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hat die 8. Strafkammer des Landgerichts N2 am 22. Dezember 2005 beschlos-sen:
(I.
2Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeschuldigten T2, H, T, H1, K1, M1, K2, J und K3 wird abgelehnt.
3Insoweit werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeschuldigten T2, H, T, H1, K1, M1, K2, J und K3 der Staatskasse auferlegt.
4II.
5Die Anklage der Staatsanwaltschaft N2 vom 1. Juni 2005 – Az. 81 Js #####/####– gegen den Angeklagten I wird zur Hauptverhandlung zugelassen.
6III.
7Die Anklage der Staatsanwaltschaft N2 vom 1. Juni 2005 – Az. 81 Js #####/####– gegen die Angeklagten E, Y, L, G, F, G2, K2 und C2 wird mit folgender Maßgabe zur Hauptverhandlung zugelassen:
81.
9Gegen den Angeklagten E wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
10als ihm zur Last gelegt wird, während des Vorfalls in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni 2004 nach dem Überfall auf die S dem S die Stiefelspitze unter die Hoden geschoben und für etwa zwei Sekunden angehoben zu haben.
11Rechtlich abweichend wird diese Tat als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG in Tateinheit (§ 52 StGB) mit entwürdigender Behandlung Untergebener gemäß § 31 Abs. 1 WStG bewertet.
12Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten E abgelehnt.
132.
14Gegen den Angeklagten Y wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
15als ihm zur Last gelegt wird, es während des Vorfalls vom 31. August auf den 1. September 2004 bei den Befragungen der S im Kasernenkeller geduldet zu haben, dass einem S mittels eines Feldfernsprechers ein Stromschlag versetzt wurde.
16Rechtlich abweichend wird diese Tat als Misshandlung Untergebener gemäß §§ 30 Abs. 2, 36 Abs. 1 Nr. 1 WStG bewertet.
17Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten Y abgelehnt.
183.
19Gegen den Angeklagten L wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
20als ihm zur Last gelegt wird, während des Vorfalls vom 8. auf den 9. Juni 2004 beim Überfall auf die S gemeinsam mit den Angeklagten G und F den S M zu C4 gebracht, ihm ein Knie auf den Rücken gestellt und sein rechtes Knie verdreht zu haben, um ihn anschließend fesseln zu können.
21Rechtlich abweichend wird diese Tat als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bewertet.
22Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten L abgelehnt.
234.
24Gegen den Angeklagten G wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
25als ihm zur Last gelegt wird, während des Vorfalls vom 8. auf den 9. Juni 2004
26a) beim Überfall auf die S gemeinsam mit den Angeklagten L und F den S M zu C4 gebracht, ihm ein Knie auf den Rücken gestellt und sein rechtes Knie verdreht zu haben, um ihn anschließend fesseln zu können und
27b) bei der Fesselung des S P Q die Kabelbinder so stramm gezogen zu haben, dass dieser blutende Schürfwunden erlitt.
28Rechtlich abweichend wird dieses Verhalten als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG in zwei Fällen (§ 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zum Nachteil des S M bewertet.
29Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten G abgelehnt.
305.
31Gegen den Angeklagten F wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
32als ihm zur Last gelegt wird,
33a) während des Vorfalls vom 8. auf den 9. Juni 2004 beim Überfall auf die S gemeinsam mit den Angeklagten G und L den S M zu C4 gebracht, ihm ein Knie auf den Rücken gestellt und sein rechtes Knie verdreht zu haben, um ihn anschließend fesseln zu können,
34b) während des Vorfalls vom 24. auf den 25. August 2004 S, die sich beim Transport vom Lkw in den Kasernenkeller nicht schnell genug bewegten, mit Tritten und Schlägen misshandelt zu haben und
35c) während des Vorfalls vom 24. auf den 25. August 2004 bei der Befragung der S im Kasernenkeller einem S mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben.
36Rechtlich abweichend werden diese Taten als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG in drei Fällen (§ 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB bewertet.
37Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten F abgelehnt.
386.
39Gegen den Angeklagten G2 wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
40als ihm zur Last gelegt wird, während des Vorfalls vom 8. auf den 9. Juni 2004 einem am C4 liegenden S ein Bein auf den Rücken gestellt und gleichzeitig den Arm "in Siegerpose" nach oben gereckt zu haben.
41Rechtlich abweichend wird diese Tat als entwürdigende Behandlung Untergebener gemäß § 31 Abs. 1 WStG bewertet.
42Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten G2 abgelehnt.
437.
44Gegen den Angeklagten K2 wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
45als ihm zur Last gelegt wird, während des Vorfalls vom 31. August auf den 1. September 2004 bei der Befragung der S im Kasernenkeller einem S mittels eines Feldfernsprechers einen Stromschlag versetzt zu haben.
46Rechtlich abweichend wird diese Tat als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG bewertet.
47Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten K2 abgelehnt.
488.
49Gegen den Angeklagten C2 wird die Anklage insoweit zur Hauptverhandlung zugelassen,
50als ihm zur Last gelegt wird, während des Vorfalls vom 30. August auf den 31. August 2004 bei der Befragung der S im Kasernenkeller gemeinsam mit einem anderen Ausbilder den S I3, V, P und G mittels eines Feldfernsprechers einen Stromschlag versetzt zu haben.
51Rechtlich abweichend wird dieses Verhalten als Misshandlung Untergebener nach § 30 Abs. 1 WStG in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in vier Fällen (§ 53 StGB) bewertet.
52Im übrigen wird die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeklagten C2 abgelehnt.
53IV.
54Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wird das Hauptverfahren gegen die Angeklagten I, E, Y, L, G, F, G2, K2 und C2, soweit die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen worden ist, vor der 8. großen Strafkammer des Landgerichts eröffnet.
55V.
56Soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist, werden die Kosten des Verfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten E, Y, L, G, F, G2, K2 und C2 der Staatskasse auferlegt.
57Gründe
58A.
59Nach Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft hatte die Kammer gemäß § 203 StPO über die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Angeschuldigten zu entscheiden.
60Nach dieser Vorschrift beschließt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn die Angeschuldigten der ihnen vorgeworfenen Straftat(en) hinreichend verdächtig erscheinen. Hinreichender Tatverdacht liegt dann vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung aufgrund der vorliegenden Aktenlage eine Verurteilung der einzelnen Angeschuldigten in der Hauptverhandlung wahrscheinlich ist. Es muss also nach dem Ergebnis der in den Akten niedergelegten Ermittlungen ein für eine Verurteilung wahrscheinlich ausreichender Beweis vorliegen.
61Hinreichender Tatverdacht, dass die einzelnen Angeschuldigten die ihnen in der Anklage vorgeworfenen Taten begangen haben, liegt jedoch nur teilweise vor.
62I.
63Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten T2 konnte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
641.
65Dem Angeschuldigten T2 wird durch die Anklage vorgeworfen, die von den Zugführern E und H für Juni 2004 geplante Geiselnahmeübung – zumindest in den wesentlichen Zügen, was die Fesselung der S und die anschließenden Verhöre angeht – genehmigt zu haben. Gegen Ende der Übung am frühen Morgen des 9. Juni 2004 soll er in der Sandgrube anwesend gewesen sein und mitbekommen haben, dass gefesselte Soldaten mit Wasser bespritzt wurden und mindestens ein Soldat veranlasst wurde, einen Baumstamm zu halten. Gleichwohl – so der Vorwurf der Anklage - sei er nicht eingeschritten und habe die Durchführung gleichartiger Behandlung auch für die späteren Übungen genehmigt, möglicherweise durch eine einzige pauschale Erklärung.
66Er soll hiernach nach der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft durch zwei selbständige Handlungen tateinheitlich und gemeinschaftlich mit den anderen Angeschuldigten handelnd Untergebene körperlich misshandelt, Untergebene entwürdigend behandelt und eine – da gemeinschaftlich mit anderen begangen – gefährliche Körperverletzung begangen haben.
67a) Genehmigung der ersten Übung
68Soweit dem Angeschuldigten T2 vorgeworfen wird, die Durchführung der ersten "Übung" in einem Gespräch mit den Mitangeschuldigten E und H genehmigt zu haben, ist seine Verurteilung nicht wahrscheinlich. Aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses haben sich nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei diesem Gespräch mit dem Angeklagten E und dem Angeschuldigten H davon die Rede war, die S während der Übung zu misshandeln oder entwürdigend zu behandeln.
69Der Angeschuldigte T2 hat bei seiner Anhörung im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen durch den Kommandeur des Instandsetzungsbataillons 7 am 21. Oktober 2004 erklärt, dass er den Vorschlag von E und H, einen Ausbildungshöhepunkt in Form von Geiselhaft einzuführen, zunächst abgelehnt habe, weil er aus seiner Einsatzvorbereitung gewusst habe, dass bei entsprechender Ausbildung immer Rechtsberater dabei anwesend gewesen seien. Er habe sich dann aber später "breitschlagen" lassen, diese Ausbildung zuzulassen; weil er sich darauf verlassen habe, dass E und H aufgrund ihrer Auslandserfahrung die Ausbildung würden durchführen können. Er habe beiden gesagt, dass die vorgeschlagene Ausbildung nur durchgeführt werden dürfe, wenn keiner der Soldaten verletzt würde; schlussendlich habe er zugestimmt, weil er gewusst habe, dass eine entsprechende Ausbildung in der H (AGA) ohnehin irgendwann eingeführt werde.
70Der Angeklagte E hat bei seiner Anhörung im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen durch den Kommandeur des Instandsetzungsbataillons 7 am 21. Oktober 2004 erklärt, dass er in einem Gespräch Anfang Juni 2004 dem Angeschuldigten T2, seinem damaligen Kompaniechef, erzählt habe, dass er – E – bei der vorgeschlagenen Übung eine Station Geiselnahme einbauen wolle, es aber "nichts großes" werden solle. Einzelheiten habe er mit T2 nicht besprochen, weil er, E, sich zum damaligen Zeitpunkt über Einzelheiten der Übung noch keine Gedanken gemacht habe.
71Der Angeschuldigte H hat bei seiner Anhörung im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen durch den Kommandeur des Instandsetzungsbataillons 7 am 21. Oktober 2004 erklärt, dass einer von ihnen – E und H – den Angeschuldigten T2, ihren damaligen Kompaniechef, gefragt habe, ob sie die Ausbildung Geiselnahme durchführen dürften. Es sei dann erlaubt worden. Ob dem Kompaniechef Einzelheiten unterbreitet worden seien, wisse er nicht.
72Angesichts dieses Ermittlungsergebnisses lässt sich ein Vorsatz des Angeschuldigten T2 für eine Misshandlung oder entwürdigende Behandlung Untergebener bei der Genehmigung der ihm vorgetragenen Ausbildung Geiselnahme nicht ableiten.
73Ob der Angeschuldigte T2 bei der Genehmigung der Geiselnahme als Ausbildung insoweit gegen Befehle der Bundeswehrführung zur Ausbildung von S verstoßen hat, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden. Im vorliegenden Strafverfahren geht es ausschließlich um die Frage, ob der Angeschuldigte T2 – und auch die anderen Angeschuldigten – nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen eine Straftat begangen haben oder nicht.
74Aus dem vom Anklagevorwurf gegen den Angeschuldigten T2 umfassten Lebenssachverhalt, wonach dieser gegen Ende der ersten Geiselnahme in der Sandgrube anwesend war, das Geschehen dort mitbekommen und die Übung gleichwohl nicht abgebrochen hat, ergibt sich kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat nach § 30 Abs. 2 WStG oder § 31 Abs. 2 WStG. Nach diesen Vorschriften wird auch bestraft, wer es pflichtwidrig duldet, dass Untergebene Straftaten nach § 30 Abs. 1 oder § 31 Abs. 1 WStG begehen.
