillig mit ihrem Handy verließ, sondern bereits angegriffen worden war.
212Dem zu Beginn der Ermittlungen für möglich gehaltenen Umstand, dass C4 spontan zu einer Kurzreise aufgebrochen sein könnte, steht zusätzlich zu den oben genannten Erwägungen entgegen, dass die Enkelin G2, die noch kurz zuvor mit C4 in Kopenhagen war, die stets von ihrer Großmutter genutzte Kulturtasche im Haus vorfand, ohne die C4 ihren Angaben zufolge keine Reise angetreten hätte, was plausibel ist.
213(3)
214Die unter den beiden vorgenannten Ziffern dargestellten Feststellungen und Erwägungen begründen zusammen genommen die Schlussfolgerung der Kammer, dass der Angriff auf C4 zu dem Zeitpunkt, als ihr Mobiltelefon aus der für ihr Haus zuständigen Funkzelle heraustrat, bereits stattgefunden hatte, mithin in dem Zeitraum zwischen 15:42 und 16:00 Uhr.
215Denn es ist nach den Erkenntnissen zu den Gewohnheiten von C4 nicht anzunehmen, dass sie ihr Haus mit ausgefahrener Markise, auf Kipp stehender Terrassentür, unabgespültem Kochgeschirr und nicht verschlossener Haustür auch nur für einen kurzen Zeitraum freiwillig verlassen hätte. Die Absicht von C4, das Haus unmittelbar nach seinem Aufbruch zu verlassen, ergibt sich auch nicht aus den Angaben des Angeklagten, der insoweit nur geschildert hatte, dass C4 davon gesprochen habe, am Abend noch etwas vorzuhaben, aber nicht, dass sie ihn „hinauskomplimentiert“ hätte, weil sich nahtlos ein Termin oder eine Erledigung anschließen sollte.
216Schließlich hat die Kammer aus einer Gesamtschau der Umstände auch ausgeschlossen, dass C4 noch nicht angegriffen war und das Handy ohne sie die für ihr Haus zuständige Funkzelle verlassen hat. Dagegen spricht schon, dass die Zeugen und auch der Angeklagte angegeben haben, dass C4 ihr Handy viel genutzt und es immer bei sich getragen hat. Der Angeklagte hat auch ausgeschlossen, dass er ihr Handy versehentlich mitgenommen habe. Dafür, dass der Täter des Angriffs auf C4 auch für die Bewegung des Handys ab 16:00 Uhr verantwortlich war, spricht zudem der Umstand, dass es sich ab 16:39 Uhr in einem Bereich aufgehalten hat, der nicht überwiegend bewohnt, sondern von Grün-, Wald- und Ackerflächen durchzogen ist. Nach dem Dafürhalten der Kammer eignet er sich deshalb auch in hohem Maße als Versteck für ein „zu entsorgendes Handy“. Dies wird nicht zuletzt auch dadurch belegt, dass die Polizei das Handy bei mehreren groß angelegten Suchaktionen mit Beamten der Einsatzhundertschaft und Suchhunden nach den Angaben des Zeugen EKHK Q2 nicht auffinden konnte.
217Die Schlussfolgerung der Kammer, dass C4 um 16:00 Uhr bereits angegriffen worden war, wird auch nicht durch die Beobachtung der Zeugin C10, die am …(Adresse entfernt) wohnt und damit eine entferntere Nachbarin von C4 war, entscheidend in Zweifel gezogen. Diese hat geschildert, dass am 02.08.2019 um 17:40 Uhr die Haustür bei C4 weit aufgestanden habe. Sie sei zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Ehemann zum Kegeln gefahren, wozu sie immer exakt zu dieser Uhrzeit aufbrächen, da sie ein anderes Ehepaar um 17:45 Uhr abholen würden.
218Die Kammer hält die Angaben schon nicht für glaubhaft, soweit die Zeugin sich sicher ist, dass ihre Beobachtung am 02.08.2019 stattgefunden haben müsse. Denn die Zeugin hat sich nicht etwa selbst bei der Polizei gemeldet und den ihr verdächtig erscheinenden Umstand geschildert, sondern wurde – was von der Zeugin als richtig eingeräumt wurde – im Rahmen einer Nachbarschaftsbefragung der Polizei am 27.08.2019 befragt, ob sie Erkenntnisse zum Verbleib der vermissten C4 habe. Die Untätigkeit der Zeugin ist vor dem Hintergrund, dass nach Angaben u.a. G2s in der Nachbarschaft nur wenige Tage nach dem Verschwinden der C4 Plakate aufgehängt wurden, in denen um Mithilfe bei der Suche nach Spuren zu dem Verbleib der Vermissten gebeten wurde, nicht nachvollziehbar. So hat die Zeugin auch eingeräumt, die angebrachten Zettel gesehen zu haben. Eine Erklärung, warum sie ihre Beobachtungen, die – soweit zutreffend – auf der Hand liegend bedeutsam sein konnten, nicht schon früher mitgeteilt habe, sondern erst auf gezielte Nachfrage der Polizei angegeben hatte, hat sie nicht gegeben. Nach dem Dafürhalten der Kammer ist dieser Umstand nur schwerlich damit vereinbar, dass die Zeugin ihre Beobachtungen tatsächlich am 02.08.2019 machte.
219Gegen die Richtigkeit ihrer Angaben sprechen zudem die Ergebnisse aus der Vernehmung der Nebenklägerin D2 als Zeugin, die angegeben hat, etwa gegen kurz vor 18:00 Uhr – also 15 Minuten nach dem von der Zeugin C10 genannten Zeitpunkt – an dem Haus ihrer Mutter vorbeigegangen zu sein. Zu dieser Zeit sei alles unauffällig gewesen, insbesondere sei niemand zu sehen und die Haustür geschlossen gewesen. Der Zeitpunkt ihrer Wahrnehmung wird durch den entsprechenden SMS-Inhalt aus ihrem ausgelesenen Handy belegt. Zu dieser Zeit ist die Nebenklägerin am Haus ihrer Mutter vorbeigekommen, um ihr Fahrrad, welches in der Garage von C4 stand, abzuholen. Schon wegen der kurz zuvor von Seiten ihrer Mutter ausgesprochenen Kontaktsperre habe sie nicht vorgehabt, ihre Mutter zu besuchen, sondern habe nur das Fahrrad holen wollen. Dass sie um 17:58 Uhr in der Garage stand und per SMS bei ihrer Mutter nachfragte, wie sie das Schloss öffnen solle, wird auch bestätigt durch die in der Hauptverhandlung verlesene Auskunft der Stadtwerke C5 zu einem von D2 genutzten Abo-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, mit dem sie zu ihrer Mutter gefahren ist, weshalb ihre Angaben insoweit glaubhaft sind.
220Aber selbst wenn die Angaben der Zeugin C10 nicht auf einem Irrtum beruhen würden, wären sie nicht geeignet, die für den angenommenen Tatablauf sprechenden Indizien zu entkräften. Die Kammer hält es nicht für ausgeschlossen, dass der Täter die Haustür offen stehen gelassen hat oder – in Eile nicht richtig geschlossen hat – und die danach offen stehende Tür erst später, beispielsweise durch den mit der auf Kipp stehenden Terrassentür entstehenden Durchzug, zufiel.
221jj)
222Die Feststellungen zur Abreise des Angeklagten, insbesondere betreffend den Zeitpunkt seines Aufbruchs und den Rückreiseweg, welche die Annahme nach sich ziehen, dass die Handys von C4 und des Angeklagten sich ab etwa 16:00 Uhr parallel zueinander bewegten, gründen sich auf folgende Feststellungen und Erwägungen:
223(1)
224Die für das Handy des Angeklagten erhobenen Daten belegen, wie oben unter gg) ausgeführt, dass er sich ab etwa 14 Uhr in C5…(Ortsteil entfernt) befand und zuletzt um 15:40 in eine Funkzelle eingeloggt war, die das Haus von C4 versorgt.
225Danach, nämlich für eine Zeit von 19 Minuten beginnend um 16:11 Uhr baut sein Handy wieder eine Internetverbindung auf, die wiederum in der vom Funkmast ...(Straßenname entfernt), Abstrahlwinkel südöstlicher Richtung, versorgten Funkzelle, in der sich auch der …(Adresse entfernt) befindet, liegt. Um 16:31 Uhr wählt das Handy sich in denselben Funkmast, jedoch mit in südwestlicher Richtung weisendem Abstrahlwinkel ein, bevor es sich für die Zeit ab 16:36 Uhr in dem südlich von dem Funkmast ...(Straßenname entfernt) befindlichen Funkmast am …(Adresse entfernt) einwählt, der in nördliche Richtung mit leicht östlichem Einschlag strahlt.
226Zwar könnten nach den nachvollziehbaren Ausführungen des sachverständigen Zeugen KHK C9 aus den vorliegenden Daten keine Bewegungsprofile erstellt werden, denn zum einen seien für den Anschluss des Angeklagten keine retrograden Verbindungsdaten angefordert worden, wechselte er doch erst nach Ablauf der Speicherfristen in den Status eines Beschuldigten. Bekannt seien daher nur die in …(Ortsteil entfernt) angefallenen Verkehrsdaten, da diese zeitnah und vollständig von den Ermittlungsbehörden bereits in dem Vermisstenfall der C4 angefordert worden seien. Zum anderen könne durch die Einwahl in eine Funkzelle immer nur ein grober Bereich möglicher Standorte in Betracht gezogen werden und keine genauen Positionen.
