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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von 500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2023 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Anspruch aus dem Klageantrag zu 1) aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung besteht.
3. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, alle zu dem nachfolgenden Text: „@C Für wen, für dich? Hast du Stückzahlen an Nachbestellung zu bringen? DU TEUFELIN in Menschenfleischverpackung“, identischen oder kerngleichen Inhalte auf der Plattform Twitter öffentlich kundzutun, wie am 00.00.0000 um 00:00:00 (CET) geschehen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren, Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 198,37 EUR freizustellen.
5. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über Geldentschädigung sowie Unterlassungsansprüche aufgrund eines von dem Beklagten am 00.00.0000 um 00:00:00 Uhr auf der Plattform Twitter (seit Juli 2023 nunmehr Plattform X) unter dem Beitrag der Klägerin verfassten und anschließend online abgesetzten Twitter-Kommetar (sogenannter Tweet) mit folgendem Inhalt: "„@C Für wen, für dich? Hast du Stückzahlen an Nachbestellung zu bringen? DU TEUFELIN in Menschenfleischverpackung!“.
3...
4Die Klägerin führt einen Twitter-Account unter dem Namen @C. Dem Account der Klägerin folgen 183.354 Follower (Stand 03.07.2023).
5Am 31.10.2022 beauftragte die Klägerin die A, B-Ring 0, 48429 Rheine, mit der Identifizierung der gegen sie gerichteten Beleidigungen im Internet und der gerichtsfesten Beweissicherung.
6Die beauftragte A stellte sodann fest, dass der Beklagte auf der Plattform Twitter unter einem Beitrag der Klägerin folgenden Text absetzte:
7„@C Für wen, für dich? Hast du Stückzahlen an Nachbestellung zu bringen? DU TEUFELIN in Menschenfleischverpackung“
8Die Daten wurden zur rechtlichen Prüfung an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandt.
9Die Klägerin stellte Strafantrag aufgrund der vorstehenden Beleidigung. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben ergeben, dass es sich bei dem Verfasser der hier streitgegenständlichen Nachricht um den Beklagten handelt.
10Mit Schreiben vom 14.08.2023 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung eines Geldentschädigungsanspruchs in Höhe von 600,00 EUR sowie zur Freistellung von den angefallenen Gebühren und Auslagen auf.
11Die Klägerin stellt folgende Anträge:
121. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine angemessene Geldentschädigung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei der genaue Betrag der Geldentschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
132. Es wird festgestellt, dass der Anspruch aus dem Klageantrag zu 1) aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung besteht.
143. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, alle zu dem nachfolgenden Text: „@C Für wen, für dich? Hast du Stückzahlen an Nachbestellung zu bringen? DU TEUFELIN in Menschenfleischverpackung“, identischen oder kerngleichen Inhalte auf der Plattform Twitter öffentlich kundzutun, wie am 00.00.0000 um 00:00:00 (CET) geschehen und wie aus Anlage K 1 ersichtlich.
154. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren, Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 198,37 EUR freizustellen.
16Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
17Er wendet sich gegen die Zulässigkeit und auch Begründetheit der Klage.
18Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig und begründet.
21I. Die Klage ist zunächst zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ergibt sich aus § 1 ZPO, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG. Der Zuständigkeitsstreitwert beträgt 1.900 Euro und liegt damit unter der maßgeblichen Grenze von 5.000 Euro. Er steht bei unbezifferten Leistungsklagen, bei Feststellungsklagen sowie Unterlassungsklagen jeweils im freien Ermessen des Gerichts, welches dahingehend zur Wertschätzung berechtigt ist, gem. § 3 ZPO (Musielak/Voit/Heinrich ZPO § 3 Rn. 34; Prütting/Gehrlein/Gehle/ Beumers ZPO § 3 Rn. 225; BGH MDR 2012, 875 = BeckRS 2012, 13528).
22Vorliegend setzt sich der Streitwert nach erfolgter Schätzung bei - wie hier - mehreren klageweisen geltend gemachten Ansprüchen gem. § 5 ZPO zusammen aus der in der Klageschrift mit nicht unter 500,00 Euro näher konkretisierten Geldentschädigung, dem Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs i.H.v. 1.000 Euro und dem Gegenstandswert des Feststellungsanspruchs i.H.v. 400,00 Euro. Ein positives Feststellungsurteil bleibt normalerweise hinter dem entsprechenden Leistungsurteil zurück, weshalb der Ausgangswert in der Regel um 20 % vermindert wird (BGH VersR 15, 912). Dies deshalb, weil die nicht vollstreckungsfähige Wirkung eines Feststellungsurteils gegenüber einem Leistungsurteil zu berücksichtigen ist (Karlsruhe NJW-RR 20, 254).
23Das Amtsgericht Rheine ist als angerufenes Gericht auch örtlich zuständig nach § 32 ZPO und dem sogenannten „fliegenden Gerichtsstand“. In seinem Bezirk ist der Erfolgsort der geltend gemachten Persönlichkeitsverletzung. Insoweit besteht ein ausreichender Anknüpfungspunkt für die Tatbegehung. Die Klägerin hat rechtskonform von dem ihr zustehenden Wahlrecht Gebrauch gemacht.
