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Auf die Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgericht Mönchengladbach vom 26.07.2024 teilweise abgeändert und insgesamt wie neu gefasst:
Auf Grund des Teilkosten und Schlussurteils des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 28.03.2024 (Aktenzeichen 29 C 198/17) sind von den Klägern 365,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2024 an die Beklagte zu erstatten.
Im Übrigen wird der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 15.04.2024 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 201,70 EUR festgesetzt.
Gründe:
2Die sofortige Beschwerde der Kläger ist zulässig; es ist insbesondere der erforderliche Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR (§ 567 Abs. 2 ZPO) gegeben.
3Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
4Die Gebühren nach Nrn. 3100, 7002 VV RVG sind nach Wiederaufnahme des Rechtsstreits nicht erneut entstanden, denn die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind nach Beendigung der Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO in derselben Angelegenheit weiter tätig geworden, ohne dass der frühere Auftrag zuvor seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt war, § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG.
5Nach § 15 Abs. 2 RVG kann ein Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit grundsätzlich nur einmal verlangen. Wird der Rechtsanwalt, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, erhält er nicht mehr an Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre, § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG. Anders verhält es sich nur dann, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt war. In diesem Fall gilt nach § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit im Sinne des Gebührenrechts.
6Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG sind nicht erfüllt. Die Insolvenz der Klägerin hat das gerichtliche Verfahren ihr gegenüber lediglich vorübergehend unterbrochen, nicht aber den früheren Auftrag der Beklagten an ihre Prozessbevollmächtigten erledigt, weil über die Klage der Klägerin im Zeitpunkt der Unterbrechung noch nicht entschieden war. Eine „Erledigung“ des Auftrags im Sinne des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG tritt erst ein, wenn der Rechtsanwalt seine Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag vollständig erfüllt hat (BGH, Beschluss vom 11.08.2010 - XII ZB 60/08 Rn 14). Das ist hier nicht der Fall, denn das Verfahren ist bei einer Unterbrechung gerade nicht beendet, sondern kann jederzeit aufgenommen und fortgesetzt werden. Der Rechtsanwalt muss deshalb mit der Fortführung des Verfahrens rechnen, auch wenn seit der Unterbrechung mehr als zwei Jahre verstrichen sind. Auch eine erneute Beauftragung des Anwalts ist für die Wiederaufnahme eines unterbrochenen Verfahrens nicht erforderlich, da der Prozessbevollmächtigte weiterhin beauftragt bleibt. Für den Rechtsanwalt entsteht deshalb kein erneuter Gebührenanspruch, wenn ein gerichtliches Verfahren fortgeführt wird, das seit mehr als zwei Kalenderjahren unterbrochen war hat (vgl. für das Ruhen des Verfahrens Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. November 2020 – 6 W 121/20 –, Rn. 8, juris m.w.N.).
7Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich etwas Anderes auch nicht aus § 8 Abs. 1 RVG. Aus dieser Vorschrift wird vielmehr deutlich, dass der Gesetzgeber das Ruhen des Verfahrens – und nach herrschender Ansicht gleichgestellt auch eine Unterbrechung des Verfahrens (Toussaint, Kostenrecht, 54 Aufl. § 8 RVG, Rn. 23) - über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten gerade nicht als Erledigung des Auftrags angesehen, sondern lediglich im Hinblick auf die Fälligkeit der Vergütung einer Auftragserledigung gleichgestellt hat (Sächs. OVG, a.a.O. Rn 10; BayVGH, a.a.O., Rn 10; jew. zit. nach juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. November 2020 – 6 W 121/20 –, Rn. 9, juris).
8Schließlich ist auch eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt. Der Bundesgerichtshof hat die Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke betreffend den Inhalt von § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG angenommen in einem Fall der Anfechtung eines Prozessvergleiches nach Ablauf einer Frist von mehr als 2 Jahren (Beschluss vom 10.08.2010 - XII ZB 60/08) sowie in einem Fall des - nicht verfristeten - erst zwei Jahre nach Zustellung eingelegten Einspruches gegen ein Versäumnisurteil (Beschluss vom 16.11.2017 - V ZB 152/16). Den beiden Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten war gemeinsam, dass eine potenziell die Instanz beendenden Entscheidung vorlag und der Rechtsanwalt mit Rechtskraft des Vergleiches bzw. Ablauf der regelmäßigen Einspruchsfrist seinen Auftrag als erfüllt ansehen konnte, wobei sich diese Einschätzung später als unrichtig erwies (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 27. November 2020 – 6 W 121/20 –, Rn. 10, juris)
9Im Streitfall besteht eine hiervon abweichende Interessenlage, weil es im Fall der Unterbrechung an einer vergleichbaren Regelung im Hinblick auf den Streitgegenstand fehlt, so dass eine Fortsetzung des Verfahrens grundsätzlich zu erwarten ist. Ob gleichwohl eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG auch auf Fälle der mehr als 2jährigen Unterbrechung geboten ist, weil auch in einem solchen Fall der Rechtsanwalt sich, weil eine lange Zeit vergangen ist, vollkommen neu einarbeiten muss, so dass es unbillig wäre, wenn er für seine weitere Tätigkeit nicht erneut Gebühren erhalten würde, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn hier bedurfte es einer solchen Einarbeitung offenkundig nicht. Der Rechtsstreit war in der Sache durch das zu Lasten des Klägers ergangene Teilurteil vom 27.03.2018 bereits entschieden. Das am 28.03.2024 ergangene Teilkosten- und Schlussurteil ist zu diesem in der Sache nahezu wortgleich. Ein abweichender Sach- und Streitstand wurde ersichtlich nicht zu Grunde gelegt. Es ist nicht erkennbar - und von der Beklagten auch nicht vorgetragen - inwieweit für die weitere Bearbeitung der Angelegenheit eine Wiedereinarbeitung ihrer Bevollmächtigten erforderlich gewesen wäre.
10Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
11Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht erfüllt sind.