75Der Angeschuldigte T2 hat bei seiner Anhörung im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen durch den Kommandeur des Instandsetzungsbataillons 7 am 21. Oktober 2004 erklärt, dass er noch einen Durchgang der Befragungen in der Sandkuhle gesehen habe. Während der Befragung seien die Soldaten aus der Kübelspritze mit Wasser bespritzt worden. Außerdem habe ein Rekrut – möglicherweise zusammen mit einem anderen – einen Baumstamm gehalten.
76Der als Zeuge vernommene Oberleutnant A hat bei seiner Vernehmung durch die Polizei am 16. Dezember 2004 bekundet, dass er zusammen mit dem Angeschuldigten T2 die Sandgrube auf dem T-Q-Platz aufgesucht habe. Dort habe er, A, einen S gesehen, dessen Augen mit einem Tuch verbunden gewesen seien und der von einem Ausbilder oder Hilfsausbilder auf Englisch nach seinem Gruppenführer gefragt worden sei, und zwar – da der Rekrut nicht geantwortet habe – mehrmals im Kasernenton. Sonst sei nichts passiert. Er habe auch nicht gesehen, dass S nass gespritzt worden seien oder Baumstämme hätten heben müssen; er sei zwar über dieses Geschehen befremdet gewesen, allerdings deshalb, weil er aus seiner eigenen Grundausbildung und auch aus den von ihm selbst geleiteten Grundausbildungen eine solche Ausbildung nicht gekannt habe; er habe deshalb den Angeschuldigten T2 gefragt, ob das mit dem Wehrbeauftragten abgeklärt sei. Er sei mit T2 vielleicht 5 bis 10 Minuten in der Sandgrube gewesen und dann wieder in die Kaserne gefahren.
77Aus den Ermittlungen ergibt sich kein Anhaltspunkt, dass es zu der Zeit, als der Angeschuldigte T2 in der Sandgrube anwesend war, zu den in der Anklage geschilderten Exzessen wie gewaltsamem Einflößen von Wasser in den Mund von einzelnen S, Werfen von T4 in die zuvor durchnässten Hosen von S oder Verhöhnen eines S als "Bettnässer" gekommen ist. Dies ist auch nicht sehr wahrscheinlich, weil ein Ausbilder wohl kaum in Anwesenheit seines Kompaniechefs solche Handlungen, die auf jeden Fall Straftaten nach § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 WStG darstellen, begehen wird.
78Das Verhalten der Ausbilder, welches der Angeschuldigte T2 nach dem Ergebnis der Ermittlungen mitbekommen hat, nämlich dass S nass gespitzt worden sind und dass ein Rekrut – möglicherweise zusammen mit einem anderen – einen Baumstamm halten musste, stellt aber weder eine Straftat nach § 30 Abs. 1 WStG, noch nach § 31 Abs. 1 WStG dar.
79Eine Misshandlung Untergebener setzt nach § 30 Abs. 1 WStG voraus, dass der Täter einen Untergebenen körperlich misshandelt oder an der Gesundheit beschädigt. Eine körperliche Misshandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden des Opfers mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsbeschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes (vgl. Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz, 4. Aufl., § 30, Rn. 4 f.).
80Bloßes Bespritzen von S mit Wasser in einer Sommernacht erfüllt diese Voraussetzungen jedoch nicht. Zwar war die Kleidung der S anschließend durchnässt. Dass dadurch an einem Sommermorgen das körperliche Wohlbefinden der nass gespritzten S mehr als nur unerheblich beeinträchtigt worden ist, ist aber nicht ersichtlich und wird auch von den vernommenen S nicht bestätigt. Gar mancher der vernommenen S hat ein solches Bespritzen sogar als willkommene Abkühlung angesehen. Ein krankhafter Zustand wurde bei den nass gespritzten S dadurch ebenfalls nicht hervorgerufen; keiner der S hat bekundet, aufgrund seiner nassen Kleidung erkrankt zu sein, sich also z. B. erkältet zu haben.
81Auch dass S durch einen Ausbilder veranlasst worden sind, einen Baumstamm zu halten, stellt keine Misshandlung im Sinne des § 30 Abs. 1 WStG dar. Die S konnten zum einen die Übung jederzeit durch Nennung des Codeworts "Tiffy" abbrechen und zum anderen den Baumstamm jederzeit fallen lassen, wenn ihre Kräfte sie verließen. Selbst wenn sie – möglicherweise aus Ehrgeiz – versuchten, den Baumstamm möglichst lange zu halten, war dies, wie beispielsweise der damalige Rekrut N als Zeuge bekundet hat, zwar "ein bisschen anstrengend, aber nicht schmerzhaft". Hierdurch wurde also weder ein pathologischer Zustand hervorgerufen, noch wurde das körperliche Wohlbefinden der S mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.
82Das von dem Angeschuldigten T2 beobachtete Verhalten der Ausbilder in der Sandkuhle ist auch keine Straftat nach § 31 Abs. 1 WStG.
83Eine entwürdigende Behandlung im Sinne des § 31 WStG ist jedes Verhalten gegenüber einem Untergebenen, das dessen Stellung als freie, auf Entfaltung der geistigen und seelischen Kräfte in der sozialen Gemeinschaft angelegte Persönlichkeit nicht unerheblich in Frage stellt, also die Achtung nicht unerheblich beeinträchtigt, auf die der Untergebene allgemein einen Anspruch hat (vgl. Schölz/Lingens, Wehrstrafgesetz, 4. Aufl., § 31, Rn. 3).
84Die Kammer vermag in dem vom Angeschuldigten T2 beobachteten Verhalten von Ausbildern, S mit Wasser zu bespritzen und dazu zu veranlassen, einen Baumstamm zu halten, keine Herabsetzung des Achtungsanspruches der S zu erkennen. Denn allen Beteiligten war klar, dass es sich um eine Übung handelte, bei denen die Ausbilder gleichsam wie Schauspieler die Rolle von Geiselnehmern spielten und die S wie Schauspieler die Rolle von bedauernswerten Soldaten, die in die Hände solcher Feinde gefallen sind. Die beteiligten S, soweit sie nicht Opfer von Exzessen geworden sind, haben dies auch so verstanden. Nach den übereinstimmenden Aussagen der vernommenen S gingen diese von einer sorgfältig geplanten Übung aus, bei der die Ausbilder ihre Rolle als "Geiselnehmer" ernst nahmen. Sämtlichen S war von Anfang an klar, dass es sich nicht um eine reale Entführung, sondern lediglich um eine Übung handelte, bei der sie unter möglichst realistischer Gestaltung "gefangen" genommen, mit einem Lkw in ein "Lager" transportiert und schließlich dort (in der Sandgrube) "verhört" wurden, wobei sie unter anderem auch mit Wasser bespritzt wurden und Baumstämme halten mussten. Alle S wussten dabei, dass sie sich durch Nennung des Codeworts "Tiffy" einer solchen Übung entziehen konnten. Dass ein Rekrut als "Gefangener" herabgewürdigt oder in seinem sozialen Geltungsanspruch in Frage gestellt wird, ist bei einem solchen Szenario von den Ausbildern weder beabsichtigt noch von den S so empfunden worden.
85Die Kammer weist, um Missverständnisse zu vermeiden, vorsorglich darauf hin, dass diese rechtliche Bewertung nur für das Verhalten der Ausbilder gilt, das der Angeschuldigte T2 nach dem Ergebnis der Ermittlungen in der Sandgrube mitbekommen hat. Selbstverständlich stellt ein Verhalten von Ausbildern, bei dem S mit Gewalt der Mund geöffnet und mit einer Kübelspritze Wasser hineingepumpt wird oder bei dem einzelnen S nach dem Nassspritzen noch T4 in die Kleidung geworfen wird, so dass diese sich bei dem anschließenden Rückmarsch in die Kaserne wund laufen, nicht nur Schikane, sondern Straftaten nach § 30 Abs. 1 WStG dar. Auch ist das Beschimpfen eines zuvor nass gespritzten S als "Bettnässer" eine entwürdigende Behandlung nach § 31 Abs. 1 WStG. Da aber nach dem Ergebnis der Ermittlungen kein hinreichender Verdacht besteht, dass der Angeschuldigte T2 ein solches Verhalten einzelner seiner Ausbilder mitbekommen und dieses nicht sofort unterbunden hat, kann ihm insoweit ein strafrechtlicher Vorwurf nach § 30 Abs. 2 oder § 31 Abs. 2 WStG nicht gemacht werden.
86Aus den vorangegangenen Ausführungen folgt, dass der Angeschuldigte T2 auch nicht einer gefährlichen, weil gemeinschaftlich mit einem anderen begangenen, Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB zum Nachteil der S des 2. Quartals 2004 hinreichend verdächtig ist.
87b) Genehmigung weiterer Übungen
88Soweit dem Angeschuldigten T2 durch die Anklage vorgeworfen wird, eine weitere Straftat nach §§ 30, 31 WStG, 224, 52 StGB dadurch begangen zu haben, dass er für das dritte Quartal 2004 – möglicherweise durch eine einzige und wenig bedachte Äußerung – eine jedenfalls grundsätzliche Genehmigung der Behandlung der in diesem Quartal ausgebildeten S bei der Gefangennahme im Rahmen einer Geiselnahmeübung ausgesprochen habe, bestehen schon Bedenken, ob die Anklage hinsichtlich Zeit und Ort einer solchen Genehmigung hinreichend konkret im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO ist. Auf jeden Fall fehlt es aber an einem für die Eröffnung des Hauptverfahrens hinreichenden Tatverdacht für eine solche Straftat des Angeschuldigten T2.
89Der Angeschuldigte T2 hat bei seiner bereits erwähnten Anhörung im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen durch den Kommandeur des Instandsetzungsbataillons 7 erklärt, er sei sich zwar sicher, dass sich die Ausbilder vor Durchführung der Ausbildung im 3. Quartal abgesichert hätten. Er könne sich aber nicht erinnern, gefragt worden zu sein. Vom 22. Juli bis einschließlich zum 16. August 2004 habe er in V einen Stabsoffizier vertreten.
90Der Angeklagte E, der maßgeblich auch an der Planung und Vorbereitung der Übung in der Nacht vom 24. auf den 25. August 2005 beteiligt gewesen sein soll, hat in seiner Anhörung von einer Genehmigung durch den Angeschuldigten T2 nichts berichtet. Die Frage, ob Oberleutnant A von der Ausbildung gewusst habe, hat er nicht beantwortet.
91Der Angeschuldigte H hat bei seiner erwähnten Anhörung im Rahmen der disziplinarischen Ermittlungen durch den Kommandeur des Instandsetzungsbataillons 7 erklärt, er sei sich sicher, dass sie – die Ausbilder – nach der ersten Übung im zweiten Quartal 2004 mit dem Angeschuldigten T2 über die Ausbildung gesprochen hätten und ihm von der positiven Rückmeldung aus der Nachbesprechung dieser Übung mit den S erzählt hätten. Das sei auch der Grund gewesen, dass die Ausbildung im dritten Quartal noch einmal durchgeführt worden sei. Zu einer Genehmigung weiterer Übungen durch den Angeschuldigten T2 hat er jedoch nichts gesagt.
92Auch der als Zeuge vernommene Oberleutnant A hat über eine weitere Genehmigung der Übung durch den Angeschuldigten T2 nichts bekundet.
93Hiernach bestehen bereits Zweifel, ob der Angeschuldigte T2 überhaupt eine zweite Genehmigung zur Durchführung der Geiselnahmeübung(en) erteilt hat. Zumindest lässt sich eine solche Erklärung weder zeitlich noch örtlich hinreichend sicher bestimmen.
94Darüber hinaus war die vom Angeklagten E vorgesehene Behandlung der S bei der Gefangennahme im Rahmen der Geiselnahmeübung keine Straftat.
