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Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. H GmbH (im Folgenden: „Insolvenzschuldnerin“). Als solcher macht er Schadensersatzansprüche aus behaupteter Falschberatung im Rahmen eines „allgemeinen Steuerberatungsmandats“ gegen die Beklagte geltend. Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte waren über ein langjähriges Steuerberatungsverhältnis miteinander verbunden. Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin war Herr I H. Früherer Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin war Herr I H. Unter dem 31. Januar 2003 unterzeichneten Herr I H für die Insolvenzschuldnerin und Herr I H eine „Rangrücktrittsvereinbarung“, wonach die Pensionsforderung des Herrn I H gegenüber der Insolvenzschuldnerin, in Höhe von insgesamt 202.894,93 EUR „mit allen etwaigen daran haftenden Rechten hinter die gegenwärtig bestehenden und künftigen Forderungen der übrigen Gläubiger“ der Insolvenzschuldnerin „in der Höhe zurücktritt, in der sich ohne den Rangrücktritt eine Überschuldung ergeben würde“. Hinsichtlich der Einzelheiten der Vereinbarung verweist das Gericht auf die als Anlage 1 zur Klageerwiderung zur Akte gereichte „Rangrücktrittsvereinbarung“. Zum 20.11.2011 erstellte die Beklagte für die Insolvenzschuldnerin den Jahresabschluss 2010. In diesem stellte die Beklagte fest, dass „die Gesellschaft buchmäßig überschuldet“ ist. Die Beklagte stellte weiter fest: „Eine insolvenzrechtliche Überschuldung liegt nicht vor, da der Gesellschafter und der frühere Gesellschafter für seine Forderungen gegen die Gesellschaft einen Rangrücktritt zu Gunsten der übrigen Gläubiger erklärt hat (…)“. Hinsichtlich der Einzelheiten verweist das Gericht auf den als K3 zur Akte gereichten „Bericht über die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2010“.
3Der Kläger ist der Ansicht, die Insolvenzschuldnerin sei zum 31.12.2010 tatsächlich insolvenzrechtlich überschuldet gewesen. Der seitens des früheren Gesellschafters, Herrn I H, erklärte Rangrücktritt vom 31. Januar 2003 sei unwirksam gewesen, da er die Bestimmung „6. Diese Vereinbarung ist nur aus wichtigem Grund kündbar“ enthielt. Der Kläger ist weiter der Ansicht, hinsichtlich der Wirksamkeit der Rangrücktrittsvereinbarung hätte die Beklagte eine Prüfpflicht getroffen. Die Beklagte hätte eine Fortführungsprognose erstellen müssen oder den Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin dazu auffordern müssen eine solche zu erstellen. Der Kläger behauptet, die Rangrücktrittsvereinbarung vom 31. Januar 2003 sei seitens der Beklagten erstellt worden.
4Der Kläger beantragt,
5die Beklagte zu verurteilen, an ihn 235.500,63 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2011 zu zahlen.
6Die Beklagte beantragt,
7die Klage abzuweisen.
8Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verweist das Gericht auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur Sitzung vom 12.07.2017.
9Entscheidungsgründe:
10Die zulässige Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch besteht nicht. Nach eigenem Vortrag der Klägerseite ist der Beklagten ein Beratungsverschulden nicht vorzuwerfen.
11Dem Kläger ist zwar insoweit zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Haftung eines Steuerberaters in Betracht kommt, wenn der Berater nicht nur eine Handelsbilanz erstellt, sondern darüber hinaus in der Bilanz eine insolvenzrechtliche Überschuldung der Gesellschaft ausschließt. Entweder, indem er unter Bezug auf Rangrücktrittsvereinbarungen die Feststellung trifft, dass es sich um eine „Überschuldung rein bilanzieller Natur“ handele oder, wie hier, indem er feststellt, dass die Gesellschaft nur „buchmäßig überschuldet“ sei (Jahresabschluss zum 31.12.2010 Seite 35, Anl. K3 zur Klageschrift). Aus solchen Hinweisen lässt sich entnehmen, dass der Steuerberater eine über die steuerliche Bilanzierung hinausgehende Leistung in Form der Prüfung der Insolvenzreife erbracht hat (BGH, Urt. v. 6.6.2013 - IX ZR 204/12 = WM 2013, 1323 Rn. 13 unter Bezugnahme auf BGH, Urt. v. 7.3.2013 - IX ZR 64/12). Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung der Angelegenheit handelt es sich insoweit auch nicht um eine bloße Gefälligkeit des Beraters, sondern um eine - im Wege stillschweigender Mandatserweiterung (Fischer, WM 2014, Sonderbeilage Nr. 1, 1-43; Kayser, ZIP 2014, 597, 602) - erbrachte zusätzliche Bewertung, auf deren Richtigkeit ein Auftraggeber vertrauen darf (BGH, Urt. v. 6.6.2013 - IX ZR 204/12 = WM 2013, 1323 Rn. 13).
