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Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6. November 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Erkelenz, Aktenzeichen: 14 C 321/03, teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 519,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz seit dem 9. April 2003 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 140 Abs. 1, 313a ZPO abgesehen.
2I.
3Die zulässige Berufung ist begründet.
4Der Klägerin steht gegen den Beklagten aus dem zwischen den Parteien am 5. September 2001 abgeschlossenen Vertrag über die Nutzung eines Fitness-Studios über die durch das Amtsgericht bereits zugesprochenen 10,97 € hinaus ein weiteres Entgelt in Höhe von 519,72 € zu. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2002 nämlich nicht gemäß §§ 542 Abs. 2 Nr. 1, 543 Abs. 1 BGB beendet worden.
5Zutreffend hat das Amtsgericht den zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag als gemischten Vertrag mit dienst-, werk-, überwiegend jedoch mietvertraglichen Elementen angesehen, so dass sich der Vergütungsanspruch der Klägerin aus § 535 Abs. 2 BGB ergibt und ein Kündigungsrecht an den Maßstäben des § 543 Abs. 1 BGB gemessen werden muss, wonach jede Partei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich - fristlos - kündigen kann.
6II.
7Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung, insbesondere ein wichtiger Grund, der dem Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zu dessen Ablauf nicht als zumutbar hätte erscheinen lassen, liegen nicht vor.
81.
9Zwar ist dem Beklagten von seinem Hausarzt bescheinigt worden, dass er infolge einer "rezidivierenden Patellaluxation rechts" dauerhaft "fitnessstudiounfähig" erkrankt sei.
10Der Auffassung des Amtsgerichts, dass in Übereinstimmung mit der von ihm zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Rastadt vom 4. April 2002 ( NJW-RR 2002, S.1281 f) für die Berechtigung einer fristlosen Kündigung bereits ausreichend sein solle, dass der Hausarzt dem Beklagten überhaupt ein entsprechendes Attest ausgestellt hat, ohne dass es darauf ankommen könne, ob der Beklagte tatsächlich "fitnessstudiounfähig" erkrankt sei oder nicht, vermag die Kammer nicht zu folgen.
11Zwar weist das Amtsgericht zutreffend darauf hin, dass der Beklagte als medizinischer Laie grundsätzlich nicht in der Lage sei, die Richtigkeit eines ärztlichen Rates oder einer ärztlichen Feststellung zu überprüfen oder gar in Frage zu stellen.
12Insbesondere dann jedoch, wenn sich entweder aus dem ärztlichen Attest als solchem oder der Art der bescheinigten Erkrankung hinreichende Anhaltspunkte dafür finden, dass das Attest dem Benutzer des Fitness-Studios dazu dienen soll, sich entgegen dem das Vertragsrecht nach wie vor noch beherrschenden Grundsatz "pacta sunt servanda" vorzeitig aus dem Vertragsverhältnis zu lösen, kann die bloße Vorlage eines solchen Attestes nicht dazu führen, dass dem Betreiber des Fitness-Studios durch diese bloße Existenz dieses Attestes jegliche Handhabe genommen werden soll, die Berechtigung der Kündigung gegebenenfalls gerichtlich überprüfen zu lassen. Vielmehr muss ihm in diesen Fällen die Möglichkeit der Überprüfung der Berechtigung zur Kündigung gegeben werden.
132.
14Das im vorliegenden Fall zur Begründung der Kündigung eingereichte Attest enthält als solches bereits zwei Anhaltspunkte, aus denen heraus erhebliche Zweifel an der Berechtigung des Beklagten herrühren können, den Vertrag – insbesondere fristlos - zu kündigen und sich so bereits kurze Zeit nach Vertragsschluss seiner vertraglichen Pflichten zu entledigen.
15a)
16Sowohl die attestierte Erkrankung – die "rezidivierende Patellaluxation" - als auch der vom Hausarzt des Beklagten ausgewiesene Zeitraum, für dessen Dauer er den Beklagten als "fitnessstudiounfähig erkrankt" angesehen hat, mussten ernsthafte Zweifel an der Berechtigten des Beklagten zur Kündigung wecken.
