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Den Eltern wird das Recht zur Beantragung von Hilfe zur Erziehung gem. §§ 27 ff SGB VIII, die Gesundheitsfürsorge und das Aufenthaltbestimmungsrecht für das noch ungeborene Kind der Frau A vorläufig entzogen.
Es wird Ergänzungspflegschaft angeordnet.
Zum Ergänzungspfleger wird das Stadt Ibbenbüren - Fachdienst Kinder, Jugend und Familie -, Alte Münsterstraße 16, 49477 Ibbenbüren bestellt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
Verfahrenswert: 1.500,00 EUR (§§ 41, 45 FamGKG).
Gründe:
21.
3Die Mutter ist am ##.##.2000 geboren. Am ##.##.2018 brachte sie ihren Sohn E zur Welt, dessen Vater Herr D ist. Die Eltern waren nicht verheiratet und gaben keine gemeinsame Sorgerechtserklärung ab. Die Beziehung zu Herrn D endete kurz nach der Geburt von E.
4Noch vor der Geburt Es als auch danach sowie nach einem Termin vor dem erkennenden Gericht Anfang Oktober 2018 wurde der Mutter angeraten, sich mit E in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu begeben. Dies lehnte die Mutter, die seinerzeit mit dem Kind noch im Haushalt ihrer eigenen Eltern lebte, letztlich ab. Den Aufenthalt in der Mutter-Kind-Einrichtung vor der Geburt von E beendete die Mutter schon nach kurzer Zeit, weil sie sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen fühlte. Gegenüber der Verfahrensbeiständin erklärte sie seinerzeit, sie habe die Hilfe nicht gebraucht, sei selbständig und könne das alleine. Sie fühle sich in der Einrichtung kontrolliert. Es falle ihr schwer, sich anzupassen. Stress gehe sie gerne aus dem Weg.
5Das zur Unterstützung der Mutter im Umgang mit E geschaffene Helfersystem in Form einer Familienhebamme und einer ambulanten Familienhilfe berichtete, die Mutter zeige wenig mütterliche Kompetenzen und nehme Hilfsangebote nur widerwillig und oberflächlich an. Die Mutter habe wenig Kontakt zu ihrem Sohn. Innerhalb des Familiensystems gebe es viele Konflikte und Streit. Der Großvater mütterlicherseits sei sehr dominant. Seitens des Jugendamtes wurde berichtet, E sei unter der Obhut der Mutter ständig hin und her gereicht worden, habe keine feste Tagesstruktur erlebt. Zudem sei er den lautstarken Auseinandersetzungen innerhalb der Familie ausgesetzt gewesen. Die Mutter habe ihren Sohn nicht angemessen ernährt. Die hygienischen Zustände seien grenzwertig. Die Zusammenarbeit mit der Mutter sei durch immer wiederkehrende Meinungsverschiedenheiten erschwert worden, so dass die Hilfe nicht adäquat habe greifen können. Den Darlegungen der Großmutter zufolge habe es der Mutter an einer Tagesstruktur gefehlt. Die großmütterlichen Unterstützungsversuche seien bei der Mutter auf Gegenwehr gestoßen. Auseinandersetzungen über finanzielle Engpässe, gegenseitige Kränkungen und die Sorge um die Gesundheit des an Lungenkrebs erkrankten Großvaters sowie die damalige On-Off-Beziehung der Eltern von E hätten den Alltag bestimmt.
6In der Obhut der Mutter infizierte E sich mit Krätze. Eine Behandlung wurde veranlasst, war jedoch nur bedingt erfolgreich. Immer wieder kam es zu erneuten Infektionen des Säuglings.
7Nachdem die Mutter selbst die Überlegung zur Vermittlung von E in eine Bereitschaftspflege angestoßen hatte, wurde dies nach zwei Gesprächen mit dem Jugendamt am ##.##.2018 umgesetzt. Einige Tage danach war die Mutter mit der Fremdunterbringung nicht mehr einverstanden. Das Jugendamt nahm E daraufhin in Obhut.
8Mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 13.11.2018 (44 F 316/18) wurden der Mutter im Wege einstweiliger Anordnung wesentliche Teile des Sorgerechts, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, entzogen. Zugleich wurde ein Hauptsacheverfahren (44 F 317/18) eingeleitet, in dem aktuell ein familienpsychologisches Sachverständigen-Gutachten eingeholt wird.
9Die Mutter hat die Möglichkeit, wöchentlich zwei Umgangskontakte mit E wahrzunehmen. Nach einem Umgangskontakt war E erneut mit Krätze infiziert. Mit Blick auf die Folgen für den betroffenen Säugling aber auch für die Pflegefamilie entschloss man sich dazu, bis zur Genesung Es die Umgangskontakte zeitweilig auszusetzen. Inzwischen finden Umgangskontakte zwischen Mutter und Sohn wieder statt. Zur Vermeidung einer erneuten Infektion des Kindes wird allerdings Körperkontakt vermieden. Diese Umgänge nimmt die Mutter verlässlich wahr, soweit sie sich nicht aufgrund von körperlichen Beschwerden infolge der zweiten Schwangerschaft dazu außer Stande sieht.
10Bei den Umgangskontakten wurde beobachtet, dass E keinen Blickkontakt zur Mutter aufnimmt. Es wurde berichtet, er habe auf die Trennung von der Mutter nicht durch Weinen reagiert. Die Pflegemutter habe von fehlender Aufmerksamkeit, fehlendem Sättigungsgefühl, ständigem Bewegungsdrang sowie davon berichtet, dass E auf Ansprache nicht reagiere und keinen Blickkontakt aufbaue.
11Die im Hauptsacheverfahren tätige Sachverständige ist aufgrund der bislang erhobenen Befunde zu der vorläufigen Einschätzung gelangt, dass E in nahezu allen Bereichen massive Entwicklungsrückstände zeige und insbesondere eine Schädigung in seiner Bindungsentwicklung aufweise. Seine soziale Entwicklung entspreche in etwa der eines sechs Monate alten Säuglings. Angesichts dessen ergebe sich für E ein besonders hoher Förder- und Betreuungsbedarf, der sich über viele Jahre erstrecken werde.
12Etwa im Juli 2019 wurde das Jugendamt von der Großmutter mütterlicherseits von der erneuten Schwangerschaft der Mutter in Kenntnis gesetzt. Voraussichtlicher Entbindungstermin ist der 12.12.2019. Vater des Kindes ist der am 12.12.1992 geborene Herr D, der die Vaterschaft für das Ungeborene anerkennen wird. Die Beziehung besteht seit etwa einem Jahr. Herr D hat bereits mit einer anderen Frau einen Sohn, F, geb. am ##.##.2013. In dem Verfahren zu dem Az. 4 F 222/13 wurde ein familienpsychologisches Gutachten eingeholt. Die Sachverständige gelangte seinerzeit zu dem Ergebnis, dass Herr D erziehungsungeeignet sei. Er sei nicht in der Lage, sich empathisch auf die kindliche Perspektive einzulassen und die Bedürfnisse seines Kindes zu erkennen. Er könne daher seinem Sohn kein hinreichendes Beziehungsangebot machen. Die Vater-Kind-Beziehung sei qualitativ so deutlich beeinträchtigt, dass dem ein pathologischer Wert zukomme. Zudem zeige Herr D eine fehlende Impulskontrolle bei unzureichender Selbststeuerungsfähigkeit. Selbst aufgrund von niederschwelligen Reizen in vermeintlich belanglosen Situationen reagiere Herr D mit schwerwiegenden Kontrollverlusten. Seine Persönlichkeit weise eine verzögerte Reifeentwicklung auf. Zusammenfassend fehle es ihm an der Kompetenz zum Aufbau einer verlässlichen Bindungs-Beziehung zu seinem Kind.