12Ein Anspruch gegen die Beklagte besteht gleichwohl nicht. Selbst wenn die Rechtsansicht des Klägers, dass die Rangrücktrittsvereinbarung des Gesellschafters I H aufgrund der darin enthaltenen Kündigungsmöglichkeit unwirksam gewesen sei und die Gesellschaft deshalb entgegen den Angaben der Beklagten zum 31.12.2010 insolvenzreif gewesen sei, zutreffen würde, stellt die (dann möglicherweise unzutreffende) Beurteilung der beklagten Steuerberatergesellschaft, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorgelegen habe, keine Falschberatung dar, für die ein Steuerberater einzustehen hätte. Ein Steuerberater hat selbst bei der Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft nur ein eingeschränktes steuerrechtliches Mandat. Dem Steuerberater ist es aufgrund der Erstreckung seines Berufsbildes gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG auf "eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen" zwar grundsätzlich gestattet entsprechende Aufgaben wahrzunehmen; ein Konflikt zu § 5 Abs. 1 RDG tritt nicht ein. Die Insolvenz- und die Sanierungsberatung gehört als Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters/Wirtschaftsprüfers (BGH, Urteil vom 07. März 2013 – IX ZR 64/12 –, Rn. 20, juris). Damit ist aber nicht gesagt, dass ein Steuerberater in der Folge für alle im Rahmen der Insolvenzberatung anzutreffenden Fragen rechtsberatend tätig werden darf und/oder muss.
13Die sich im vorliegenden Fall stellende Frage, ob ein Steuerberater im Rahmen der Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft die etwaige zivilrechtliche Unwirksamkeit einer Rangrücktrittserklärung aufgrund einer Kündigungsmöglichkeit aus wichtigem Grund für die Zukunft juristisch prüfen muss und darf, verneint die Kammer (so auch Römermann, GmbHR 2013, 518). Es handelt sich hierbei um ein erkennbar hochkomplexes schuldrechtliches/insolvenzrechtliches Problem, das in der Rechtsprechung und Rechtsliteratur unterschiedlich diskutiert wird (vergl. exemplarisch die vom Kläger mit der Anl. K8 vorgelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 05.03.2015, IX ZR 133/14). Für die Beantwortung einer solchen Rechtsfrage ist ein Steuerberater beruflich nicht ausgebildet. Es würde sich um eine klassische Rechtsberatung handeln, die einem Steuerberater durch § 5 RDG untersagt ist und die nicht mehr als „Nebenleistung zum Berufsbild des Steuerberaters“ eingestuft werden kann (so auch: Römermann, GmbHR 2013, 513, 518; Hirtz in Grunewald/Römermann, RDG, 2008, § 5 Rn. 121 ff.; a.A. Gräfe, DStR 2010, 618, 619, allerdings lediglich mit Verweis auf eine Pressemitteilung des BMJ.).