95Die Gefangennahme der S, ihre Entwaffnung, Fesselung und ihr anschließender Abtransport in einem Lkw, so wie es geplant und überwiegend auch durchgeführt worden ist, stellt keine Misshandlung der S gemäß § 30 Abs. 1 WStG oder § 224 StGB und – wovon auch die Staatsanwaltschaft nicht ausgeht – auch keine Freiheitsberaubung nach § 239 StGB dar.
96Es handelte sich, wie allen Beteiligten bekannt war, um eine Übung, bei der jeder Rekrut durch Nennung des Losungswortes "Tiffy" jederzeit ausscheiden konnte. Durch die geplante Gefangennahme und Fesselung der S mit Kabelbindern war nicht beabsichtigt, ihr körperliches Wohlbefinden mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen oder sie an ihrer Gesundheit zu beschädigen. Der Angeklagte E hat sich – bislang unwiderlegt – dahingehend eingelassen, dass keinem S habe weh getan werden sollen und dass darauf habe geachtet werden sollen, dass niemand verletzt würde. Dies wird auch durch die Angaben des Angeklagten C2 gestützt, der ausgesagt hat, dass auf Anweisung der Zugführer beim Festziehen der Kabelbinder zwei Fingerbreit Q-Platz gelassen werden sollte, um keine Verletzungen hervorzurufen. Dass diese Anweisung auch tatsächlich bis auf Ausnahmen eingehalten worden ist, ergeben die Aussagen der als Zeugen vernommenen damaligen S Y2, R, C5, L4, L3 und M. So hat der Zeuge Y2 bekundet, dass ihn der Angeklagte E nach Anlegen der Handfesseln gefragt habe, ob diese zu stramm seien. Als er, der Zeuge, dies bejaht habe, habe E die Kabelbinder gelöst und ihm neue, lockerer sitzende angelegt.
97Dafür, dass der Angeschuldigte T2 gleichwohl bei der ersten Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004 vorgekommene kleinere Verletzungen einzelner S – beispielsweise bei der Fesselung oder dem Transport auf dem Lkw – bei einer weiteren Genehmigung der Geiselnahmeübung für das 3. Quartal, falls sie von ihm ausgesprochen worden sein sollte, billigend in Kauf genommen hat, bestehen aufgrund des Ermittlungsergebnisses keine Anhaltspunkte. Denn nach der ersten Übung hatte sich keiner der daran beteiligten 82 S beschwert oder entsprechende Vorwürfe erhoben.
98Die von E vorgesehene und geplante Behandlung der S bei der Gefangennahme im Rahmen der Geiselnahmeübung stellt auch keine entwürdigende Behandlung Untergebener nach § 31 Abs. 1 WStG dar. Es setzt die Würde der beteiligten S nicht herab, wenn sie im Rahmen einer Übung überfallen, entwaffnet und abtransportiert werden, um anschließend verhört zu werden. Alle wussten nämlich, dass es sich dabei um ein Rollenspiel handelte, bei dem "Geiselnehmer" und "Gefangene" beteiligt waren. Dies gilt um so mehr, als sich die S durch Nennung eines Losungswortes jeder Zeit diesem Rollenspiel entziehen konnten und dann dabei nicht mehr mitspielen mussten, wie das der eine oder andere Rekrut auch getan hat.
99Letztlich sprechen auch die Aussagen der Zeugen Y2 und Z dafür, dass der Angeschuldigte T2 mit den Misshandlungen, die einzelnen S widerfahren sind, keineswegs gerechnet und sie nicht billigend in Kauf genommen hat. Nach den Aussagen dieser beiden Zeugen hat der Angeschuldigte ihnen gegenüber später geäußert, zwar von den Übungen im dritten Quartal gewusst zu haben, doch seien diese nicht so verlaufen, wie sie ihm zur Genehmigung vorgelegt worden seien (Y2), bzw. habe er die Übungen so nicht genehmigt (Z). Aufgrund dieser Aussagen wird man allenfalls davon ausgehen können, dass sich der Angeschuldigte T2 die Übungen in der Form vorgestellt hat, wie er sie am 9. Juni 2004 in der Sandgrube selbst anschauen konnte. Dies ist jedoch, wie oben bereits erörtert, nicht strafbar.
100II.
101Dem Angeklagten E wird durch die Anklage vorgeworfen, die vier Geiselnahmeübungen mitgeplant und -organisiert zu haben. Zudem soll er an sämtlichen Übungen teilgenommen und hierbei die S überfallen und gefesselt haben. Bereits deshalb soll er sich durch vier selbständige Handlungen tateinheitlich und gemeinschaftlich mit den anderen Angeschuldigten handelnd der körperlichen Misshandlung Untergebener, der entwürdigenden Behandlung Untergebener und der gefährlichen – weil gemeinschaftlich mit anderen begangen – Körperverletzung schuldig gemacht haben.
102Im Hinblick auf die Vorfälle in den Nächten zum 25. August, 31. August und zum 1. September 2004 durfte das Hauptverfahren aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, weil insoweit eine Verurteilung des Angeklagten nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen nicht wahrscheinlich ist.
1031. Planung der Geiselnahmeübungen
104Wie sich aufgrund zahlreicher Zeugenaussagen sowie der Angaben des Angeschuldigten H in dessen Anhörung am 21. Oktober 2004 ergibt, war der Angeklagte E einer der Urheber der Geiselnahmeübungen. Dabei war jedoch unwiderlegt nicht geplant, den S weh zu tun oder sie zu verletzen. Die Planung einer tatsächlich durchgeführten Übung, in deren Verlauf die S gefangengenommen, gefesselt, mit einem Lkw transportiert und mit einer Kübelspritze nassgespritzt werden und ggf. einen Baumstamm halten müssen, ist keine Straftat nach §§ 30, 31 WStG oder § 224 StGB.
105a) Misshandlung Untergebener
106Die Gefangennahme der S, ihre Entwaffnung, Fesselung und ihr anschließender Abtransport in einem Lkw stellen keine Misshandlung der S gemäß § 30 Abs. 1 WStG dar. Die Ermittlungen haben keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass beabsichtigt war, das körperliche Wohlbefinden der S hierdurch mehr als nur unerheblich zu beeinträchtigen oder sie an ihrer Gesundheit zu beschädigen. Der Angeklagte E hat – bislang unwiderlegt – erklärt, dass nicht geplant gewesen sei, jemandem weh zu tun; es sei wichtig gewesen, so hat er erklärt, dafür zu sorgen, dass niemand verletzt werde. Dies wird auch durch die Angaben des Angeklagten C2 und des Angeschuldigten J gestützt, wonach beim Festziehen der Kabelbinder auf Anweisung der Zugführer zwei Fingerbreit Q-Platz habe gelassen werden sollen, um keine Verletzungen hervorzurufen bzw. die Kabelbinder möglichst über der Kleidung und nicht zu stramm hätten angelegt werden sollen. Dass diese Anweisung im wesentlichen eingehalten wurde, ergibt sich aus den oben bereits erwähnten Aussagen der Zeugen C5, L3, K, R und Y2. Und schließlich hat der Zeuge F2 bekundet, dass der Angeklagte während der Übung von Rekrut zu Rekrut gegangen sei und ihnen erklärt habe, sie könnten die Übung jederzeit durch Nennung des Codewortes abbrechen, wenn es ihnen zuviel werde. Dies zeigt, dass der Angeklagte durchaus auf das körperliche Wohlbefinden der S geachtet hat.
107Dass der Angeklagte U den gleichwohl vorgekommenen kleineren Verletzungen einzelner S – beispielsweise durch die Fesselung mit Kabelbindern oder beim Transport auf dem Lkw – wusste und diese Verletzungen zumindest billigend in Kauf nahm, konnte durch die bisher erhobenen Beweise nicht nachgewiesen werden. Erst nach der letzten Übung am 1. September 2004 haben sich einzelne S über die ihnen widerfahrene Behandlung beschwert, so dass der Angeklagte auch erst zu diesem Zeitpunkt von möglichen Verletzungen überhaupt hätte erfahren können. Weiterhin ist auch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft bislang ungeklärt, ob E beispielsweise das gewaltsame Einflößen von Wasser in den Mund der S mittels einer Kübelspritze geplant hatte oder ob dies auf persönlichem Mutwillen des Angeklagten I beruhte. Für Letzteres spricht unter anderem die Aussage des Zeugen C, der in seiner disziplinarischen Anhörung am 24. November 2004 angegeben hat, dass die Idee mit der Kübelspritze vom Angeklagten I gekommen sei.
108b) Entwürdigende Behandlung Untergebener
109Auch eine Verurteilung des Angeklagten E nach § 31 Abs. 1 WStG X-X2 entwürdigender Behandlung Untergebener – und zwar deswegen, weil er die Übungen geplant hat – ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht wahrscheinlich.
110Wie bereits ausgeführt, setzt es nach Auffassung der Kammer die Würde der beteiligten S nicht herab, wenn sie überfallen, entwaffnet, abtransportiert und anschließend verhört werden. Ziel dieser "Ausbildung" war es, den S die Situation einer Geiselnahme zu vermitteln, nicht aber, ihnen ihren sozialen Geltungsanspruch abzuerkennen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es dem Angeklagten gezielt darauf ankam, einzelne Soldaten vor der versammelten Truppe herabzuwürdigen oder zu blamieren.
111Die Kammer übersieht auch hierbei nicht, dass die Befragung einzelner S in der Sandgrube oder im Kasernenkeller zum Teil in einer Art und Weise durchgeführt wurde, die mit einer Geiselnahmeübung nichts mehr zu tun hatte und die eindeutig eine entwürdigende Behandlung Untergebener nach § 31 Abs. 1 WStG darstellte. So wurde beispielsweise bei der ersten Übung am 9. Juni 2004 Wasser in die Hose des S M gepumpt, der anschließend als "Bettnässer" verhöhnt wurde. Beim vierten Vorfall in der Nacht auf den 1. September 2004 wurden unter anderem die S E2 und X mit einem weiteren S dazu gebracht, bei einem Schlag auf ihren Helm jeweils die Silbe "Bud", "wei" oder "ser" zu sagen. Im Zusammenklang der S sollte sich so das Wort "Budweiser", eine amerikanische Biermarke, ergeben.
112Dass diese Behandlung aber auf den Plänen des Angeklagten E beruhte oder dieser sie als ranghöherer Unteroffizier geduldet hat, nachdem er davon Kenntnis erlangt hatte (§§ 31 Abs. 2, 36 WStG), hat sich aus den bisherigen Ermittlungen nicht ergeben. Hinreichender Tatverdacht besteht gegen ihn insoweit daher nicht.
113Die Kammer hatte insoweit nicht zu beurteilen, ob die vom Angeklagten E geplanten Übungen nach den Vorschriften der Bundeswehr über die Ausbildung von S überhaupt hätten durchgeführt werden dürfen oder ob ihre Durchführung auch nur sinnvoll war. Im vorliegenden Strafverfahren geht es nur um die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten. Auch wenn der Erfolg einer Geiselnahmeübung mit S, die sich noch in der Grundausbildung befinden und bis dahin über das Verhalten bei Geiselnahme in ihrer Ausbildung noch nichts gehört hatten, unter Ausbildungsgesichtspunkten mehr als zweifelhaft erscheint, vermag die Kammer in der Form, in welcher die Übungen zunächst geplant worden sind, kein strafbares Verhalten zu erkennen.
114c) Gefährliche Körperverletzung
115Schließlich erscheint auch eine Verurteilung des Angeklagten E X-X2 gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB allein deshalb, weil er die Übungen geplant hat, nicht wahrscheinlich.
116Wie bereits ausgeführt ergeben sich aufgrund des Ermittlungsergebnisses keinerlei Ansatzpunkte dafür, dass der Angeklagte E die körperliche Misshandlung der S wollte oder auch nur davon wusste und trotzdem sie nicht verhindert hat. Er ist daher mangels Vorsatzes einer gefährlichen Körperverletzung nicht hinreichend verdächtig.