227Um die Frage zu beantworten, ob die Handys des Angeklagten und von C4 denselben Weg startend am … (Adresse entfernt) zurückgelegt haben könnten, habe er, KHK C9, die Wirkbereiche im 1. Rang der Funkzellen, also diejenigen Teile der Funkzelle vermessen, in denen ein Standort wegen der Nähe zum Hauptstrahlwinkel besonders wahrscheinlich sei. Insbesondere im städtischen Bereich sei wegen der Funkmastdichte auch nicht wahrscheinlich, dass ein Funkmast ein Handy außerhalb dieses Bereichs versorge, weil insoweit anzunehmen wäre, dass das Mobiltelefon sich an einem anderen, stärkeren Funkmast einloggt. Die Wirkbereiche der Funkzellen – 16:39 Uhr für die Endposition des Handys von C4, 16:36 Uhr für das Handy des Angeklagten – habe er graphisch übereinander gelegt, um die Schnittmenge zu visualisieren. Die auf Bl. 49/50 d. A. zur Akte gereichten graphisch aufbereiteten Landkartenausschnitte, auf die jeweils wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird, zeigen mit der blau eingefärbten Fläche die Funkzelle für das Handy von C4 und mit der roten die Funkzelle, in die das Handy des Angeklagten eingeloggt war. Der lilafarbene Bereich bildet die Schnittmenge der möglichen Aufenthaltsorte der Handys ab und steht damit für die Bereiche, die unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Funkzellenauswertung mögliche gemeinsame Aufenthaltsorte der Handys sein könnten. Die Funkzellen überschneiden sich in einem Bereich, der jeweils grob geschätzt die Hälfte der Funkzelle ausmacht. Während der von C4 Handy genutzte Funkmast einen Bereich auch nördlich der Schnittmenge versorgt, erfasst der Funkmast, in den das Handy des Angeklagten eingeloggt war, auch einen im Süden der Schnittfläche gelegenen Bereich.
228Die Kammer hält es angesichts der zeitlichen Übereinstimmungen, der Ähnlichkeiten der feststellbaren Funkzellen und schließlich der relativen Größe der Schnittmenge im Vergleich zu dem nicht von der Schnittmenge erfassten verbleibenden Funkzellenbereich für fernliegend, dass die beiden Handys nicht miteinander bewegt wurden. Es ist auch schlicht abwegig, dass der Angeklagte zwar in etwa zeitgleich und den gleichen Weg zurücklegend vom …(Adresse entfernt) aufgebrochen ist, aber die dieselbe Strecke zurücklegende C4 oder einen etwaigen unbekannten Täter, der das Handy aus ihrem Haus hätte entwenden müssen, nicht bemerkt haben will. Auch eingedenk der Unsicherheit in der Bewertung, die durch die Verschiedenheit der Mobilfunkanbieter und die zeitversetzten Kommunikationsvorgänge entsteht, ist der Schluss, dass beide Handys parallel zueinander in Bewegung sind, mit großer Sicherheit zu ziehen. Dafür spricht zu den oben genannten Gründen auch, dass die Datenverbindung des Angeklagten um 16:31 Uhr nur für 15 Sekunden andauerte, was sich durch den Umstand, dass der Angeklagte sich auf der Fahrt durch die Funkzelle wieder aus dieser herausbewegt hatte und die Verbindung deshalb unterbrochen wurde, erklären ließe.
229Dabei hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Angabe des Angeklagten, er sei direkt von C4 zu seiner Cousine D2 gefahren, durch die Verkehrsdaten widerlegt wird. Zunächst spricht gegen seine Einlassung schon, dass er um 16:11 Uhr noch in einem Bereich eingeloggt war, der auch das Haus von C4 versorgt. Ausschlaggebend dafür, dass die Kammer seine Einlassung als widerlegt ansieht, ist jedoch vielmehr, dass er um 16:31 und 16:36 Uhr immer noch im Bereich …(Adresse entfernt) und damit im Norden der Stadt C5 aufhältig ist. Dies ist mit einem Verlassen des Hauses und zielgerichtetem Fahren in Richtung des … (Ortsteil entfernt), welches südlich des Stadtzentrums liegt, unvereinbar. Insoweit hat der Angeklagte ja auch für den Hinweg angegeben, dass er von dem Hotel N2 bis zu seiner Tante etwa 2-5 Minuten gebraucht habe. Gründe, die eine Fahrzeit für diese Strecke von nun etwa 20 Minuten – seit 16:11 Uhr - erklären könnten, hat er weder genannt noch sind sie ersichtlich.
230(2)
231Die Dauer der Datenverbindung, die der Angeklagte um 16:36 Uhr aufbaute und die einen Rückschluss darauf hätte zulassen können, inwieweit der Angeklagte in dem Bereich des mutmaßlichen Ablageorts des Handys von C4 verweilte, konnte der Zeuge KHK C9 nicht genau benennen. Insoweit handelte es sich um eine Besonderheit in dem genutzten Funkmastprotokoll, welches das interne Kürzel der Telekom „00000“ trägt. Anders als bei allen anderen gängigen Funkmasten sei hier die in der Funkzellenauswertung genannte Dauer der Verbindung nicht gleichzusetzen mit der Verweildauer in der Funkzelle, weil die Verbindung – jedenfalls protokollarisch – auch bei Verlassen der Zelle fortgeführt werde. Erst, wenn das Handy sich in eine andere Funkzelle eingeloggt habe, erfolge die Trennung zu dem Funkmast mit der „00000“-Protokollierung. Es sei mithin aus seiner, der Sicht des KHK C9, nicht feststellbar, wie lange sich der Angeklagte in der vom Funkmast …(Adresse entfernt) versorgten Funkzelle aufgehalten habe. Jedenfalls auszuschließen sei, dass er sich dort für die in der Funkzellenauswertung angegebenen 26 Minuten aufgehalten habe, denn dies sei nicht vereinbar mit dem vom Angeklagten eingeräumten und durch die EC-Karten-Buchung bestätigten Tankvorgang an der Tankstelle …(Ortsbezeichnung entfernt) um 17:02 Uhr.
232Es muss demnach offen bleiben, welchen Weg der Angeklagte ab 16:36 Uhr gefahren ist und wo er sich möglicherweise noch aufgehalten hat. Im Sinne größtmöglicher Wahrscheinlichkeit wäre davon auszugehen, dass der Angeklagte von dem Standort aus der 16:36-Uhr-Funkzelle Richtung …(Ortsbezeichnung entfernt) gefahren ist und über die nicht öffentliche, sondern nur für Lieferanten vorgesehene Zuwegung auf das Tankstellengelände gefahren ist. Die dabei zu erwartende Fahrtzeit von 10-15 Minuten wäre insofern passend, als der Angeklagte bis zur Bezahlung an der Tankstellenkasse ja auch noch den Tankvorgang hätte durchführen müssen.
233Ausschließen kann die Kammer dagegen, dass der Angeklagte nunmehr, also ab 16:36 Uhr den Weg zu D2 angetreten sein könnte. Es blieben ja weniger als 30 Minuten bis zum Bezahlen an der Tankstelle … (Ortsbezeichnung entfernt). Dieser Zeitraum ist unter Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens an einem Freitagnachmittag in der Innenstadt von C5 nicht ausreichend, um diese zu durchqueren und die Stadt auf der anderen Seite über die Autobahnauffahrt C5 Süd in nördliche Richtung fahrend zu verlassen. Der Angeklagte hat insoweit selbst angegeben, dass er für die Fahrt zur …(Adresse entfernt) 20-30 Minuten gebraucht haben will, was als durchaus plausibel anzusehen ist. Selbst bei Zugrundelegung des günstigsten Falls, also einer Fahrtzeit von nur 20 Minuten, wäre jedoch der zeitliche Rahmen bis zum festgestellten Bezahlvorgang an der Tankstelle mit Parken, Fußweg zum Haus, Klingeln, Zurückgehen und Weiterfahren, wobei die Fahrtzeit bis zur Tankstelle …(Ortsbezeichnung entfernt) noch mindestens 15 Minuten betragen hätte, überschritten.
234Zudem hält die Kammer seine Angaben insoweit auch für nicht plausibel, als er seine Cousine vorher nicht telefonisch über seinen angeblichen Besuch informiert oder sich erkundigt haben will, ob sie zuhause ist. Auch habe er nachdem er vergeblich bei ihr geklingelt habe, nicht versucht sie anzurufen, was insgesamt die anhand objektiver Umstände begründete Einschätzung der Kammer, der Angeklagte habe nur behauptet, er sei nach dem Aufbrechen bei C4 zu seiner Cousine gefahren, bestätigt.
235kk)
236Die Feststellung der Kammer, dass es sich bei dem am C6-Weg in U3 aufgefundenen Leichnam um den Körper von C4 handelt, beruht auf den Angaben des rechtsmedizinischen Sachverständigen U4, Facharzt für Rechtsmedizin am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums B2…. Dieser hat ausgeführt, dass für den odontologischen Teil des Gutachtens Unterlagen des Zahnarztes der C4, die Aufnahmen ihres Gebisses und der daran durchgeführten Zahnarbeiten enthielten, mit dem Gebiss des Leichnams abgeglichen wurden. Die zuletzt vom Zahnarzt gefertigten Röntgenbilder wiesen keinerlei Abweichungen zu dem Gebiss des Leichnams aus, was den eindeutigen Schluss auf die Identität ermögliche, da an dem Gebiss der C4 zu Lebzeiten eine Vielzahl von Zahnarbeiten durchgeführt worden seien, die einen eindeutigen Rückschluss erlaubten.
237Auch sei der Fäulniszustand des Leichnams mit grünschwarzer Oberfläche, matschiger Haut und Madenfraßdefekten aus sachverständiger Sicht vereinbar mit einer mehrwöchigen Liegezeit des Leichnams, wobei eine genauere Einordnung nicht möglich sei.
238Diesen überzeugenden Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen U4 hat sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung angeschlossen. Dass es sich bei dem Leichnam um C4 handelte, wird auch durch die Angaben des Ermittlungsführers EKHK Q2 bestätigt. Dieser hat angegeben, dass an den Fingern des Leichnams zwei Eheringe sichergestellt worden seien. Bei diesen habe es sich um die Ringe der C4 gehandelt, was ihm durch deren Tochter D1, die die Ringe entgegengenommen habe, bestätigt worden sei.
239Die Feststellungen betreffend den Ablageort und dessen Umgebung beruhen auf den Angaben des Zeugen KK B4. Dieser hat angegeben, er sei im Rahmen seines Kriminalüberbrückungsdienstes als Beamter der Kriminalinspektion Q5 am 30.08.2019 wegen des Leichenfundes nach U3 gefahren. Bei dem C6-Weg handele es sich um eine durch Felder und Wälder führende Straße. ….(Genaue Beschreibung und Lage des C6-Weges entfernt)
240Der Leichnam habe sich am Fuße einer etwa 2-3 m tiefen, mit Büschen und Bäumen bewachsenen Böschung befunden. Er habe etwas oberhalb der Wasserlinie eines dahinter befindlichen Sees gelegen. Zum Zeitpunkt der Auffindung sei ein deutlicher Geruch von dem Leichnam ausgegangen, der den Hund einer Spaziergängerin angezogen habe, weshalb diese auf die Leiche aufmerksam geworden sei. Zu sehen gewesen sei der Leichnam von der Straße aus dagegen wegen des Bewuchses aber nicht ohne weiteres.
