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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.027,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € seit dem 14.10.2006, aus 787,64 € seit dem 13.10.2007, aus 1.040,27 € seit dem 11.10.2008, aus 1.989,99 € seit dem 17.10.2009 und aus 693,04 € seit dem 02.10.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt Bezahlung erbrachter Leistungen aus einem Gasversorgungsvertrag.
3Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für die Versorgung der Gemeinde Viersen mit Strom, Gas und Wasser sowie die Abwasserentsorgung.
4Zwischen den Parteien besteht – neben Verträgen über die Versorgung mit Strom und Wasser sowie die Abwasserversorgung – aufgrund faktischer Entnahme ein Versorgungsvertrag über die Belieferung mit Gas an der Verbrauchsstelle der Beklagten. Ein schriftlicher Vertrag wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen.
5Im Rahmen ihrer "Allgemeinen Tarifpreise" versorgt die Klägerin Gaskunden, mit denen sie keine Sondervereinbarung getroffen hat, nach einer sog. "Bestabrechnung". Hierbei bietet die Klägerin unterschiedliche Tarife an, wobei sich der jeweils zur Abrechnung kommende Preis nach dem für die individuelle jährliche Abnahmemenge kostengünstigsten Versorgungstarif richtet. Nach diesem Tarifsystem rechnete die Klägerin auch gegenüber der Beklagten ab. Die jeweils geltenden Preise wurden bei Veränderungen in der Lokalpresse veröffentlicht. Nach Inkraftreten der GasGVV wurde die Beklagte zusätzlich per Brief über die jeweiligen Preisanpassungen informiert.
6Mit Schreiben vom 05.10.2006 erhob die Beklagte erstmals Einwände gegen die Erhöhung der Erdgaspreise der Klägerin. Deshalb zahlte sie die Entgelte für Gas nur auf den zuletzt durch sie unwidersprochen gezahlten Gaspreis. Sie kürzte jedoch nicht ihre Zahlungen auf andere Versorgungsarten.
7Die Klägerin macht folgende Forderungen gegenüber der Beklagten geltend:
8Versorgungszeitraum Rechnungsdatum Restforderung
907.09.2005 bis 06.09.2006 25.09.2006 516,52 €
1007.09.2006 bis 04.09.2007 24.09.2007 787,64 €
1105.09.2007 bis 08.09.2008 22.09.2008 1.040,27 €
1209.09.2008 bis 05.09.2009 23.09.2009 1.989,99 €
1306.09.2009 bis 31.12.2009 23.09.2009 133,00 €
14Zwischensumme 4.467,42 €
15Weiter fordert sie nach Klageerhöhung mit Schriftsatz vom 06.04.2011, der Beklagten zugestellt am 14.04.2011:
1606.09.2009 bis 08.09.2010 14.09.2010 560,04 €
17Gesamtsumme 5.027,46 €
18Für Einzelheiten wird auf das Forderungskonto der Klägerin (Bl. 52 ff. GA) sowie die Rechnungen (Bl. 59 ff. GA) Bezug genommen.
19Die Klägerin vertritt zunächst die Auffassung, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit nicht um eine Streitigkeit aus dem EnWG, sondern um eine einfache vertragsrechtliche Streitigkeit handele, bei der sich die sachliche Zuständigkeit der Gerichte aus §§ 23, 71 GVG ergebe.
20Weiter ist die Klägerin der Ansicht, zwischen den Parteien bestehe ein Allgemeiner Tarifkundenvertrag. Sie sei deshalb zu Preisanpassungen bis zum 07.11.2006 aufgrund § 4 Abs. 2 AVBGasV und danach gem. § 5 Abs. 2 GasGVV berechtigt gewesen.
