Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 4.975,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
2Die Parteien sind durch einen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrag miteinander verbunden.
3Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aufgrund eines angeblichen Wildunfalls in Bulgarien geltend.
4Der Kläger behauptet, am 00.00.0000 seien aus einem Waldstück zwei Rehe gelaufen, wobei eines der Rehe mit seinem Fahrzeug kollidiert sei. Dabei sei das Fahrzeug vorne links sowie an der linken Seite erheblich beschädigt worden. Laut Kostenvoranschlag der Firma A belaufe sich der Schaden auf 5.125,31 Euro. Abzüglich seiner Selbstbeteiligung in Höhe von 150,00 Euro belaufe sich seine Forderung mithin auf 4.975,31 Euro.
5Das Fahrzeug sei nicht vorbeschädigt gewesen.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.975,31 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
8sowie ihn von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 540,50 Euro freizustellen,
9hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, anlässlich eines Wildunfalls in Bulgarien vom 00.00.0000 mit dem Pkw BMW, Fahrgestellnummer XYZ Versicherungsschutz im Rahmen des bestehenden Kraft-Teilkasko-Versicherungsvertrages zur Vertragsnummer ABC zu bestätigen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie bestreitet den Wildunfall mit Nichtwissen.
13Sie ist der Meinung, dass selbst wenn ein solches Ereignis eingetreten wäre, der geltend gemachte Schaden an der linken Fahrzeugseite nicht auf eine Kollision mit einem Rehwild zurückzuführen sei. Denn das Schadenbild lasse sich nicht mit einem Zusammenstoß mit einem Tier erklären. Insbesondere der durchgängige lange Lackkratzer, der sich von der Fahrertür bis zur linken hinteren Tür erstrecke, könne nicht durch einen Kontakt mit einem Rehwild entstanden sein. Es handele sich vielmehr um einen Vorschaden, der von der Teilkasko-Versicherung nicht gedeckt sei. Aufgrund dieses Vorschadens sei bereits eine Reparatur bzw. der Austausch der Tür nebst Lackierung erforderlich gewesen. Daher sei es auch nicht zu einer Schadensausweitung gekommen.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Insoweit wird auf das Gutachten des B vom 00.00.0000 Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die Klage ist nicht begründet.
18Dem Kläger steht kein Anspruch aus seiner Haftpflichtversicherung gegen die Beklagte zu, da er nicht nachweisen konnte, dass die geltend gemachten Schäden an seinem Fahrzeug auf einen Wildunfall bzw. einen Zusammenstoß mit einem Reh zurückzuführen sind.
19Vielmehr hat der Sachverständige festgestellt, dass im linken Seitenbereich zwei verschiedenartige Schadenbilder vorhanden sind, die nicht in einem Zusammenhang stehen. Vor allem kann die Kratzer an der linken Fahrzeugseite, an der Fahrertür, der Tür hinten links und an der Seitenwand hinten links nicht durch eine Kollision des in Bewegung befindlichen Pkw mit einem in Bewegung befindlichen Tierkörper entstanden sein.
20Da außerdem das Zentrum der Deformation unterhalb des Türgriffs an der Fahrertür liegt, können die leicht wellenartig verlaufenden, streifartigen Kratzspuren an der vorderen linken Seite nicht mit diesem Rehunfall in Verbindung gebracht werden. Denn wenn die Lackierung an der linken Fahrzeugseite durch den Anstoß mit einem Reh beschädigt worden wäre, wären im Bereich des Zentrums des Erstanpralls beginnend kurze von oben schräg nach hinten unten oder von unten schräg nach oben verlaufende Verkratzungen an der Fahrzeugseite zu erwarten gewesen. Dies ist bei den vorliegenden durchgehenden, wellenförmigen und etwa 2,50 m langen Kratzer aber nicht der Fall. Vielmehr sind die Kratzer, die sich über beide Türen und die Seitenwand erstrecken, typischerweise auf einen Vandalismusschaden zurückzuführen, der vor oder nach dem streitgegenständlichen Schadenereignis eingetreten sein dürfte.
21Hätte der Anstoß mit einem Reh die länglichen und wellenförmigen Lackbeschädigungen am klägerischen Fahrzeug verursacht, hätte sich vielmehr zwingend ein anderes Schadenbild ergeben müssen.
22Nach den Feststellungen des Sachverständigen kann somit sicher ausgeschlossen werden, dass die Lackkratzer, die über beide Türen und die hintere Seitenwand links verlaufen, auf einen Zusammenstoß mit einem Reh zurückzuführen sind. Allenfalls die Deformationen an der Fahrertür des klägerischen Fahrzeugs könnten durch einen Zusammenstoß mit einem Tier entstanden sein.
23Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, das das Fahrzeug des Klägers einen Vorschaden an der linken Seite hatte, insbesondere auch an der linken Fahrertür. Grundsätzlich kann im Fall von Vorschäden der Geschädigte mit dem späteren Schadenereignis kompatible Schäden nur dann ersetzt verlangen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gemäß § 287 ZPO ausgeschlossen werden kann, dass diese Schäden bereits im Rahmen eines Vorschadens vorhanden waren. Dazu muss der Geschädigte allerdings den Umfang des Vorschadens konkret darlegen. Dies gilt insbesondere im Fall von Schadensüberlagerungen. Denn der Geschädigte hat gegen die Beklagte lediglich einen Anspruch auf den Ersatz derjenigen Kosten, die alleine durch diesen Wildunfall entstanden und zur Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes erforderlich sind (vgl. Handbuch des Straßenverkehrsrechts von Berz/Burmann, 2022 zu II Vorschaden; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017 - 1 U 31/16). Bei einem vorhandenen - noch nicht reparierten Vorschaden, wie vorliegend - muss der Geschädigte zudem nachweisen, inwiefern durch das neue Schadensereignis eine Schadensvertiefung eingetreten ist. An einem solchen Vortrag fehlt es hier aber. Der Kläger behauptet vielmehr, das Fahrzeug habe keinerlei Vorschäden gehabt. Diese Tatsachenbehauptung ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eindeutig falsch, da das Sachverständigengutachten ergeben hat, dass der Lackkratzer von ca. 2,50 m Länge nicht durch den Wildunfall entstanden sein kann, was dem Kläger auch bekannt gewesen sein muss, da dieser auffällige Kratzer unübersehbar ist.
24Damit steht für das Gericht außerdem fest, dass der Kläger den hier vorliegenden Vorschaden bewusst verschwiegen hat. Dies ist ein Verstoß gegen Treu und Glauben, der zur Folge hat, dass der Geschädigte seine Schadensersatzansprüche vollständig verliert (vgl. LG Münster, Urteil vom 23.04.2014 - 2 O 462/11).
25Mangels einer Hauptforderung hat der Kläger auch keine Ansprüche auf die Nebenforderungen und auf die Feststellungsklage.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.