1172. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004
118Soweit dem Angeklagten E durch die Anklage auch vorgeworfen wird, in der Nacht vom 8. auf den 9. Juni 2004 nach dem Überfall auf die S dem S B die Stiefelspitze unter die Hoden geschoben und für etwa zwei Sekunden angehoben zu haben, hat die Kammer die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.
119Rechtlich abweichend bewertet sie dieses Verhalten als körperliche Misshandlung Untergebener nach § 30 Abs. 1 WStG in Tateinheit (§ 52 StGB) mit entwürdigender Behandlung Untergebener nach § 31 Abs. 1 WStG. Dafür, dass der Angeklagte diese Handlung mit anderen Ausbildern gemeinschaftlich begangen hat, und zwar in Form eines bewussten Zusammenwirkens, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB kommt daher nicht in Betracht.
1203. Teilnahme an der Übung in der Nacht auf den 25. August 2004
121X-X2 seiner Teilnahme an der Geiselnahmeübung in der Nacht zum 25. August 2004 ist eine Verurteilung des Angeklagten E nicht wahrscheinlich.
122Nach seiner eigenen Erklärung bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr war der Angeklagte E bei dieser Übung im "Überfallkommando" eingesetzt. Wie bereits ausgeführt, ist die bloße Teilnahme an der Übung in der Form, wie sie ursprünglich vorgesehen war, nicht strafbar. Eine strafbare Handlung läge vielmehr nur dann vor, wenn der Angeklagte von dem von ihm zunächst geplanten Verlauf der Geiselnahme abgewichen wäre und einzelne S gezielt misshandelt oder sie entwürdigend behandelt hätte. Was der Angeklagte während dieser Übung im einzelnen gemacht hat, konnte jedoch nicht mehr ermittelt werden. Als einziger Zeuge glaubte der damalige Rekrut P, den Angeklagten beim Überfall an der Stimme erkannt zu haben, wobei er sich jedoch nicht sicher war. Zudem konnte der Zeuge dem Inhaber der Stimme keine konkrete Handlung zuordnen.
123Nach den Angaben der als Zeugen vernommenen damaligen S und K, die den Angeklagten E im L2 erkannt haben wollen, erscheint es möglich, dass er auch an den dort stattfindenden Befragungen der S beteiligt war. Ihm lässt sich aber weder eine konkrete Handlung zuordnen, noch lässt sich mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass er während der Misshandlung einzelner anderer S – beispielsweise des S Q2, dem offenbar eine glimmende Zigarette an den Hals gedrückt wurde – zugegen war und diese Misshandlungen gebilligt, zumindest aber nicht unterbunden hat.
124Es ist auch nicht möglich, dem Angeklagten E die während der zweiten Übung vorgekommenen strafbaren Handlungen anderer Ausbilder gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Misshandlungen aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses erfolgt sind. Wie bereits angeführt gibt es im bisherigen Ermittlungsergebnis jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte die Misshandlungen oder entwürdigenden Behandlungen, die einzelnen S widerfahren sind, selbst geplant hat oder auch nur von ihnen wusste.
125Der Angeschuldigte J hat zwar angegeben, dass es vor dieser Übung eine Besprechung gegeben habe, an der auch der Angeklagte E teilgenommen habe. Bei dieser Besprechung sei aber – so der Angeschuldigte J – nur das "Personal" für die jeweiligen Stationen eingeteilt worden; was jeder einzelne Ausbilder tun sollte, sei hingegen nicht besprochen worden. Hinreichender Tatverdacht für eine gemeinsame Absprache der Beteiligten, die später vorgekommenen Exzesshandlungen zu begehen, besteht demnach nicht.
1264. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 31. August 2004
127Auch insoweit ist eine Verurteilung des Angeklagten E bei vorläufiger Tatbewertung nicht wahrscheinlich. Die damaligen S B2, I3 und H4 haben den Angeklagten zwar sowohl während des Überfalls als auch im L2 an der Stimme erkannt. Eine einzelne Handlung, die sich dem Angeklagten zuordnen ließe, haben sie jedoch nicht bekundet, ebenso wenig wie eine Handlung im Beisein des Angeklagten E, die eine Straftat darstellt und gegen die er nicht eingeschritten ist.
128Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis könnte es allenfalls sein, dass der Angeklagte E im Kasernenkeller anwesend war, als man dem S H4 einen Eimer Wasser über den Kopf schüttete. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Angeklagten ist allein in seiner Anwesenheit während dieser Handlung jedoch nicht zu sehen. Das bloße Übergießen eines S mit Wasser stellt im Sommer eines Jahres weder eine körperliche Misshandlung, noch eine entwürdigende Behandlung dar, die den Angeklagten gemäß § 30 Abs. 2 WStG oder § 31 Abs. 2 WStG zum Einschreiten verpflichtet hätte.
1295. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 1. September 2004
130Schließlich ist auch eine Verurteilung des Angeklagten X-X2 der Teilnahme an der letzten Übung nicht wahrscheinlich.
131Nach eigener Erklärung des Angeklagten bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr sowie den Aussagen der als Zeugen vernommenen damaligen S J3, J2, H5 und Y2 hat der Angeklagte in der fraglichen Nacht am Überfall auf die S teilgenommen. Die bloße Teilnahme am Überfall ist jedoch nach Auffassung der Kammer keine Straftat. Eine konkrete Handlung des Angeklagten, welche eine entwürdigende Behandlung oder körperliche Misshandlung Untergebener darstellen würde, kann ihm aufgrund der Zeugenaussagen jedoch nicht zugeordnet werden.
132Die als Zeugen vernommenen damaligen S, C3 und J6 haben bekundet, den Angeklagten auch im Kasernenkeller gesehen zu haben, allerdings erst nach Übungsende bzw. Übungsabbruch. Das passt im übrigen zu den Angaben des Angeschuldigten K, der angegeben hat, gemeinsam mit E zur Kaserne gefahren zu sein, um auch dort – nachdem bereits die Übung im Gelände abgebrochen worden war – die Fortsetzung der Verhöre abzubrechen. Ob der Angeklagte aber auch während der Befragungen einzelner S zugegen war und ggf. selbst daran teilgenommen hat, lässt sich anhand der Zeugenaussagen nicht feststellen. Ein konkretes, strafrechtlich relevantes Verhalten war ihm aus diesem Grund nicht nachzuweisen. Schließlich besteht auch kein hinreichender Tatverdacht dafür, dass der Angeklagte E strafbare Handlungen untergebener Ausbilder geduldet hat, nachdem er von ihnen Kenntnis erlangt hatte (§§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG). Die Tatsache, dass er die Übung in der Nacht zum 1. September 2004 abgebrochen hat, spricht eher gegen eine solche Duldung.
133III.
134Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten H durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
1351. Planung der Geiselnahmen
136Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeschuldigten H unter anderem vor, die Geiselnahmen gemeinsam mit dem Angeklagten E geplant und sich bereits hierdurch strafbar gemacht zu haben.
137Wie bereits ausgeführt, hält die Kammer die Planung der Übungen in der Form, wie der Angeklagte E sie nach dem Ergebnis der Ermittlungen vorgesehen hatte, für nicht strafbar. Weder sollten die S durch eine solche Geiselnahme entwürdigend behandelt, noch sollten sie misshandelt oder an ihrer Gesundheit beschädigt werden. Auf die näheren Ausführungen zu oben II. 1. wird insoweit Bezug genommen.
1382. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004
139Darüber hinaus wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, an der Übung vom 8. auf den 9. Juni 2004 teilgenommen zu haben; er soll S überwältigt und gefesselt haben.
140Durch die bloße Teilnahme an der Gefangennahme der S hat sich der Angeschuldigte H nicht strafbar gemacht. Die bloße Gefangennahme der Soldaten und ihre Fesselung sind nach Auffassung der Kammer in der damaligen Situation, wie bereits ausgeführt, nicht strafbar.
141Nach seinen eigenen Angaben anlässlich seiner disziplinarischen Anhörung am 21. Oktober 2004 hat der Angeschuldigte H zwar später in der Sandgrube gesehen, wie S Baumstämme halten und Liegestütze machen mussten, hat aber an ihrer Befragung nicht selbst teilgenommen. Zeugen, die ihn hierbei beobachtet oder gehört hätten, gibt es ebenfalls nicht.
142Da es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass die "Befragungen" der S durch den Angeklagten I aufgrund eines auch mit dem Angeschuldigten H gefassten Tatplanes durchgeführt wurden, können strafbare Handlungen des Angeklagten I dem Angeschuldigten auch nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Auch ein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat nach § 30 Abs. 2 WStG oder § 31 Abs. 2 WStG besteht nicht, da es keine Zeugen gibt, die bekundet haben, dass der Angeschuldigte H die vorgekommenen Exzesse in der Sandkuhle mitbekommen hat.
1433. Teilnahme an weiteren Übungen
144Die Kammer versteht die Darstellung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift so, dass dem Angeschuldigten H auch vorgeworfen wird, an den letzten drei Übungen teilgenommen zu haben. Insoweit musste die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten H jedoch aus tatsächlichen Gründen abgelehnt werden.
145Der Angeschuldigte H ist im Hinblick auf diese Vorwürfe einer Straftat nicht hinreichend verdächtig. Er selbst hat in seiner Anhörung bei der Bundeswehr angegeben, bei diesen Übungen nur "im Gelände", also an der Überfallstation, eingesetzt gewesen zu sein. Die bloße Teilnahme an den Überfällen auf die S ist jedoch, wie bereits dargelegt, nicht strafbar.
146Auf der Grundlage der bisherigen Ermittlungen kann dem Angeschuldigten H beim Überfall keine konkrete Misshandlung oder entwürdigende Behandlung Untergebener nachgewiesen werden. Auch eine Zurechnung der Exzesse anderer Ausbilder gemäß § 25 Abs. 2 StGB oder eine Straftat X-X2 Duldung solcher Exzesse nach §§ 30 Abs. 2 , 31 Abs. 2, 36 WStG kommt mangels eines gemeinsamen Tatplanes, in dem solche Misshandlungen oder entwürdigenden Behandlungen ins Auge gefasst wurden, sowie mangels nachweisbarer Kenntnis des Angeschuldigten von solchen Exzessen nicht in Betracht.
147IV.
148Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten Y durfte aus tatsächlichen Gründen nur teilweise eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeklagten angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nur X-X2 eines Vorwurfes wahrscheinlich ist.
149Dem Angeklagten Y wird durch die Anklage vorgeworfen, bei den drei Übungen im 3. Quartal 2004 in den Nächten zum 25. August, 31. August und 1. September 2004 zumindest zeitweise im Kasernenkeller anwesend gewesen zu sein und an den Befragungen der S teilgenommen zu haben; darüber hinaus soll er während der dritten Übung in der Nacht zum 31. August 2004 auch am Überfall beteiligt gewesen sein. Er soll hierdurch nach Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft durch drei selbständige Handlungen tateinheitlich und gemeinschaftlich mit anderen Angeschuldigten handelnd Untergebene körperlich misshandelt, Untergebene entwürdigend behandelt und – da gemeinschaftlich mit mehreren begangen – eine gefährliche Körperverletzung begangen haben.
1501. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 25. August 2004
151Der Angeklagte Y hat bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr am 21. Oktober 2004 erklärt, an den Übungen in den Nächten zum 31. August und 1. September 2004 beteiligt gewesen zu sein. Über seine Beteiligung in der Nacht zum 25. August 2004 hat er nichts gesagt. Dass er auch an dieser Übung beteiligt war, wird aber durch die Zeugen M2 und I2 hinreichend belegt, die bekundet haben, dass der Angeklagte Y im L2 anwesend gewesen sei und während dieser Zeit die S lautstark befragt habe.