14Der Steuerberater hat bei der Prüfung der Insolvenzreife lediglich die Pflicht, das Vorliegen einer Rangrücktrittsvereinbarung als solcher zu überprüfen. Von deren Wirksamkeit kann und darf er ausgehen, wenn nicht offensichtliche Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Die Beurteilung der Insolvenzreife muss und darf er dann ohne Berücksichtigung dieser zurückgetretenen Schulden vornehmen. Die generelle Beratung durch den Steuerberater im Zusammenhang mit einer Rangrücktrittserklärung ist im Hinblick auf § 5 RDG allgemein als unbedenklich angesehen (Römermann, GmbHR 2013, 513-519). Rangrücktritte werden typischerweise im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz zur Abwendung einer rechnerischen Überschuldung vorgenommen. Unter Berücksichtigung der Rangrücktrittsvereinbarung hat die Beklagte die Berechnung zutreffend vorgenommen. Der Kläger selbst lässt in der Klageschrift vortragen, unter Berücksichtigung der Pensionsrückstellungen des Gesellschafters I H hätte zum 31.12.2010 eine Überschuldung i.H.v. 104.522,13 € vorgelegen. Ohne Berücksichtigung der Pensionsrückstellungen i.H.v. 202.894,93 € ergab sich rechnerisch mithin keine Überschuldung zum 31.12.2010. Die Beklagte durfte als Steuerberater folglich die Feststellung treffen, eine insolvenzrechtliche Überschuldung liege nicht vor.
15Ein Anspruch besteht auch dann nicht, wenn die Rangrücktrittsvereinbarung vom 31.01.2013 von der Beklagten entworfen und dem Kläger zur Verfügung gestellt worden wäre, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung – offensichtlich ins Blaue hinein – hat vortragen lassen. Denn selbst wenn ein entsprechendes Formular von Seiten eines Steuerberaters einem Mandanten zur Verfügung gestellt wird, will ein Steuerberater damit aus Sicht des Mandanten diesem eine Gefälligkeit erweisen und keine (offensichtlich unzulässige) Rechtsberatung betreiben (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 5. Aufl. Rn. 101). Sofern ein Steuerberater die (Beratungs-)Tätigkeit nicht abrechnet, kann und darf ein Mandant, dem von einem Steuerberater Vordrucke oder Musterverträge vorgelegt werden nicht erwarten, dass der Steuerberater hier eine ihm nicht zustehende Rechtsberatung unter Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz leisten will (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.1985, - IVa ZR 55/83 -, Juris). Selbst einzelne Gestaltungshinweise können nicht als Rechtsberatung verstanden werden, für die der Steuerberater einstehen will. Eine entsprechende Abrechnung trägt der Kläger weder vor, noch gibt es hierfür Anhaltspunkte.
16Die Beklagte musste die Insolvenzschuldnerin auch nicht darauf hinweisen, die Frage der Wirksamkeit der Rangrücktrittsvereinbarung durch einen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Nach Einschätzung der Kammer handelt es sich hierbei um eine derart schwierige Rechtsfrage, dass ein Steuerberater diese Problematik nicht erkennen muss.
17Ergänzend weist die Kammer auch daraufhin, dass es aus ihrer Sicht zweifelhaft erscheint, ob die hier vereinbarte Kündigungsmöglichkeit für die Zukunft aus wichtigem Grund tatsächlich aus dem Rangrücktritt einen unzulässigen, weil „lediglich zeitlich begrenzter Rücktritt“ im Sinne der Rechtsprechung des BGH in der Entscheidung 05.03.2015 - IX ZR 133/14 - macht. Der Bundesgerichtshof hat auf Seite 10 und 12 seiner Entscheidung (BGHZ) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich bei einer im engen Wortsinn unzureichenden Vereinbarung im Wege der Auslegung ergeben kann, dass ein umfassender Rangrücktritt gewollt war. Dass die Erklärung des früheren Gesellschafters I H vom 31.01.2003 (Anl. 1 zur Klageerwiderung Bl. 24 der Akte) trotz der Einräumung eines Kündigungsrechtes mit unklaren Voraussetzungen als umfassender Rangrücktritt in diesem Sinne gemeint war, erscheint der Kammer naheliegend. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Rangrücktrittsvereinbarung in ihrer Gesamtheit als solche im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu deuten ist, nach der der Gesellschafter dauerhaft keine Befriedigung seiner Forderung von der Gesellschaft verlangen kann, sofern bei dieser als Folge einer Zahlung Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zumindest einzutreten droht (BGH, Urteil vom 05. März 2015 – IX ZR 133/14 – Rn. 22 = Anl. K8). Dies folgt aus einer Auslegung nach Sinn und Zweck unter Berücksichtigung des ausdrücklichen Verbots der rückwirkenden Vertragsaufhebung in der Regelung unter Ziffer 7.
18Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
19Unterschriften |
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