21Ferner meint die Klägerin, die Beklagte sei wegen § 30 AVBGasV nicht zu Zahlungsverweigerungen berechtigt gewesen, weil ihre Rechnungen nicht offensichtlich fehlerhaft gewesen seien. Seit dem Jahr 2007 könne sich die Beklagte nicht mehr auf eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB berufen, weil sie seitdem – so behauptet die Klägerin – den Vertrag mit der Klägerin kündigen und einen anderen Versorgungsanbieter hätten wählen können. Der Schutzzweck des § 315 BGB sei seitdem nicht mehr einschlägig und das Verhalten der Beklagten in Form des Weiterbezugs von der Klägerin und anschließender Zahlungsverweigerung widersprüchlich. Ferner sei § 315 BGB allenfalls erst auf die ab 2006 erfolgten Preisanpassungen anwendbar, weil die Beklagte erstmals Ende 2006 Widerspruch gegen die Preisanpassungen erhoben habe.
22Die Klägerin vertritt außerdem die Auffassung, ihre Preiserhöhungen entsprächen der Billigkeit. Hierzu behauptet sie, sie habe lediglich ihre gestiegenen Bezugskosten weitergegeben. Konkret seien vom Gaswirtschaftsjahr 2003/2004 bis 2007/2008 die Rohmargen der Klägerin, d. h. die Differenz zwischen Energieeinkaufspreis und Energieverkaufspreis, durchgehend gesunken. Die Bezugsarbeitspreise der Klägerin gegenüber der Thyssengas GmbH seien von 2003/2004 bis 2007/2008 von 1,8465 Ct/kWh auf 3,6893 Ct/kWh, d. h. um 1,8428 Ct/kWh gestiegen. Demgegenüber sei der Arbeitspreis für den Durchschnitt aller Tarifkunden vom Gaswirtschafsjahr 2003/2004 bis 2007/2008 von 3,472 Ct/kWh auf 5,1080 Ct/kWh, mithin nur um 1,636 Ct/kWh gestiegen. Der Anstieg der Bezugskosten habe auch nicht durch die Senkung sonstiger Kosten der Sparte Gas kompensiert werden können. Ein zusätzlicher Gewinn sei deshalb von der Klägerin durch Preiserhöhungen nicht erwirtschaftet worden. Für Einzelheiten wird auf die Margenbetrachtung der Klägerin für Tarifkunden nebst sonstigen Kosten (Bl. 136 GA) Bezug genommen.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.027,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 516,52 € seit dem 14.10.2006, aus 787,64 EUR seit dem 13.10.2007, aus 1.040,27 EUR seit dem 11.10.2008, aus 1.989,99 EUR seit dem 17.10.2009 und aus 693,04 EUR seit dem 02.10.2010 zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte ist der Ansicht, der Streitfall falle unter die sachliche Sonderzuständigkeit der Handelskammer des Landgerichts Düsseldorf gemäß §§ 102 EnWG, 103 Abs. 1 EnWG, 89 GWB i. v. m. der Ausführungsverordnung des Landes NRW und der Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen als Kartellgericht.
28Die Beklagte ist ferner der Auffassung, sie könne sich auf eine fehlende Angemessenheit der Gaspreise der Klägerin berufen. Der Klägerin habe schon kein Preiserhöhungsrecht zugestanden, weil die Beklagte Sondervertragskundin sei. Ein Allgemeiner Tarif nach § 36 EnWG bestehe bei der Klägerin infolge des mehrstufigen Preismodells nicht.
29Überdies ist die Beklagte der Auffassung, die Klägerin habe unter Verstoß gegen § 366 BGB von ihr geleistete Abschlagszahlungen für andere Versorgungsarten als Gas mit angeblichen Rückständen auf Gasentgelte verrechnet,, so dass die jetzt geltend gemachte Forderung nicht mehr nachzuvollziehen sei.
30Schließlich ist die Beklagte der Meinung, die Energiegesamtpreise der Klägerin seien unbillig im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
32Aufgrund der Klageerweiterung der Klägerin über 5.000 € hinaus, hat sich das Amtsgericht Viersen mit Beschluss vom 28.04.2011 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin vom 15.04.2011 an das Landgericht Mönchengladbach verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 25.08.2011. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25.08.2011 (Bl. 340 ff. GA) Bezug genommen.