17Zum einen bedeutet der attestierte Befund einer rezidivierenden Patellaluxation nichts anderes als das Wiederauftreten einer wiederkehrenden Verrenkung der Kniescheibe (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl., zu: "Rezidiv" und "Patellaluxation").
18Bereits aus der Bezeichnung der Erkrankung des Beklagten als "wiederkehrend" hätten sich dem Amtsgericht bereits Zweifel an dessen Behauptung aufdrängen müssen, dass er vor der Behandlung durch den Hausarzt Dr. B noch nie Beschwerden am Knie gehabt habe, vielmehr die Erkrankung sofort so gravierend gewesen sei, dass eine dauernde Sportuntauglichkeit vorlag und ihm im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von einer Verletzung der Kniescheibe nichts bekannt gewesen sei.
19b)
20Hinzu kommt, dass der bescheinigende Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin, den Beklagten nicht etwa für die Zeit von 1 oder 2 Monaten, sondern aufgrund der nach seiner Behauptung erstmals unmittelbar vor dem Ausstellen dieser Bescheinigung aufgetretenen Erkrankung sofort für einen Zeitraum von mehr als 10 Monaten "Fitness-Studio unfähig" geschrieben hat. Auch die lange Dauer der Festlegung mag zwar, wie das Amtsgericht ausgeführt hat, nicht zwingend ein Indiz für ein sogenanntes Gefälligkeitsattest sein, hätte aber jedenfalls Zweifel daran wecken müssen, ob das Attest einer sachverständigen Überprüfung werde standhalten können und damit Veranlassung gegeben, in die Beweisaufnahme einzutreten.
213.
22Die durch die Kammer daher durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Kündigung des Beklagten vom 11. März 2002 sich aus mehreren Gründen als unberechtigt darstellt.
23a)
24Der Sachverständige Professor Dr. Sch hat in seinem ausführlichen und umfassenden Gutachten vom 20. Dezember 2004 festgestellt, dass beim Beklagten zum einen eine Wachstumsstörung des Knochenkerns der Schienbeinhöcker beidseits vorliegt, der zu deutlichen Belastungsschmerzen beidseits führt und er davon unabhängig erstmalig in der Pubertät eine Luxation, d.h. Verrenkung der Kniescheibe, erlitten hat, sowie, dass eine erneute Luxation der rechten Kniescheibe beim Schulsport im Jahre 2001 aufgetreten sei.
25Damit sei, so der Sachverständige, bei insgesamt zweimaliger Luxation der Kniescheibe in der Vorgeschichte und einer deutlich seitlich überbeweglichen Kniescheibe von einer sogenannten habituellen Luxation der rechten Kniescheibe mit einem Rezidiv auszugehen, wobei der genaue Zeitpunkt dieses Rezidivs, d.h. also des Wiederauftretens der Luxation, innerhalb des Jahres 2001 nicht genau zu rekonstruieren sei.
26Die Kammer geht zugunsten des Beklagten, der hierzu nicht näher vorträgt, davon aus, dass dies nach Unterzeichnung des streitbefangenen Vertrages im September 2001 der Fall war.
27b)
28Darüber hinaus hat der Sachverständige indes festgestellt, dass eine generelle Sportunfähigkeit des Beklagten zu keinem Zeitpunkt seit der Ausheilung der Akutfolgen der letztmaligen Kniescheibenluxation vorgelegen hat, grundsätzlich bei diesem Krankheitsbild sämtliche Übungen für obere Extremität und Rumpfmuskulatur ohne Einschränkung durchgeführt werden können und lediglich Rotationsbelastungen und Belastungen in stärkerer Beugung des rechten Knies (wie zum Beispiel das Heben schwerer Gewichte aus der Hocke heraus) ebenso vermieden werden sollten wie die Teilnahme an Aerobic und Kampfsportkursen. Abgesehen davon, dass der vom Hausarzt Dr. B gebrauchte Begriff "fitnessstudiounfähig" nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in der medizinischen Literatur nirgendwo definiert ist, sei eine generelle Sportunfähigkeit hieraus jedoch nicht abzuleiten.
29c)
30Nach diesen Ausführungen des Sachverständigen, die von keiner der Parteien inhaltlich angegriffen worden sind, und denen sich die Kammer ausdrücklich anschließt, war dem Beklagten zum einen entgegen seinem Vortrag im Schriftsatz vom 11. August 2003 zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses doch bekannt, dass er unter einer Patellaluxation litt ( mag ihn der Begriff als solcher unter Umständen auch nicht bekannt gewesen sein ).