13Die Sachverständige hatte Herrn D empfohlen, sich einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung zur Reduktion der mangelnden Steuerungsfähigkeit und der Impulsivität bei der Gestaltung von Beziehungen zu unterziehen. Nur so könne eine Nachreifung der Persönlichkeit bewirkt werden. Angesichts des Gutachtens erklärte Herr Dzum Ende des Gerichtsverfahrens sein Einverständnis mit der dauerhaften Fremdunterbringung seines Sohnes F, der inzwischen in einer auf Dauer angelegten Pflegefamilie lebt. Herr D besucht seinen Sohn vier Mal im Jahr. Bereits seit längerem unterzieht sich Herr D einer psychotherapeutischen Behandlung und nimmt ein Antidepressivum. Nähere Erkenntnisse dazu liegen weder dem Jugendamt noch dem Gericht vor. Eine Schweigepflichtentbindung gegenüber seinem Therapeuten erteilte der werdende Vater nicht.
14Die künftigen Eltern leben seit etwa August 2019 gemeinsam in Ibbenbüren. Beide wünschen sich, dass das erwartete Kind zukünftig im ihrem Haushalt wird leben können. Gegenüber der Sachverständigen erklärte die Mutter, sie sehe einen Unterstützungsbedarf allenfalls in geringem Umfang. Eine stationäre Maßnahme lehne sie ab. Zu den bei E eingetretenen Belastungen und Beeinträchtigungen äußerte sich die Mutter ohne erkennbares Einfühlungsvermögen und erklärte bspw. bei ihrem Sohn eingetretene Entwicklungsrückstände für zufällig.
15Die werdende Mutter und Herr D werden schon vorgeburtlich in 14-tägigen Beratungsterminen durch das Jugendamt unterstützt. Mit der aus Sicht des Jugendamtes erforderlichen stationären Hilfe in Form einer Mutter- bzw. Eltern-Kind-Einrichtung sind weder der werdende Vater noch die Mutter einverstanden. Das Jugendamt Ibbenbüren berichtet, den Eltern mangele es an Problemeinsicht. Sie seien bei ihrem Wunsch, das Kind zu Hause zu versorgen, von unrealistischen Vorstellungen über ihre Möglichkeiten geleitet. In Bezug auf ihre Persönlichkeit hätten sie sich nicht weiterentwickelt. Herr D sehe eine ambulante Unterstützung eher im Sinne einer Kontrolle des mütterlichen Handelns.
16Zur Frage der Notwendigkeit von Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe zum Schutz des ungeborenen Kindes vertritt die im Hauptsacheverfahren tätige Sachverständige die Auffassung, dass diese zwingend erforderlich seien. Bei beiden Eltern hätten in der Vergangenheit erhebliche Beeinträchtigungen ihres erzieherischen Vermögens bestanden sowie auch schwerwiegende Defizite im Hinblick auf Kompetenzen, einen Säugling angemessen zu versorgen, zu betreuen und ihm ein angemessenes Beziehungsangebot zu machen. Zur Sicherstellung des Kindeswohls sei neben der Inanspruchnahme der Unterstützung durch eine Familienhebamme eine intensive ambulante Maßnahme erforderlich. Diese Maßnahme sollte auch einen Kontrollauftrag umfassen und mehrfach pro Woche umgesetzt werden. Weiter sollte die Kindesmutter eine Maßnahme zur Verbesserung ihres mütterlichen Beziehungsangebots beginnen und hier kontinuierlich mitwirken.