33Entscheidungsgründe
34Die Klage ist zulässig und begründet.
35I.
36Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Mönchengladbach ist für die Entscheidung zuständig.
37Die sachliche Zuständigkeit folgt aus dem gemäß §§ 506 Abs. 2, 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindenden Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Viersen. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 12, 13 ZPO. Im Übrigen haben die Parteien gemäß § 39 ZPO rügelos zur Sache verhandelt.
38II.
39Die Klage ist auch begründet. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche stehen der Klägerin vollumfänglich zu.
40Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen noch offenstehenden Zahlungsanspruch für Gaslieferungen gem. § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Erdgasversorgungsvertrag der Parteien in Höhe von insgesamt 5.027,46 €.
41Die Klägerin war gemäß § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV zur Anpassung der Gaspreise im Rahmen der Billigkeit gemäß § 315 BGB berechtigt. Sie kann deshalb auch Zahlung derjenigen Preisanteile verlangen, die die Beklagte im Hinblick auf ihre Einwände gegen die Preiserhöhungen der Klägerin einbehalten hat. Zwar haben die Parteien nicht ausdrücklich ein Preisanpassungsrecht vereinbart. Allerdings ist das Preisänderungsrecht kraft der Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV Bestandteil des Grundversorgungsvertrages zwischen Grundversorgern und Haushaltskunden. Dies gilt auch im Streitfall.
42Entgegen ihrer Auffassung ist die Beklagte nicht Sonder-, sondern allgemeine Tarifkundin. Für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen für die Versorgung von Haushaltskunden mit Gas um Tarif- bzw. Grundversorgungsverträge (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG 2005) oder um Normsonderverträge handelt, kommt es darauf an, ob der Energieversorger die Versorgung – aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers – im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (vgl. NJW 2009, 2662). Vorliegend rechnet die Klägerin unstreitig alle Kunden, mit denen sie keine Sondervereinbarungen getroffen hat, nach ihren "Allgemeinen Tarifpreisen" im Rahmen einer "Bestabrechnung" ab. Aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers stellt dieses Tarifsystem deshalb die von der Klägerin angebotene Grundversorgung dar.
43Die Beklagte ist auch nicht allein deshalb als Sondertarifkundin anzusehen, weil die Klägerin mehrere nach Verbrauch gestaffelte Tarife abrechnet. § 36 Abs. 1 EnWG verpflichtet den Energieversorger nicht dazu, nur einen einzigen Grundversorgungstarif anzubieten; im Rahmen der Grundversorgung können vielmehr mehrere Allgemeine Tarife gelten (vgl. BGH NJW 2009, 2662; WM 2010, 1762; OLG Frankfurt, RdE 2009, 258; OLG Düsseldorf, Urt. vom 13.04.2011, Az.: VI-2 U 3/09, Bl. 334 GA). Jedes andere Ergebnis wäre auch kaum nachvollziehbar, weil dann durch das gestaffelte Tarifsystem sämtliche Kunden zu Sondertarifkunden deklariert würden, selbst wenn mit ihnen keine besonderen vertraglichen Vereinbarungen getroffen worden wären. Durch den faktischen Gasbezug kann aber zunächst nur ein Tarifkundenvertrag zustande kommen (vgl. OLG Düsseldorf IR 2009, 186). Etwas anders kann nur gelten, wenn von den Bedingungen der AVBgasV bzw. GasGVV abweichende Sondervertragsbedingungen vereinbart werden (vgl. OLG Frankfurt, a. a. O.), was zwischen den Parteien nicht der Fall ist. Die durch die "Bestabrechnung" vorgesehene Einstufung in einen bestimmten Tarif auf der Grundlage des jeweiligen Jahresgasverbrauchs führt nicht zur Annahme einer Sondervereinbarung (OLG Frankfurt a. M., RdE 2010, 104). Sie ist lediglich Bestandteil des Tarifsystems der Grundversorgung, jedoch nicht Ausfluss einer Sondervereinbarung.
