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Eine Bestrafung wegen des Besitzes jugendpornographischer Bilder kommt nur in Betracht, wenn entweder das jugendliche Alter der Person bekannt ist oder diese ganz offensichtlich nicht volljährig sind. Im letztgenannten Fall müssen sie so kindlich wirkenden dass sie fast schon in die Nähe des Besitzes kinderpornographischer Schriften fallen.
Sind auf einem Computer kinderpornographische Bilder nur im so genannten Cache gespeichert, so ist bereits der Besitz zweifelhaft. Zumindest beim durchschnittlichen Nutzer kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm die Existenz der Datenspeicherung im Cache geläufig war und er wusste, wie diese Daten gelöscht werden können, so dass der Vorsatz entfällt.
wegen Verbreitung, Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften
wird der Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
2Der Antrag war zurückzuweisen, da es an einem hinreichenden Tatverdacht mangelt. Soweit dem Angeklagten vorgeworfen wird, er habe zahlreiche Bilder eines etwa 16-jährigen Mädchens auf seinem Computer gespeichert, besteht ein hinreichender Tatverdacht schon allein deshalb nicht, weil nicht erkennbar ist, dass auf den Bildern tatsächlich eine Jugendliche zu sehen ist. Das Alter der auf den Bildern zu sehenden Frau ist nicht bekannt. Wie die Staatsanwaltschaft zur Feststellung kommt, dass die auf den Bildern zu sehende junge Frau 16 Jahre alt sein soll, ist diesseits nicht nachvollziehbar. Jedenfalls ergibt sich aus der Akte ein entsprechender Hinweis nicht. Allein vom visuellen Eindruck her ist jedoch eine Unterscheidung zwischen einer 16-jährigen Jugendlichen und einer 18-jährigen jungen Frau nicht möglich. Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus, dass weder an Hand der körperlichen Merkmale noch durch eine Analyse von Gesichtszügen die Unterscheidung zwischen einer 16- oder 17-jährigen oder einer 18- jährigen Person mit hinreichender Zuverlässigkeit getroffen werden kann. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass allein vom optischen Eindruck her eine Unterscheidungsmöglichkeit nicht besteht (Vergleiche Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 06.12.2008 - 2 BVR 2369,2380/08 zitiert nach Beck RS 2009). Eine Strafbarkeit ist deshalb nur dann gegeben, wenn die dargestellten Personen ganz offensichtlich nicht volljährig sind, etwa dann, wenn sie fast noch kindlich wirken und somit in die Nähe des Straftatbestandes aus § 184 b StGB (Kinderpornographie) fallen (Vergleiche Bundesverfassungsgericht a.a.O). Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kann die auf den Fotos zu sehende junge Frau jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit als Jugendliche erkannt werden, sodass insoweit der Antrag zurückzuweisen war.
3Auch hinsichtlich des Besitzes von kinderpornographischen Schriften war der Antrag auf Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abzuweisen. Es ist bereits zweifelhaft, ob der Angeschuldigte tatsächlich an den inkriminierenden Bildern Besitz hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die Fotos tatsächlich auf dem Rechner des Angeschuldigten gefunden wurden. § 184b ist kein Unternehmensdelikt denn § 184b Abs.1 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 StGB setzt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder voraus mit der Möglichkeit, die Bilder sich und anderen zugänglich zu machen.