17Gegenüber der Verfahrensbeiständin erklärten die künftigen Eltern, dass sie sich Gedanken über eine Abtreibung gemacht, sich aber dagegen entschieden hätten. Die Mutter erklärte weiter, dass sie sich positiv verändert und versucht habe, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. In eine Mutter-Kind-Einrichtung wolle sie nicht, da man dort machen müsse, was sie dir sagen. Sie hasse es, von anderen herumkommandiert zu werden. Sie würde Hilfe in Form einer SPFH annehmen, und zwar so, dass immer mal einer komme. Sie bekomme das schon hin, auch wenn die Helfer nur etwa acht Stunden in der Woche da wären, zumal sie sich ja ungern etwas sagen lasse und Kontrolle hasse. Außerdem habe sie Herrn D als Hilfe. Dieser hebt die positive Veränderung seiner Lebensgestaltung in den letzten Jahren hervor. Er verdiene Geld, sein Arbeitgeber sei gut zufrieden und wolle ihn übernehmen. Die Wohnung von ihm und Frau A sei für einen Säugling ausgestattet. Er habe aus seinen Fehlern gelernt und gehe regelmäßig zum Psychiater.
18In der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2019 erklärten sich die Eltern mit der Umsetzung der von der Sachverständigen vorgeschlagenen Hilfen einschließlich eines Kontrollauftrags für die sozialpädagogische Familienhilfe einverstanden. Das Gericht sah daher zunächst von einem Eingriff in das Sorgerecht ab.
19In der Folge stellten die Eltern bei dem Jugendamt einen Antrag nach § 31 SGB VIII auf eine sozialpädagogische Familienhilfe und nach § 16 SGB VIII auf eine Familienhebamme. Das Jugendamt erarbeitete einen Schutzplan einschließlich eines Kontrollauftrags als Grundlage für das geplante Helfersystem. Mit Schreiben vom 22.11.2019 ließen die Eltern über ihren Verfahrensbevollmächtigten mitteilen, dass die Unterzeichnung des Schutzplans mangels akuter Kindeswohlgefährdung den Eltern nicht abverlangt werden könne. Eine Notwendigkeit für einen derart einschränkenden Auflagenkatalog bestehe nicht.
20In darauffolgenden Gesprächen mit dem Jugendamt und der SPFH konnten die werdenden Eltern nicht davon überzeugt werden, wie hilfreich eine konstruktive Zusammenarbeit für das Ungeborene sei. Angesichts fehlender Mitwirkung sieht das Jugendamt die geplanten Hilfen nicht für geeignet an, da mangels Kooperationsbereitschaft der Eltern deren Passgenauigkeit nicht gewährleistet werden könne.
212.
22Die Entscheidung beruht auf §§ 1666, 1666 a BGB. Zum Schutz des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des ungeborenen Kindes ist ein Eingriff in das elterliche Sorgerecht in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unumgänglich.
23Es bestehen bei vorliegender Sachlage erhebliche Zweifel an der Eignung beider Elternteile, den Bedürfnissen eines Säuglings in hinreichender Weise gerecht zu werden. Der daraus resultierenden Kindeswohlgefährdung kann angesichts des besonderen Schutzbedürfnisses eine Neugeborenen nur durch einen einstweiligen Sorgerechtseingriff begegnet werden, bis nach weiteren Ermittlungen mit sachverständiger Hilfe im Hauptsacheverfahren (44 F 227/19) eine mittel- bis langfristige Perspektive für die Eltern mit dem erwarteten Kind erarbeitet werden kann.
24Die in dem Verfahren betreffend das Kind E bereits tätige Sachverständige ist aufgrund der bislang gewonnenen Erkenntnisse zu der Einschätzung gelangt, dass bei der Mutter mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Angst- und depressiven Symptomatik auszugehen ist, die eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich macht. Dass die Mutter - wie nunmehr von der Sachverständigen erläutert - unter einer behandlungsbedürftigen Beeinträchtigung ihrer Persönlichkeit leidet, nahmen das Jugendamt und die Familienhelfer bereits vor der Geburt von E an. Der deshalb ausgesprochenen Empfehlung einer psychotherapeutischen Behandlung ist die Mutter bis heute nicht nachgekommen. Mangels professioneller Unterstützung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mutter seit der Geburt von E an charakterlicher Reife hinzugewonnen hat und die bereits seinerzeit bestehenden Persönlichkeitsprobleme sich in einem Maße verbessert haben, dass eine verlässliche Versorgung des Säuglings sichergestellt wäre. Es liegt zwar die Annahme nahe, dass die Mutter von dem Zusammenleben mit dem Vater des zweiten Kindes profitiert und daher zumindest Rahmenbedingungen vorgegeben sind, die den Bedürfnisses eines Neugeborenen gerecht werden. Dies allein reicht jedoch nicht aus.