24Nach dem Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) ist grundsätzlich das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist, zuständiges Gericht. Hierunter fällt jeder Ort, an dem eines der wesentlichen Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurde, insbesondere da, wo eine adäquate Ursache gesetzt wurde (= Handlungsort) oder der Verletzungserfolg (nicht ausreichend: bloße Schadensfolgen) eingetreten ist (= Erfolgsort, vgl. BGH NJW 10,1752).
25Der Kläger hat ein Wahlrecht (§ 35 ZPO), das er ausüben darf, dahingehend, an welchem von mehreren Tatorten er klagen möchte (Hamm NJW-RR 19,186).
26Geklagt werden kann an jedem Erfolgsort, wenn dieser in verschiedenen Gerichtsbezirken liegt (Hamm aaO). Bei Delikten, deren Auswirkungen nicht auf einen bestimmten Ort beschränkt sind, führt dies zu einem ubiquitären, fliegenden Gerichtsstand (Dölling NJW 15, 124).
27In dem Fall, in dem Persönlichkeitsrechtsverletzungen speziell durch das Internet in Rede stehen, muss der als rechtsverletzend beanstandete Inhalt objektiv einen deutlichen Inlandsbezug aufweisen, um zuständigkeitsbegründend zu sein (BGH NJW 10,1752).
28Der Betroffene kann sich bei Internet-Delikten dann auf den fliegenden Gerichtsstand berufen und somit jeden deutschen Gerichtsort als Erfolgsort wählen, wenn eine bestimmungsgemäße Kenntnisnahme bzw. Abrufbarkeit des verletzenden Inhalts durch jeden bestimmungsgemäßen Empfänger an jedem Ort in der Bundesrepublik als gleich wahrscheinlich anzusehen ist - also gerade kein Bezug zu einem bestimmten Ort vorliegt - und die Wahl des Gerichtsorts nicht rechtsmissbräuchlich getroffen wurde. Auf die Kenntnisnahme gerade durch den Kläger kommt es nicht an (OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2016 - Az.: 1 U 6/16; so etwa auch OLG Karlsruhe MMR 2002, S. 814 ff.; vgl. auch OLGR Rostock 2009, S. 663 ff.; KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013, S. 249 f.; Musielak-Heinrich, ZPO, 10. Auflage, § 35 Rn. 4; Zöller-Vollkommer, a. a. O., § 35 Rn. 4). Rechtsmissbräuchlichkeit ist gegeben, wenn der Gerichtsort aus sachfremden Erwägungen ausgewählt wird, insbesondere wenn eine Schädigungsabsicht des Klägers gegenüber dem Beklagten vorliegt (KGR Berlin 2008, S. 470 ff.; LG Aurich, MMR 2013, S. 249 f.). Liegt hingegen aufgrund der Darstellung oder des Inhaltes ein deutlicher Bezug zu einem bestimmten Ort vor, kommt eine bundesweite Zuständigkeit nicht in Betracht (so u. a. das LG München I; OLG Brandenburg Urt. v. 28.11.2016 - Az.: 1 U 6/16; anders hingegen LG Potsdam in seinem Urt. v. 10. 02. 2016 - 2 O 141/15: konkreter Ortsbezug notwendig). Die Regelung des § 32 ZPO soll dem Betroffenen die Prozessführung erleichtern (Laucken/Oehler, ZUM 2009, 824, 828) und demjenigen, dessen bundesweit getätigte Äußerung als rechtsverletzend in Rede steht, auch das damit verbundene Risiko auferlegen, an einem für ihn gesehen, weit entfernten Gerichtsstandort verklagt zu werden (vgl. für den Fall des Internethandels LG Frankenthal, Urt. v. 30. 03. 2016, Az.: 6 O 8/16, juris Rn. 16). Der Kläger muss gerade nicht Rücksicht auf die Belange des Beklagten nehmen (Zöller-Vollkommer § 32 Rn. 4 und 14, m. w. N.). Dem Kläger soll die Möglichkeit eingeräumt werden, nach eigenem Belieben bundesweit auszusuchen, wohin er „fliegen“ möchte, d.h. wo er seine Ansprüche einklagen möchte. Ausschlaggebend für den Gerichtsort der Wahl können Gründe wie die Expertise des Gerichts, eine wohlgesonnene Rechtsauffassung des Gerichts, die räumliche Entfernung, die Streitwertpraxis des Gerichts sein oder andere taktische Gründe (BayObLGR 2004, S. 239 f.; OLG Hamburg, NJW-RR 2007, S. 763 ff.; OLGR Rostock 2009, S. 663 ff.).
29Die Zuständigkeit des Gerichts der unerlaubten Handlung gilt zudem für alle Klagearten und sämtliche Rechtsschutzbegehren, insbesondere auch für Schadensersatzklagen (Zöller-Vollkommer § 32 Rn. 4 und 14, m. w. N.).
30Darüber hinaus hat der Kläger, der die örtliche Zuständigkeit des Gerichts aus § 32 ZPO in Anspruch nehmen will, die Tatsachen, aus denen sich eine unerlaubte Handlung (sog. doppelrelevante Tatsache) als Grundlage des geltend gemachten Anspruchs ergeben kann, bloß schlüssig (d. h. als wahr zu unterstellen) darzulegen. Die tatsächliche Feststellung erfolgt erst im Rahmen der Ausführungen zur Begründetheit der Klage (vgl. BGHZ Band 184, S. 313, 316 f. = NJW 2010, S. 1752, Rn. 8 m.w.N; BGHZ Band 189, S. 320, 327 = NJW 2011, S. 2518 Rn. 16; BGHZ Band 124, S. 237, 240 f. = NJW 1994, S: 1413 m. w. N.).