4Auch wenn ein Besitz im Sinne von § 854 Abs. 1 BGB an elektronischen Vervielfältigungsstücken wie beispielsweise elektronisch gespeicherten Bildern nicht besteht, ist unter dem Begriff Besitz im StGB im Zusammenhang mit Fotos verstehen, dass der Angeschuldigte jederzeit ähnlich wie ein Besitzer von körperlichen Gegenständen Einwirkungsmöglichkeit auf die Bilder haben muss (Vergleiche BGH, NJW 2016, 1094, 1095). Hieran sind Zweifel angebracht, da sich die inkriminierenden Fotos auf einem Bereich der Festplatte befanden, auf den jedenfalls der normale Nutzer keine Zugriffsmöglichkeiten hat. Aus der Pfadbeschreibung der jeweiligen Fotos ergibt sich, dass diese unter dem Namen des Angeschuldigten/AppData/Local/Microsoft/Windows/TemporaryInternetFiles/Low/Content befunden haben. Sie befinden sich damit in einem Bereich, in dem der Nutzer nicht bewusst Daten speichern kann, sondern in dem das Betriebssystem Windows automatisch, ohne Einwirkungsmöglichkeit des normalen Nutzers Daten speichert. Aus dem Pfad geht also zunächst einmal nur hervor, dass der Angeschuldigte oder eine dritte Person, die Zugang zu dem Rechner hatte, diese Bilder betrachtet hat und dann die Daten automatisch gespeichert wurden. Öffnet somit der Nutzer eine X-beliebige Internetseite über seinen Browser so wird diese im Hintergrund gespeichert mit dem Ziel, dass, wenn der Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt erneut auf die Seite, hier also die inkriminierenden Bilder, zugreift, diese schneller aufgebaut werden könnten und nicht nochmal heruntergeladen werden müssten (Vergleiche Was ist Cache leeren http://praxistipps.chip.de/was-ist-cache-leeren-einfach-erklaert_41811 Stand 23.03.2017). Die Funktion wurde in das Betriebssystem Windows Anfang der 2000er, als die Datenverbindungen langsam waren und es noch keine Flatrates gab, sondern die Kosten entsprechend dem Trafic erhoben wurden, implementiert .
5Wie der Name Cache schon sagt, bedeutet dies nicht, dass der Nutzer auf diese Daten unmittelbaren Zugriff hat, sondern Cache bedeutet so viel wie „verstecken“. Er wird verwendet, da die im Cache gespeicherten Daten selbst vor dem Nutzer versteckt werden (Vergleiche: Was ist Cache a.a.O). Entsprechend hat der Nutzer auf die im Cache gespeicherten Daten zunächst einmal keinen Zugriff, denn in der normalen Verzeichnisstruktur ist der Pfad „AppData“ nicht sichtbar. Diese Daten werden nur angezeigt, wenn die Funktion „geschützte Systemdateien ausblenden“ deaktiviert wird und dafür die Funktion „versteckte Dateien und Ordner anzeigen“ aktiviert wird (Vergleiche: Verstecke Dateien anzeigen, http://praxistipps.chip.de/versteckte-dateien-in-windows-7-anzeigen_1282 , Stand 23.03.2017). Vor diesem Hintergrund ist der Besitz zweifelhaft.
6Selbst wenn man dies vorliegend annehmen würde, so reicht allein der Umstand, dass in einem automatischen Verfahren kinderpornographische Inhalte auf der Festplatte des Nutzers gespeichert wurden zum Nachweis des Besitzwillens nicht aus (Vergleiche Gercke in Spindler/Schuster Rechte der chronischen Medien, dritte Auflage 2015 § 184 b StGB Randnummer 25). § 184b ist kein Unternehmensdelikt denn § 184b Abs.1 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 StGB setzt ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Bilder voraus mit der Möglichkeit, die Bilder sich und anderen zugänglich zu machen. Dies muss vorsätzlich geschehen, wobei der Vorsatz als direkter oder bedingter Vorsatz gegeben sein muss. Wusste der Angeklagte nicht, dass die Bilder im Cache gespeichert werden, so setzt die Strafbarkeit erst ein, sobald der Angeschuldigte erkennt oder aber billigend in Kauf genommen hat, dass er Kinderpornographie besitzt und den Besitz gleichwohl fortsetzt (OLG Oldenburg, Urteil vom 29.11.2010 - 1SS166/10 zitiert nach Beck RS 2010).