25Wie die Sachverständige weiter ausgeführt hat, ist davon auszugehen, dass die Mutter aufgrund der o. g. Persönlichkeitsbeeinträchtigung nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, ihrem Kind ein zur Sicherstellung einer gedeihlichen Entwicklung noch ausreichendes Beziehungs- und Bindungsangebot zu machen. In der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2019 hat die Sachverständige sehr deutlich gemacht, dass die bei E festgestellte Schädigung seiner Bindungsentwicklung in wesentlichen Teilen den unzureichenden Kompetenzen der Mutter in Bezug auf ihre Möglichkeiten zur Gestaltung einer intakten Mutter-Kind-Beziehung zuzuschreiben ist. Die genannten Einschränkungen der Mutter bedingen einen erheblichen Unterstützungsbedarf. Nach pädagogischer Einschätzung des Jugendamtes und auch nach Auffassung der Verfahrensbeiständin ist dieser mit Blick auf das besondere Schutzbedürfnis eines Säuglings so hoch, dass nur eine stationäre Maßnahme in Betracht kommt.
26Unter Zurückstellung von Bedenken ist in der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2019 im Einvernehmen aller Beteiligten auf Grundlage der gutachterlichen Empfehlung ein System aus ambulanten Hilfen verbunden mit einem Kontrollauftrag erarbeitet worden, das zum Schutz des Ungeborenen als gerade noch ausreichend erachtet worden ist. Maßgebliche Erwägung war insoweit, dass eine erzwungene stationäre Maßnahme gegen den ausdrücklichen Willen der Mutter von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Andererseits sollte den zumindest im Hinblick auf die äußere Lebensgestaltung bemühten Eltern, die eine ansprechende, saubere Wohnung mit kindgerechter Ausstattung vorhalten, die Chance auf ein Zusammenleben mit dem erwarteten Kind eingeräumt werden. Bedingung war insoweit die ausdrückliche Annahme der formulierten ambulanten Hilfe und eine vertrauensvolle Kooperation mit dem Helfersystem.
27Das sich so darstellende Konzept ist leider schon kurze Zeit nach der Verhandlung gescheitert, da die Eltern den seitens des Jugendamtes auf Grundlage des erzielten Einvernehmens ausgearbeiteten Schutzplan mit Kontrollauftrag ausgeschlagen haben.
28Die Haltungsänderung der Eltern lässt den Rückschluss darauf zu, dass die geäußerte Kooperationsbereitschaft nur vordergründig ist und ein ernsthafter Wille zu vertrauensvoller, zielführender Zusammenarbeit mit den innerfamiliären Helfern verbunden mit der notwendigen Kritikfähigkeit und Veränderungsbereitschaft zu keinem Zeitpunkt gegeben war. Schon in Bezug auf den Hilfebedarf im Umgang mit E war die Mutter unstet. Als sie noch bei ihren Eltern lebte, lehnte sie die gut gemeinte Unterstützung durch die eigene Mutter ab mit der Folge fortwährender Konflikte. Den vorgeburtlichen Aufenthalt in der Mutter-Kind-Einrichtung beendete sie aus freien Stücken, ohne der stationären Hilfe überhaupt die Chance zu geben, auf einer zu erarbeitenden Vertrauensbasis greifen zu können. Unter dem Druck des familiengerichtlichen Verfahrens äußerte die Mutter nach der Geburt von E erneut ihre Bereitschaft, doch in eine stationäre Einrichtung gehen zu wollen, um schon kurze Zeit später wieder von ihrer Zusage abzurücken. In gleicher Weise agiert sie nunmehr mit Blick auf die Unterstützungsbedarf für das ungeborene Kind. Aus den v. g. Umständen ist zu schließen, dass ein ernsthafter Wille zur Annahme von unterstützender Hilfe bei der Mutter nicht gegeben ist.