31Ein schlüssiger Vortrag ist im Allgemeinen gegeben, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen.
32Hier ist der vom Beklagten verfasste Twitter-Kommentar bundesweit im Internet durch jeden bestimmungsgemäßen Nutzer der Plattform Twitter abrufbar. Örtlich zuständig kann demnach auch das Amtsgericht Rheine sein, da auch dort die Wahrscheinlichkeit der Abrufbarkeit bzw. des Aufrufens des Twitter-Kommentars bestand und daher der Verletzungserfolg (wie an vielen anderen Orten ebenso) eintreten konnte. Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte bzw. die durch die Klägerin beauftragte A tatsächlich und erstmalig von dem Kommentar konkret Kenntnis erlangte, ist hiernach unbeachtlich.
33Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines bestimmten - anderen - Gerichtsstands sind dem Twitter-Kommentar selbst nicht zu entnehmen.
34Die Klägerin hat zudem mit der Wahl des angerufenen Amtsgerichts Rheine ihr Wahlrecht unter mehreren zuständigen Gerichten des fliegenden Gerichtsstands wirksam ausgeübt. Es besteht keine ausreichende Grundlage für die Annahme, sie habe das Amtsgericht Rheine zu dem Zweck ausgewählt, dem Beklagten die Rechtsverteidigung zu erschweren, ihn zu schikanieren oder ihn schädigen zu wollen.
35Auch ist das Amtsgericht Rheine für die geltend gemachten Leistungsklagen, die Unterlassungs- sowie die Feststellungsklage gleichermaßen zuständig.
36Weiterhin hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten - unter Nennung der relevanten Anspruchsgrundlagen - im Detail die Umstände vorgetragen und begründet, die die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wahrscheinlich erscheinen lassen.
37Die Klägerin weist auch das für den Feststellungsantrag notwendige besondere Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO auf. Dieses rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung besteht immer dann, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers im Verhältnis zum Beklagten eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das Urteil geeignet ist, diese zu beseitigen (BGHZ 69, 144 [147] = NJW 1977, 1881; BGH NJW 2010, 1877 [1878]). Unsicherheit droht der Rechtsposition vor allem, wenn der Beklagte diese verletzt oder ernstlich bestreitet (BGH NJW 1986, 2507; 2018, 2472 Rn. 18.).
38Es ist nicht auszuschließen, dass der Klägerin durch einen vom Beklagten zukünftig verfassten und veröffentlichten Twitter-Kommentar in Zukunft eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts droht.
39Der von der Klägerin nicht näher bezifferte Klageantrag zu 1) (Zahlungsantrag) genügt dem Erfordernis eines bestimmten Antrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein solcher unbezifferter Antrag ist zulässig, wenn die Bestimmung der Anspruchshöhe dem billigen Ermessen des Gerichts unterliegt, vgl. § 287 ZPO (BeckOK ZPO/Bacher, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 253 Rn. 60). Ist ein unbezifferter Antrag dann zulässig, hat der Kläger die Pflicht, sein Begehren dadurch zu konkretisieren, dass er die Größenordnung des geltend gemachten Betrages (BGH NJW 2002, 3769; 2014, 939 Rn. 56; NStZ 2020, 310 Rn. 6) oder aber einen Mindestbetrag angibt (BGH NJW 1999, 1339 [1340]).
40Das Gericht darf auch einen höheren Betrag zusprechen, es ist nicht durch § 308 ZPO hieran gehindert (BGH NJW 1996, 2425 [2427]). Spricht das Gericht den vom Kläger als Größenordnung oder Untergrenze angegebenen Betrag zu, fehlt es auf Klägerseite an der für die Einlegung eines Rechtsmittels erforderlichen Beschwer (BGH NJW- RR 2004, 863).
41In dem hier vorliegenden Fall wird die Höhe des Geldentschädigungsanspruchs in der Klageschrift - unter Berücksichtigung der Rechtsprechungspraxis zu vergleichbaren Sachverhalten – nachvollziehbar mit nicht unter 500,00 Euro angegeben.
42Der Unterlassungsantrag ist ebenfalls bestimmt genug i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein Verbotsantrag darf gerade nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht umfassend verteidigen kann und bei einer stattgebenden Entscheidung es dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe, zu entscheiden, was dem Beklagten im Einzelnen untersagt ist, vgl. BGH NJW 1991, 1114. Aus dem vorliegenden Antrag geht im Detail und hinreichend bestimmt hervor, dass der Beklagte es zu unterlassen hat, alle zu dem gesendeten Text identischen oder kerngleichen Inhalte auf der Plattform Twitter öffentlich kundzutun. Zudem hat er bei Zuwiderhandlung mit einem Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise mit Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu rechnen.
43Die von der Klägerin gestellten Klageanträge können im Sinne einer objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO in einer Klage verbunden werden, weil für alle Anträge das Amtsgericht Rheine als Prozessgericht zuständig ist, keine besonderen Verfahrensarten einschlägig sind und die Anträge sich alle gegen denselben Beklagten richten. Auch besteht kein Verbindungsverbot nach § 578 Abs. 2 ZPO.
