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Das Versäumnisurteil vom 07.06.2022 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass sich der Tenor nach diesem Urteil richtet:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 2.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.02.2022 zu zahlen.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur fortgesetzt werden, wenn diese Sicherheit geleistet ist.
I.
2Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung der gezahlten Kaufpreise sowie die Zahlung von Schmerzensgeld.
3Der Kläger, der früher als Feuerwehrmann tätig war, erwarb von dem Beklagten im Zeitraum vom 20.06. bis zum 08.07.2021 insgesamt 14 Halsbandsittiche. Der erste Kauf des Halsbandsittichs „Tacko“ erfolgte am 20.06.2021 auf dem Kleintiermarkt in Kommern in der Eifel. Weitere von dem Kläger getätigte Käufe erfolgten am 28.06.2021 und am 08.07.2021. Pro Halsbandsittich wurde ein Kaufpreis von 300,00 € vereinbart, den der Kläger auch jeweils zahlte. Der Kläger erwarb die Halsbandsittiche, um sich ein neues Hobby zuzulegen. Er hielt die Vögel zunächst in einer Voliere im Wohnzimmer. Später wurden sie in eine Außenvoliere mit Vergitterung verbracht. Dabei nahm der Kläger die jüngeren Vögel zur Fütterung auch auf die Hand.
4Am 15.08.2021 stellte der Kläger fest, dass der erste Vogel verendet war. Der Tod eines weiteren Halsbandsittichs trat ein paar Tage später ein. Zwei weitere Vögel verendeten Ende August 2021.
5Der Kläger zeigte beginnend am 07.09.2021 erste Anzeichen der sog. Papageienkrankheit („Chlamydophila psittaci“). Die sog. Papageienkrankheit ist eine Chlamydien-Infektion bei Vögeln, die der Vogel auch auf den Menschen übertragen kann. Die Übertragung erfolgt dabei aerogen oder durch Berührung. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts können selbst vier Wochen alte Exkremente oder Sekrete eines infizierten Vogels bei Raumtemperatur für den Menschen infektiös sein. Erkrankt ein Mensch nachweisbar an Erregern der Chlamydophila psittaci, besteht eine Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz. Die sog. Papageienkrankheit führt beim Menschen zu grippalen Symptomen, die bis zu einer Lungenentzündung reichen können.
6Die Krankheit zeichnete sich dadurch aus, dass der Kläger zunächst stark auftretende Kopfschmerzen und an den darauffolgenden Tagen hohes Fieber verspürte. Der Krankheitsverlauf nahm in den folgenden Tagen an Intensität zu, sodass sich der Kläger am 10.09.2021 in das Krankenhaus in xxx begab. Am 12.09.2021 musste der Kläger aufgrund seiner sich verschlechternden körperlichen Verfassung invasiv beamtet werden.
7Nachdem sich seine Symptome verschlimmerten, wurde der Kläger am 13.09.2021 in das Universitätsklinikum Bonn verlegt. Auch aufgrund des Verdachts, dass sich der Kläger an einer atypischen Krankheit infiziert haben könnte und das Herz-Kreislauf-System des Klägers stetig abnahm, wurde das sog. ECMO-Team des Universitätsklinikums Bonn alarmiert. Das ECMO-Team besteht aus einem Kardiotechniker und einem Anästhesisten, die mit dem mobilen Unterstützungssystem zu den Patienten mit akutem Herz-Kreislauf-Versagen eilen und diese an Ort und Stelle stabilisieren. Zwischenzeitlich wurde vom medizinischen Fachpersonal ein akutes und schweres Lungen- und Nierenversagen festgestellt, das Herz- und Kreislaufsystem war völlig instabil, der Kläger wurde sofort auf die Intensivstation des Universitätsklinikums Bonn verlegt. Erschwerend kam es zu einem akuten Nierenversagen des Klägers.
8Aufgrund des Umstands, dass bei dem Kläger die sog. Papageienkrankheit als Ursache seiner Symptomatik nachgewiesen werden konnte, wurden die verbliebenen Halsbandsittiche dem chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Rhein-Ruhr-Wupper am 22.09.2021 zur weiteren Untersuchung auf Krankheiten zur Verfügung gestellt. Das Veterinäramt stellte fest, dass fünf der Halsbandsittiche des Klägers mit dem Bakterium „Chlamydia psittaci“, der sog. Papageienkrankheit, infiziert waren.