7In Zeiten des Cloud Speichers, in der üblicherweise insbesondere auch Bilder privater Natur im Netz gespeichert werden, erscheint diese Funktion wie ein Antagonismus. Anders als noch vor 10 Jahre, als die Nutzer bereits im praktischen Betrieb erkennen konnten, dass Bilder im Cache gespeichert wurden, beispielsweise am schnelleren Seitenaufbau oder der Nichtbelastung des mit dem Provider vereinbarte Datenvolumens, ist dies in der heutigen Zeit aus den vorgenannten Gründen nicht mehr erkennbar. Auf das Datenvolumen braucht der Nutzer heutzutage bei einer Flatrate nicht zu achten und die Geschwindigkeit des Seitenaufbaus ist beim Hightspeedinternet ebenso schnell wie beim Herunterladen von der Festplatte. Gegenteilige insbesondere ältere Entscheidungen, die von einer Kenntnis des Nutzers von der Datenspeicherung im Cache ausgehen, sind aufgrund der technischen Entwicklung überholt. Der durchschnittliche Nutzer weiß im Zweifel daher nicht mehr, dass schon beim Betrachten von Bildern Daten im sogenannten Cache gespeichert werden (Vergleiche OLG Zweibrücken MMR 2016, 831, 832 f).
8Dass der Angeklagte, der von sich unwiderlegbar behauptet, von den Bildern keine Kenntnis gehabt zu haben, solche überdurchschnittlichen Kenntnisse im PC Bereich hatte, ist nicht feststellbar. Der Nachweis wird letztlich im Hauptverfahren nicht zu führen sein so dass trotz der abscheulichen Bilder aus tatsächlichen Gründen eine Verurteilung nicht zu erwarten ist.
9In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass nicht einmal feststeht, dass der Angeschuldigte bewusst die inkriminierenden Bilder betrachtet hat. Im Zeitalter von Web 20 ist es jedermann problemlos möglich, Bilder ins Internet zu stellen. Hierdurch ist es auch möglich, Straftäter wider Willen zu generieren. Dies ergibt sich aus folgendem Szenario: Speichert beispielsweise ein x-beliebiger Straftäter Bilder kinderpornographischen Inhalts im Internet, beispielsweise bei Dropbox oder Amazon Cloud oder vergleichbaren Clouddiensten, so hat er die Möglichkeit, einen Link zu generieren und diesen dem Angeschuldigten zu schicken. Öffnet der ahnungslose Angeschuldigte dann diesen Link, so hat er die Bilder auf seinem Rechner und damit auch im Cache, ohne dass er überhaupt die Absicht hatte, derartige Bilder zu betrachten. Es ist hierdurch möglich jede x-beliebige Person zu Besitzern von kinderpornographischen Bildern zu machen. Da es auch technisch möglich ist, einen Link zu einem Verzeichnis mit einer Vielzahl an Bildern zu generieren, können auch entsprechen viele Bilder im Cache des Nutzers sein.
10So könnte ein Straftäter jede x-beliebige Person allein dadurch zum Straftäter machen, indem er einen Link mit kinderpornographischem Inhalt an diese verschickt und diese irrtümlich ohne Kenntnis vom Inhalt den Link öffnen. Die Daten sind dann im Cache gespeichert und der Nutzer hätte kaum Möglichkeiten, diese Bilder zu entfernen, es sei denn, es verfügt über entsprechende Computerkenntnisse. Denn die Funktion von Microsoft „Datenträgerbereinigung“ löscht die Daten des Cache nicht mit der erforderlichen Sicherheit. Dies ist nur manuell möglich und verlangt tiefgreifende Kenntnisse über das Betriebssystem Windows, um überhaupt die Daten zu entfernen. Ein sicheres Entfernen geht nur über Spezialprogramme wie beispielsweise CC Cleaner, wobei nicht von jedermann verlangt werden kann, derartige Programme zu installieren.
11Letztendlich ist dem Angeschuldigten vorliegend vom Besitz ausgeht, nicht nachzuweisen, dass er wusste oder wissen musste, dass die hier in Rede stehenden Fotos aus seinem Rechner im Cache gespeichert werden.
12Hinsichtlich der hier angesprochenen technischen Zusammenhänge bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigen, da das Gericht über eigene Sachkunde verfügt, die auch in einer Vielzahl von Publikationen zum Thema IT und IT Recht dokumentiert ist.
13Bocholt, 23.03.2017Unterschrift