Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
1. Für die Bestimmung der drei-Monats-Frist des § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist auf den Eingang der letzten Zustimmungserklärung abzustellen.
2. Das Widerrufsrecht des Käufers gem. § 355 BGB verwirkt nicht bei Überschreitung der in § 357 Abs. 1 BGB statuierten Frist zur Rücksendung der Ware innerhalb von vierzehn Tagen.
3. Bei Überschreitung der Rücksendefrist (§ 357 Abs. 1 BGB) oder nicht unverzüglich erfolgender Rücksendung (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB) entfällt die Pflicht des Verkäufers zur Rückgewähr der empfangenen Leistungen nicht. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes des Käufers ergeben sich allein aus den Regelungen über den Schuldnerverzug.
hat das Amtsgericht Münster im schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 31.08.2018für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 900,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Kaufpreisanteils nach Widerruf eines Kaufvertrages und Rücksendung der gelieferten Ware.
3Die Beklagte betreibt den Online-Shop T. Am 24.05.2017 bestellte der Kläger bei der Beklagten mittels Online-Bestellung diverse Gegenstände zu einem Gesamtpreis von 1.627,00 €. Am selben Tag schickte die Beklagte dem Kläger eine Bestellbestätigung, der sie eine Widerrufsbelehrung beifügte. Am 06.06.2017 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf seiner auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung wenigstens in Bezug auf den Großteil der gelieferten, im Rechtsstreit allein relevanten Gegenstände mit einem Gegenwert von 1.592,00 €.
4Der Kläger schickte sodann einen Teil der bestellten Ware an die Beklagte zurück. Dieser Rücksendung legte der Kläger einen Rücksendeschein bei, auf dem er „Lieferung 1 von 2“ vermerkte. Auf diese Rücksendung erstattete die Beklagte dem Kläger am 10.07.2017 einen Betrag in Höhe von 692,00 €. Die nunmehr streitgegenständliche Ware sandte der Kläger in einem zweiten Paket am 08.11.2017 an die Beklagte, welches der Beklagten ca. am 10.11.2017 zuging. In der Zeit zwischen den beiden Rücksendungen hatte weder die Beklagte dem Kläger gegenüber Ansprüche hinsichtlich der Rücksendung der streitgegenständlichen, im zweiten Paket befindlichen Ware angezeigt, noch hatte der Kläger mit der Beklagten Kontakt aufgenommen. Am 22.11.2017 bestätigte die Beklagte dem Kläger den Eingang der zweiten Rücksendung per e-Mail und erklärte sogleich, dass sie die Ware wegen der späten Rücksendung nicht zurücknehme und den dafür gezahlten Kaufpreis nicht erstatte. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 07.12.2017 zur Rückzahlung des noch offenen Betrages in Höhe von 900,00 € unter Fristsetzung bis zum 29.12.2017 erfolglos auf.
5Sämtliche in der Bestellung vom 24.05.2017 enthaltenen Artikel waren am 07.12.2017 noch zum selben Kaufpreis wie am 24.05.2017 im Onlineshop der Beklagten verfügbar.
6Der Kläger behauptet, dass er die Rücksendung aufgrund der Menge und Größe der Artikel auf zwei Pakete habe aufteilen müssen, weil ein Gegenstand ein besonderes Packmaß gehabt habe, und dass die zweite Rücksendung aufgrund von Streitigkeiten mit den Versendern verspätet gewesen sei. Erstmals habe er bereits am 27.06.2017 versucht, die streitgegenständlichen Waren zurückzusenden. Nachdem die Rücksendung aufgrund von Problemen mit dem Versender fehlgeschlagen sei, habe er am 03.11.2017 einem weiteren Versanddienstleister einen Lieferauftrag erteilt. Nach weiteren Problemen auch mit diesem Lieferdienst sei das Paket schließlich am 08.11.2017 an seiner Adresse abgeholt worden.
7Zudem behauptet der Kläger, dass gerade im Online-Versandhandel regelmäßig mit verspäteten Rücksendungen zu rechnen sei.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 900,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 an ihn zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte erhebt den Einwand der Verwirkung gegen etwaige Rückzahlungsansprüche. Sie ist der Ansicht, dass sie aufgrund der Umstände berechtigterweise davon habe ausgehen dürfen, dass sich die Angelegenheit erledigt habe.