29Sicherlich ist es der Mutter hoch anzurechnen, dass es ihr gelungen ist, sich zumindest räumlich von ihrem Elternhaus abzunabeln und sich dem negativen Einfluss ihres Vaters zu entziehen. Andererseits hat sie sich mit der Partnerschaft zu Herrn Teichert in ein neues Abhängigkeitsverhältnis begeben, ohne sich zunächst auf eine Verselbständigung zu fokussieren und ihre eigenen Probleme anzugehen.
30Hinzu kommt eine soziale Isolation der Kindesmutter, die kaum Kontakte zu jungen Frauen in vergleichbaren Situationen pflegt. Noch immer sucht sie regelmäßig Kontakt zu den eigenen Eltern, verbringt dort große Anteile ihrer Freizeit und lässt sich in alltäglichen Verrichtungen unterstützen. Sie selbst sieht ihre Mutter als beste Freundin an. Da Herr D berufstätig ist, wird sich der fehlende Umgang der Mutter mit gleichaltrigen Freunden und jungen Müttern nach der mit der Geburt veränderten Lebenssituation nochmals deutlich zeigen. Der Mutter fehlt es an verlässlichen Bezugspersonen außerhalb ihres – wie aus dem Verfahren betreffend E bekannt – belasteten Familiensystems, die sie emotional stützen und ihr Sicherheit in der kommenden Lebensphase geben können. Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass der Umgang mit einem Säugling für alle werdenden Eltern eine große Herausforderung darstellt und mithin für die sehr junge, lebensunerfahrene Mutter ohne verlässlichen familiären und sozialen Rückhalt umso schwerer wiegt.
31Weiterhin ist zu konstatieren, dass die Mutter der ihr seitens des Jugendamtes angebotenen Hilfe mit dem erwarteten Kind von Anfang an sehr skeptisch gegenüber stand. Eine Haltungsänderung nach der Geburt von E kann insoweit nicht festgestellt werden. Schon damals zeigte sich die Mutter wenig einsichtig, nahm Hilfsangebote nur widerwillig und mit wenig Kritikfähigkeit an. Die Mutter ist bis heute nicht in der Lage, die Hilfe als notwendige, aber gut gemeinte Unterstützung zu sehen, sondern empfindet jedes Angebot als Kontrolle. Diese Auffassung teilt im Übrigen auch Herr D, der sich gegenüber der Verfahrensbeiständin entsprechend geäußert hat. Angesichts der Haltungsänderung der Mutter zur Annahme der ausgearbeiteten ambulanten Hilfe für das Ungeborene und der zuvor beschriebenen negativen Grundeinstellung zu Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe ist die weiterhin über den Anwalt geäußerte Bereitschaft zur Kooperation mit dem Helfersystem nur als vordergründig zu werten. Eine zielführende innerfamiliäre Hilfe, die als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen ist, kann damit nicht erfolgversprechend sein. Notwendig wäre ein konstruktives Zusammenwirken der jungen Eltern mit der Familienhebamme und den weiteren Familienhelfern in wechselseitigem Vertrauen. Dann hätten die Eltern unter Zurückstellung von Bedenken nach vorläufiger Erkenntnis im einstweiligen Anordnungsverfahren die Chance auf ein Zusammenleben mit ihrem Kind. Das Gericht respektiert, dass die Eltern, insbesondere aber die Mutter, es ablehnen, mit dem erwarteten Kind in einer Mutter- bzw. Eltern-Kind-Einrichtung zu leben. Angesichts dieser Weigerungshaltung wäre eine erzwungene stationäre Maßnahme auch nicht zielführend. Zudem ist positiv zu