241Bei dem Leichenfundort handele es sich nicht um ein Naherholungsgebiet. Der See, an dessen Ufer der Leichnam gefunden worden sei, stehe im Privateigentum. Um an die Ablagestelle zu gelangen, müsse man von der U3erStraße abfahren. Der Schäferhofweg verlaufe in U-Form, so dass man an zwei Stellen – aus Norden oder Süden – von der U3er Straße auf den C6-Weg gelange. Außer dem C6 und dem Recyclingbetrieb, von dem der Zeuge nicht sagen könne, ob er betrieben werde und ob er privaten Nutzern überhaupt zur Verfügung stehe, gebe es keine Ziele entlang des C6-Weges.
242Soweit die Kammer festgestellt hat, dass der Leichnam spätestens im Verlauf des Wochenendes vom 03. auf den 04.08.2019, eventuell auch schon am Abend des 02.08.2019, am Schäferhofweg abgelegt worden ist, fußt dies auf praktischen Erwägungen. Ein genauer Ablagezeitpunkt könne, so der Sachverständige U4, aus rechtsmedizinischer Sicht nicht ermittelt werden.
243Um Spuren zu vermeiden und allgemein eine Entdeckung zu verhindern, ist aus Sicht der Kammer aber davon auszugehen, dass der Täter den Leichnam bald nach der Tat an dem für die Entsorgung auserkorenen Platz abgelegt haben wird. Dass die Leiche längere Zeit im Auto oder einem anderen Versteck gelagert wurde, ist nicht wahrscheinlich und auch durch keinerlei Spuren angezeigt.
244Soweit die Polizei umfangreiche Bemühungen angestellt hat, um das Infotainment-System des Volvo … des Angeklagten auszulesen und so GPS-Koordinaten der mit dem Auto angesteuerten Orte zu erhalten, war diese Beweiserhebung unergiebig. Der Kfz-Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass weder auf der Festplatte noch dem „emmc“ Baustein des ausgebauten Infotainment-Systems der Firma Mitsubishi sog. Tracklog Daten vorhanden gewesen seien, die üblicherweise für das Speichern von Positionsangaben genutzt würden. Vorstellbar sei aus seiner Sicht, dass entweder nur verschlüsselte Tracklog Daten abgelegt oder gar keine abspeichert würden. Jedoch habe er weder bei einer Suche mit forensischer Software noch bei der händischen Nachsuche Anhaltspunkte für Tracklogdaten gefunden, was aus seiner Sicht dafür spreche, dass in den von der Firma Mitsubishi verbauten Infotainment-Systemen keine solchen Daten aufgezeichnet werden.
245ll)
246Die von der Kammer getroffenen Feststellungen zum Tathergang sowie zu den tödlichen Verletzungen der C4 gründen sich auf folgende Erkenntnisse und Erwägungen:
247(1)
248Dass der Täter C4 erwürgte, steht aufgrund der überzeugenden Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen U4 fest. Dieser hat den Leichnam am 03.09.2019 obduziert und die dabei festgestellten Verletzungen im Einzelnen beschrieben. Dass C4 durch ein Zudrücken der Luftröhre verstarb, ergab sich, wie der Sachverständige nachvollziehbar auch anhand der in Augenschein genommenen Lichtbilddokumentation erläuterte, durch das ausgeprägte Verletzungsbild am verknöcherten Zungenbein und Kehlkopf. Sowohl das rechte als auch das linke Oberhorn des Kehlkopfes waren nahe am Festkörper abgebrochen. Das oberhalb des Kehlkopfes liegende Zungenbein war linksseitig ebenfalls vollständig abgebrochen. Durch eine weitere, diesen Bereich genauer betrachtende zweite Begutachtung sei zudem ein Berstungsbruch des Ringknorpels sichtbar geworden. Diese Art von Verletzungen im Halsbereich seien typische Befunde einer Gewalteinwirkung gegen den Hals. Dabei werde der Kehlkopf durch die Halskompression gegen die Wirbelsäule geschoben, weswegen er zerbreche. Würgemale am Hals seien ebenfalls zu erwarten, aufgrund der fortgeschrittenen Fäulnis des Leichnams aber ebenso wie Punktblutungen in die Bindehäute nicht mehr festzustellen gewesen. Es sei zudem auch auszuschließen, dass die Verletzungen am Kehlkopf postmortal entstanden sind, da das abgebrochene rechte Kehlkopfhorn eine vital entstandene Einblutung aufweise.
249Andere tödliche Verletzungen seien nicht feststellbar gewesen. Die Organe seien relativ gut erhalten und verletzungsfrei gewesen. Es seien an verschiedenen Körperteilen unterblutungsverdächtige Stellen festzustellen gewesen, wobei keine eine Ausprägung aufwies, die für eine tödliche Verletzung spreche. So habe es sich bei den Stellen an einem Unterarm, einem Unterschenkel und in der Kieferregion um nicht deutlich abgrenzbare Unterblutungen gehandelt, so dass diese auch postmortal entstanden sein könnten. Eine deutlich abgrenzbare Unterblutung an der linken Stirnseite, zu Lebzeiten am ehesten sichtbar als eine Schwellung, sei aus sachverständiger Sicht sicher prämortal entstanden. Plausibel erklärbar wäre sie in etwa mit einem Schlag oder einem Anstoßen, wobei weder zur Wucht noch zur genaueren zeitlichen Einordnung vor dem Eintritt des Todes belastbare Feststellungen zu treffen seien.
250Soweit der Leichnam einen klaffenden Spalt zwischen dem 6. und 7. Halskörper aufgewiesen habe, sei dieser mangels blutgetränkter Regionen oder Muskulatur im Umfeld des Spalts postmortal entstanden und könne als tödliche Verletzung ausgeschlossen werden.
251Diesen überzeugenden Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen U4 hat sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung angeschlossen. Hinweise auf eine andere letale Verletzung haben sich weder durch die Obduktion noch die im Verlaufe der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse ergeben. Auch belegen die Erkenntnisse aus der Begutachtung, dass ein Unfallgeschehen auszuschließen war, weil dieses mit dem Verletzungsbild nicht kompatibel ist. Regelmäßig, so der Sachverständige, würde der Tod durch ein Würgen, bei dem wie hier die Luftröhre zugedrückt und nicht die Blutversorgung im Hals unterbrochen wird, erst nach 3 Minuten eintreten. Dies ist nur mit einem Erwürgen im Sinne eines absichtlich herbeigeführten Todes vereinbar.
252(2)
253Nicht feststellen konnte die Kammer, ob es vor dem tödlichen Würgeangriff zu einem Streit zwischen C4 und dem Täter kam. Die an der Stirn festgestellte Unterblutung könnte insoweit Zeugnis eines Schlags gegen den Kopf sein, der C4 vor dem Würgen sogar kampfunfähig oder benommen gemacht haben könnte. Sichere Feststellungen sind insoweit jedoch weder aufgrund der Ausführungen des rechtsmedizinischen Sachverständigen noch anderer Beweismittel möglich. Insbesondere war die Vernehmung des zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 84 Jahre alten Zeugen U5, einem Nachbar der C4, insoweit unergiebig. Dieser hatte, wovon die Kammer sich durch das Zeugnis des Vernehmungsbeamten EKHK Q2 ein Bild gemacht hat, im Ermittlungsverfahren als Zeuge am 05.12.2019 angegeben, er habe am Tattag gegen 16:30 Uhr ein etwa 10-minütiges Streitgespräch zwischen C4 und einem Mann, was er an der männlichen Stimme festmache, gehört.
254In der Vernehmung durch die Kammer hat der Zeuge U5 nur noch bruchstückhafte Erinnerungen schildern und sich auch auf Vorhalt nicht mehr erinnern können. Er meine, es habe sich um einen etwa 1-minütigen Streit gehandelt, dann sei Ruhe gewesen. Die Stimmen seien so laut gewesen, dass er den Inhalt nicht habe verstehen können. Besonders deutlich wurde die Unsicherheit des Zeugen in Bezug auf die Zuordnung der Stimmen. So hat er mehrmals betont, er sei sich sicher, dass er ein Schreien von zwei Männern und C4 gehört hätte, später auf konkrete Nachfrage aber auch eine sichere Erinnerung daran, dass er die Stimme der C4 an diesem Tag überhaupt nicht gehört habe. Angesprochen auf die sich widersprechenden Wahrnehmungen wirkte der Zeuge resigniert, eine Erklärung für den Widerspruch konnte er ebenso wenig geben wie eine Entscheidung – auch auf Vorhalt seiner im Ermittlungsverfahren getätigten Angaben – für eine der beiden Wahrnehmungsvarianten treffen.
255Insgesamt sind die Angaben des Zeugen, der, wie er selbst eingeräumt hat, unter einer depressiven Erkrankung leidet und deshalb „gute und schlechte Tage“ habe, nicht belastbar. Die Kammer vermochte nicht auszuschließen, dass der Zeuge sich schon bei seiner ersten Befragung durch EKHK Q2, die immerhin auch schon etwa vier Monate nach dem Tatzeitpunkt stattfand, krankheits- und altersbedingt – die Hörkraft des Zeugen, der kein Hörgerät trug, war erkennbar gemindert – nicht richtig erinnerte und insoweit einem Irrtum unterlag oder die angegebenen Wahrnehmungen in der Form gar nicht gemacht hatte. Gegen die Richtigkeit seiner Angaben spricht auch, dass der Zeuge sowohl bei der Polizei als auch vor der Kammer berichtet hat, er habe das Streitgespräch im Zeitraum etwa von 16:30 bis 17:00 Uhr gehört, früher nicht. Für diesen Zeitpunkt ist jedoch aus den oben genannten Gründen davon auszugehen, dass der tödliche Angriff auf C4, deren Handy sich – wie die Funkzellenauswertung belegt – schon nicht mehr in ihrem Haus am …(Adresse entfernt) befand, bereits geschehen war.
256Andere Aufklärungsmöglichkeiten für die Feststellung oder den Ausschluss eines dem Würgen vorangegangenen Streits hat die Kammer nicht gesehen.