13Insofern behauptet die Beklagte, dass sie den streitgegenständlichen Kaufvorgang nach der ersten Rücksendung durch den Kläger und ihrer Erstattung in Höhe von 692,00 € am 10.07.2017 für endgültig abgeschlossen gehalten habe, weil der Kläger – was zwischen den Parteien unstreitig ist – im Anschluss an die Erstattung im Juli 2017 bis November 2017 keine weiteren Reaktionen ihr gegenüber gezeigt habe. Aufgrund der Rücklieferung am 10.07.2017, behauptet die Beklagte, habe sie den Widerruf als sog. „Teilwiderruf“ interpretiert. In der Folge sei sie völlig überrascht gewesen, als ihr mehr als fünf Monate nach Auslieferung der Ware und dem erfolgtem Widerruf eine weitere Rücksendung der nunmehr streitgegenständlichen Ware durch den Kläger zugegangen sei.
14Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen Verwirkung entgegen stehe.
15Mit Zustimmung der Parteien – Eingang der Erklärung des Klägers am 26.05.2018 und der Beklagten am 27.06.2018 – hat das Gericht am 27.06.2018 beschlossen, eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren, § 128 Abs. 2 ZPO, zu treffen. Zugleich wurde Schriftsatzfrist bis zum 31.08.2018 bestimmt, wobei dieser Zeitpunkt dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist begründet.
18Das erkennende Gericht ist gemäß § 1 ZPO i.V.m. § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig, weil der Streitwert den Betrag von 5.000 € nicht übersteigt. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO, weil die Beklagte ihren Sitz in Münster hat.
19Die Begründung des geltend gemachten Anspruchs ist trotz der nur namentlichen Benennung der Parteien in der Anspruchsbegründung hinreichend bestimmt gemäß §§ 697 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 2 ZPO, weil sich die gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche genaue Bezeichnung der Parteien unter Angabe vollständiger Adressen bereits aus dem Antrag des Klägers auf Erlass eines Mahnbescheides vom 12.01.2018 ergibt.
20Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren, § 128 Abs. 2 ZPO, ist möglich, obgleich zwischen Zustimmungserklärung des Klägers (26.05.2018) und Verkündungstermin (21.09.2018) bzw. Ablauf der Schriftsatzfrist (31.08.2018) mehr als drei Monate liegen. Ein Verstoß gegen § 128 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren unzulässig ist, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind, liegt nicht vor, da es für die Bestimmung der drei-Monats-Frist nicht auf die einzelne Zustimmungserklärung, sondern vielmehr auf den Eingang der letzten Zustimmungserklärung (hier der Beklagten am 27.06.2018) ankommt (vgl. Fritsche in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 128 Rn. 35; Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 128 Rn. 16a). Im Übrigen wäre ein etwaiger Verstoß auch insoweit unbeachtlich, als dass diesbezüglich keine Rüge der Parteien vorliegt und damit einer Entscheidung des Gerichts nicht entgegenstünde, § 295 ZPO.
21Die Beklagte ist auch parteifähig gemäß § 50 Abs. 1 ZPO, weil sie durch Betreibung des Online-Shops T am Rechtsverkehr teilnimmt und so eigene Rechte und Pflichten begründet (zur Rechts- und Parteifähigkeit der Außen-GbR vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2001, - II ZR 331/00 -, NJW 2001, 1056).
22In der Sache hat der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 900,00 € aus § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB. Denn der Kläger hat ein ihm gemäß §§ 355 Abs. 1, 312g Abs. 1 Var. 2 BGB zustehendes Widerrufsrecht durch Erklärung des Widerrufs ausgeübt und die gelieferte Ware zurückgesandt.
23Dem Kläger stand ein Widerrufsrecht gemäß §§ 355 Abs. 1 Satz 1, 312g Abs. 1 Var. 2, 312c Abs. 1, 312 Abs. 1 BGB zu. Die Parteien haben im Juni 2017 einen Vertrag über eine entgeltliche Leistung der Beklagten im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB, nämlich einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB über die Lieferung von Waren im Wert von insgesamt 1627,00 €, unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln im Sinne des § 312c Abs. 2 BGB, nämlich durch die Bestellung des Klägers im Online-Shop der Beklagten, geschlossen. Dabei handelte die Beklagte als Unternehmerin im Sinne des § 14 BGB, weil sie aufgrund ihrer Teilnahme am Rechtsverkehr mittels der Betreibung des Online-Shops T Rechtsfähigkeit als sogenannte Außen-Gesellschaft bürgerlichen Rechts besitzt und bei dem Abschluss des Kaufvertrages in Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit, nämlich der Betreibung des besagten Online-Shops, tätig wurde. Der Kläger handelte als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB zu privaten Zwecken. Dafür, dass das Widerrufsrecht ausnahmsweise gemäß § 312g Abs. 2 BGB ausgeschlossen wäre, hat die insofern darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nichts vorgetragen.