9Zwecks weiterer Beatmungsentwöhnung erfolgte am 15.10.2021 die Verlegung des Klägers in die Intensivmedizin des Universitätsklinikums xxx. Im Zehenbereich beider Füße des Klägers bildete sich eine Nekrose, die dazu führte, dass ihm nach und nach Gewebe entsorgt werden musste.
10Vom 05.11.2021 bis zum 16.11.2021 erfolgte eine weitere stationäre Behandlung in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin des Krankenhauses xxx. Bei schmerzhafter rechter Schulter erfolgte ein radiologischer Frakturenausschluss.
11Aufgrund der fortbestehenden Nekrose wurden dem Kläger im Universitätsklinikum xxx am 23.11.2021 am rechten Fuß das Endglied D4 und am linken Fuß das Endglied D2 sowie das Mittelglied D3 amputiert. Im Nachgang kam es zu einer Wundheilungsstörung. Am 30.11.2021 wurde dem Kläger sodann das Endglied D1 am linken Fuß amputiert.
12Mit vorgerichtlichem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.01.2022 wurde dem Beklagten die im Zusammenhang mit dem Ankauf der Papageien stehende Krankheitsgeschichte des Klägers angezeigt. Zugleich wurde der Beklagte aufgefordert, bis zum 04.02.2022 darzulegen, dass die von ihm veräußerten exotischen Zuchtvögel vor dem Verkauf zureichend auf Krankheiten – insbesondere auch auf die sog. Papageienkrankheit – untersucht worden sind. Eine Reaktion des Beklagten erfolgte nicht. Des Weiteren erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers den Rücktritt vom Kaufvertrag über die vier verendeten und fünf mit dem Virus infizierten Halsbandsittiche und forderten den Beklagten vergeblich zur Rückzahlung der geleisteten Kaufpreise i.H.v. insgesamt 2.700,00 EUR bis zum 04.02.2022 auf.
13Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 07.02.2022 wurde der Beklagte aufgefordert, dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000,00 EUR bis zum 16.02.2022 zu zahlen. Sogleich wurde der Beklagte erneut zur Zahlung der 2.700,00 EUR bis zum 16.02.2022 aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte nicht.
14Am 05.06.2023 wurden dem Kläger die zwei weiteren Endglieder D2 und D3 am rechten Fuß amputiert.
15Der Kläger behauptet, der Beklagte sei beim Kleintiermarkt in xxx mehrfach in der Vergangenheit derart aufgetreten, dass dieser sämtliche (Zier-)Vögel planmäßig und dauerhaft gegen Entgelt angeboten habe. Der Kläger behauptet weiter, dass er ausschließlich die von dem Beklagten erworbenen Halsbandsittiche zuhause gehalten habe. Die später verendeten und infizierten Halsbandsittiche seien bereits zum Zeitpunkt der Übergabe mit der sog. Papageienkrankheit infiziert gewesen. In der Folge habe er sich bei den erworbenen Tieren selbst mit der sog. Papageienkrankheit infiziert. Aufgrund der Infektion habe er sich zwischenzeitlich in Lebensgefahr befunden. Bis heute leide er unter den Nachwirkungen der Infektion. So sei er insbesondere aufgrund der Nekrose und der damit zusammenhängenden Amputationen seiner Zehen in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt. Seine Lunge habe zudem einen Diffusionsschaden erlitten, welcher nachhaltig nicht mehr reparabel sei. Dadurch sei es ihm unmöglich, sich unbeschwert im Alltag zu bewegen. Überdies sei die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen.
16Der Kläger erachtet ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von jedenfalls 20.000,00 EUR für angemessen.
17Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
181. den Beklagten zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.700,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.02.2022 zu zahlen,
192. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2022 zu zahlen und
203. den Beklagten zu verurteilen, an ihn die ihm entstandenen Kosten der außergerichtlichen Interessenwahrnehmung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.375,88 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
21Die Klage ist dem Beklagten am 19.05.2022 gemeinsam mit der Aufforderung zugestellt worden, binnen zwei Wochen nach Zustellung seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Nach Ablauf der Frist hat das Gericht den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 07.06.2022 antragsgemäß verurteilt. Gegen dieses Versäumnisurteil, dem Kläger am 14.06.2022 und dem Beklagten am 15.06.2022 zugestellt, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 21.06.2022, eingegangen am 27.06.2022, Einspruch eingelegt.