44Insoweit durfte die Klägerin aufgrund der Ermächtigung durch § 4 Abs. 2 AVBGasV bzw. § 5 Abs. 2 GasGVV Preisänderungen nach Billigkeit gemäß § 315 BGB vornehmen.
45Hinsichtlich der streitgegenständlichen Gaswirtschaftsjahre 2004/2005 bis 2007/2008 halten sich die Preiserhöhungen der Klägerin im Rahmen billigen Ermessens nach § 315 Abs. 1 BGB. Es kann deshalb dahinstehen, ob sich Beklagte überhaupt auf eine Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB berufen kann.
46Hiervon ist das Gericht aufgrund der Vernehmung des sachverständigen Zeugen überzeugt. Dabei ist die Aussage des Zeugen vollumfänglich überzeugend und nachvollziehbar, so dass es keiner ergänzenden Einholung eines – von keiner der Parteien beantragten – Sachverständigengutachtens gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO bedurfte. Die Kosten für die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätten auch außer Verhältnis zum Streitwert des vorliegenden Verfahrens gestanden.
47Der Zeuge hat anhand der von der Klägerin vorgelegten Anlage K20 (Bl. 136 ff. GA) nachvollziehbar erläutert, dass sich die gewichteten Gasbezugsarbeitspreise der Klägerin in dem fraglichen Zeitraum kontinuierlich erhöht hätten. Dabei handele es sich um den maßgeblichen Kostenfaktor für Gaspreiserhöhungen, weil die daneben erfassten Leistungskosten über die Jahre hinweg nahezu unverändert geblieben seien. In der Tabelle auf Bl. 136 GA seien die vertraglichen Bezugspreise der Vorlieferanten der Klägerin 1:1 – auch mit Rabatten – berücksichtigt worden. Aus der Tabelle auf Bl. 137 GA lasse sich der nach den in den einzelnen Quartalen angefallenen Abgabemengen gewichtete Arbeitspreis für die Kunden entnehmen. Aus der Differenz der Wert ergebe sich dann die Rohmarge der Klägerin im jeweiligen Abrechnungsjahr, die der Tabelle auf Bl. 138 GA zu entnehmen sei. Diese sei – wie sich aus den Zahlen ergibt – in den Gaswirtschaftsjahren 2004/2005 bis 2007/2008 rückläufig gewesen. Die Rohrmarge sei derjenige Wert, aus dem die Kosten der Klägerin bestritten würden. Die Kostensituation sei in der Tabelle auf Bl. 139 GA dargestellt. Die wesentlichen Kostenfaktoren seien die für die Klägerin nicht beeinflussbaren Netzkosten und Konzessionsabgaben sowie die für die Klägerin variablen Vertriebskosten des Personals, die ohnehin nur einen Anteil von 8-10% der von den Kunden zu zahlenden Entgelte ausmachten. In dieser Tabelle seien als Gutschrift auch die sonstigen Kostenentlastungen der Klägerin in Gestalt von Rabatten oder Marketingzuschüssen, etwa für die Umstellung von Kunden von der Heizöl- auf die Erdgasversorgung, berücksichtigt. Das Ergebnis, aus dem sich der Gewinn der Klägerin errechne, habe sich in dem in Rede stehenden Zeitraum kontinuierlich verschlechtert. Zwar handele es sich bei dem Jahr 2007 um Planzahlen, wohingegen die übrigen Tabellen reale Zahlen für diesen Zeitraum enthielten. Es sei jedoch nach der tatsächlichen Kostensituation der Klägerin allenfalls von einem gleich gebliebenen Betriebsgewinn auszugehen. Eine Gewinnerhöhung habe die Klägerin nicht erzielt.