24Der Kläger hat seine auf Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung auch wenigstens in Bezug auf den Großteil der gelieferten, hier allein relevanten Gegenstände mit einem Gegenwert von 1592,00 € innerhalb der gesetzlichen Frist von 14 Tagen seit Vertragsschluss, § 355 Abs. 2 BGB, wirksam gemäß § 355 Abs. 1 BGB widerrufen. Denn der Kläger hat den Widerruf seiner am 24.05.2017 abgegebenen, auf Abschluss des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung mit Schreiben an die Beklagte am 06.06.2017 mindestens im genannten Umfang erklärt.
25Als Rechtsfolge ist der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf sofortige Rückzahlung des noch offenen, ursprünglich als Kaufpreis gezahlten Betrages in Höhe von 900,00 € aus § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB entstanden. Dahinstehen kann hier, ob § 357 Abs. 1 BGB insofern eine von der allgemeinen Regelung des § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB abweichende Sondervorschrift darstellt und eine Höchstfrist für die Rückgewähr von vierzehn Tagen statuiert (so z.B. Fritsche in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 357 Rn. 11; Grüneberg in: Palandt BGB, 77. Auflage 2018, § 357 Rn. 2), oder ob § 357 Abs. 1 BGB keine Regelung zur Leistungszeit im engeren Sinne enthält, sondern allein eine Spezialregelung zum automatischen Schuldnerverzug (so z.B. Mörsdorf in: beck-online Großkommentar, § 357 BGB Rn. 5). Denn die 14-tägige Frist, die für die Beklagte gemäß § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB mit Zugang der Widerrufserklärung am 06.06.2017 begonnen hat, ist jedenfalls bereits verstrichen.
26Dabei kann die Beklagte die Rückzahlung seit dem 10.11.2017 nicht mehr gemäß § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB verweigern, weil die Beklagte an diesem Tag die streitgegenständliche Ware vom Kläger zurückerhalten hat. Dass die Beklagte die Annahme in der Form verweigert, dass sie den Kläger zur Rücknahme aufgefordert hat und die Ware getrennt in ihrem Lager aufbewahrt, vermag daran nichts zu ändern, da sie tatsächlich in Besitz der Ware ist und der Abschluss der Rücknahme ausschließlich von ihrem Willen abhängt.
27Dieser Anspruch ist auch nicht aus dem Grund erloschen, dass der Kläger seiner aus § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB folgenden Pflicht zur Rückgabe der streitgegenständlichen Ware an die Beklagte weder unverzüglich (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB) noch innerhalb der von § 357 Abs. 1 BGB vorgegebenen 14 Tage nachgekommen ist, sondern erst einige Monate später. Ausdrücklich normiert das Gesetz eine solche Folge, dass bei einer verspäteten Rücksendung durch den Verbraucher die Rückgewährpflicht des Unternehmers entfiele, nicht. Eine solche Rechtsfolge ergibt sich auch nicht aus einer zwingenden unionsrechtskonformen Auslegung des § 357 Abs. 1 BGB. Die Regelung des § 357 Abs. 1 BGB geht auf Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.10.2011 (Verbraucherrechterichtlinie) zurück (vgl. BR-Drs. 817/12, Seite 2, 51). Gemäß Art. 28 Abs. 1 und Erwägungsgrund 48 der RL 2011/83/EU sind die Mitgliedstaaten zwar unionsrechtlich verpflichtet, für Verstöße gegen die aufgrund der Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen festzulegen, die wirksam, angemessen und abschreckend sind. Die Richtlinie schreibt aber nicht vor, dass das nationale Recht einen Verstoß gegen die Pflicht zur fristgerechten Rücksendung gerade mit dem Untergang des Rechts auf Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages sanktionieren müsste. Im deutschen Recht stellt insofern vielmehr das Institut des Schuldnerverzuges die unionsrechtlich gebotene Sanktion dar. Dieser tritt mit Ablauf der in § 357 Abs. 1 BGB normierten vierzehntägigen Frist ein. Für einen Anspruch auf Verzugsschadensersatz gegen den Kläger hat die insofern darlegungs- und beweispflichtige Beklagte indes nichts vorgetragen, sodass auch dahinstehen kann, ob dem Kläger die verspätete Rücksendung, wie von der Beklagten behauptet, vorwerfbar ist.
28Der Ausübung des Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger steht schließlich auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Recht des Klägers auf Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs verwirkt sei.