22Der Kläger beantragt nunmehr,
23das Versäumnisurteil vom 07.06.2022 aufrechtzuerhalten.
24Der Beklagte beantragt,
25das Versäumnisurteil vom 07.06.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
26Der Beklagte behauptet, dass die Halsbandsittiche bei Übergabe an den Kläger gesund gewesen seien. Jedenfalls aber habe der Kläger sich nicht aufgrund des Kontakts mit den von ihm erworbenen Halsbandsittichen infiziert. Weiterhin behauptet er, dass er das Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 19.01.2022 nicht erhalten habe, weil er zu diesem Zeitpunkt bereits in Haft gewesen sei.
27Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen xxx und xxx sowie durch Einholung eines tierärztlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2022 (Bl. 299ff. GA) sowie das Gutachten des Sachverständigen xxx vom 03.07.2023 (Bl. 382ff. GA) ergänzend Bezug genommen.
28Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
29Entscheidungsgründe:
30Der Einspruch ist zulässig.
31Insbesondere ist er gemäß § 339 Abs. 1 ZPO fristgerecht eingelegt worden. Der am 27.06.2022 eingegangene Einspruch wahrte die Einspruchsfrist von zwei Wochen, denn diese begann mit der letzten von Amts wegen zu bewirkenden Zustellung, mithin mit der Zustellung an den Beklagten am 15.06.2022, zu laufen und endete folglich am 29.06.2022, § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.
32Der zulässige Einspruch versetzt den Rechtsstreit in die Lage gemäß § 342 ZPO zurück, in welchem er sich vor dem Eintritt der Säumnis befand.
33Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
34Hinsichtlich des Klageantrags zu 1. konnte das Gericht durch Teilurteil gemäß § 301 Abs. 1 ZPO entscheiden, weil die Sache insoweit entscheidungsreif war.
35Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 2.700,00 € gemäß §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3 Alt. 1, 434 BGB zu.
36Dass der Kläger seinen Rückzahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs neben der Leistung und – nicht wie von ihm angenommen – im Wege seines erklärten Rücktritts ersetzt verlangen kann, steht dem Anspruch nicht entgegen, da allein maßgeblich ist, dass sich die begehrte Rechtsfolge auf eine taugliche Anspruchsgrundlage stützen lässt. Dies ist hier der Fall.
37Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung liegen vor.
38Die Parteien haben zwischen dem 20.06. und dem 08.07.2021 Kaufverträge über insgesamt 14 Halsbandsittiche geschlossen.
39Das Gericht ist davon überzeugt, dass zumindest ein Halsbandsittich im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft gemäß § 434 Abs. 1 BGB a.F. i.V.m. § 90a Satz 3 BGB gewesen ist und sich dieser Mangel in der Folge auf weitere Halsbandsittiche im Sinne eines Mangelfolgeschadens ausdehnte.
40Nach dem aufgrund des im Jahr 2021 geschlossenen Kaufvertrages anzuwendenden alten Mangelbegriff ist ein Tier mangelfrei, wenn es bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. Bei fehlender Beschaffenheitsvereinbarung ist die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB a.F.), sonst die gewöhnliche Verwendung und zu erwartende Beschaffenheit maßgeblich (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB a.F.).
41Für den Tierkauf ergeben sich folgende zu berücksichtigende Besonderheiten:
42Da Tiere keine Standardsachen, sondern individuelle Lebewesen sind, ist nicht ein (kaum je existierender) „Idealzustand“ des Tieres geschuldet, sondern nur eine Normalbeschaffenheit. Es ist davon auszugehen, dass die konkreten Eigenschaften eines Tieres als eines in ständiger Entwicklung befindlichen Lebewesens sich in physiologischer, aber auch in charakterlicher Hinsicht nicht im Einklang mit einem Idealzustand befinden müssen, ohne deshalb Fehler zu begründen, dies sowohl im Hinblick auf die Erwartungen des Verkehrs als auch auf die Verwendungszweckvereinbarungen der Kaufvertragsparteien. Generell gilt, dass auch eine Abweichung von der physiologischen Norm einen Mangel nur begründet, wenn mehr als nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich zukünftig ernsthafte klinische Symptome entwickeln.
43Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich vorliegend Folgendes:
44Dass die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung trafen oder eine vertragliche Verwendung voraussetzten, ist nicht ersichtlich. Allerdings eignet sich ein mit der sog. Papageienkrankheit infizierter Halsbandsittich gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB a.F. i.V.m. § 90a Satz 3 BGB nicht für die gewöhnliche Verwendung, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Welche Beschaffenheit der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, bestimmt sich objektiv nach dem sog. Durchschnittskäufer.
45Ein Durchschnittskäufer kann zumindest erwarten, dass ein Tier, das er mit dem Zweck erwirbt, es als Haustier zu halten, nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft klinisch auffällig und auch für den Menschen konkret gefährlich werden kann. Diesen Anforderungen wird ein mit der sog. Papageienkrankeit infizierter Halsbandsittich nicht gerecht. Denn gerade junge Vögel, die der Kläger ebenfalls von dem Beklagten erwarb, können gravierende Krankheitsverläufe bis hin zum Tod nehmen. Hinzukommt, dass infizierte Tiere die Krankheit aerogen oder durch Berührung auf den Menschen übertragen können. Die von infizierten Vögeln hinterlassenen Sekrete können bei Raumtemperatur selbst bei Austrocknung nach Angaben des Robert-Koch-Instituts über vier Wochen infektiös bleiben. Soweit ein Mensch an solchen Erregern der Chlamydia psittaci erkrankt, ist dies nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 IfSG meldepflichtig. Gemessen daran kann ein Durchschnittskäufer erwarten, dass er Vögel, die er als Haustiere erwerben möchte, nicht mit der sog. Papageienkrankheit akut infiziert sind.
46Es kann dahinstehen, ob die Vermutungsregel des § 477 BGB a.F. vorliegend greift. Denn das Gericht hält es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für erwiesen, dass mindestens einer der von dem Kläger erworbenen Halsbandsittiche bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs i.S.d. § 446 Satz 1 BGB infiziert gewesen ist. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen xxx, denen sich das Gericht in freier Würdigung des Sach- und Streitstands vollumfänglich anschließt, ist davon auszugehen, dass einer oder mehrere Halsbandsittiche bereits bei deren Übergabe an den Kläger mit der sog. Papageienkrankheit infiziert gewesen ist bzw. sind. Sein schriftliches Gutachten lässt keine methodischen Fehler bei der Tatsachenermittlung erkennen und er gelangt zu logisch nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Schlussfolgerungen.
47Der Sachverständige hat festgestellt, dass die Inkubationszeit von Papageienvögeln regelmäßig 42 Tage betrage, Abweichungen aber zwischen zwei bis acht Wochen möglich seien. Vor dem Hintergrund, dass die Ankäufe der Halsbandsittiche zwischen dem 20.06. und dem 08.07.2021 erfolgten und vier der Halsbandsittiche zwischen Mitte August und Ende August 2021 aufgrund ihrer Infektion verendeten, sei davon auszugehen, dass einer oder mehrere der erworbenen Halsbandsittiche bei deren Übergabe infiziert gewesen seien und sich weitere Halsbandsittiche in der Folge bei diesem bzw. diesen angesteckt hätten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Aufnahme des Erregers meist über Einatmung der Luft sowie über orale Aufnahme von kontaminiertem Material, wie beispielsweise Kot, erfolge. Zudem seien ältere Vögel oft infiziert, ohne selbst zu erkranken, wobei sie dennoch den Erreger ausscheiden könnten. Der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ankauf und der Verendung von Halsbandsittichen lasse klar den Schluss zu, dass die Infektion durch die Halsbandsittiche eingetragen worden sei. Des Weiteren sei es sehr unwahrscheinlich, dass sich die Halsbandsittiche durch den Kontakt mit anderen Vögeln angesteckt hätten. Selbst unter der Annahme, dass die Vögel bereits zwei Wochen vor der Erkrankung des Klägers in eine Außenvoliere verbracht worden seien, sei davon auszugehen, dass sich die Vögel untereinander angesteckt hätten. Aufgrund der sicheren Vergitterung sowie der weitgehenden Abdeckung des Volierendaches sei ein Eintrag des Erregers durch andere Tiere weitgehend auszuschließen. Denn insofern sei zu beachten, dass für einen derart schnellen Verlauf eine gewisse Infektionslast erforderlich sei.