152Ein konkretes Verhalten, das als Misshandlung oder entwürdigende Behandlung Untergebener anzusehen wäre, ist dem Angeklagten aufgrund der bislang erhobenen Beweise aber nicht nachzuweisen, so dass er einer Straftat nicht hinreichend verdächtig ist. Denn ob er auch während der Exzesshandlungen im L2 anwesend war, ist nicht hinreichend geklärt.
1532. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 31. August 2004
154Bei dieser Übung soll der Angeklagte, der sich als Zugführer sowohl bei den Überfällen auf die S als auch zeitweise im L2 aufgehalten habe, für die Behandlung der S u. a. mit Stromstößen mitverantwortlich sein.
155Wie oben bereits erörtert, stellen weder die Planung noch die Durchführung der Geiselnahmeübung in der geplanten Form eine Straftat dar. Der Angeklagte war seinen Angaben bei seiner disziplinarischen Anhörung zufolge nach "Abfertigung" der letzten Gruppe zwar im L2 anwesend, will dort aber nur gesehen haben, dass die S nass gemacht worden sind. Ein strafrechtlich relevantes Verhalten ist hierin nicht zu sehen. Es gibt keine Zeugen, die bekundet haben, dass der Angeklagte in dieser Nacht S im L2 misshandelt hat oder bei solchen Misshandlungen, die über ein zwar realitätsnahes, aber noch geordnetes "Verhör" der S hinausgingen, zugegen war und dennoch nicht eingeschritten ist. Hinreichender Tatverdacht besteht gegen ihn aus diesem Grund nicht.
1563. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 1. September 2004
157Soweit dem Angeklagten vorgeworfen werden soll, bei der letzten Übung als Mitglied des Überfallkommandos am Überfall auf die S beteiligt gewesen zu sein, ist seine Verurteilung unwahrscheinlich. Er selbst hat angegeben, an diesem Tag zur Vernehmung im L2 eingeteilt gewesen zu sein. Es gibt keine Zeugen, die ihn beim Überfall gesehen oder gehört haben. Mangels eines gemeinsamen Tatplanes können ihm eventuelle Straftaten der anderen Ausbilder, welche diese an der Überfallstation begangen haben könnten, auch nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Mangels hinreichenden Tatverdachts für eine Kenntnis solcher Straftaten durch dienstgradniedrigere Ausbilder scheidet auch eine Straftat X-X2 Duldung nach §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG aus.
158Im Hinblick auf den weiteren Vorwurf der Anklage, dass es der Angeklagte Y bei den Befragungen der S im Kasernenkeller in der Nacht zum 1. September 2004 geduldet habe, dass einem der S mittels eines Feldfernsprechers ein Stromschlag versetzt wurde, hat die Kammer die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.
159Rechtlich abweichend ist diese Tat als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG werten.
160V.
161Gegen den Angeklagten L konnte das Hauptverfahren aus tatsächlichen Gründen nur teilweise eröffnet werden.
162Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zunächst vor, während der ersten Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004 am Überfall teilgenommen und S überwältigt und gefesselt zu haben. Hierdurch soll er tateinheitlich und gemeinschaftlich mit den anderen Angeschuldigten handelnd Untergebene körperlich misshandelt, Untergebene entwürdigend behandelt und andere Personen mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich körperlich misshandelt haben.
1631.
164Allein die Teilnahme als Mitglied des Überfallkommandos an der Überwältigung und Gefangennahme der S ist nach der von der Kammer vertretenen Rechtsauffassung nicht strafbar. Etwaige Exzesse anderer Ausbilder können dem Angeklagten nicht vorgeworfen werden, da sie nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis nicht aufgrund eines Tatplanes erfolgten, der mit dem Angeklagten L gemeinsam gefasst worden ist.
1652.
166Der Angeklagte ist nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis allerdings hinreichend verdächtig, während des Überfalls am 9. Juni 2004 den S M gemeinsam mit den Angeklagten G und F überwältigt und hierbei dessen rechtes Knie schmerzhaft verdreht zu haben. Der Zeuge M hat alle drei Ausbilder zweifelsfrei erkannt, da seine Augen noch nicht verbunden waren.
167Diese Behandlung des Zeugen stellt eine Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG dar, die in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB steht, da sie mit anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wurde. Eine Strafbarkeit des Angeklagten nach § 31 Abs. 1 WStG kommt jedoch nicht in Betracht. Die Überwältigung des S M erfolgte nämlich nicht, um diesen zu entwürdigen, ihm also seinen sozialen Geltungsanspruch abzuerkennen, sondern allein um ihn für die weitere Übung zu fixieren und anschließend fesseln zu können.
1683.
169Soweit dem Angeklagten darüber hinaus – nach Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft in Tateinheit mit der beim Überfall begangenen Straftat – auch die Vorkommnisse in der Sandgrube zur Last gelegt werden sollen, ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen seine Verurteilung nicht wahrscheinlich, so dass insoweit die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abzulehnen war.
170Der Angeschuldigte hat sich selbst zu diesem Vorwurf nicht erklärt. Durch seinen Verteidiger hat er vortragen lassen, dass er nur am Überfall auf die Soldaten beteiligt gewesen sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Ermittlungsergebnis. Keiner der vernommenen S hat bekundet, L auch in der Sandgrube gesehen oder gehört zu haben. Da sich nach dem Ermittlungsergebnis auch kein Anhaltspunkt dafür bietet, dass es eine gemeinsame Absprache mit ihm gab, wonach die S nicht nur befragt, sondern auch mit T4 beworfen werden sollten oder ihnen gewaltsam Wasser eingeflößt werden sollte, können ihm solche Handlungen anderer Ausbilder nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Mangels hinreichenden Tatverdachts für eine Kenntnis solcher Straftaten durch dienstgradniedrigere Ausbilder scheidet auch eine Straftat X-X2 Duldung nach §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG aus
171VI.
172Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten T durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
173Die Anklage wirft dem Angeschuldigten T vor, als Mitglied des Überfallkommandos an der ersten, dritten und vierten Übung teilgenommen und hierbei S überwältigt und mit Kabelbindern gefesselt zu haben.
1741.
175Allein die Teilnahme als Mitglied des Überfallkommandos an der Überfallstation dieser Übungen, bei der die S überwältigt und gefesselt wurden, stellt nach der oben bereits ausführlich dargelegten Rechtsauffassung der Kammer weder eine entwürdigende Behandlung, noch eine körperliche Misshandlung der S dar.
1762.
177Bei der ersten Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004 ist der Angeschuldigte nach bisherigem Ergebnis der Ermittlungen zwar hinreichend verdächtig, den S Michael G3 gefesselt und dabei die Kabelbinder so stramm gezogen zu haben, dass dieser laut seiner Zeugenaussage bis heute eine Narbe zurückbehalten hat. Allerdings fehlt es am hinreichenden Tatverdacht für einen Vorsatz des Angeschuldigten T, den S durch das Anlegen der Fesseln zu verletzen. Nach Aussage der als Zeugen vernommenen damaligen S C5, L4 L3 und M4 hat der Angeschuldigte T auch sie gefesselt und anschließend gefragt, ob die Kabelbinder zu stramm sind. Dies spricht dafür, dass der Angeschuldigte die S zwar außer Gefecht setzen, nicht aber verletzen wollte. Da sich aus der Aussage des Zeugen G3 auch nicht ergibt, dass er den Angeschuldigten nach Anlegen der Kabelbinder auf die zu stramme Fesselung aufmerksam gemacht hat, fehlt es an einem hinreichenden Verdacht, dass der Angeschuldigte gerade den S G3 – im Gegensatz zu den anderen gefesselten S – mit der Fesselung bewusst verletzen wollte.
178Das Verhalten des Angeschuldigten könnte allenfalls als fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB strafbar sein, die jedoch nur auf Antrag (§ 230 StGB) verfolgt wird. Weder der Zeuge G3 (§ 230 Abs. 1 StGB), noch sein Dienstvorgesetzter (§ 230 Abs. 2 StGB) haben aber einen solchen Antrag gestellt. Die Staatsanwaltschaft hat das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung einer fahrlässigen Körperverletzung nicht bejaht, sodass es an einer Prozessvoraussetzung für die Verfolgung einer solchen Fahrlässigkeitstat fehlt.
1793.
180Soweit die Anklage dem Angeschuldigten T auch das Geschehen in der Sandgrube in der Nacht zum 9. Juni 2004 bzw. im Kasernenkeller in den Nächten zum 31. August und 1. September 2004 vorwerfen sollte, war das Hauptverfahren ebenfalls nicht zu eröffnen. Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte an den Exzesshandlungen in der Sandgrube oder im L2 beteiligt war oder von ihnen aufgrund einer gemeinsamen Absprache mit den übrigen Ausbildern gewusst und sie geduldet hat.
181VII.
182Das Hauptverfahren gegen den Angeklagten G durfte aus tatsächlichen Gründen nur teilweise eröffnet werden. Eine Verurteilung X-X2 sämtlicher dem Angeklagten vorgeworfenen Taten ist nicht wahrscheinlich, weswegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn teilweise abgelehnt werden musste.
1831.
184Dem Angeklagten G wird vorgeworfen, in der Nacht zum 9. Juni 2004 als Mitglied des Überfallkommandos die Soldaten überwältigt und gefesselt zu haben. Allein die Teilnahme am Überfall ist nach Auffassung der Kammer jedoch nicht strafbar.
185Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist der Angeklagte jedoch hinreichend verdächtig, bei diesem Überfall dem S Tim Q die Kabelbinder so stramm angelegt zu haben, dass dieser blutende Schürfwunden erlitt. Eine entsprechende Bekundung hat der Zeuge Q gemacht, der den Angeklagten beim Anlegen der Kabelbinder sowohl am Gesicht als auch an der Stimme erkannt hat.
186Darüber hinaus ist der Angeklagte aufgrund der oben bereits erwähnten Aussage des Zeugen M hinreichend verdächtig, diesen gemeinsam mit den Angeklagten L und F zu C4 gebracht, ihm ein Knie auf den Rücken gestellt und sein rechtes Knie verdreht zu haben, um ihn anschließend fesseln zu können. X-X2 dieser beiden Taten hat die Kammer das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet.
187Die Fesselung der S Q und M in der oben beschriebenen Art und Weise stellt eine körperliche Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG in zwei Fällen (§ 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Eine Strafbarkeit des Angeklagten gemäß § 31 Abs. 1 WStG kam aber auch hier nicht in Betracht, da sich aus den bisherigen Ermittlungen nicht ergeben hat, dass er die beiden S entwürdigend behandeln wollte.
1882.
189Soweit dem Angeklagten über die Teilnahme am Überfall hinaus durch die Anklage möglicherweise auch vorgeworfen werden soll, für das Geschehen in der Sandgrube als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) verantwortlich zu sein, fehlt es am hinreichenden Tatverdacht. Denn die Ermittlungen haben keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass die dort vorgekommenen Exzesse auf einer gemeinsamen Absprache mit dem Angeklagten G beruhten oder dass dieser sie gekannt und trotzdem geduldet hat. Der Angeklagte hat durch seinen Verteidiger vortragen lassen, dass er lediglich eine "Einweisung" dahingehend erhalten habe, die S zu überfallen und gefangen zu nehmen. Etwas anders ergibt sich aus dem Ermittlungsergebnis nicht.
190VIII.
191Das Hauptverfahren gegen den Angeklagten F durfte aus tatsächlichen Gründen nur teilweise eröffnet werden. Eine Verurteilung X-X2 sämtlicher ihm vorgeworfener Taten ist nicht wahrscheinlich, weswegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn teilweise abgelehnt werden musste.
1921. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004
193Nach Auffassung der Kammer stellt der Überfall auf die S und deren Gefangennahme keine Straftat dar, so dass eine Verurteilung allein deswegen nicht in Betracht kommt.