257mm)
258Die Feststellungen zu der E-Mail des Angeklagten vom 01.09.2020 an den Zeugen D5 gründen sich auf folgenden Erkenntnissen und Erwägungen:
259Der Zeuge D5 hat glaubhaft angegeben, dass er den Angeklagten seit der gemeinsamen Zeit bei der Firma D3 AG gekannt habe. Die Wege hätten sich dann getrennt und der Zeuge habe sich selbstständig gemacht im Bereich der Entwicklung von Apps. Anfang 2019 habe der Angeklagte ihn kontaktiert und von einem Projekt bei der Firma I2 GmbH berichtet, bei dem es um die Entwicklung einer App für den Bereich Messebau gehen sollte. Der Angeklagte habe als „Architekt der App“ die Entwicklung geleitet und über den direkten Kontakt zu den Entscheidern bei der I2 GmbH verfügt.
260Während der Zusammenarbeit habe der Angeklagte ihm erstmals am 12. oder 13.08.2019 in einem Telefonat davon berichtet, dass seine Tante verschwunden sei. Eine knappe Woche später sei das Gespräch wieder darauf gekommen und der Angeklagte habe nun auch angegeben, dass die Polizei ihn verdächtige, weil er an dem Tag ihres Verschwindens auch bei ihr gewesen sei. Zu dieser Zeit habe er, der Zeuge, nichts auf die Erzählungen des Angeklagten gegeben, da er diese für eine der „Räuberpistolen“ gehalten habe, die der Angeklagte seit der Zeit ihres Kennenlernens immer wieder erzählt habe, um – seiner Einschätzung nach – Aufmerksamkeit zu erhalten. So habe er beispielsweise davon erzählt, Kampfjets geflogen zu haben, bei der Nato im Bereich Kryptographie beschäftigt und an der Entwicklung des Eurofighters beteiligt gewesen zu sein, wovon der Zeuge ihm nichts geglaubt habe.
261Am 22.08.2019 habe der Angeklagte ihm bei einem persönlichen Gespräch im Flughafenrestaurant in H1 berichtet, dass die Polizei ihm Auto, Handy und Laptop „weggenommen“ hätten. Für den Fall, dass er in Untersuchungshaft genommen würde, würde er ihm, dem Zeugen, eine PDF-Datei zukommen lassen, damit klar sei, wie es in dem Projekt weiter gehen sollte.
262Am 01.09.2019 habe er die angekündigte E-Mail mit einer verschlüsselten „ZIP-Datei“ im Anhang erhalten. Der Angeklagte habe in der Mail geschrieben, dass der Anhang ein paar wichtige Dinge enthalte, für den Fall, dass er „plötzlich nicht mehr arbeiten“ könne. Das Kennwort für die Datei im Anhang würde er dann von …(Vorname entfernt) – gemeint ist die Ehefrau des Angeklagten – erhalten. Die Zip-Datei im Anhang enthielt folgenden, für den Zeugen zunächst aufgrund der Verschlüsselung nicht lesbaren Text:
263Hallo…,
264nun ist also der „Mistfall“ eingetreten und man hat mich in U-Haft. Es wird einige Zeit dauern, ehe mein Anwalt mich „raus“ hat und ich hoffe, dass Du so lange fair an … (Name entfernt) weitermachst.
265[…]
266Bitte nimm Kontakt auf (die Mail-Adressen hast Du ja). Sage …(Name entfernt) (der im Bilde ist), dass ich „aus dem Spiel“ genommen wurde und dass du weitermachst. […]
267Einen Tag zuvor, am Samstag, den 31.08.2019, hatte die örtliche Presse über den Leichenfund in U3 in dem festgestellten Umfang, also insbesondere ohne Nennung von Geschlecht oder Identität des Leichnams, berichtet. In seiner Einlassung vor der Kammer hat der Angeklagte angegeben, dass er beim Frühstück mit seiner Frau an einem Samstag einen entsprechenden Artikel gelesen habe. Die Kammer geht – wie der Angeklagte auch – davon aus, dass es sich dabei um den 31.08.2019 gehandelt hat, weil der Angeklagte sich am darauffolgenden Samstag bereits nicht mehr auf freiem Fuß befand.
268Am Tag seiner Festnahme, dem 04.09.2019, habe ihn, den Zeugen D5, eine E-Mail der Ehefrau des Angeklagten erreicht, in der sie ihn darüber informiert habe, dass „Burkhard einkassiert wurde“ und ihm das Passwort mitteilt. Ihm sei klar gewesen, dass die Festnahme in Zusammenhang mit dem Verschwinden der Tante gestanden habe. Über die aus seiner Sicht unpassenden Formulierungen sowohl des Angeklagten als auch seiner Ehefrau habe er sich gewundert, aber sie als stimmig in Bezug auf die früheren Geschichten des Angeklagten, mit denen dieser sich wichtigmachen wollte, empfunden.
269Zum Hintergrund der E-Mail vom 01.09.2019 an den Zeugen D5 hat der Angeklagte in seiner Einlassung angegeben, er habe am 30.08.2019 ein Gespräch mit seinem Verteidiger gehabt, in dem es um den Fortgang des Ermittlungsverfahrens gegangen sei, der für ihn, den Angeklagten, völlig unabsehbar gewesen sei. Rechtsanwalt Y2 habe ihm deutlich gemacht, dass die denkbar schlechteste Entwicklung aus seiner Sicht ein Untersuchungshaftbefehl sei. Unter diesem Eindruck und um Vorkehrungen für den Fall zu treffen, habe er die E-Mail an den Zeugen D5 geschickt. Die zwischenzeitlich erlangte Kenntnis von der Auffindung eines Leichnams bei U3, die er nicht mit seiner Tante in Verbindung gebracht habe, sei für das Absenden der E-Mail nicht von Belang gewesen.
270Die Kammer hat keinen Ansatzpunkt gesehen, um aufzuklären, ob der Angeklagte am 30.08.2019 tatsächlich einen Gesprächstermin mit seinem Verteidiger wahrgenommen hat. Seine Absicht, Vorkehrungen eben durch Übersendung einer Datei mit Anweisungen zu treffen, ist jedoch, was die glaubhaften Angaben des Zeugen D5 zu der Ankündigung am 22.08.2019 belegen, nicht erst durch das Gespräch mit dem Rechtsanwalt entstanden, allerdings weder im Anschluss an das Gespräch mit dem Zeugen D5 noch in direktem Anschluss an das etwaige Gespräch mit dem Verteidiger von ihm in die Tat umgesetzt worden. Tatsächlich traf er die Vorkehrung erst, als sich, was zu diesem Zeitpunkt – die Obduktion und Identifizierung des Leichnams erfolgte erst am 03.09.2019 – nur dem Täter klar sein konnte, der Verdacht gegen ihn durch das Auffinden der Leiche in der Nähe seines Wohnortes schlagartig verstärkt hatte.
271nn)
272Zu der Überzeugung, dass es der Angeklagte war, der C4 erwürgt hat, ist die Kammer aufgrund einer Gesamtbetrachtung und -bewertung der vorgenannten Indizien und Rückschlüsse gelangt, für die im Einzelnen insbesondere die folgenden Erwägungen leitend waren:
273(1)
274Der Angeklagte hatte in Gestalt des gegen ihn gerichteten und fortbestehenden Darlehensrückzahlungsanspruchs ein Motiv für die Tat. Zwar war seine finanzielle Situation keinesfalls ausweglos oder so angespannt, dass er mit seinen Einkünften nicht einen seinen Ansprüchen genügenden Lebensstil bestreiten konnte. Allerdings wäre es ihm auch nicht möglich gewesen, die fällige Forderung der C4 auf einmal und ohne Weiterungen zu begleichen. So hätte er für eine Rückzahlung aus den Mitteln der Familie seiner Ehefrau entweder offenbaren müssen, dass das Darlehen, anders als er behauptet hatte, nicht teilweise zurückgezahlt und zum anderen Teil schenkweise erlassen gewesen sei, oder er hätte sich eine weitere Lüge einfallen lassen müssen. Auch wären große Teile des verfügbaren Familienvermögens durch die Rückzahlung aufgebraucht worden, was angesichts der Erwartung, im nächsten Geschäftsjahr eine weitere Reduzierung seines Gewinnvorabs hinnehmen zu müssen, jedenfalls nicht ohne Einschränkungen für die Lebensverhältnisse des Angeklagten und seiner Familie geblieben wäre.
275(2)
276Der Angeklagte hatte durch den Aufenthalt bei C4 auch die Möglichkeit, den Angriff auf sie zu verüben, befand er sich doch im festgestellten Tatzeitraum allein mit C4 in ihrem Wohnhaus, welches nach den Feststellungen der Kammer den Tatort darstellt. Die Anwesenheit anderer Personen hat auch der Angeklagte für den Zeitraum seines Besuchs bei C4 verneint. Auch sei niemand im Zeitpunkt ihrer angeblichen Verabschiedung zu ihr gekommen oder dem Angeklagten angekündigt worden. Er verfügte auch über die körperlichen Voraussetzungen für einen Angriff auf sie, war er seiner Tante kräfte- und größenmäßig doch deutlich überlegen. Die für den spurenschonenden Abtransport erforderliche Ausrüstung und ein Auto passender Größe standen ihm ebenfalls am Tatort zur Verfügung.
277Aus dem Umstand, dass sein Handy sich nach dem Angriff zunächst nicht nur nicht aus …(Ortsbezeichnung entfernt) heraus bewegt hat und damit seine Einlassung widerlegt, er sei direkt vom Haus der C4 zu seiner Cousine D2 ins …(Ortsbezeichnung entfernt) gefahren, sondern auch zeitlich parallel zu dem Handy von C4 in den Bereich des Ablageortes des Letzteren gelangt ist, schließt die Kammer zudem, dass der Angeklagte das Handy von C4 im Bereich ….(Straßennamen entfernt) so versteckt hat, dass es bis heute nicht aufgefunden werden konnte.