konstatieren, dass der Vater einer Arbeit nachgeht, über regelmäßige Einkünfte verfügt und die Wohnung sauber und kindgerecht ausgestattet ist. Andererseits sind dies jedoch Umstände, die vornehmlich die Grundversorgung des Säuglings betreffen. Die Einschränkungen der Mutter im Hinblick auf deren Erziehungsfähigkeit bestehen hingegen in besonderem Maße im Bereich der Ausgestaltung von Bindung und Beziehung zu ihrem Kind. E hat in der Obhut der Mutter in nur unzureichendem Maße eine positive Beziehungserfahrung machen dürfen mit der Folge schwerster Entwicklungsbeeinträchtigungen. Auch der Vater war nicht in der Lage, seinem Sohn F ein nur hinreichendes Beziehungsangebot zu unterbreiten. F leidet ähnlich wie E an einer frühkindlichen Bindungsstörung. Sicherlich hat Herr D durch die Inanspruchnahme einer ambulanten Psychotherapie die seinerzeit gutachterlich festgestellten Defizite ein Stück weit aufarbeiten können. Wie weit seine Bindungs- und Beziehungskompetenzen allerdings aktuell reichen, vermag das Gericht nach derzeitiger Sachlage nicht einzuschätzen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass Herr D auch die aufgezeigten Defizite bei der Mutter kompensieren müsste, um ein gedeihliches Aufwachsen des Säuglings sicherzustellen. Dies wäre allein aufgrund der geplanten Alltagsgestaltung der jungen Familie nur schwer umzusetzen, da der Vater ganztags berufstätig ist. Hinzu kommt, dass die Erziehungseinschränkungen von Herrn D nach der Geburt von F gravierend waren. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob er in den letzten Jahren in seiner Persönlichkeit in einem solchen Maße hat nachreifen können, dass er zum einen die Defizite der Mutter auffangen könnte und darüber hinaus aktuell eine den Bedürfnissen des Neugeborenen gerecht werdende Bindungs- und Beziehungskompetenz mitbringt. Sichere Erkenntnisse dazu kann das Gericht letztlich nur im Hauptsacheverfahren gewinnen.
32Die Ambivalenz der Eltern im Hinblick auf ihre Bereitschaft zur Annahme von Hilfen lässt jedoch große Zweifel daran aufkommen, dass sich bei der werdenden Mutter und dem künftigen Vater eine tragfähige Einsichts- und Kooperationsfähigkeit eingestellt hat. Zusammenfassend und abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass die Mutter zwei Aufenthalte in einer Mutter-Kind-Einrichtung anlässlich der Schwangerschaft bzw. Geburt von E abgebrochen hat und aktuell diese Maßnahme für sich und das Neugeborene ausschließt, therapeutische Hilfe bis heute ablehnt, die vorgeburtliche Beratung durch das Jugendamt Ibbenbüren entgegen eines wöchentlichen Angebots auf 14-tägige Termine beschränkt hat und sich trotz ausführlicher Erörterung anlässlich des Gerichtstermins am 12.11.2019 nicht zur Annahme des Schutzplans hat entschließen können. Hinzu kommt die Äußerung gegenüber den Mitarbeitern der bereits tätigen Familienhilfe, sie würde nach der Entbindung den Sicherheitsdienst des Krankenhauses benachrichtigen, sofern sich ein Mitarbeiter der SPFH oder des Jugendamtes sehen ließe. Der künftige Vater teilt die Einstellung der Mutter. Er hält es für ausreichend, dass immer mal jemand kommt. Intensivere Hilfsformen kämen für ihn nur in Betracht, wenn es keine andere Wahl gäbe.