44II.
45Die Klage ist auch begründet.
461.
47Der von der Klägerin klageweise geltend gemachte Anspruch auf Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG wegen unerlaubter Handlung besteht vollumfänglich.
48Die streitgegenständliche Äußerung des Beklagten mit dem Inhalt "@C Für wen, für dich? Hast du Stückzahlen an Nachbestellung zu bringen? DU TEUFELIN in Menschenfleischverpackung“, die dieser als Kommentar auf der Plattform Twitter verfasste, stellt eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung dar und ist gerade nicht mehr Ausdruck des Rechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG.
49Zunächst liegt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB der Klägerin vor. Durch den Twitter-Kommentar des Beklagten wurde die Klägerin in ihrer Sozialsphäre (Individualsphäre) ihres Persönlichkeitsrechts beeinträchtigt.
50Die Sozialsphäre genießt im Gegensatz zur Intims- oder Privatsphäre zwar nur einen eingeschränkten Schutz vor Beeinträchtigungen (BVerfG 7, 198; BGH45, 296, NJW-RR 95, 301). Allerdings dient sie dazu, die persönliche Eigenart des Menschen in seinen Beziehungen zur Umwelt sowie seinem öffentlichen, wirtschaftlichen und beruflichen Wirken zu schützen und zu bewahren. Sie betrifft den Bereich, in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit der Umwelt vollzieht (BGH NJW 12, 771 Tz. 6). Geschützt sind vor allem die persönliche Ehre, Berufsehre und soziale Anerkennung (BGH NJW 20, 770, Tz. 21). Äußerungen in und zu dieser Sphäre dürfen, sofern sie wahr sind bzw. nur eine Meinung enthalten, nur bei schwerwiegenden Auswirkungen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit negativen Sanktionen verknüpft werden (BGH NJW 17, 482 Tz. 21). Solche Auswirkungen sind anzunehmen bei der Gefahr von Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung, Prangerwirkung (BVerfG NJW 10, 1587) und ebenso bei Schmähkritik. Vom Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst ist die soziale Anerkennung des Einzelnen, insbesondere auch gegen Äußerungen und Darstellungen, die sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auswirken können, d.h. eine Herabsetzung enthalten (BGH NJW-RR 08, 913 Tz. 13, 24). Bei Verwendung des Äußernden von negativ assoziierten Bezeichnungen hängt die Bewertung von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Bedeutungsgehalt der Bezeichnung und dem Verhalten des Äußernden im konkreten Fall ab (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 116).
51In dem hier gelagerten Fall kommentiert der Beklagte unter anderem mit dem Wort „Teufelin“. Dieser Begriff ist nach allgemeiner Lebensauffassung negativ konnotiert. Der Großteil der Bevölkerung assoziiert mit dem Begriff den Inbegriff des Bösen. Es handelt sich demnach um eine Bezeichnung, durch die die Klägerin gerade im Hinblick auf ihre Tätigkeit und Funktion als … eine deutliche Abwertung erfährt.
52Auch liegt eine Verletzungshandlung vor und die Klägerin ist zudem Adressatin dieser Handlung, da sie zum geschützten Personenkreis gehört.
53Die Verletzungshandlung liegt in der Beeinträchtigung eines geschützten Persönlichkeitsbereichs, also in einem Eingriff zum Nachteil des Betroffenen. Handelt es sich um die Sozialsphäre, liegt eine Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs vor (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 93).
54Von der Beeinträchtigung betroffen sein muss eine konkrete Person. Steht eine Äußerung über andere in Rede, muss die Person für den Adressaten oder einen Teil des Adressatenkreises aufgrund der Umstände, z.B. der Begleitinformationen, hinreichend identifizierbar sein. Eine namentliche Nennung ist hingegen nicht notwendig (BGH NJW 09, 3576 Tz. 9). Bei Verwendung einer Kollektivbezeichnung ist der einzelne in der Regel nicht betroffen, wenn es sich um einen unüberschaubaren Personenkreis handelt (Karlsr NJW – RR 07, 1342).
55Der Beklagte postet seinen Kommentar, indem er diesem ganz zu Vorderst eine Verlinkung der Klägerin bzw. ihres Twitter-Accounts voranstellt. Folgt man dem Link, kommt man auf den klägerischen Account und erhält Informationen über die Klägerin. Die Profilbeschreibung enthält schwerpunktmäßig berufliche Details wie unter anderem die Tatsache, dass die Klägerin … ist. Außerdem lässt sich ihre Mitgliedschaft im … sowie im … und im … entnehmen. Gerade wenn der Beklagte „Du Teufelin“ schreibt, so ist die Klägerin anhand der Verlinkung eindeutig als Adressatin anzusehen. Somit ist die Klägerin nicht nur für ihre Follower, sondern gleichwohl für andere Nutzer der Plattform Twitter, die auf den Kommentar des Beklagten stoßen, als Adressat einzuordnen und zu identifizieren.
56Die Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin wurde kausal durch die Äußerung des Beklagten auf der Plattform Twitter verursacht.
57Auch kann die darüber hinaus erforderliche Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung positiv festgestellt werden. Das Persönlichkeitsrecht der Klägerin überwiegt ausnahmsweise die Meinungsfreiheit des Beklagten.