29Eine Verwirkung als Unterfall der wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässigen Rechtsausübung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, und der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung dem gesamten Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte und auch entnommen hat, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. BGH, Urteil vom 23.01.2014, - VII ZR 177/13 -, NJW 2014, 1230, 1231).
30Dabei kann dahinstehen, ob die zwischen der Widerrufserklärung (am 06.06.2017) und der Rücksendung der nunmehr streitgegenständlichen Ware und der Rückforderung des dafür gezahlten Kaufpreises (um den 10.11.2017) liegende Zeitspanne von etwas mehr als fünf Monaten für die Annahme des Zeitmoments ausreicht, da jedenfalls das Umstandsmoment nicht erfüllt ist.
31Bei objektiver Beurteilung hat der Kläger durch sein Verhalten keinen besonders intensiven Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen, nach dem sie mit der Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger nicht mehr hätte rechnen müssen. Dabei kann dahinstehen, ob, wie vom Kläger behauptet, im Online-Handel regelmäßig mit verspäteten Rücksendungen zu rechen ist. Die Beklagte musste jedenfalls nach dem konkreten Verhalten des Klägers eine zweite Rücksendung erwarten und konnte den streitgegenständlichen Kaufvorgang bei objektiver Beurteilung der Umstände nicht für endgültig abgeschlossen halten. Zum einen hatte der Kläger nämlich den Widerruf auch bezüglich der streitgegenständlichen Ware erklärt und unbestritten der ersten, bereits am 10.07.2017 bei der Beklagten eingegangenen Rücksendung einen Rücksendeschein beigefügt, auf welchem „Lieferung 1 von 2“ notiert war. Zum anderen fand zwar in der Zeit zwischen der ersten und der zweiten Rücksendung des Klägers kein Kontakt zwischen den Parteien statt. Da der Kläger aber nur einen Teil der vom Widerruf betroffenen Ware zurücksendet hatte, die Beklagte einen Anspruch auf Rückgewähr der streitgegenständlichen Ware gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB gegen den Kläger hatte, durch den Rücksendeschein beim ersten Paket auf die Möglichkeit eines zweiten Rücksendepakets hingewiesen worden war und gemäß § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB zumindest die Gefahr der Rücksendung trug, hätte auch von der Beklagten eine frühere Kontaktaufnahme zum Kläger und Nachfrage erwartet werden können.
32Die insofern darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat ferner keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass sie im Vertrauen auf das Verhalten des Klägers tatsächlich so disponiert hätte, dass ihr durch die Zulassung der verspäteten Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Insbesondere waren sämtliche vom Kläger im November zurückgeschickten Gegenstände am 07.12.2017 noch zum gleichen Kaufpreis wie am 24.05.2017 im Onlineshop der Beklagten verfügbar.
33Diese Entscheidung wird auch nicht von dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 20.08.2008 (- 15 C 297/08 -, BeckRS 2009, 07604), berührt. Insbesondere folgt aus der Entscheidung des Amtsgerichts Bielefeld, im dort entschiedenen Fall sei das Recht auf Rückabwicklung eines widerrufenen Kaufvertrages nach einem Zeitablauf von fünf Monaten und drei Wochen verwirkt, nichts für die Entscheidung des erkennenden Gerichts, ob im vorliegenden Fall bei einem Zeitablauf von etwas über fünf Monaten zwischen Widerruf und Rücksendung und Kaufpreisrückforderung ebenfalls Verwirkung anzunehmen ist. Denn ob Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den vom Tatrichter festzustellenden und zu würdigenden Umständen des jeweiligen Einzelfalls (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 23.01.2018, - XI ZR 298/17 -, NJW 2018, 1390, 1391). Dabei verbietet sich ein pauschaler Vergleich allein der Länge der verstrichenen Zeiträume, weil zwischen dem Zeitmoment und dem Umstandsmoment insofern eine Wechselwirkung besteht, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist (BGH, Urteil vom 19.10.2005, - XII ZR 224/03 -, NJW 2006, 219, 220)..
34Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog. Der Kläger hat die Beklagte in jedem Fall nach Eintritt der Fälligkeit der Rückgewährpflicht der Beklagten gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1, 2, 357 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BGB, nämlich am 07.12.2017, unter Fristsetzung bis zum 29.12.2017 zur Zahlung aufgefordert.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
36Rechtsbehelfsbelehrung:
37Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
381. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
392. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
40Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
41Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Münster zu begründen.
42Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Münster durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
43Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
44Hinweis zum elektronischen Rechtsverkehr:
45Die Einlegung ist auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts möglich. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a ZPO nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (BGBl. 2017 I, S. 3803) eingereicht werden. Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.