278Gegen diese Rückschlüsse der Kammer spricht nicht, dass weder Kampfspuren noch von Leichenspürhunden aufgespürte Geruchspartikel der Leiche von C4 aufgefunden werden konnten. Kampfspuren am Tatort sind angesichts der Kräfteverhältnisse zwischen Täter und Opfer nicht zwangsläufig zu erwarten gewesen, da insbesondere durch ein Würgen oder das Anlegen eines Schwitzkastens schon vor dem Todeseintritt eine Bewusstlosigkeit bei C4 hervorgerufen worden sein könnte. Bis dahin zu erwartende Abwehrversuche des Opfers wird der Angeklagte unterbunden haben können. Regelmäßig an Leichen feststellbare Anzeichen für Abwehrhandlungen, so etwa Hautpartikel unter den Fingernägeln, wären – so sie denn entstanden sind - durch die bereits fortgeschrittene Verwesung des Leichnams nicht mehr feststellbar. Die Überzeugungsbildung der Kammer wird auch nicht durch den Umstand in Zweifel gezogen, dass ein Leichenspürhund bei der Durchsuchung des Fahrzeugs des Angeklagten am 14.08.2019 nicht angeschlagen hat. Dieser Umstand, von dem sich die Kammer durch die Vernehmung der Zeugin KHK’in Q1 überzeugt hat, ist schon erklärlich durch die vom Angeklagten benutzte Gewebeplane, die direkten Kontakt des Leichnams und von Leichenflüssigkeit mit dem Fahrzeug verhindert hat. Zudem lag der Transport der Leiche zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Tage zurück, wodurch sich etwaige Geruchspartikel, unterstellt sie wären trotz der Plane im Fahrzeug befindlich gewesen, bereits verflüchtigt haben oder durch möglicherweise durchgeführte Reinigungsmaßnahem des Fahrzeugs beseitigt worden sein könnten.
279(3)
280Der Leichenfundort spricht zudem als weiteres Indiz für die Täterschaft des Angeklagten. Denn eine andere, nicht in der Person des Angeklagten liegende Verbindung der C4 nach Schleswig-Holstein und in den Kreis I1 ist weder aus den Ermittlungen noch den Ergebnissen der Hauptverhandlung bekannt geworden. Dass sie selbst dorthin fuhr, ist auszuschließen, zum einen wegen ihres über den Todestag hinaus in ihrer Garage abgestellten Fahrzeugs, zum anderen auch wegen der bereits dargestellten Umstände, die gegen ein selbstständiges und selbstbestimmtes Verlassen ihres Hauses sprechen. Zudem hatte sie weder konkrete Reisepläne noch hatte sie nach den Bekundungen der Zeuginnen G2 und R1 Sachen wie Kulturbeutel oder Wäsche mitgenommen, die sie sonst – so ihre Enkelin als Zeugin – immer auch auf kürzere Reisen mitnahm. C4 hätte auch kein Ziel in der Nähe des Leichenfundortes gehabt. Dass ihr Neffe dort wohnte, war ihr unbekannt. Vielmehr spricht die unmittelbare Nähe zum Wohnort des Angeklagten dafür, dass es sich bei dem Ablageort – dessen nähere Umgebung dem Angeklagten nach seiner Einlassung bekannt war – um einen Ort handelte, an dem er ein unbeobachtetes Ablegen des Leichnams für gut möglich hielt und an den er die Erwartung knüpfte, dass der Leichnam dort nicht oder erst zu einem Zeitpunkt aufgefunden werden würde, in dem man ihn nicht mehr würde identifizieren bzw. eine gewaltsame Todesursache nicht mehr würde feststellen können. Dass diese Erwartung nicht abwegig war, wird belegt dadurch, dass die Leiche erst nach Ablauf von vier Wochen seit dem Todeszeitpunkt in stark verwestem Zustand gefunden wurde.
281Bei dieser Bewertung hat die Kammer auch nicht verkannt, dass der Angeklagte sich durch einen Ablageort in der Nähe seines Wohnortes für den Fall des Auffindens des Leichnams vor dessen Verwesung selbst einem Tatverdacht ausgesetzt hatte. Vor dem Hintergrund der Feststellungen, dass die Überlegungen des Angeklagten zur Tötung seiner Tante und dem Abtransport des Leichnams mit Hilfe einer Plane bereits am Vortag begannen, wäre es zwar naheliegend, dass der Angeklagte auch einen Leichenablageort auswählt, der ihn weniger verdächtig machen würde. In dieselbe Richtung zielt auch der Hinweis des Angeklagten gegenüber KOK M2 am Tag seiner Festnahme, dem er nach Eröffnung des Umstandes, dass die Leiche seiner Tante in U3 gefunden worden sei, entgegnete, es sei unlogisch, wenn er die Leiche so nah an seinem Wohnort abgelegt hätte. Von dieser Einlassung hat die Kammer sich durch die Vernehmung des Polizeibeamten überzeugt.
282Die Kammer hat in ihre Überlegungen einbezogen, dass der Angeklagte auch davon ausgegangen sein könnte, dass die Leiche gar nicht gefunden wird, zumindest aber nicht mehr zu identifizieren oder eine Todesursache nicht mehr feststellbar sein könnte. Auch ist denkbar, und auch deshalb hat die Kammer dem von dem Angeklagten betonten Umstand, er werde sich die Leiche doch nicht „vor die Haustür legen“, wenn er der Täter wäre, kein erhebliches entlastendes Gewicht beigemessen, dass der Angeklagte zunächst einen anderen Ablageort ins Auge gefasst und eingeplant hatte, diesen aber, etwa weil sich dort unerwartet potentielle Beobachter aufhielten, kurzfristig doch nicht mehr nutzen konnte oder wollte und in der anzunehmenden Hektik, einen Leichnam im Kofferraum unentdeckt „loswerden“ zu müssen, einen Ort ausgewählt hat, der ihm bekannt und für seine Zwecke der unentdeckten Entledigung aus den oben genannten Gründen trotz der Nähe zu seinem Wohnort geeignet erschien.
283Es kommt auch nicht ernsthaft in Betracht, dass eine andere Person aus ihrem Umfeld C4 tötete und den Leichnam nach U3 verbrachte, wobei für Letzteres kein anderer Grund ersichtlich wäre, als den Tatverdacht auf den Angeklagten zu lenken. Insoweit war zu berücksichtigen, dass für die im Raum C5 lebenden Familienangehörigen des Angeklagten und die Bekannten der Getöteten nicht einmal ersichtlich war, dass der Angeklagte im Kreis I1 wohnhaft war. Zudem wäre für den Fall, dass jemand ihm die Tötung hätte „in die Schuhe schieben“ wollen, nicht plausibel, den Leichnam noch mehrere Kilometer entfernt vom Wohnort des Angeklagten in einer anderen Gemeinde zu platzieren.
284(4)
285Schließlich hat der Angeklagte im Laufe des Ermittlungsverfahrens mehrmals Täterwissen offenbart und damit den Tatverdacht gegen sich erhärtet.
286Gegenüber dem Zeugen KHK D6 hat der Angeklagte, damals noch als Zeuge im Ermittlungsverfahren, angegeben, er habe mit C4 Selbstverteidigungstechniken geübt, wobei Letztere insbesondere lernen wollte, Angriffe gegen den Hals, also Würgegriffe, abzuwehren, weil sie sich vor einem solchen von ihrer Tochter D2 fürchte. Man habe diesbezüglich die Abwehr von Angriffen gegen Griffe in die Haare, Umklammerungsgriffe einarmig – wobei der Zeuge an einen Schwitzkasten gedacht habe – und gegen Würgegriffe mit einer und zwei Händen eingeübt. Dagegen folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst schon, dass es einen Grund für Angst vor einem solchen Angriff nicht gegeben hat, insbesondere weil die Nebenklägerin D2 nie einen solchen durchgeführt oder angedroht hat. Die Kammer ist sich bei der daraus folgenden Bewertung der Angaben des Angeklagten als erfunden bewusst, dass Ängste auch nicht nachvollziehbarer Herkunft sein können und auf irrationalen Gedanken beruhen mögen.
287Dafür aber, dass der Angeklagte sich einen solchen Trainingsschwerpunkt nur ausgedacht hat, spricht zusätzlich ausschlaggebend, dass er diesen in seiner Einlassung vor der Kammer auch auf Nachfrage nicht als Ziel des Trainings genannt hat. Vielmehr hat er zweimal in Aufzählungsform geschildert, man habe das Abwehren von Schubsen, Schlagen, Bewerfen geübt. Konkreter: das Abwehren von Schlagangriffen, dann das Abwehren von Fassangriffen, „wenn D2 ihren Arm packt […] im Gesicht nicht“, anschließend Abwehr gegen Stockangriffe, bevor C4 ihn hinauskomplimentiert habe.
288Es ist gerade die fehlende Konstanz betreffend das Aussageverhalten, die die Angaben des Angeklagten als nicht überzeugend erscheinen lassen. Der Kammer ist aus vielen Verfahren bekannt, dass gerade die Konsistenz, mit der ein Geschehen beschrieben wird, Rückschlüsse darauf erlaubt, ob es sich um tatsächlich erlebte Sachverhalte oder ausgedachte Ereignisse handelt. Denn die Aufrechterhaltung erfundenen Geschehens über verschiedene Aussagen hinweg erfordert ein hohes Maß an Gedächtnisleistung, wobei die Anforderungen daran mit zunehmendem Zeitablauf noch ansteigen. Seine auf Nachfragen der Kammer nachträglich abgegebene Erklärung, er habe Würgeangriffe nicht explizit erwähnt, weil sie klassischerweise von Selbstverteidigungstechniken erfasst seien, ist nicht plausibel. Zum einen, weil er KHK D6 gegenüber ausweislich dessen Zeugenaussage ja gerade ausdrücklich davon gesprochen hatte, des Weiteren auch, weil der Angeklagte die Abwehrtechniken ihrem Inhalt nach vorher ja enumerativ beschrieben hatte, weshalb aus der Nennung des einen und der Nichtbenennung eines anderen Rückschlüsse gezogen werden können, zumal die „Brisanz“ von Würgeangriffen auf der Hand lag.
289Aufbauend auf den genannten Gesichtspunkten ist die Kammer überzeugt davon, dass der Angeklagte gegenüber KHK D6 bezogen auf von C4 befürchtete Würgeangriffe und das Üben von Abwehrtechniken dagegen die Unwahrheit gesagt hat. Dass er im Ermittlungsverfahren zu diesen Lügen gegriffen hat, lässt sich am naheliegendsten dadurch erklären, dass er als Täter wusste, dass C4 erwürgt worden war und vorbauend für den Fall, dass der Leichnam gefunden wird und die Todesursache noch feststellbar ist, den Tatverdacht auf seine Cousine D2 lenken wollte.