58Bei offenen Tatbeständen wie der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welches zugleich ein Rahmenrecht, also ein Recht, dessen Reichweite nicht absolut feststeht, darstellt (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 19), wird die Rechtswidrigkeit nicht bloß durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert (BGH 24,72, NJW 12, 2197 Tz. 35). Die bloße Feststellung eines Eingriffs in die geschützte Persönlichkeitssphäre genügt daher für die Feststellung der Rechtswidrigkeit und damit der Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht. Vielmehr bedarf es der positiven Feststellung der Rechtswidrigkeit unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. BGH v. 13.03.1979 - VI ZR 117/77- BGHZ 74, 9 -20; BVerfG NJW 2001, 594; BGH WM 1990, 1167; BGHZ 73, 120; BGHZ 13, 334; BGHZ 24, 72).
59Notwendig hierfür ist eine umfassende Güter- und Interessenabwägung unter Berücksichtigung der jeweils betroffenen Grundrechte (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 95). Rechtswidrigkeit ist nur anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der konkreten Rechtsgutsverletzung das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite (des Schädigers) überwiegen (BGH NJW 12, 3645 Tz. 15,17, 1550 Tz. 15). Stehen sich Grundrechte des Handelnden, insbesondere Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit, und das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen gegenüber, gilt das Abwägungsgebot auf doppelter (zivilrechtlicher und verfassungsrechtlicher) Grundlage (BGH NJW 05, 2766/70). Hiernach muss die Abwägung sowohl auf der Grundlage einer generellen Betrachtung des Stellenwerts der betroffenen Grundrechtspositionen des Grundgesetzes und der Grundrechtecharta sowie den Gewährleistungen der EMRK, als auch unter Berücksichtigung der Intensität ihrer Beeinträchtigung im konkreten Fall erfolgen (BGH NJW 04, 762, 12, 763, Tz. 13, 15, 782 Tz. 19). Von Bedeutung sind auf Seiten des Verletzten die ihn schützenden grundrechtlichen Positionen und das eigene Verhalten, das dem Eingriff vorausgeht. Auf Seiten des Schädigers sind vor allem der Zweck und die Schwere des Eingriffs und die damit verbundenen grundrechtlichen Positionen (wie Meinungsfreiheit) bedeutsam (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 96-98).
60Für die Schwere des Eingriffs ist einerseits maßgebliches Kriterium, ob der verletzte Bereich stärkeren oder schwächeren Persönlichkeitsbezug aufweist. Bei natürlichen Personen ist bedeutsam, in welche Persönlichkeitssphäre eingegriffen wurde (BGH NJW 08, 3782 Tz. 14, 12, 771 Tz. 13). Die Sozialsphäre genießt nur eingeschränkten Schutz, insbesondere die Betätigung im öffentlichen, politischen, wirtschaftlichen Leben ist nur eingeschränkt geschützt (BVerfG 7, 198, BGH45, 296, NJW-RR 95, 301). Der Betroffene tritt hier als in Gemeinschaft stehender Mensch in Kommunikation mit Außenstehenden. Hierdurch muss er sich auf Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens einstellen. Verboten sind aber auch hier schwerwiegende Eingriffe wie Stigmatisierung und Ausgrenzung (BGH NJW 05, 592, 15, 776 Tz. 16). Maßgeblich ist darüber hinaus, welche Folgen der Eingriff mit sich bringt. Werden Daten über das Internet verbreitet, müssen deren Besonderheiten wie die Prangerwirkung, Perpetuierung durch Speicherung und Verlinkung beachtet werden (Härting CR 09, 21).
61Hinsichtlich des Zwecks des Eingriffs gilt, dass im Rahmen der Aufklärung der Allgemeinheit, der Diskussion von Fragen des Gemeinwohls oder der geistigen oder politischen Auseinandersetzung die Meinungsfreiheit eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts, nicht jedoch die Verletzung der Menschenwürde rechtfertigt (BVerfG NJW 01, 494 u. 2957, 03, 1303). Das gilt vor allem für Veröffentlichungen in den Medien.
62Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S.1 GG schützt Werturteile /Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen, wenn sie meinungsbezogen sind (BVerfG NJW 03, 1856, 13, 217), in ihrer Verbreitungs- und Wirkungsdimension (BGH NJW 05, 2766/69) ungeachtet des Verbreitungsmediums (vgl. BVerfG NJW 04, 590) und der Anonymität des Äußernden (BGH NJW 09, 2888 Tz. 38). Das gilt grundsätzlich auch für das Internet (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 100).