194Der Angeklagte F ist aufgrund der oben erwähnten Aussage des Zeugen M jedoch hinreichend verdächtig, diesen bei der Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004 gemeinsam mit den Angeklagten L und G zu C4 gebracht, ihm ein Knie auf den Rücken gestellt und sein rechtes Knie verdreht zu haben, um ihn anschließend fesseln zu können. Dies stellt eine körperliche Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar. Da insoweit hinreichender Tatverdacht gegen den Angeklagten besteht, hat die Kammer das Hauptverfahren gegen ihn eröffnet.
195Soweit dem Angeklagten F vorgeworfen wird, bei der Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004 neben der Beteiligung am Überfallkommando auch für die Geschehnisse in der Sandgrube verantwortlich zu sein, erscheint seine Verurteilung bei vorläufiger Tatbewertung nicht wahrscheinlich. Dass der Angeschuldigte dort anwesend war, lässt sich aus dem Ermittlungsergebnis nicht herleiten. Ein hinreichender Tatverdacht dafür, dass der Angeklagte aufgrund einer gemeinsamen Absprache von den in der Sandgrube vorgekommenen Exzessen wusste, besteht nicht.
1962. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 25. August 2004
197Im Hinblick auf die zweite Übung in der Nacht zum 25. August 2004 wird dem Angeklagten F vorgeworfen, mit den übrigen beteiligten Ausbildern einverständlich zusammengewirkt zu haben und hierdurch auch für das Geschehen beim Überfall auf die S verantwortlich zu sein. Da sich aus den Ermittlungen aber keine konkreten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass die Ausbilder vor dieser Übung einen gemeinsamen Tatplan gefasst haben, aufgrund dessen der Angeklagte von der Behandlung der S beim Überfall wusste, ist er dieser Tat nicht hinreichend verdächtig, weswegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn insoweit abzulehnen war.
198Im übrigen hätte die bloße Kenntnis des Angeklagten vom Ablauf des Überfalls für eine Verurteilung nicht ausgereicht, da der Überfall nach der oben bereits beschriebenen Rechtsauffassung der Kammer nicht strafbar ist. Der Angeklagte hätte also von konkreten Misshandlungen oder entwürdigenden Behandlungen der S durch die Ausbilder wissen und sie zumindest billigend in Kauf nehmen müssen, wofür es im Ermittlungsergebnis aber keinerlei Hinweise gibt.
199Im Hinblick auf den Vorwurf, der Angeklagte habe bei dieser Übung S getreten, die sich nach dem Abladen vom Lkw auf dem X2 in den Kasernenkeller nicht schnell genug bewegten, hat die Kammer das Hauptverfahren eröffnet. Insoweit ist der Angeklagte der Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG hinreichend verdächtig. Das gleiche gilt für den Vorwurf, im L2 einen S mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben.
200IX.
201Das Hauptverfahren gegen den Angeklagten G2 durfte aus tatsächlichen Gründen nur teilweise eröffnet werden. Eine Verurteilung X-X2 sämtlicher ihm vorgeworfener Taten ist nicht wahrscheinlich, weswegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn teilweise abgelehnt werden musste.
202Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, während des ersten Vorfalls (Nacht zum 9. Juni 2004) am Überfall teilgenommen und dabei S überwältigt und gefesselt zu haben.
2031.
204Eine Verurteilung des Angeklagten allein X-X2 des Fesselns und Überwältigens der S kommt nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht in Betracht, da die bloße Teilnahme am Überfall nach Auffassung der Kammer nicht strafbar ist. Es gibt auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte S körperlich misshandelt hat. Einzig der als Zeuge vernommene damalige Rekrut S3 meint, den Angeklagten beim Überfall an der Stimme erkannt zu haben, als er ihm Kabelbinder anlegte. Eine körperliche Misshandlung war dies jedoch nicht, denn die Kabelbinder waren nicht zu stramm angelegt, so dass es an der für § 30 WStG und § 224 StGB erforderlichen Misshandlungs- oder Verletzungshandlung fehlt.
2052.
206Allerdings ist der Angeklagte G2 hinreichend verdächtig, gegen Ende dieses Überfalls einem S ein Bein auf den Rücken gestellt und seinen Arm dabei in einer Art "Siegerpose" nach oben gereckt zu haben. Diese Szene ist auf Bild 32 (Bl. 487 d. A.) festgehalten worden. Der Angeklagte selbst hat durch seinen Verteidiger einräumen lassen, dass er auf diesem Foto zu sehen ist. X-X2 dieses Vorwurfs – der rechtlich als entwürdigende Behandlung Untergebener gemäß § 31 Abs. 1 WStG anzusehen ist – hat die Kammer die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen.
2073.
208Soweit dem Angeklagten neben dem Überfall auf die S auch die Geschehnisse in der Sandgrube vorgeworfen werden, ist eine Verurteilung nach dem derzeitigen Ermittlungsstand ebenfalls nicht wahrscheinlich.
209Der Angeklagte hat durch seinen Verteidiger in Abrede stellen lassen, an diesem Tag in der Sandgrube gewesen zu sein. Zwar haben die Zeugen K und K5 bekundet, ihn in der Sandgrube gesehen bzw. gehört zu haben, doch wird auch dies für eine Verurteilung nicht ausreichen. Die einzige Handlung, die dem Angeklagten aufgrund dieser Zeugenaussagen voraussichtlich wird nachgewiesen werden können, ist, dass er dem Zeugen von K5 in der Sandgrube ins Ohr flüsterte, dieser sei "jetzt tot". Eine Straftat ist dies jedoch nicht.
210Ob und ggf. in welchem Umfang der Angeklagte einzelne Misshandlungen von S in der Sandgrube mitbekommen hat, ergibt sich anhand der bisherigen Ermittlungen nicht. Aus diesem Grund besteht auch kein hinreichender Tatverdacht dafür, dass er Misshandlungen oder entwürdigende Behandlungen von S geduldet hat, §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2 WStG. Darüber hinaus fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass Misshandlungen durch dienstgradniedrigere Ausbilder im T3 des § 36 WStG begangen worden sind; der Angeklagte G2 selbst hatte nämlich nur den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers.
211Dass der Angeklagte G2 mit den anderen Ausbildern einen gemeinsamen Tatplan gefasst hatte, aufgrund dessen ihm die Exzesse anderer Ausbilder in der Sandgrube gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden könnten, hat sich durch die Ermittlungen nicht ergeben.
212X.
213Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten F durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da seine Verurteilung X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
214Dem Angeschuldigten F wird vorgeworfen, bei der Übung in der Nacht zum 9. Juni 2004 als Mitglied des Überfallkommandos S überwältigt und gefesselt zu haben. Dies allein ist jedoch, wie bereits ausgeführt, nach Auffassung der Kammer nicht strafbar; auf die obigen Ausführungen hierzu wird verwiesen.
215Dass der Angeschuldigte mit den anderen Ausbildern einen gemeinsamen Tatplan gefasst hatte, aufgrund dessen ihm die Exzesse anderer Ausbilder in der Sandgrube gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden könnten, hat sich durch die Ermittlungen nicht ergeben. Auch hat sich kein hinreichender Tatverdacht dafür ergeben, dass der Angeschuldigte in Kenntnis von solchen Handlungen dienstgradniedrigerer Ausbilder diese geduldet hat (§§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG).
216XI.
217Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten K durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich erscheint.
2181.
219Die Anklage wirft dem Angeschuldigten vor, bei der zweiten Übung in der Nacht zum 25. August 2004 als Mitglied des Überfallkommandos S überwältigt und gefesselt zu haben. Dies ist jedoch, wie bereits dargelegt, nicht strafbar, so dass eine Verurteilung des Angeschuldigten insoweit nicht in Betracht kommt.
2202.
221Darüber hinaus versteht die Kammer die Anklage dahingehend, dass dem Angeschuldigten K offenbar auch die Teilnahme an der vierten Übung in der Nacht zum 1. September 2004 vorgeworfen werden soll. Denn zum einen werden ihm durch die Anklage zwei Handlungen vorgeworfen, und zum anderen findet sich im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen auf Seite 103 der Anklage der Hinweis, dass sich der Angeschuldigte K auf dem Zugabend des zweiten Zuges am 31. August 2004 mit den Worten verabschiedet habe, er müsse zur Geiselnahmeübung des ersten Zuges.
222Ob die Anklage insoweit das Verhalten, welches dem Angeschuldigten zur Last gelegt werden soll, überhaupt hinreichend konkret bezeichnet, erscheint zweifelhaft, weil die Konkretisierung der Anklage den Angeschuldigten K nur beim Vorfall in der Nacht zum 25. August 2004 erwähnt.
223Unabhängig von diesen Bedenken besteht aber hinsichtlich der vierten Übung in der Nacht zum 1. September 2004 kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat des Angeschuldigten K. Bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr am 22. Oktober 2004 hat er erklärt, dass er bei der Übung des 1. Zuges in der fraglichen Nacht überhaupt nicht eingesetzt gewesen sei, sondern an einem Zugabend seines 2. Zuges teilgenommen habe. Die Ermittlungen haben nichts gegenteiliges ergeben. Keiner der vernommenen Zeugen hat bekundet, dass der Angeschuldigte K in dieser Nacht beim Überfall oder bei der Befragung im L2 beteiligt gewesen sei. Ein strafbares Verhalten des Angeschuldigten bei dieser Übung ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht nachzuweisen, so dass die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn auch insoweit abzulehnen war.
224XII.
225Das Hauptverfahren gegen den Angeklagten K2 war aus tatsächlichen Gründen nur teilweise zu eröffnen.
2261.
227Soweit dem Angeklagten vorgeworfen wird, an den Übungen in der Nacht zum 25. August und 31. August 2004 teilgenommen zu haben, ist eine Verurteilung nicht wahrscheinlich. Aus diesem Grund hat die Kammer die Eröffnung des Hauptverfahrens insoweit abgelehnt.
228a) Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 25. August 2004
229Nach seinen Angaben in der disziplinarischen Anhörung bei der Bundeswehr am 21. Oktober 2004 war der Angeklagte K2 bei der Übung in der Nacht zum 25. August 2004 als Mitglied des Überfallkommandos eingesetzt. Dies wird auch durch die Bekundungen der als Zeugen vernommenen S N3 und P bestätigt, die den Angeklagten als "Angreifer" erkannt haben. Nach Angaben des Zeugen N ist der Angeklagte auch auf der Ladefläche des Lkw mitgefahren, mit dem die S nach ihrer Gefangennahme zur Kaserne transportiert wurden. Ein strafbares Verhalten des Angeklagten ist hierin jedoch nicht zu sehen. Die bloße Teilnahme am Überfall erfüllt, wie bereits dargelegt, nach Auffassung der Kammer weder die Tatbestände der §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG, noch den des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB.
230Misshandlungen oder entwürdigende Behandlung von S, die von anderen Ausbildern vorgenommen wurden, können dem Angeklagten auch nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden, da es keine Hinweise darauf gibt, dass diese auf der Grundlage einer gemeinsamen Absprache mit dem Angeklagten K2 erfolgt sind. Zwar gab es nach der Erklärung des Angeklagten K2 vor der Übung eine Einweisung. Dafür, dass darin auch Exzesshandlungen abgesprochen worden sind, gibt es aber keinen Hinweis, ist doch über den Inhalt dieser Einweisung nach den bisherigen Ermittlungen nichts bekannt geworden. Es ließ sich noch nicht einmal aufklären, ob der Angeklagte mit den Handlungen anderer Beteiligten überhaupt einverstanden war und diese ggf. gebilligt hat. Deshalb scheidet auch ein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat nach §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2 WStG aus.