33Die Haltung der Eltern kann auch durch die anwaltlichen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 09.12.2019 nicht relativiert werden. Sicherlich sind die Angaben im Schutzplan zur Vorgeschichte der Eltern betreffend Punkt 4) - aus juristischer Sicht - kritisch zu werten. Aus dem Verfahren betreffend Alexander gibt es jedoch sichere Erkenntnisse dazu, dass das damalige Lebensumfeld der Mutter keinesfalls den hygienischen Anforderungen im Zusammenleben mit einem Säugling gerecht geworden ist. Die Auswertung der Umstände der mehrfachen Reinfektion von E mit Scabies legen es zudem zumindest nahe, dass der Infektionsherd im weiteren Lebensumfeld der Mutter bestand. Die weiter im Schutzplan angeführten Punkte ergeben sich bei kritischer Betrachtung aus den Gründen dieses Beschlusses. Dass man sich allein aufgrund der seitens des Jugendamtes gewählten Formulierung gegen die Unterzeichnung des Schutzplans entschieden und damit die Basis für die zum Schutz des Ungeborenen zwingend erforderliche Zusammenarbeit mit dem Helfersystem genommen hat, vertieft jedoch die aus den o. g. Gründen bereits bestehenden Zweifel an der Verlässlichkeit der Eltern in Bezug auf die Annahme von Hilfen.
34Kompromisse zu Lasten des völlig schutzlosen Säuglings sind nicht hinnehmbar. Unangemessene Reaktionen der Eltern infolge von Überforderung können gravierende Folgen für das hilflose Neugeborene haben, dessen Schutz daher im Vordergrund stehen muss. Zudem durchläuft das erwartete Kind gerade im ersten Lebensjahr die wichtigste Phase der Bindungs- und Beziehungsentwicklung. Versäumnisse in dieser Zeit ziehen in der Regel massive Entwicklungsstörungen im sozial-emotionalen Bereich nach sich, die in der Folge selbst unter bestmöglichen Entwicklungsbedingungen durch eine ständig und verlässlich liebevoll zugewandte, den Bedürfnissen des Kindes jederzeit unverzüglich gerecht werdende Bezugsperson kaum mehr zu kompensieren sind.
35Ob allerdings der angeordnete Teil-Sorgerechtsentzug verbunden mit der Ergänzungspflegschaft zwingend eine Trennung des Kindes von den Eltern zur Folge haben muss, wird im Rahmen der Ergänzungspflegschaft nach der Geburt des Kindes eingehend zu prüfen sein. Dies hängt davon ab, wie sich die tatsächliche Zusammenarbeit der Eltern mit den Helfern darstellt. Der seitens des Jugendamtes ausgearbeitete Schutzplan ist nicht als streng formeller Aufgabenkatalog zu verstehen, sondern kann allenfalls Grundlage für die Zusammenarbeit der Eltern mit dem Helfersystem sein. Keinesfalls darf ein Abweichen von den im Schutzplan erklärten Zielen ohne Weiteres zu Konsequenzen führen. Vielmehr wäre im Rahmen von Hilfeplangesprächen und ggf. unter Einbeziehung des Familiengerichts gemeinsam mit den Eltern zu überdenken, ob die eingesetzten Hilfen greifen und der Schutzplan sich in der jeweiligen Ausgestaltung bewährt, welche Zielvorgaben in Bezug auf die Betreuung und Versorgung des Säuglings gut umgesetzt werden oder wo ggf. Verbesserungsbedarf besteht. Gewährte Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe sind jeweils auf die konkreten Lebensumstände abzustimmen und entsprechend anzupassen.
36Die Anordnung beruht auf einer summarischen Prüfung und ist nicht vorgreiflich für eine Hauptsacheentscheidung.
37Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 51 Abs. 4, 81 FamFG.
38Rechtsbehelfsbelehrung:
39Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Beschwerdeberechtigt ist jeder, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Ibbenbüren, Münsterstr. 35, 49477 Ibbenbüren schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
40Die Beschwerde muss spätestens innerhalb von zwei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Ibbenbüren eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
41Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.