48Das Gericht ist zudem davon überzeugt, dass ein anderer Infektionsweg mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.
49Die Zeugin xxx bekundete, dass sie und ihr Ehemann (der Kläger) keine anderen, als die von dem Beklagten erworbenen Vögel besessen hätten. Die Aussage der Zeugin xxx ist auch glaubhaft, weil sie in sich schlüssig und detailreich sowohl das Kern- als auch das Randgeschehen wiedergab. Dass sie das Geschehen aus ihrer persönlichen Erinnerung heraus schilderte, wurde an vielen Stellen ihrer Aussage deutlich. Darüber hinaus bestätigte der Beklagte die Angabe seiner Ehefrau, dass sie ausschließlich die von dem Beklagten erworbenen Vögel besessen hätten, im Rahmen seiner persönlichen Anhörung. Schließlich schilderte auch der Zeuge xxx, der den Markt in xxx veranstaltet, dass er bei der Familie xxx ausschließlich Halsbandsittiche, wie der Beklagte sie veräußert habe, aber keine anderen Vögel gesichtet habe, als er die erkrankten Halsbandsittiche dort im Auftrag des Veterinäramts abgeholt habe. Anhaltspunkte, welche an der Glaubwürdigkeit der Zeugen xxx und xxx zweifeln ließen, liegen nicht vor.
50Die Mangelhaftigkeit eines oder mehrerer Halsbandsittiche hat der Beklagte auch zu vertreten. Nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Vertretenmüssen vermutet. Eine Widerlegung der Vermutungsregel ist dem Beklagten nicht gelungen.
51Je nach der Art des Kaufobjektes und der Sachkunde bzw. den Erkenntnismöglichkeiten des Verkäufers ist im Einzelfall zu entscheiden, welche zumutbaren Sorgfalts- bzw. Untersuchungspflichten auf Mängel dem Verkäufer aufzuerlegen sind. Vorliegend hätte es dem Beklagten, der im Umgang mit Halsbandsittichen besondere Expertise aufwies, weil er diese schon seit Jahren als Händler anbot, oblegen, die Halsbandsittiche auf das Vorliegen einer Infektion mit der sog. Papageienkrankheit vor der Übergabe an den Kläger zu überprüfen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Beklagte Vögel dauerhaft und planmäßig am Markt anbot. Der Zeuge xxx, der Veranstalter des Kleintiermarktes in xxx gewesen ist, bekundete glaubhaft, dass der Beklagte in den Jahren 2018, 2019, 2020 und 2021 regelmäßig Vögel auf dem Markt gegen Entgelt angeboten habe.
52Eine Untersuchungspflicht vorliegend dem Beklagten aufzuerlegen, erscheint deshalb interessengerecht, weil die sog. Papageienkrankheit sowohl für Halsbandsittiche als auch für den Menschen besonders gefährlich ist. So können Halsbandsittiche krank und infektiös sein, ohne klinische Auffälligkeiten zu zeigen. Da eine Infektion des Menschen aerogen oder durch Berührung in diesem Stadium schon möglich ist, hätte der über Sachkunde verfügende Händler, gerade wenn er wie hier Halsbandsittiche verschiedenster Herkunft ankauft und diese ohne Hinweis hierauf vermarket, das aus seinem Verantwortungsbereich entstammende Risiko durch eine Testung der Tiere in zumutbarer Weise ausräumen müssen.
53Da der Beklagte dieser Untersuchungspflicht nicht nachkam, hat er zumindest fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) gehandelt.
54Selbst wenn man eine derartige Untersuchungspflicht des Beklagten ablehnen würde, hätte er sich dennoch sorgfaltswidrig verhalten, weil er den Kläger über die gemischte Herkunft der seinerseits angekauften und nicht selbst gezüchteten Halsbandsittiche im Unklaren ließ und diesen auch nicht über das Risiko einer auch für den Menschen gefährlichen und meldepflichtigen Erkrankung der Vögel aufklärte. Von einem gewerblich in der Branche tätigen Verkäufer kann ein Käufer, der erkennbar als Laie diesem gegenüber auftritt, erwarten, dass der sachkundige Verkäufer ihn über derart gewichtige Risiken, die aus seinem Verantwortungsbereich entstammen und über die er ein deutlich größeres Wissen verfügt, aufklärt. Dies hat der Beklagte indes nicht getan.