231b) Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 31. August 2004
232An der Übung in der Nacht zum 31. August 2004 hat der Angeklagte nach eigenen Angaben ebenfalls als Mitglied des Überfallkommandos teilgenommen. Hinreichend verdächtig ist er aufgrund der bisherigen Ermittlungen aber lediglich, den S gefesselt und ihm die Augen verbunden zu haben, wie dieser bekundet hat. Da dies nach Auffassung der Kammer nicht strafbar ist und eine Zurechnung der Handlungen anderer Beteiligter mangels einer gemeinsamen Absprache nicht in Betracht kommt, fehlt es am hinreichenden Tatverdacht für eine Straftat des Angeklagten anlässlich dieser Übung. Die Eröffnung des Hauptverfahrens war daher insoweit abzulehnen.
2332. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 1. September 2004
234Die Anklage gegen den Angeklagten K2 war aber insoweit zur Hauptverhandlung zuzulassen, als ihm zur Last gelegt wird, bei der Übung in der Nacht zum 1. September 2004 bei der Befragung der S im L2 einem S mittels eines Feldfernsprechers einen Stromschlag versetzt zu haben. Insoweit ist der Angeklagte K2 einer Straftat nach § 30 Abs. 1 WStG hinreichend verdächtig.
235XIII.
236Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten M durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
237Dem Angeschuldigten M wirft die Anklage vor, an den letzten drei Übungen als Mitglied des Überfallkommandos teilgenommen zu haben.
2381. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 25. August 2004
239Nach seiner Erklärung bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr hat der Angeschuldigte bei der zweiten Übung in der Nacht zum 25. August 2004 als Angehöriger des sogenannten Feindkommandos am Überfall auf die S teilgenommen und diese in einen Hinterhalt gelockt, um sie anschließend zu entwaffnen. Seine Aufgabe, so hat er durch seinen Verteidiger nach Anklageerhebung vortragen lassen, sei es jedoch nur gewesen, eine Blendgranate zu werfen, was er auch getan habe.
240Aufgrund der Aussage des als Zeuge vernommenen S ist der Angeschuldigte zwar hinreichend verdächtig, auch an der Entwaffnung der S beteiligt gewesen zu sein. Dies stellt aber, wie bereits dargelegt, kein strafbares Verhalten dar. In der bloßen Überwältigung und Gefangennahme der S und deren Entwaffnung ist nämlich, wie bereits dargelegt, weder eine entwürdigende Behandlung oder Misshandlung Untergebener zu sehen, noch ist dies als gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB anzusehen. Es fehlt also an einem hinreichenden Tatverdacht für eine Straftat des Angeschuldigten bei dieser Übung.
241Soweit dem Angeschuldigten darüber hinaus durch die Anklage auch vorgeworfen werden soll, an der Befragung der S im Kasernenkeller beteiligt gewesen zu sein, besteht gegen ihn kein hinreichender Tatverdacht. Der Angeschuldigte stellt in Abrede, den L2 betreten zu haben, als die Befragungen noch im Gange waren. Ein hinreichender Tatverdacht besteht aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisses insoweit nicht. Zwar hat der Zeuge H2 bekundet, dass der Angeschuldigte M die Befragung im L2 durchgeführt habe. Der Zeuge, der einen Stiefelbeutel über den Kopf gehüllt trug und die im L2 anwesenden Personen daher nicht sehen, sondern nur hören konnte, war sich aber schon bei der Vernehmung durch die Polizei hinsichtlich der Identifizierung des Angeschuldigten M nicht sicher. Selbst wenn er in einer Hauptverhandlung seine Aussage vor der Polizei wiederholen würde, würde auf der Grundlage dieser Aussage eine Verurteilung des Angeschuldigten M nicht erfolgen.
242Soweit der als Zeuge vernommene damalige Rekrut Q2 bekundet hat, der Angeschuldigte M habe den S H2 mit dem Kopf gegen die Kellerwand geschlagen, ist der Angeschuldigte auch dieser Tat nicht hinreichend verdächtig. Zum einen hat der Zeuge H2 – das angebliche Opfer des Angeschuldigten – in seiner polizeilichen Vernehmung selbst nicht davon berichtet, mit dem Kopf gegen die Kellerwand geschlagen worden zu sein. Zum anderen war sich der Zeuge Q2 nach seiner Bekundung auch nicht sicher, tatsächlich den Angeschuldigten M als Täter erkannt zu haben. Selbst wenn beide Zeugen in einer Hauptverhandlung ihre polizeilichen Angaben wiederholen würden, würde auf der Grundlage dieser Aussagen eine Verurteilung des Angeschuldigten M nicht erfolgen.
243Die Eröffnung des Hauptverfahrens X-X2 dieses Vorwurfs musste daher abgelehnt werden.
2442. Teilnahme an der dritten und vierten Übung
245An den Übungen in den Nächten zum 31. August und 1. September 2004 hat der Angeschuldigte M nach seiner Erklärung als Mitglied des Überfallkommandos teilgenommen. Mehr als der Wurf einer Blendgranate, den er über seinen Verteidiger hat einräumen lassen, wird ihm nach dem Ergebnis der Ermittlungen nicht nachzuweisen sein, da er von keinem der als Zeugen vernommenen damaligen S bei diesen beiden Übungen erkannt wurde. Da die Teilnahme am Überfall auf die S nach Auffassung der Kammer keinen Straftatbestand erfüllt, fehlt es insoweit an einem hinreichenden Tatverdacht für eine Straftat des Angeschuldigten, so dass die Eröffnung des Hauptverfahrens auch insoweit abgelehnt werden musste.
246XIV.
247Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten K1durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
248Der Angeschuldigte soll nach dem Vorwurf der Anklage bei der zweiten Übung an der Befragung der S im L2 sowie bei der dritten und vierten Übung als Mitglied des Überfallkommandos teilgenommen haben.
2491.
250In seiner disziplinarischen Anhörung bei der Bundeswehr am 21. Oktober 2004 hat der Angeschuldigte K1 angegeben, an der zweiten Übung in der Nacht auf den 25. August 2004 nicht beteiligt gewesen zu sein. Demgegenüber hat der Zeuge I2 in seiner polizeilichen Vernehmung angegeben, der Angeschuldigte K1 sei an diesem Tag für den "Trupp L2" eingeteilt gewesen, habe den L2 dann zwar verlassen, während der Verhöre jedoch drei bis vier Mal hereingeschaut und in dieser Zeit die S auch selbst befragt. Unabhängig davon, welcher Aussage die Kammer aufgrund einer in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme folgen würde, war die Eröffnung des Hauptverfahrens X-X2 dieser Tat abzulehnen. Allein die Befragung der S im Kasernenkeller ist nämlich nicht strafbar, ebenso wenig wie das Bespritzen der Soldaten mit Wasser aus einer Kübelspritze im Sommer, wovon der Zeuge I2 ebenfalls berichtete.
251Weder die an diesem Tag für den L2 eingeteilten Ausbilder (Y, I2, G, C, R7, S9), noch die als Zeugen vernommenen S, die beteiligt waren, haben bekundet, dass der Angeschuldigte einzelne Soldaten selbst misshandelt hat oder von den Misshandlungen durch andere Ausbilder (beispielsweise des S Q2) Kenntnis erlangt und diese geduldet hat, so dass er auch einer Straftat nach § 30 Abs. 2 oder 31 Abs. 2 WStG nicht hinreichend verdächtig ist.
2522.
253Im Hinblick auf die dritte und vierte Übung (Nächte zum 31. August und 1. September 2004) wird dem Angeschuldigten vorgeworfen, als Mitglied des Überfallkommandos jeweils am Überfall auf die S beteiligt gewesen zu sein. Dies hat der Angeschuldigte in seiner Anhörung auch eingeräumt. Ein strafbares Verhalten ist hierin nach Auffassung der Kammer jedoch nicht zu sehen.
254Soweit dem Angeschuldigten darüber hinaus vorgeworfen werden soll, bei diesen beiden Übungen auch an der Befragung der S im Kasernenkeller beteiligt gewesen zu sein, besteht ebenfalls kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat des Angeschuldigten.
255Von den zur dritten Übung in der Nacht zum 31. August 2004 als Zeugen vernommenen damaligen S haben lediglich die S und S1 die Vermutung geäußert, dass der Angeschuldigte K1 im L2 anwesend gewesen sei; sie haben diese Vermutung aber gleichzeitig dahingehend eingeschränkt, nicht sicher zu sein. Dies gilt gleichermaßen für die Aussage des als Zeugen vernommenen damaligen S8, der Angeschuldigte habe ihm eine Pistole an den Kopf gehalten; auch dieser Zeuge war nicht sicher, dass der Angeschuldigte K1 der Handelnde mit der Pistole war.
256Zu der Übung in der Nacht zum 1. September 2004 hat der Angeschuldigte K1 bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr am 21. Oktober 2004 erklärt, dass er zusammen mit E die Marschüberwachung durchgeführt habe. Nachdem E die Übung draußen abgebrochen habe, sei er – K1 – mit E in die Kaserne gefahren, wo E auch dort die Ausbildung abgebrochen habe. Er – K1 – habe, nachdem er in den L2 gekommen sei, den dortigen S die Fesseln und den Sichtschutz abgenommen und die S auf die Stuben geschickt. Von einer vorangegangenen Befragung der S habe er nichts mitbekommen.
257Diese Angaben sind aufgrund der Ermittlungen nicht im T3 eines hinreichenden Tatverdachts widerlegt worden. Die als Zeugen vernommenen damaligen S E2, E8, M7, Y2, Z und X haben den Angeschuldigten zwar im L2 erkannt. Die Zeugen E2, K6, Y2 und Z haben den Angeschuldigten nach ihrem Bekunden aber erst gesehen, nachdem sie befreit worden waren bzw. die Übung beendet worden war, so wie der Angeschuldigte K1 es selbst angegeben hat. Dass der Angeschuldigte an den Verhören beteiligt oder auch nur zugegen war, als sie durchgeführt wurden, haben diese Zeugen jedoch nicht beobachtet.
258Der Zeuge X war der einzige, der den Angeschuldigten während der Verhöre im L2 an der Stimmer erkannt zu haben glaubte. Er hat aber gleichzeitig angegeben, dass er sich insoweit nicht sicher sei. Diese Aussage lässt schon keinen hinreichend sicheren Schluss auf eine Beteiligung des Angeschuldigten an den Verhören zu. Selbst wenn der Zeuge X seine Aussage in einer Hauptverhandlung wiederholte, würde dies angesichts der Unsicherheit des Zeugen nach Auffassung der Kammer nicht ausreichen, dem Angeschuldigten eine Teilnahme an Misshandlungen oder entwürdigenden Behandlungen von S im L2 (§§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 WStG) oder die Duldung solcher Handlungen dienstgradniedrigerer Ausbilder (§§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG) mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen.
259Die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Angeschuldigten K1 war daher aus tatsächlichen Gründen abzulehnen.
260XV.
261Das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten J durfte aus tatsächlichen Gründen nicht eröffnet werden, da eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 der gegen ihn erhobenen Vorwürfe angesichts des bisherigen Ermittlungsergebnisses nicht wahrscheinlich ist.
262Der Angeschuldigte J soll sich durch zwei selbständige Handlungen jeweils tateinheitlich und gemeinschaftlich mit den anderen Angeschuldigten handelnd der körperlichen Misshandlung Untergebener, der entwürdigenden Behandlung Untergebener und der gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht haben.
2631. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 25. August 2004
264Soweit dem Angeschuldigten vorgeworfen wird, bei der zweiten Übung in der Nacht auf den 25. August 2004 die S auf dem Marsch überwältigt und gefesselt zu haben, ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen eine Verurteilung nicht wahrscheinlich.