290Ebenfalls als aus Sicht der Kammer mit Täterwissen erklärbares Verhalten stellt sich die am 01.09.2019 an den Zeugen D5 versandte E-Mail dar. Nur der Täter konnte zu diesem Zeitpunkt wissen, dass es sich bei dem in U3 gefundenen Leichnam um C4 handelte, und sich deswegen zur Ergreifung von Vorkehrungen gezwungen sehen. Dass er über dieses Wissen verfügt, zeigt sich in der E-Mail und deren Anhang mit Vorkehrungen für den Fall der Untersuchungshaft.
291(5)
292Die vorgenannten Umstände begründen jedenfalls in der Gesamtschau eine sichere, vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietende Überzeugung der Kammer von der Täterschaft des Angeklagten.
293Dies wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Angeklagte um 16:56 und 16:58 Uhr SMS-Nachrichten an das Handy der C4 schickte. Von diesen Nachrichten hat die Kammer sich durch Vernehmung des Zeugen KHK C9 überzeugt, der die entsprechenden SMS-Eingänge auf dem Handy der C4 mit den Daten der Funkzellenauswertung belegen konnte. Der Angeklagte hat das Versenden der Textnachrichten auch zum Gegenstand seiner Einlassung gemacht und dazu angegeben, er habe darin C4 berichtet, dass er D2 nicht angetroffen habe. Die zweite Nachricht enthalte hinterhergeschobene Grüße, die er am Ende der ersten Nachricht vergessen gehabt habe.
294Mangels anderer Erkenntnisquellen, hat die Kammer die Angaben des Angeklagten zum Inhalt der Textnachrichten nicht bestätigen oder widerlegen können. Das Handy der C4 ist weiter verschwunden, auf dem Handy des Angeklagten waren die Nachrichten bereits gelöscht, wozu der Angeklagte angegeben hat, dass er unwichtige Nachrichten stets zügig lösche, um seine Handy „aufgeräumt“ zu halten. Der Inhalt kann aber auch dahinstehen, da die Kammer den von der Verteidigung bemühten Rückschluss, die SMS ergäben nur Sinn, wenn der Angeklagte zu dem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, dass seine Tante noch lebe, nicht zieht. Ebenso gut denkbar wäre es aus Sicht des Angeklagten, dass er die SMS an C4 geschickt hat, um einen etwaig in der Zukunft auf ihm lastenden Tatverdacht mit dem von den Verteidigern gezogenen Rückschluss zu entkräften.
295oo)
296Nach einer Gesamtschau aller festgestellten und auch der zugunsten des Angeklagten zu unterstellenden Umstände kommen keine anderen Personen als Täter in Betracht.
297(1)
298Eine Täterschaft der Zeugin D2 schließt die Kammer aus. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich das ohnehin durch gelegentliche Spannungen und Streitigkeiten geprägte Verhältnis zwischen Mutter und Tochter am 02.08.2019 nochmal dadurch verschlechtert hatte, dass die Zeugin D2 ihrer Mutter am Vormittag und Mittag erhebliche Vorhaltungen machte. Darin ging es, wovon die Kammer sich durch die verlesenen Textnachrichten überzeugt hat, insbesondere darum, dass die Zeugin sich ungerecht, insbesondere im Verhältnis zu ihrer Schwester benachteiligt, behandelt fühlte. So forderte sie eine Aussprache, dass ihre Familie endlich zu ihr stehe und ihr helfe sowie eine erhebliche Summe Geld – 140.000 € – von ihrer Mutter. Als Reaktion auf die an sie herangetragenen Forderungen erklärte C4 in einer Nachricht um 14:27 Uhr, sie wolle drei Monate nichts von der Zeugin hören.
299Obschon der Verlauf des Streits für eine Kränkung der Zeugin spricht, die auch ein Motiv für eine Gewalttat zum Nachteil ihrer Mutter sein könnte, schließt die Kammer aus, dass die Zeugin D2 für den Tod ihrer Mutter verantwortlich sein könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der geforderte Kontaktabbruch keine für diese Beziehung völlig ungewöhnliche Vorgehensweise war. So hat die Zeugin D2 glaubhaft angegeben, dass derlei wechselseitig schon öfter gesagt worden, aber dies dann in der Folge nicht gelebt worden sei. Sie kenne solche Sachen seit ihrer Kindheit. Dass diese Angaben zutreffen, folgt schon aus dem Umstand, dass die Zeugin D2 in der Folge unbeirrt weiter SMS an ihre Mutter schreibt.
300Ferner schließt die Kammer aus, dass die Zeugin D2, von deren labiler psychischer Verfassung die Kammer sich in der Vernehmung an zwei Hauptverhandlungstagen ein Bild machen konnte, in der Lage gewesen wäre, ihre Mutter zu töten und anschließend nach U3 zu verbringen. Dies folgt schon daraus, dass sie über keinen Führerschein und kein Auto verfügt. Ferner imponierte bei der Zeugin die Sprunghaftigkeit ihrer Gedanken sowie ihre mangelnde Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit. In der Vernehmung vor der Kammer musste die Zeugin des Öfteren an die Beantwortung der Fragen erinnert werden, da sie regelmäßig weitschweifig und thematisch abdriftende Erklärungen abgab. Dass sie – zumal spontan dazu gereizt und ohne Hinterlassen von Spuren – die „Beseitigung“ des Leichnams hätte planen und durchführen können, ist vor diesem Hintergrund fernliegend. Schließlich hätte sie auch keinen Grund gehabt, den Leichnam nach U3 zu bringen, um dadurch den Angeklagten zu belasten. Dies folgt schon daraus, dass sie glaubhaft – insoweit decken sich ihre Angaben mit denen anderer Familienmitglieder – angegeben hat, dass sie nicht gewusst habe, wo der Angeklagte lebte. Von einem Haus und einer Familie in B1 habe sie erst durch die Ermittlungen nach dem Tod ihrer Mutter erfahren. Zudem ist der Leichenfundort in U3 auch nicht identisch mit dem Wohnort des Angeklagten, weshalb es nicht nahegelegen hätte, den Leichnam in eine mehrere Kilometer entfernten Ort zu verbringen, wenn sie vorgehabt hätte, dem Angeklagten die Tat „in die Schuhe zu schieben“.
301Ein anderes Motiv der Zeugin, ihre Mutter zu töten, kann die Kammer ebenfalls ausschließen. Ein finanzielles Interesse scheidet aus. Zum einen hat die Zeugin noch am Tattag 25.000 € auf ein Konto ihrer Mutter eingezahlt, wie die Finanzermittlungen ergeben haben. Das Geld hatte sie kurz zuvor von der Unfallkasse erhalten und wollte es – wie die Zeugin angegeben hat – auf einem Konto ihrer Mutter „parken“, was auch durch den Inhalt des SMS Verkehrs zwischen C4 und ihrer Tochter D2 („Ich zahle heute noch mal auf das Spardakonto ein …“) belegt wird. Durch das Versterben hätte sie befürchten müssen, dass das Guthaben zwischen ihr und ihrer Schwester als Erben hälftig zu teilen wäre. Zum anderen ist nichts dafür ersichtlich, dass C4 vorgehabt haben könnte, ihr Testament, welches nunmehr zum Tragen gekommen ist, zu ändern und ihre Tochter von der Erbfolge auszuschließen.
302Schließlich kommt die Zeugin D2 auch aus tatsächlichen Gründen nicht als Täterin in Betracht. Als sie am 02.08.2019 um 17:25 Uhr den Bus der Linie 00 an der B3 Straße bestieg und damit zur Bushaltestelle am …(Straßenname entfernt) fuhr, war ihre Mutter bereits nicht mehr vor Ort, wie sich aus dem oben Gesagten ergibt. Die Fahrtzeit beträgt knapp eine halbe Stunde, so dass sie an dem Wohnhaus ihrer Mutter erst gegen kurz vor 18 Uhr eintraf. Dass sie um 17:25 Uhr den Bus bestieg, ergibt sich aus einer Auskunft der Stadtwerke C5 AG, die die Zeugin KHK’in Q1 zu dem von der Zeugin D2 benutzten Aboticket eingeholt hat.
303Zur Tatzeit um 16 Uhr war sie nicht in der Nähe, was gestützt wird durch die Funkzellenauswertung für den Ortsteil…, in der das Handy der Zeugin nicht auftaucht.
304(2)
305Auch der damalige Lebensgefährte der Zeugin D2, der Zeuge U6, kann als Täter ausgeschlossen werden. Es ist schon kein Motiv ersichtlich, weshalb der zum Zeitpunkt des Todes der C4 mit D2 in einer von einigen zwischenzeitlichen Trennungen geprägten Beziehung lebte, die Mutter seiner Lebensgefährtin hätte töten sollen. So hat auch die Zeugin D2, die im Herbst 2019 einen vagen, weil gänzlich unkonkreten, Verdacht gegenüber dem Zeugen bei der Polizei anzeigte, angegeben, dass C4 und ihr damaliger Lebensgefährte sich nur einige wenige Male gesehen hätten. Ihre Mutter habe ihren damaligen Lebensgefährten gemocht.
306Abgesehen von dem Fehlen eines Motivs ist nach Dafürhalten der Kammer eine Täterschaft des Zeugen U6 auch ausgeschlossen, da es für diesen keinen Grund gegeben hätte, den Leichnam nach U3 zu verbringen. Den Angeklagten kannte er nicht; noch viel weniger dessen Wohnort, den der Angeklagte vor der Familie der Lebensgefährtin des Zeugen verbarg.
307Soweit die Verteidigung es als auffällig erachtet, dass der Zeuge U6 die Nebenklägerin D2 am Tattag dazu gedrängt haben soll, das Fahrrad bei ihrer Mutter abzuholen, genügt dieser Umstand nicht, einen Tatverdacht gegen ihn zu begründen. So hat die Zeugin D2 zwar bestätigt, dass ihr damaliger Lebensgefährte U6 sie am 02.08.2019 aufgefordert habe, das Fahrrad zu holen. Als Erklärung dafür hat sie jedoch auch angegeben, dass ihr Lebensgefährte wohl vorgehabt habe, am nächsten Tag mit ihr eine Fahrradtour zu unternehmen, sie folglich auf das Fahrrad angewiesen gewesen wäre. Sie habe das aber nicht geglaubt, weil er sie ständig belogen habe.