48Die Klägerin hat außerdem eine Stellungnahme der Gesellschaft für Wirtschaftsberatung mbH Infoplan zur Beurteilung der Angemessenheit der Gasverkaufspreise vorgelegt (Anlage K35, Bl. 325 GA), die von einem Wirtschaftsprüfer und einem Diplom-Volkswirt erstellt wurde. In dieser wird bescheinigt, dass im Zeitraum zwischen dem 01.10.2003 und 01.01.2008 die Bezugskostensteigerungen nicht in vollem Umfang an die Tarifkunden weitergegeben worden seien und deshalb eine leichte Rohmargenverschlechterung zu verzeichnen sei. Die Klägerin hat ferner eine Bestätigung der WIBERA Wirtschaftsberatung AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Düsseldorf vom 21.09.2005 zum Zeitraum 01.01.2002 bis 01.07.2005 überreicht (Anlage K33, Bl. 314 GA), wonach die Ableitung der in der Tabelle II des jeweiligen Öl- und Gaspreistelegramms der ….unter "HEL IV" genannten Preise aus den relevanten Regelungen des bestehenden sowie des vorhergehenden Gaslieferungsvertrags zwischen der Niederrheinwerke Viersen GmbH und der RWE Rhein/Ruhr AG als richtig bestätigt wurde, wobei wesentliche falsche Angaben mit hinreichender Sicherheit erkannt worden wären. Hierdurch werden die Angaben des Zeugen Gockel in objektiver Hinsicht gestützt. Die Angaben des Zeugen waren auch sehr detailliert. Er konnte auf alle Nachfragen des Gerichts und der Parteien die Margenbetrachtung nachvollziehbar erläutern. An der Glaubhaftigkeit seiner Aussage bestehen deshalb keine Zweifel.
49Aus den Ausführungen des Zeugen und den vorbezeichneten Stellungnahmen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ergibt sich, dass sich die Marge der Klägerin im Zeitraum 2004/2005 bis 2007/2008 kontinuierlich verschlechtert hat, weil die Bezugspreise der Klägerin stärker gestiegen sind als die Abgabepreise, sie also ihre Bezugskostensteigerungen nicht in vollem Umfang an ihre Gaskunden weitergegeben hat. Soweit die Klägerin deshalb Preisänderungen vorgenommen hat, hat sie hierdurch ihre Gewinnsituation nicht verbessert. Die Klägerin war auch nicht aufgrund der Senkung sonstiger Kosten (vor allem Netznutzungskosten, Konzessionsabgaben und Personalkosten Vertrieb) in der Lage, ihre gestiegenen Bezugskosten zur Entlastungen ihrer Kunden – und damit auch der Beklagten – zu kompensieren. Die Preiserhöhungen der Klägerin halten sich deshalb sämtlich im Rahmen billigen Ermessens. Der Billigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin bei Preiserhöhungen die Kostensituation für einen von sechs als Berechnungsgrundlage dienenden Monaten aufgrund statischer Prognosen über die Kundenendpreisentwicklung ermittelt hat. Der Beklagten sind hierdurch keine Nachteile entstanden. Zum einen hat der Zeuge angegeben, dass die Prognosen bis auf 1/10 Nachkommastelle genau gewesen seien. Zum anderen habe die Klägerin nicht jedes Quartal Preisanpassungen vorgenommen, um die Kunden nicht zu verunsichern sowie im Hinblick auf die mit Preisänderungen verbundenen hohen Kosten. Sie habe vielmehr jeweils mehrere Quartale in der Zukunft und in der Vergangenheit berücksichtigt. Dabei seien dann auch Korrekturen erfolgt, wenn Gaskunden in den vergangenen Quartalen – ausgehend von der Prognose – zu viel oder zu wenig gezahlt hätten.
50Darüber hinaus kann die Beklagte die Gaspreise der Klägerin aus den Jahren 2004/2005 bis 2007/2008 nicht in vollem Umfang analog § 315 BGB zur Überprüfung stellen. Auf ihre Billigkeit können nur die Preiserhöhungen, nicht jedoch der Sockelbetrag überprüft werden, weil eine umfassende Kontrolle nach der Intention des Gesetzgebers allein der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht vorbehalten ist (vgl. BGH NJW 2009, 502).