265Der Angeschuldigte J hat bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr am 25. Oktober 2004 erklärt, insofern am Geschehen im Gelände teilgenommen zu haben, als er nach dem Überfall auf die Gruppen an den eingesammelten Waffen eine Sicherheitsüberprüfung durchgeführt und sie auf Vollzähligkeit überprüft habe. Bei seiner verantwortlichen Vernehmung durch die Polizei am 12. Mai 2005 hat er erklärt, darüber hinaus am Überfall auch insoweit teilgenommen zu haben, als er auf ein vorher verabredetes Zeichen aus der Deckung gekommen sei, Schüsse in die Luft abgegeben und anschließend die S entwaffnet, ihre Augen verbunden und ihre Hände mit Kabelbindern gefesselt habe. Auch eine solche Teilnahme an dem Überfall ist jedoch, wie bereits dargelegt, nicht strafbar.
266Da nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich ist, dass er bei dem Überfall eine konkrete Misshandlung bzw. entwürdigende Behandlung eines S begangen hat – nach seiner Aussage hat er bei einigen S zu stramm sitzende Handfesseln gelöst und neue angebracht –, besteht insoweit kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat.
267Das gleiche gilt für den weiteren Vorwurf, auch für die Geschehnisse in dieser Nacht im Kasernenkeller mitverantwortlich zu sein. Der Angeschuldigte hat bei seiner verantwortlichen Vernehmung durch die Polizei erklärt, dass mit dem Abtransport der S von der Überfallstelle im Gelände die Übung für ihn beendet gewesen sei.
268Diese Angaben sind durch die Ermittlungen nicht widerlegt worden. Dass der Angeschuldigte sich während der Übung im L2 aufgehalten hat, ist von keinem der dazu vernommenen Zeugen erwähnt worden. Auch gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Angeschuldigte davon wusste, was bei den Verhören im L2 passieren würde. Nach seiner Erklärung gab es zwar eine Vorbesprechung vor der Übung, doch sei dabei nur die personelle Einteilung vorgenommen worden, weitere Erläuterungen habe es nicht gegeben. Es besteht demnach kein hinreichender Tatverdacht, dass der Angeschuldigte J von den später im L2 vorgekommenen Misshandlungen und entwürdigenden Behandlungen, die einzelnen S widerfahren sind, gewusst und sie billigend in Kauf genommen hat. Für eine Duldung solcher Handlungen durch dienstgradniedrigere Untergebene gemäß §§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG besteht ebenfalls kein hinreichender Tatverdacht.
2692. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 1. September 2004
270Soweit die Anklage dem Angeschuldigten vorwirft, durch eine weitere selbständige Handlung tateinheitlich und gemeinschaftlich mit den anderen Angeklagten handelnd Untergebene körperlich misshandelt, Untergebene entwürdigend behandelt und andere Personen mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich körperlich misshandelt zu haben, bestehen bereits Bedenken dahingehend, ob die Anklage hinreichend konkret genug im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO ist. Im Anklagesatz und in der Anklagekonkretisierung sind weder die Tat, die dem Angeschuldigten zur Last gelegt wird, noch Zeit und Ort ihrer Begehung bezeichnet.
271Aus der Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift, das die Kammer zur Auslegung des Anklagevorwurfes herangezogen hat, geht jedoch hervor, dass der Angeschuldigte an der letzten Übung in der Nacht zum 1. September 2004 beteiligt gewesen sein soll. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass dem Angeschuldigten J, wie dies im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift anklingt, die Teilnahme an der vierten Übung vorgeworfen werden soll.
272Insoweit besteht aber kein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat des Angeschuldigten. Dieser hat in seiner Anhörung durch die Bundeswehr und bei seiner Vernehmung durch die Polizei erklärt, beim Überfall im Gelände zwar anwesend gewesen zu sein, aber nur zugeschaut zu haben. Er selbst habe, so hat er weiter erklärt, keine Tätigkeit ausgeführt, weil das auch nicht sinnvoll gewesen wäre, da die Überfallenen Angehörige des 1. Zuges – seines Zuges – gewesen seien und deshalb seine Stimme sofort erkannt hätten. Nachdem die Übung nach dem Überfall auf die 2. Gruppe abgebrochen worden sei, sei er sofort in die Kaserne und dann nach Hause gefahren.
273Diese Erklärung ist durch die Ermittlungen nicht widerlegt worden. Der als Zeuge vernommen damalige Rekrut B hat zwar bekundet, dass er, nachdem er das Codewort "Tiffy" genannt und aus der Übung genommen worden sei, vom Angeschuldigten J zu einem Q-Platz im X2 geführt und angewiesen worden sei, das Geschehen nicht weiter zu verfolgen. Auch der als Zeuge vernommen Rekrut J meint, den Angeschuldigten während dieser Übung erkannt zu haben, als der sich nach seinem – des Zeugen – Befinden erkundigt habe. Diese Angaben sind aber mit der Erklärung des Angeschuldigten, beim Überfall lediglich als Zuschauer vor Ort gewesen zu sein, in Einklang zu bringen und begründen keinen hinreichenden Tatverdacht für eine Straftat des Angeschuldigten J.
274XVI.
275Das Hauptverfahren gegen den Angeklagten C2 durfte aus tatsächlichen Gründen nur teilweise eröffnet werden. Eine Verurteilung X-X2 sämtlicher ihm vorgeworfener Taten ist nicht wahrscheinlich, weswegen die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn teilweise abgelehnt werden musste.
276Dem Angeklagten C2 wirft die Anklage vor, an der dritten und vierten Übung teilgenommen und sich durch zwei selbständige Handlungen jeweils tateinheitlich und gemeinschaftlich mit den anderen Angeschuldigten handelnd der körperlichen Misshandlung Untergebener, der entwürdigenden Behandlung Untergebener und der gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht zu haben.
2771. Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 31. August 2004
278Soweit dem Angeklagten C2 vorgeworfen wird, bei der insgesamt dritten Übung in der Nacht zum 31. August 2004 für die Geschehnisse an der Überfallstation verantwortlich zu sein, ist er einer Straftat nicht hinreichend verdächtig.
279Der Angeklagte hat bei seiner disziplinarischen Anhörung durch die Bundeswehr am 22. Oktober 2004 angegeben, bei dieser Übung die Befragung der S im Kasernenkeller durchgeführt zu haben. Keiner der vernommenen Zeugen hat ihn beim Überfall im Gelände gesehen oder dabei auch nur an der Stimme erkannt. Dafür, dass der Angeklagte sich während des Überfalls nach §§ 30 Abs. 1 , 31 Abs. 1 WStG, 224 StGB strafbar gemacht hat, bieten sich also keinerlei Anhaltspunkte.
280Aufgrund der Aussage des als Zeugen vernommenen damaligen I3 ist der Angeklagte jedoch hinreichend verdächtig, in dieser Nacht bei der Befragung des Zeugen I3 im L2 diesem unter Beteiligung eines weiteren Ausbilders mittels eines Feldfernsprechers einen Stromschlag an den Oberschenkel versetzt zu haben. Deshalb besteht nach Auffassung der Kammer auch ein hinreichender Tatverdacht, dass er in dieser Nacht auch den S, G und G1 einen Stromschlag versetzt hat, auch wenn diese bekundet haben, den Täter nicht identifizieren zu können, weil ihnen ein Stiefelbeutel über den Kopf gezogen worden war.
281Rechtlich abweichend ist dieses Verhalten als Misshandlung Untergebener nach § 30 Abs. 1 WStG in Tateinheit (§ 52 StGB) mit gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in vier Fällen (§ 53 StGB) zu werten.
2822.
283Im Hinblick auf den Vorwurf, an der vierten Übung beteiligt gewesen zu sein, besteht kein hinreichender Verdacht gegen den Angeklagten, sich strafbar gemacht zu haben.
284Die als Zeugen vernommenen damaligen S, K7, H8 und C8 haben den Angeklagten während des Überfalls an der Stimme erkannt. Ein konkretes Verhalten des Angeklagten, durch welches er sich strafbar gemacht haben könnte, haben sie jedoch nicht beobachtet. Allein der vom Zeugen B bekundete Umstand, dass der Angeklagte mit einem weiteren Ausbilder abseits des Geschehens stand und sich über die S lustig machte, die sich wehrten, erfüllt den Tatbestand des § 31 WStG – der einzigen hier in Betracht kommenden Vorschrift – noch nicht.
285Auch hinsichtlich der Vorfälle im L2 ist der Angeklagte einer Straftat nicht hinreichend verdächtig. Der Zeuge C3 hat den Angeklagten zwar im Kasernekeller gesehen, jedoch erst, nachdem die Übung durch den Angeklagten E abgebrochen worden war und den S die Stiefelbeutel abgenommen worden waren. Ob der Angeklagte C2 aber auch vorher schon im L2 anwesend war, ggf. an den Verhören beteiligt war oder von den Misshandlungen des S durch Stromstöße wusste, konnte der Zeuge hingegen verständlicherweise nicht angeben.
286XVII.
287Dem Angeschuldigten V5 wird durch die Anklage vorgeworfen, "bei einer der Übungen" daran beteiligt gewesen zu sein, die S zu überwältigen und zu fesseln; "wahrscheinlich" beim ersten Vorfall in der Nacht zum 9. Juni 2004.
288Die Kammer hat erhebliche Bedenken, ob die Anklageschrift die Tat, die dem Angeschuldigten K vorgeworfen wird, hinreichend konkret im Sinne des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO bezeichnet. Aus dem zur Auslegung herangezogenen wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen der Anklageschrift ergibt sich aber, dass dem Angeschuldigten K offensichtlich die Teilnahme an der ersten Übung vorgeworfen werden soll.
289Eine Verurteilung des Angeschuldigten X-X2 einer eventuellen Teilnahme an dieser Übung ist nach dem derzeitigen Ermittlungsstand jedoch nicht wahrscheinlich, so dass die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abzulehnen war.
290Der Angeschuldigte selbst hat bei seiner Anhörung durch die Bundeswehr am 21. Oktober 2004 erklärt, dass er an der Übung im 2. Quartal 2004 überhaupt nicht teilgenommen habe. Er sei am 8. und 9. Juni 2004 "kzh", das heißt "krank zu Hause" gewesen. Er habe lediglich an einer Übung im 3. Quartal teilgenommen, an welcher, wisse er nicht mehr. Durch seinen Verteidiger hat er später erklären lassen, dass es wohl die Übung in der Nacht auf den 25. August 2004 gewesen sei.
291Aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen besteht zwar ein hinreichender Verdacht, dass der Angeschuldigte Kleine sehr wohl an dieser ersten Übung teilgenommen hat. Denn der als Zeuge vernommen damalige Rekrut K hat nach seiner Aussage den Angeschuldigten K neben anderen Ausbildern in der Sandgrube erkannt, nachdem ihm – dem Zeugen – die Augenbinde abgenommen worden war.
292Ein hinreichender Verdacht, dass sich der Angeschuldigte K an gezielten Misshandlungen und entwürdigenden Handlungen beteiligt oder solche Handlungen dienstgradniedrigere Ausbilder geduldet hat (§§ 30 Abs. 2, 31 Abs. 2, 36 WStG), ergibt sich aus dieser Aussage aber nicht.
293B.
294Soweit die Kammer im übrigen das Hauptverfahren eröffnet hat, besteht nach dem derzeitigen Ermittlungsstand hinreichender Tatverdacht gegen die Angeklagten, der ihre Verurteilung in der Hauptverhandlung wahrscheinlich macht.
295Das Hauptverfahren musste vor der großen Strafkammer des Landgerichts eröffnet werden. Das Landgericht ist im vorliegenden Fall nach § 74 Abs. 1 S. 2 GVG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG sachlich zuständig, da die Staatsanwaltschaft mit Rücksicht auf die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Fall in den Medien erregt hat, "X-X2 besonderer Bedeutung des Falles" Anklage vor dem Landgericht erhoben hat. Diese Einschätzung ist zumindest vertretbar.
296C.
297Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt worden ist, auf § 467 Abs. 1 StPO.