55Dem Kläger ist auch ein kausaler ersatzfähiger Schaden i.H.v. 2.700 € entstanden. Dadurch, dass er zumindest einen infizierten Halsbandsittich von dem Beklagten erwarb und sich dessen Infektion auf weitere Halsbandsittiche im Sinne eines Mangelfolgeschadens ausdehnte, ist der Kläger berechtigt, Wertersatz für diejenigen Vögel zu verlangen, die an der sog. Papageienkrankheit verstorben sind oder mit dieser infiziert waren. Dies betrifft in der Summe jedenfalls neun Halsbandsittiche, die er jeweils zum Preis von 300 € erworben hatte.
56Dem Rückzahlungsanspruch steht letztlich auch nicht entgegen, dass der Kläger keine Rückgabe und Rückübereignung der streitgegenständlichen Halsbandsittiche i.S.d. § 281 Abs. 5 i.V.m. §§ 346 Abs. 1, 348 BGB angeboten hat. Denn die Rückgabe und Rückübereignung der streitgegenständlichen Halsbandsittiche war dem Kläger gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich.
57In Bezug auf die vier verendeten Halsbandsittiche war die Rückgabe aufgrund deren Versterbens unmöglich und hinsichtlich der übrigen Halsbandsittiche aufgrund der von dem Veterinäramt veranlassten Übernahme der Tiere durch eine sachkundige Person, hier durch den Zeugen Sonnenschein. Der Zeuge xxx und die Zeugin xxx haben insofern übereinstimmend ausgesagt, dass der Zeuge xxx im Auftrag des Veterinäramts die verbliebenen, teils infizierten Halsbandsittiche in seine Obhut übernommen hat. Auch eine Pflicht zum Wertersatz nach § 281 Abs. 5 i.V.m. § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB bestand für den Kläger nicht, weil diese nach § 281 Abs. 5 i.V.m. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB vorliegend entfällt. Denn die Infektion der Halsbandsittiche bzw. deren Verendung ist bei dem Kläger als Berechtigtem eingetreten, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
58Der Schadensersatzanspruch war auch nicht aufgrund eines Mitverschuldens des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen. Zwar hat die gemeinsame Haltung der Vögel im Wohnzimmer dazu beigetragen, dass sich diese untereinander anstecken konnten. Selbst wenn man hierin einen relevanten Verursachungsbeitrag des Klägers zu erblicken vermag, würde dieser jedoch in Bezug auf die Ansteckung der Vögel untereinander vollständig hinter dem Verschulden des Beklagten zurücktreten. Vor dem Hintergrund des bereits dargelegten Wissensgefälles zwischen den Parteien sowie des Umstands, dass die Infektion auch durch den Ankauf von Vögeln verschiedenster Herkunft seitens des Beklagten begünstigt worden ist und der Beklagte auch Kenntnis von dem möglichen Vorhandensein einer Infektion mit einer sog. Papageienkrankheit trotz klinischer Unauffälligkeit als Experte gehabt haben muss, erscheint das Verschulden des Beklagten derart gewichtig, dass für ein Mitverschulden des Klägers an der Ansteckung der Vögel untereinander kein Raum verbleibt.
59Darüber hinaus hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben vom 19.01.2022 wirksam in Verzug gesetzt. Zwar hat der Beklagte den Erhalt des Schreibens vom 19.01.2022, mit dem ihm eine Zahlungsfrist bis zum 04.02.2022 gesetzt worden ist, bestritten. Der Kläger hat aber mittels Sendungsbeleg hinreichend dargelegt, das Schreiben abgesandt zu haben. Dass der Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits in Haft war, steht dem Zugang nicht entgegen. Denn der Beklagte hätte angesichts seiner fortbestehenden Meldeadresse Vorkehrungen dergestalt treffen müssen, dass die Post an ihn weitergeleitet wird. Da die dem Beklagten gesetzte Frist am 04.02.2022 endete, begann die Zinspflicht analog § 187 Abs. 1 BGB mit dem 05.02.2022 zu laufen.