51Die Gaspreise ab dem Jahr 2008 kann die Beklagte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) keiner rückwirkenden gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterziehen. Ab dieser Zeit hatte die Beklagte die Möglichkeit, zu einem anderen Gasanbieter zu wechseln. Soweit sie dennoch an dem Gasbezugsvertrag mit der Klägerin festgehalten hat, anstatt diesen zu kündigen, ist ihr widersprüchliches Verhalten vorzuwerfen (vgl. LG Frankenthal, RdE 2010, 73; LG Mühlhausen, RdE 2008, 215; LG Köln, Urt. v. 04.02.2009, Az.: 90 O 35/08, zitiert nach Juris). Wie der Zeuge glaubhaft ausgesagt hat, hatte die Klägerin ab dem Jahr 2008 die Möglichkeit, ihr Gas von einem anderen Anbieter, namentlich den Stadtwerten der Stadt Düsseldorf, zu beziehen. Seit Oktober 2008 hätten die Stadtwerke Düsseldorf etwa 8% der Kunden von der Klägerin abgeworben. Die Beklagte kann die Klägerin deshalb nicht zum Nachweis der Billigkeit ihrer Preise zwingen, weil sie ohne Weiteres zu einem anderen günstigeren Anbieter hätte wechseln können. Dass auf dem Markt ein einheitliches Preisniveau geherrscht und sich deshalb kein günstigerer Anbieter gefunden hätte, ist nicht ersichtlich, und insbesondere im Hinblick auf die von dem Zeugen geschilderte starke Kundenabwanderung zu den Stadtwerken Düsseldorf nicht anzunehmen. Zwischenzeitlich stehen nach den Angaben des Zeugen 50 Anbieter für das Gebiet der Stadt Viersen zur Auswahl, so dass von einem nachhaltigen Wettbewerb auszugehen ist.
52Die Anspruchshöhe von 5.027,46 € ergibt sich aus den im Tatbestand bezeichneten Forderungen bzw. Restforderungen aus den Verbrauchsabrechnungen vom 25.09.2006, 24.09.2007, 22.09.2008, 23.09.2009 sowie 14.09.2010.
53Die Höhe der Abrechnungen ist nachvollziehbar. Die Klägerin hat jeweils einheitlich über die Versorgung mit Strom, Wasser und Gas sowie die Abwasserentsorgung unter Berücksichtigung der hierauf geleisteten Abschläge abgerechnet. Eine unzulässige Verrechnung gemäß § 366 BGB kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin Abschlagszahlungen auf andere Versorgungsarten als Gas zum Nachteil der Beklagten auf die Gasabrechnungen verrechnet haben sollte. Ihre Zahlungspflicht hinsichtlich der Abrechnungsanteile für Strom, Wasser und Abwasser hat die Beklagte nicht bestritten. Deshalb durfte die Klägerin die Abschlagszahlungen hierauf bis zur vollen anteiligen Rechnungshöhe verrechnen. Sofern die Klägerin darüber hinaus Abschläge, die eigentlich für Strom, Wasser und Abwasser gedacht gewesen waren, auf die Gasabrechnungen verrechnet hat, könnte sich hieraus allenfalls noch eine höhere Forderung der Klägerin ergeben, wenn insoweit wegen einer unzulässigen Verrechnung keine Erfüllung gemäß § 362 BGB eingetreten wäre. Den Gasabrechnungen fehlt im Übrigen nicht die nötige Transparenz, weil der Beklagten die von ihr für die jeweiligen Gaslieferungen bestimmten Abschlagsanteile bekannt sind.
54Verzugszinsen schuldet die Beklagte aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 1 GasGVV ab den von der Klägerin jeweils bestimmten Fälligkeitszeitpunkten. Die von der Beklagten nicht beanstandeten in den Rechnungen der Klägerin enthaltenen Mahnkosten sind nach §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB i.V.m. § 17 Abs. 2 GasGVV zu ersetzen.
55Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.
56Der Streitwert beträgt:
57bis 10.04.2011: 4.467,42 €
58danach: 5.027,46 €.