63Meinungsäußerungen werden nach Inhalt und Form geschützt (BVerfG NJW 00, 2413). Irrelevant ist die Qualität der Äußerung (BGH 139, 95). Die subjektive Meinung darf gerade in Streitpunkten des allgemeinen Interesses hart, scharf und überspitzt (BVerfG DB 82, 1609), provokativ (EGMR NJW 99, 1315), abwertend, übersteigert, polemisch und ironisch geäußert werden (BGH NJW-RR 95, 301, NJW 00, 3421). Auch abwertende Kritik darf, solange sie sachbezogen ist, scharf und schonungslos sein (BGH 45, 296/308). Die Meinungsfreiheit hat im Grundsatz Vorrang vor dem Schutz des Persönlichkeitsrechts, soweit eine Äußerung Bestandteil der für eine freiheitlich demokratische Ordnung schlechthin konstituierenden ständigen geistigen Auseinandersetzung in Angelegenheiten von öffentlicher Bedeutung ist (BVerfG NJW 98, 2889). Ausnahmsweise genießt der Schutz der Persönlichkeit Vorrang, wenn sich die Äußerung als Angriff auf die Menschenwürde (vgl. BVerfG NJW 87, 2661), als Schmähkritik oder als reine Formalbeleidigung darstellt (BVerfG NJW 99, 1322). Dies ist der Fall, wenn die persönliche Kränkung und Herabsetzung das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängen, es also nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, sondern um die Diffamierung des Betroffenen geht, der jenseits überspitzter Kritik herabgesetzt und an den Pranger gestellt werden soll (BVerfG NJW 93, 1462, 17, 1460; BGH NJW 00, 1036, 09, 3580 Tz. 17; BVerfGE 82, 272 [283 f.] = NJW 1991, 95; BVerfGE 85, 1 [16] = NJW 1992, 1439).
64Der Verletzte muss sich demgegenüber sein eigenes Verhalten, das dem Eingriff vorausgeht, entgegenhalten lassen. Wer in Fragen der politischen Haltung gezielt Einfluss nehmen will, muss das Risiko öffentlicher, auch scharfer, abwertender Kritik seiner Ziele auf sich nehmen und Polemik gegen seine Person hinnehmen (BVerfG NJW 61, 819; BGH 31, 308/314 NJW 65, 1476).
65Vorliegend überwiegt ausnahmsweise das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin die Meinungsfreiheit des Beklagten. Dies, obwohl die Meinungsfreiheit des Einzelnen abstrakt betrachtet das im Vergleich zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht eigentlich höherwertige verfassungsrechtlich garantierte Grundrecht ist.
66Durch den streitgegenständlichen Kommentar des Beklagten und dort durch das verwendete Wort „Teufelin“ kommt es konkret zur Stigmatisierung der Klägerin als böse Person aus Sicht von Personen, die den Beklagtenkommentar lesen. Der Kommentar ist in Gänze in der Lage, die Klägerin als Person der Öffentlichkeit in ein schlechtes Licht zu rücken. Des Weiteren ist er geeignet, das Ansehen der Klägerin in der eigenen Bevölkerung und darüber hinaus zu beeinträchtigen. Es gilt bei Vorgenanntem insbesondere zu beachten, dass die Zahl derjenigen Personen, die den Kommentar potentiell lesen können, relativ hoch ist. Denn die Plattform Twitter wird täglich von mehreren (Hundert-)Millionen Personen genutzt. Allein dem Account der Klägerin folgt eine Vielzahl von Personen, die über die Tweets der Klägerin durch die Anzeige des persönlichen Nachrichtenverlaufs informiert werden.
67Durch die Verlinkung des klägerischen Twitter-Accounts in dem Kommentar selbst, aber auch durch die Möglichkeit der Speicherung des Kommentars außerhalb der Plattform Twitter, sowie die Möglichkeit des Anfertigens von Screenshots (Vervielfältigung), aber auch der Weiterleitung dieser Screenshots an Dritte, ist eine dauerhafte Perpetuierung wahrscheinlich. Dies kann selbst im Falle der (zeitigen) Löschung des Kommentars nicht (mehr) verhindert werden.
68Bei der streitgegenständlichen Äußerung des Beklagten ist der alleinige Anknüpfungspunkt für einen Sachbezug die Waffenlieferung im Rahmen des Krieges in der Ukraine. Im Vordergrund der Aussage steht die Herabsetzung der Klägerin. Hätte sich der Beklagte auch ernsthaft mit der Sache, also hier mit der Waffenlieferung auseinandersetzen wollen, hätte seine Aussage einen bedeutend höheren inhaltlichen Bezug diesbezüglich aufweisen müssen. Etwa hätte in diesem Fall deutlich werden müssen, an welchem Umstand oder Aspekt der klägerischen Aussage sich der Beklagte konkret stört. Der Beklagte hätte nicht bloß eine verbal blindwütige Aussage verfassen dürfen. Das heißt, die Kritik in der Sache hätte den Gehalt der Herabsetzung in der Äußerung überwiegen müssen. Die Abwertung der Person der Klägerin hätte gerade nicht, wie hier geschehen, im Mittelpunkt stehen dürfen.
69Auch wenn sich die Klägerin angesichts ihres vorangegangen verfassten eigenen Kommentars grundsätzlich entgegenhalten lassen muss, abwertende Kritik ihr gegenüber zu dulden, so besteht hier gerade keine derartige Duldungspflicht. Denn bei der Äußerung des Beklagten handelt es sich eben nicht mehr um bloß abwertende Kritik, die als Meinungsäußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, sondern um eine Verschmähung der Person.
70Der Beklagte hat die rechtswidrige Persönlichkeitsverletzung auch schuldhaft i.S.d.
71§ 276 BGB herbeigeführt. Selbst ein „angetrunkener Zustand“ lässt die Verantwortlichkeit nicht entfallen.
72Der ersatzfähige Schaden ist hier in Form eines immateriellen Schadens nach § 253 BGB eingetreten. Ein solcher Schaden betrifft den ideellen Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 111). Gemeint ist ein Schaden, der in der Gefühlssphäre eintritt, sich aber nicht auf die Vermögenslage des Betroffenen auswirkt.