60Über den Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld dem Grunde nach war durch Grundurteil (§ 304 Abs. 1 ZPO) zu entscheiden.
61Der Kläger hat gegen den Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3 Alt. 1, 434 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB.
62Diese Anspruchsvoraussetzungen sind dem Grunde nach erfüllt.
63Wie bereits dargelegt, liegt ein Schuldverhältnis in Form der Kaufverträge über die Halsbandsittiche vor. Zumindest ein Halsbandsittich ist im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit der sog. Papageienkrankheit infiziert und damit mangelhaft gewesen. Der Beklagte hat dies auch zu vertreten.
64Darüber hinaus ist dem Kläger infolge der Übergabe eines infizierten Halsbandsittichs ein kausaler Schaden in Form eines Körper- und Gesundheitsschadens entstanden.
65Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen xxx, denen sich das Gericht in freier Würdigung des Sach- und Streitstands vollumfänglich anschließt, ist davon auszugehen, dass der Kläger sich bei den infizierten Halsbandsittichen mit der sog. Papageienkrankheit infiziert hat. Der Sachverständige hat festgestellt, dass zwischen der Infektion und der Erkrankung beim Menschen zwischen fünf und 14 Tagen liegen. Da bereits vier Halsbandsittiche zwischen Mitte und Ende August 2021 verendet waren und der Kläger beginnend am 07.09.2021 erste Anzeichen der sog. Papageienkrankheit zeigte, habe sich der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit bei den Halsbandsittichen infiziert. Andere Optionen seien nahezu ausgeschlossen, weil die Krankheit fast ausschließlich von Vögeln auf den Menschen übertragen werde und der Kläger engen Kontakt zu den Halsbandsittichen gehabt habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Vögel aus unklaren Quellen und ohne Quarantäne zusammengebracht worden seien und diese zunächst in einem die Erregerverbreitung förderlichen Innenraum gehalten worden seien. Durch den mit der Haltungsumstellung verbundenen Stress sei es weiterhin zu einer Mehrausscheidung des Erregers durch bereits erkrankte Vögel gekommen.
66Die erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers sind auch auf dessen Infektion mit der sog. Papageienkrankheit zurückzuführen, da bei diesem die Infektion nachgewiesen werden konnte und er typische Symptome zeigte. Dadurch ist es zu einem Körperschaden in Form der sechs amputierten Zehen gekommen. Ferner hat der Kläger nach seinem Vortrag eine irreparable Lungendiffusion erlitten. Die einzelnen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers werden im Betragsverfahren noch zu klären sein. Fest steht aber bereits jetzt, dass ihm ein angemessenes Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB zu gewähren sein wird.
67Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes wird das Gericht jedoch zu berücksichtigen haben, dass der Kläger durch sein eigenes Verhalten zu seiner Infektion beigetragen hat, § 254 Abs. 1 BGB. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Kläger zu den Vögeln einen sehr engen Kontakt hatte. So hat er sie zunächst im Wohnzimmer gehalten, die jungen Vögel mit der Hand gefüttert und ihnen – wie die Zeugin xxx glaubhaft schilderte – auch mal ein Küsschen auf den Schnabel gegeben. Der Sachverständige hat insoweit festgestellt, dass eine solche Nähe nicht angemessen gewesen sei. Dementsprechend hat der Kläger durch seine unangemessene Nähe das Risiko einer eigenen Erkrankung zusätzlich erhöht. Gleichwohl wird dieses Mitverschulden lediglich in einer Größenordnung von 10 % bei der noch vorzunehmenden Bemessung zu berücksichtigen sein. Denn in der Gesamtschau der Umstände wiegt das Verschulden des Beklagten hier deutlich schwerer.
68Über den Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war ebenfalls durch Grundurteil (§ 304 Abs. 1 ZPO) zu entscheiden, weil dieser lediglich dem Grunde nach entscheidungsreif gewesen ist.
69Der Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 280 Abs. 1, 437 Nr. 3 Alt. 1, 434 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB. Der Kläger durfte die vorgerichtliche Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts für erforderlich und zweckmäßig halten.
70Eine Kostenentscheidung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht veranlasst.
71Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Sätze 1 und 3 ZPO.
72Der Streitwert wird auf 22.270,00 EUR festgesetzt.