308Selbst wenn die Kammer unterstellt, der Zeuge U6 habe bei der Forderung, das Fahrrad abzuholen, einen falschen Grund genannt, so erkennt sie darin noch keinen Umstand, der den Zeugen tatverdächtig macht, zumal nicht ersichtlich ist, inwieweit es für ihn günstig gewesen sein soll, seine Lebensgefährtin an den Tatort zu schicken. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass durch den Ablageort des Leichnams in U3 ja nach dieser Theorie der Verteidigung der Tatverdacht nicht auf D2, sondern auf den Angeklagten gelenkt worden sein soll.
309Dass der Zeuge U6 trotz sicher erreichter Ladungen, die auch telefonisch bestätigt worden sind, nicht zum Hauptverhandlungstermin erschienen ist und letztlich für die Kammer unerreichbar war, ändert an der vorgenannten Bewertung nichts, da sein Nichterscheinen auch mit von ihm möglicherweise befürchteten ausländerrechtlichen Maßnahmen – U6 ist nach den Angaben von KHK Q1 ausreisepflichtig – gegen ihn, sollte er vor Gericht erscheinen, erklärbar ist.
310(3)
311Auch kann die Kammer nach den ausgeführten Gesamtumständen ausschließen, dass C4 einem unbekannten Täter zum Opfer gefallen ist. Gegen ein spontanes Geschehen spricht schon, dass der Leichnam ohne erkennbare Spurenverursachung daran oder im Wohnbereich der C4 nach U3 gelangt ist. Des Weiteren fanden sich an den Fingern des Leichnams – was EKHK Q2 in seiner Vernehmung als Zeuge schilderte – zwei Eheringe, was aus Sicht der Kammer eindeutig gegen die Möglichkeit spricht, dass C4 Opfer eines Überfalls wurde, bei dem es dem Täter um das Erlangen von Diebesgut ging. Auch ein Sexualdelikt zum Nachteil von C4 schließt die Kammer aus, da zum einen keinerlei Verletzungen an den äußeren Geschlechtsorganen erkennbar waren und der Leichnam im Übrigen weitgehend bekleidet war. Die insoweit getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben des Sachverständigen U4, der den Leichnam am 03.09.2019 obduziert hat.
312pp)
313Die Kammer schließt aus, dass für den Angeklagten ein anderer Grund als die Sicherung der durch das Darlehen erlangten Vermögensposition, die er durch die Rückzahlung aufgegeben hätte, im Vordergrund stand. Dafür spricht allein schon die Nähe des Tattages zum Fälligkeitszeitpunkt der Darlehensrückzahlung. Die finanziellen Verhältnisse des Angeklagten entwickelten sich zudem, insbesondere was die Verdienstaussichten bei der U1 angeht, zu Lasten des Angeklagten, der eine Begleichung der Darlehensschuld sicher nicht „ohne mit der Wimper zu zucken“, wie er in seiner Einlassung behauptet hat, hätte leisten können. Dies wird nicht zuletzt auch dadurch belegt, dass er C4 noch im März 2019, also sogar vor der noch zu erbringenden Tilgung einer Steuernachzahlung über 25.000 €, frei erfundene Ausreden in Bezug auf die Rückzahlung des Darlehens auftischte, um sie zu vertrösten. Die Kammer ist überzeugt davon, dass der Angeklagte die Darlehensrückzahlung seinen damaligen Verhältnissen entsprechend weder zahlen konnte noch wollte und C4 deshalb tötete, um sich auch in Zukunft der Zahlungspflicht zu entledigen.
314Insbesondere ging es ihm auch nicht lediglich darum, seine Tante zu töten, weil sie bzw. ihr Rückforderungsverlangen für ihn einen erheblichen Lästigkeitswert hatten. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass C4 sich in verschiedenen Nachrichten seit 2018 wegen der Rückzahlung des Darlehens beim Angeklagten erkundigte. Allerdings sind die Nachrichten in einem zurückhaltenden Ton gefasst, nicht von erheblicher Häufigkeit und auch ansonsten in keiner Weise aufdringlich. Dass C4 den Angeklagten keinesfalls so bedrängte, dass sie ihm nur lästig geworden sein könnte, wird auch dadurch belegt, dass sie wegen der ausbleibenden Rückzahlung keinesfalls so verärgert über den Angeklagten war, dass sie sich abwertend über ihn geäußert hätte. Sie habe immer äußerst gut über den Angeklagten gesprochen, hat die Zeugin G2 geschildert. So habe ihre Großmutter noch während des gemeinsamen Urlaubs der Zeugin in Kopenhagen bis zum 28.07.2019 davon gesprochen, dass der Angeklagte um Hilfe bei der Planung eines Kanuurlaubs in Kanada gebeten werden sollte. Auch die Nebenklägerin D1 hat geschildert, dass C4 immer und auch zuletzt in höchsten Tönen von dem Angeklagten gesprochen habe.
315Auch die Zeugin D2 gab an, dass zwischen ihrer Mutter C4 und dem Angeklagten insbesondere 2016, als er für längere Zeit in C5 gelebt habe, ein „unfassbar herzlicher Kontakt“ bestanden habe. Danach wurde der Kontakt zwar weniger, aber das Verhältnis sei gut geblieben und C4 habe weiter nur gut über …(Vorname des Angekl. entfernt) geredet. So habe ihre Mutter ihr auch in dieser Zeit noch empfohlen, sich ihm – dem Angeklagten – anzuvertrauen und sich an ihn zu wenden, sollte sie Hilfe bei der Lösung von Problemen benötigen. Akut sei es damals unter anderem um das Sorgerecht für die Tochter der Zeugin, aber auch die gesamte Familie betreffende Streitigkeiten gegangen. Ihre Mutter habe einfach sehr viel von …(Vorname des Angekl. entfernt) gehalten.
316Die Nachbarin R1 gab als Zeugin an, dass C4 ihr von der Darlehensgewährung berichtet und sie immer sehr gut von ihrem Neffen …(Vorname des Angekl. entfernt) gesprochen habe, sie ihn sogar „bewundert“ habe. Die Kammer zieht daraus den Schluss, dass C4 keinen nachhaltigen Groll wegen der ausbleibenden Darlehensrückzahlungen hegte und daher den Angeklagten nicht über Gebühr zur Rückzahlung aufforderte. Dass C4 bei dem von der Kammer aufgrund der Angaben der Zeugin J3 festgestellten Telefonat im Sommer 2019 verärgert über „die lästige Geldangelegenheit“ reagierte, steht dieser Bewertung nicht entgegen, weil das Telefonat nur einen Ausschnitt aus einer langjährigen Beziehung darstellt. Das Gespräch belegt – wie ausgeführt – nur, dass für C4 die Darlehensrückzahlung im Sommer 2019 Bedeutung hatte, nicht aber, dass sie ihr Rückzahlungsverlangen mit ausgesprochener Nachdrücklichkeit oder gar Penetranz verfolgte. Überdies ist durch nichts ersichtlich, dass der Angeklagte angemessen eingeforderte Rückzahlungsbemühungen als bedrängend empfunden haben könnte.
317Auch eine, für diese Zwecke zu unterstellende Aufheizung des Geschehens durch einen Streit am 02.08.2019, der der Tötung von C4 vorausgegangen sein könnte, scheidet als eigenständiges Motiv aus, zumal ein solches Geschehen, welches auf anderen als das Gewinnstreben des Angeklagten ausmachenden Gründen beruhen und diese verdrängen könnte. Denn der Angeklagte hatte sich schon am Vortag durch den Einkauf der zum Abtransport benötigten Utensilien mit der Tötung seiner Tante auseinandergesetzt und diese ins Auge gefasst. Dass es zu diesem Zeitpunkt schon einen Streit gab, der Grund für eine Tötung gewesen sein könnte, schließt die Kammer aus. C4 redete noch am Vortag des Treffens gegenüber ihrer Tochter D1 gut von dem Angeklagten, ausweislich der Angaben der Zeugin R1 zeigte sie sich auch bei seiner Ankunft erfreut.
318qq)
319Die Feststellung, dass die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht seines Tuns einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Tatzeit weder aufgehoben noch erheblich vermindert war, beruht auf den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen G4. Dieser hat ausgeführt, dass bei dem Angeklagten aus psychiatrischer Sicht keines der vier Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorliege, weshalb eine erhebliche Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit oder des Steuerungsvermögens nicht in Betracht komme.
320So habe die Beweisaufnahme und insbesondere die Vernehmung der dem Angeklagten nahestehenden Personen keine Anhaltspunkte für eine schwerwiegende psychische Erkrankung ergeben. Weder seine Mutter, die bis zu seinem Auszug einen validen Eindruck von ihm gehabt habe, noch die Zeugin J1, die ihm im Sommer 2019 durch die intime Beziehung nahegestanden habe, oder der Angeklagte selbst haben solche Umstände geschildert. Gleiches gelte für eine hirnorganische Beeinträchtigung. Auch hätten sich keinerlei Anzeichen dafür ergeben, dass die Tat in einem intoxikierten Zustand begangen worden sei. Nach allem sei deswegen keine Erkrankung oder Störung, die dem Eingangsmerkmal der „krankhaften seelischen Störung“ zugeordnet werden könnte, ersichtlich.
321Auch spreche die Tat als solche gegen eine ausnahmezustandshafte affektive Erregung im Sinne einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“. Eine affektiv aufgeladene Vorgeschichte mit Affektaufbau sei ebenso wenig erkennbar wie eine tiefgreifende Erschütterung nach der Tat, gegen die schon der angenommene Abtransport und die Ablage des Leichnams sprächen. Dies gilt auch, sofern man einen der Tötung der C4 vorausgehenden Streit zugunsten des Angeklagten und für die Zwecke der Beurteilung der Schuldfähigkeit unterstellt. Ein für eine verminderte Schuldfähigkeit erforderliches Maß an Einschränkungen von Einsichts- oder Steuerungsvermögen könne auch in diesem Fall aufgrund der oben genannten Gründe ausgeschlossen werden; zusätzlich auch, weil das Verhältnis des Angeklagten zu C4, anders als beispielsweise dasjenige zu einem Intimpartner, in der Regel keinem so massiven Affektaufbau zugänglich ist.