73Die Klägerin erleidet durch den Twitter-Kommentar des Beklagten Einbußen in ihrem Ansehen in der Öffentlichkeit. Sie hat verbale Herabwürdigung erfahren, nicht nur als Mensch für sich genommen, sondern auch in ihrer Stellung als … mit Vorbildfunktion für die Bevölkerung.
74Schließlich ist die Persönlichkeitsrechtsverletzung auch kausal gewesen für den bei der Klägerin eingetretenen immateriellen Schaden.
75Die Geldentschädigung ist nach Beurteilung der Gesamtumstände und der Eingriffsintensität mit 500,00 Euro zu bemessen. Zweck der Geldentschädigung ist die Genugtuung und die Prävention (BGH NJW 96, 984, 05, 215; sa BVerfG NJW 06, 595, Gounalakis NJW 16, 737/41). Ohne die Geldentschädigung würden häufig selbst schwerwiegende Verletzungen der menschlichen Würde und Ehre sanktionslos bleiben (Sprau, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 823 BGB Rn. 111). Sie stellt gerade keine Strafe dar (BGH NJW 05, 215: GG 103 II nicht anwendbar).
76Zu gewähren ist sie, wenn eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt, bei der die Beeinträchtigung nach der Art der Verletzung nicht in anderer Weise (Genugtuung durch Unterlassen, Gegendarstellung oder Widerruf) befriedigend ausgeglichen werden kann (BGH NJW 00, 2195/97,05, 215, 14, 2029 Tz. 38). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hängt von der Beurteilung der gesamten Einzelfallumstände ab (BGH NJW 12, 1728 Tz. 15, NJW-RR 16, 1136 Tz. 9). Hierbei zu berücksichtigen sind die Art, Bedeutung und Tragweite (Tiefe und Nachhaltigkeit) des Eingriffs (z.B. besondere Eingriffsintensität durch Verbreitung im Internet) und der Charakter der geschützten Bereiche, in die eingegriffen wurde (Jena NJW-RR 10, 1709: hohe Anforderungen bei Verletzung der Sozialsphäre). Weiter sind zu berücksichtigen Anlass und Beweggründe des Handelnden, der Grad seines Verschuldens sowie welche grundrechtlich geschützten Positionen ihm zur Seite stehen.
77Die Geldentschädigungshöhe (ausführlich hierzu BGH NJW 14, 2029) bemisst sich nach der Intensität der Verletzung. Zudem maßgeblich ist das Ausmaß der Verbreitung einer Information (BGH NJW 14, 2029 Tz. 48; zu Verletzungen im Internet ferner Hofman/Fries NJW 17, 2369; Brost/Hassel NJW 20, 2214/18). Mindernd oder ausschließend kann wirken, dass der Betroffene keine Gegendarstellung veranlasst (BGH NJW 79, 1041) oder keinen Unterlassungstitel erwirkt hat (BGH NJW 10, 763).
78Danach erscheint hier, vor allem auch mit Blick auf den Genugtuungs- und Präventionsgedanken von Geldentschädigungen, ein Betrag von 500,00 Euro angemessen. Ein derartiger im Verhältnis geringer, eher am unteren Rande angesetzter Geldentschädigungsbetrag ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil es im konkreten Fall - und auch sonst - gerade nicht darum geht, den Beklagten durch eine deutlich spürbare Entschädigungssumme für sein Fehlverhalten zu „bestrafen“. Des Weiteren soll sich die hier erwirkte Entschädigungszahlung für die eingetretene Persönlichkeitsrechtsverletzung gerade nicht hinsichtlich künftiger durch den Beklagten geäußerter zulässiger Meinungen einschüchternd auswirken.
79Der Beklagte hat seinen Kommentar öffentlich im Internet auf der Plattform Twitter abgesetzt. (Hundert-)Tausende (Follower und andere Nutzer) hatten somit (theoretisch) zwar Zugang zu dem Kommentar, konnten (potentiell) den Inhalt erfassen und vervielfältigen, sich außerdem ein Urteil über die Klägerin bilden. Allerdings gibt es unter den Nutzern auch viele passive Nutzer, also Nutzer, die Inhalte von Beiträgen zwar konsumieren, aber nicht selbst in eine Interaktion treten. Dennoch wird es wiederum insgesamt wohl zu einer Vielzahl an Weiterverbreitungen durch den eben benannten aktiven Anteil der Nutzer gekommen sein. Dies durch die unkomplizierte Möglichkeit des Verteilens von Likes, des Tätigens von sogenannten Retweets und durch Verlinkungen anderer Personen unter Beiträgen.
80Weiterhin ist die Klägerin eine Person des öffentlichen Lebens und muss als solche mit Kritik an ihrer Person rechnen und auch (Sach-)Kritik hinsichtlich der von ihr getätigten Äußerungen hinnehmen. Nicht aber hinnehmen muss sie wiederum im Kern beleidigende Kommentare. Gleichzeitig liegt nur ein Eingriff in die weniger schützenswerte Sozialsphäre des Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor.
81Durch das Absetzen, also Posten des Kommentars, war dieser sofort „in der Welt“, die Verletzung des Persönlichkeitsrechts daher unmittelbar eingetreten. Selbst ein Widerruf bzw. eine umgehende Löschung durch den Beklagten (Schädiger) könnte die Rechtsverletzung nicht rückgängig bzw. ungeschehen machen, sie würde trotzdem fortleben. Mit dem Absetzen ist diese nämlich bereits eingetreten.
82Weiterhin lässt sich anführen, dass es der Beklagte bei dem einen, genauer diesem einzigen Kommentar bewenden ließ. Er hat gerade keine Hetzkampagne (sog. „Shitstorm“) gegen die Klägerin ausgelöst.
83Darüber hinaus ist bezogen auf die Geldentschädigungshöhe einzustellen, dass die Klägerin selbst nicht mit einer Gegendarstellung in einem direkten Twitter-Kommentar reagiert hat. Ebenso wenig hat sie eine Gegendarstellung im Wege eines offiziellen Schreibens im Namen des … o. Ä. vornehmen lassen. Zudem hat die Klägerin - bisher jedenfalls - auch noch keinen Unterlassungstitel gegenüber dem Beklagten erwirkt.
84Die Klage ist hinsichtlich des vorbezeichneten Geldentschädigungsanspruchs auch wegen einer Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB begründet.
852.
86Auch der Feststellungsantrag ist begründet, weil eine unerlaubte Handlung in Form einer Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt und die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts durch eine erneute Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin gegeben ist.
873.
88Der Klägerin steht weiterhin der quasi-negatorische Unterlassungsanspruch analog § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zum Zweck der Abwehr weiterer künftiger Beeinträchtigungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu.
89Hier würde die Klägerin durch einen weiteren verschmähenden Twitter-Kommentar erneut in
90ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt werden.
91Die bereits erfolgte Rechtsverletzung ist auch rechtswidrig gewesen. Es bestand für die Klägerin gerade keine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB, da die Rechtsverletzung nicht durch das Recht des - bezüglich der Duldungspflicht beweisbelasteten (BGH 106, 142) - Beklagten auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG als Rechtfertigungsgrund (Herrler, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 1004 BGB Rn. 35) gedeckt war.
92Des Weiteren ist eine Wiederholungsgefahr zu befürchten.
93Unter Wiederholungsgefahr wird die auf Tatsachen gegründete objektive ernstliche Besorgnis weiterer Störungen verstanden (Herrler, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, § 1004 BGB Rn. 32). Sie muss zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung vorliegen. In der Regel begründet die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (BGH NJW 12, 3781; stRspr BGH NJW 1994 1281 [1283]), an deren Widerlegung durch den Störer hohe Anforderungen zu stellen sind (BGH NJW 99, 356). Eine Unterlassungserklärung ohne Strafbewehrung räumt die Wiederholungsgefahr nicht aus (BGH NJW 12, 3781). Eine erst im Rechtsstreit abgegebene Erklärung genügt nur, wenn sie uneingeschränkt und strafbewehrt sowie nach der Überzeugung des Gerichts aus besserer Einsicht abgegeben wird, nicht bloß unter dem Druck des Rechtsstreits (Karlsr. OLGR 98, 72).
94Die Wiederholungsgefahr ist hier auf Seiten des Beklagten alleine deshalb schon zu befürchten, weil durch das Verfassen seines Twitter-Kommentars bereits eine Erstbegehung stattgefunden hat und diese eine Wiederholungsgefahr vermuten lässt. Dass der Beklagte sich nunmehr vollständig von der Internetplattform Twitter wie auch bei Facebook zurückgezogen hat, steht dem nicht entgegen. Denn dies schließt nicht aus, dass der Beklagte jederzeit von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich ein neues Twitter-Profil anzulegen und unter neuer (anonymer) Identität die Klägerin verschmähende Kommentare verfasst und absetzt. Darüber hinaus hat der Beklagte die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin übersandte, durch ein Vertragsstrafeversprechen abgesicherte Unterlassungserklärung nicht unterschrieben. Insofern hat er seinen Willen, künftig gegenüber der Klägerin keinerlei verschmähende, ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzende Kommentare mehr abzugeben, nicht verifiziert.
95Deshalb hat er in der Gesamtschau die hohen Anforderungen, die an eine Widerlegung der grundsätzlich vermuteten Wiederholungsgefahr gestellt werden, nicht erfüllt.
96Schließlich ist der Beklagte als Handlungsstörer auch Anspruchsgegner, weil er die Persönlichkeitsrechtsverletzung durch seinen Twitter-Kommentar selbst adäquat kausal verursacht hat.
974.
98Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch einen Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 257 BGB. Ein solcher Befreiungsanspruch kann sich unter anderem aus der Schadensersatzpflicht ergeben (Grüneberg, in: Grüneberg, 81. Aufl. 2022, §§ 256-258 BGB Rn. 1). Der Gläubiger des Anspruchs kann nur Befreiung, nicht aber Zahlung des zur Tilgung der Verbindlichkeit erforderlichen Gelbetrags verlangen (BGH ZIP 14, 2517).
99Da der Klägerin hier der Anspruch auf Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für den erlittenen immateriellen Schaden zusteht, steht ihr auch der von ihr klageweise geltend gemachte Freistellungsanspruch zu.
100Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
101Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
102Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 187 BGB analog.
103Der Streitwert wird auf 1.900,00 EUR festgesetzt.