322Die Annahme eines „Schwachsinns“ sei bei dem Angeklagten aufgrund seines Schulabschlusses und seiner in der Hauptverhandlung durch die Einlassung zu Tage getretenen intellektuellen Fähigkeiten auszuschließen. Persönlichkeitsstörungen, die von ihrem Schweregrad einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ im Sinne des § 20 StGB entsprächen, seien schließlich auch auszuschließen. Zwar bleibe der Angeklagte in gewisser Weise undurchsichtig, was er durch die Verbreitung von Unwahrheiten und das Verschweigen tatsächlicher Sachverhalte selbst herbeiführe, es gebe aber darüber hinaus keinerlei Hinweise auf stark abnorme, sein ganzes Leben prägende und ihn in vielen Bereichen des sozialen oder beruflichen Lebens prägende Auffälligkeiten. Es hätten sich im Tatvorfeld auch keine Hinweise auf eine vorübergehende schwere depressive Episode, etwa wegen finanzieller Belastungen oder beruflicher Krisen, ergeben.
323Diesen überzeugenden Ausführungen des erfahrenen Sachverständigen G4 hat sich die Kammer nach eigener kritischer Prüfung angeschlossen und deshalb eine Aufhebung oder erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgeschlossen.
324IV.
325Durch die Tat hat der Angeklagte die Tatbestandsvoraussetzungen des § 211 Abs. 2, 1. Gruppe, 3. Var. StGB verwirklicht und sich deshalb des Mordes strafbar gemacht. Habgier bedeutet ein Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen, das in seiner Hemmungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt und das in der Regel durch eine ungehemmte triebhafte Eigensucht bestimmt ist (vgl. BGH, Urteile vom 22.10.1957 ‒ 1 StR 435/57; vom 02.09.1980 ‒ 1 StR 434/80; und vom 22.01.1981 ‒ 4 StR 480/80). Voraussetzung der Habgier ist, dass sich das Vermögen des Täters ‒ objektiv oder zumindest nach seiner Vorstellung ‒ durch den Tod des Opfers unmittelbar vermehrt oder dass durch die Tat jedenfalls eine sonst nicht vorhandene Aussicht auf eine Vermögensvermehrung entsteht (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.1993 ‒ 1 StR 49/93; BGH, Beschluss vom 19.05.2020 - 4 StR 140/20).
326Letztere sollte nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten darin liegen, dass der gegen ihn bestehende und fällige Anspruch auf Darlehensrückzahlung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB nicht durchgesetzt würde. Insoweit ging der Angeklagte, was im Übrigen auch durch den Verlauf der Hauptverhandlung bestätigt wurde, davon aus, dass die Erbinnen der C4 die Anspruchsverwirklichung nicht oder jedenfalls nicht erfolgreich betreiben würden. Dabei könnte er zum einen darauf gesetzt haben, dass die Erbinnen ohne einen „Originalvertrag“ gar nicht erst auf die Idee gekommen wären, die Darlehenssumme zurückzufordern, was nicht zuletzt durch den Umstand Bestätigung fand, dass die Nebenklägerinnen erst auf konkrete Nachfrage der Kammer, ob sie schon vom Angeklagten die Rückzahlung des Darlehens verlangt hätten, einen entsprechenden, wenn auch im Adhäsionswege nicht erfolgreichen, Versuch unternahmen (s. dazu unten Ziffer VI.). Zum anderen mag der Angeklagte auch darauf vertraut haben, dass er seinen Cousinen mit Einwendungen, er habe das Geld in bar zurückgezahlt, oder der behaupteten Schenkung des Restbetrages die Rückzahlung hätte ausreden können.
327Nach allem hätte der Angeklagte seinem Vorstellungsbild zufolge also sein Vermögen um eine fällige Sollposition bereinigt, sein Gesamtvermögen damit gemehrt. Nach Dafürhalten der Kammer besteht kein Unterschied zwischen einer Tat, die auf eine direkte Vermögensvermehrung durch Hinzugewinn einer werthaltigen Position zielt und einer Tat, bei der der Täter die Vermögensmehrung dadurch zu erzielen versucht, dass er sich einer Forderung gegen ihn – also einer Vermögensposition mit einem Negativwert – entledigt. Denn in beiden Fällen setzt der Täter seine finanziellen Interessen über das Lebensrecht einer anderen Person und vernichtet Letzteres zur Erreichung seines Ziels.
328V.
329Gegen den Angeklagten war für seine Tat gemäß § 211 Abs. 1 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen.
330Eine besondere Schwere der Schuld gemäß § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB hat die Kammer bei dem Angeklagten nicht festgestellt. Bei der hierfür vorzunehmenden zusammenfassenden Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit ist das Gericht zu der Einschätzung gelangt, dass keine erdrückende Vielzahl erschwerender schuldrelevanter Umstände, die sich insbesondere aus der Tatausführung, der Motivation, der Anzahl der Opfer oder der Anzahl und Art weiterer schwerer Straftaten herleiten, von solch erheblichem Gewicht vorliegen, dass die Feststellung der besonderen Schuldschwere geboten erscheint. Insbesondere war insoweit in Betracht zu ziehen, dass der zur Tatzeit immerhin schon 52 Jahre alte Angeklagte strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten war.
331Maßregeln der Sicherung und Besserung kamen nicht in Betracht. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB hat die Kammer nicht angeordnet, da der Angeklagte die Tat nicht in einem Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit begangen hat. Ebenfalls war eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB nicht anzuordnen, da der Angeklagte nach den Feststellungen der Kammer nicht an einem Hang leidet, Rauschmittel im Übermaß zu konsumieren.
332VI.
333Hinsichtlich des Adhäsionsantrags der Nebenklägerinnen D2 und D1 hat die Kammer auf einen Anspruch der Nebenklägerinnen auf Hinterbliebenengeld in Höhe von jeweils 8.000 € aus § 844 Abs. 3 BGB erkannt und festgestellt, dass dieser auf einer unerlaubten Handlung beruht. Soweit darüber hinaus auch die Rückzahlung des Darlehens beantragt war, hat die Kammer von einer Entscheidung abgesehen.
3341. § 844 Abs. 3 BGB
335Die Nebenklägerinnen D1 und D2 steht ein Anspruch auf Hinterbliebenengeld in Höhe von jeweils 8.000 € aus § 844 Abs. 3 S. 1 BGB zu. Das ist immer dann der Fall, wenn zwischen der getöteten Person und dem Anspruchsteller ein besonderes persönliches Näheverhältnis besteht und der Anspruchsteller durch die Tötung seelisches Leid empfindet (BeckOK BGB/Spindler, 54. Ed. 1.5.2020, BGB § 844 Rn. 43).
336Sowohl die Nebenklägerin D1 als auch die Nebenklägerin D2 hatten ein besonderes persönliches Näheverhältnis zu C4. Über die gesetzliche Vermutung für das Bestehen eines besonderen Näheverhältnisses, die für Kinder einer getöteten Person gilt, hat die Beweisaufnahme auch Umstände ergeben, aus denen ein gelebtes Näheverhältnis zum Zeitpunkt der Tötung von C4 folgt. D1 stand, trotz der räumlichen Distanz seit ihrem Umzug nach Italien, in enger emotionaler Verbindung zu C4, die sich in häufigen Telefonaten, vielen Textnachrichten und regelmäßigen Besuchen zeigte. Die enge Verbindung zwischen C4 und der Nebenklägerin D2 zeigte sich trotz verschiedener Streitigkeiten und vorübergehenden Kontaktabbrüchen darin, dass C4 ihre mütterliche Sorge um die Nebenklägerin, die aufgrund einer psychischen Erkrankung Hilfe in vielen Lebensbereichen brauchte, nie einstellte und der Nebenklägerin beistand, was sich unter anderem in finanziellen Zuwendungen, der Durchführung von Einkäufen sowie dem häufigen Austausch über Probleme der Nebenklägerin zeigte. In der Hauptverhandlung konnte sich die Kammer zudem einen Eindruck davon verschaffen, dass beide Nebenklägerinnen erkennbar unter der Tötung ihrer Mutter litten.
337Unter Berücksichtigung aller Umstände (§ 287 ZPO) hält die Kammer einen Anspruch in der von der Nebenklagevertreterin genannten Höhe von 8.000 € je Nebenklägerin für angemessen und nicht übersetzt. Weil es sich bei den anspruchsberechtigten Nebenklägerinnen um erwachsene Kinder handelt, hält die Kammer eine etwas unter dem Durchschnitt anzusiedelnde Belastung durch den Tod der Mutter für ersatzfähig, so dass – ausgehend von einer durchschnittlichen Ersatzsumme von 10.000 € (BeckOK BGB/Spindler, 54. Ed. 1.5.2020, BGB § 844 Rn. 46) – wie tenoriert erkannt wurde.
338Der mit dem Anspruch auf Hinterbliebenengeld verbundene Feststellungsantrag war zulässig und begründet.
3392. Darlehensrückzahlung
340Abzulehnen war hingegen die Forderung auf Darlehensrückzahlung aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB, da diese nicht im Adhäsionswege geltend gemacht werden kann.
341Adhäsionsfähig sind nur solche vermögensrechtlichen Ansprüche, die aus der Straftat erwachsen sind (§ 403 StPO). Dies ist immer dann der Fall, wenn der Antragsteller unmittelbar aus der verfahrensgegenständlichen Tat einen vermögensrechtlichen Anspruch erlangt hat (MüKo StPO/Grau, 1. Aufl. 2019, StPO § 403 Rn. 9).
342Diese Voraussetzung ist in Bezug auf den Darlehensrückforderungsanspruch nicht gegeben, da der Mord an C4 den Bestand des Rückzahlungsanspruchs aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB nicht berührt. Dieser bestand bereits vor der Tat und überdauerte diese. Allein die Anspruchsinhaberschaft ging durch das Versterben der C4 auf die Nebenklägerinnen D1 und D2 über. Dass der Anspruch auf Darlehensrückzahlung das Motiv für die Tat darstellt, ist die einzige, allerdings im Sinne des § 403 StPO ungenügende Verbindung zwischen der vermögensrechtlichen Forderung und der Tat.
343VII.
344Die Kostenentscheidung in der Hauptsache und betreffend die Nebenklage folgen aus §§ 465, 472 StPO, die Kostenentscheidung in Bezug auf die Adhäsionsentscheidung folgt aus § 472a Abs. 2 S. 1 StPO.