31Entgegen den Ausführungen in dem genannten Schriftsatz hat er dem begutachtenden Arzt gegenüber in der persönlichen Anamnese ausdrücklich angegeben, dass es während der Pubertät bereits zu einer Ausrenkung der Kniescheibe gekommen sei und er in der Folgezeit "immer wieder" aufgrund von Kniebeschwerden von der Teilnahme am Schulsport befreit gewesen sei.
32Insoweit stellt sich sein Vortrag, es seien erstmals unmittelbar, bevor er sich in die Behandlung des Zeugen Dr. B begeben habe, Beschwerden am Knie aufgetreten, die ihrerseits sofort so gravierend gewesen seien, dass sie eine dauernde Sportuntauglichkeit nach sich gezogen hätten und von einer Verletzung im Bereich der Kniescheibe sei ihm bei Abschluss des Vertrages nichts bekannt gewesen, bereits als vorsätzlich unwahr dar.
33Vielmehr hat der Beklagte in Kenntnis der dem Gutachter gegenüber angegebenen Vorgeschichte, insbesondere seiner Knieprobleme, am 5. September 2001 den streitbefangenen Vertrag unterzeichnet und kann sich nunmehr nicht darauf berufen, nicht mehr an den Vertrag gebunden sein, nachdem sich die ihm bereits hinlänglich bekannte Problematik nach einigen Monaten der Vertragslaufzeit und der Nutzung des Fitness-Studios der Klägerin erneut gezeigt hat.
34d)
35Wenn er – obwohl er während der Schulzeit immer wieder über längere Zeiten vom Schulsport wegen der Knieprobleme befreit worden waren – gleichwohl einen auf 18 Monate befristeten Nutzungsvertrag wie vorliegend abgeschlossen hat, fällt es in seinen Risikobereich, wenn unter den während der Nutzung des Fitness-Studios auftretenden Belastungen die bekannte alte Erkrankung erneut auftritt und ihn von der Nutzung von Teilen des Fitness-Studios ausschließt. Dies gilt um so mehr, da der in seiner Gesamtheit im Übrigen von der Kammer bereits an den Maßstäben des AGB-Gesetzes überprüfte Vertrag der Klägerin (vgl. hierzu Urteil der Kammer vom 30. Mai 2003, NJW-RR 2004, 416 f) ihm auch die Möglichkeit eingeräumt hätte, zwischen insgesamt vier Laufzeiten des Vertrages zu wählen, nämlich 12, 18 und 24 Monate sowie ein sogenanntes Test-Abo ohne feste Laufzeit.
36Es unterlag allein dem Willen und der Entscheidung des Beklagten, die ihm aus den davor liegenden Jahren bekannten Warnzeichen seines Körpers insbesondere im Bereich des rechten Knies zu missachten und nicht zunächst ein Test-Abo ohne feste Laufzeit abzuschließen; letzteres hätte ihm ermöglicht, mit jederzeitiger Kündigungsmöglichkeit zu prüfen, ob sein Körper, insbesondere das rechte Knie den Belastungen der Nutzung seines Fitness-Studios gewachsen sei.
37e)
38Darüber hinaus ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch auch nicht, dass der Beklagte die Einrichtungen des Fitness-Studios der Klägerin überhaupt nicht mehr oder nicht mehr im nennenswerten Umfang hätte nutzen können. Dem Gericht sind aus eigener Anschauung und eigener Nutzung eines Fitness-Studios sowohl Übungen als auch Trainingsgeräte in hinreichender Zahl bekannt, an denen der Beklagte trotz seines vorgeschädigten Knies seine Körperertüchtigung hätte weiterbetreiben können, ohne dabei ausschließlich den Oberkörper zu beanspruchen.
394.
40War dem Beklagten seine körperliche Beeinträchtigung somit bereits vor Vertragsschluss bekannt, hat er trotz anderweitiger vertraglicher Möglichkeiten sofort einen auf 18 Monate laufenden Vertrag bindend abgeschlossen und kann er auch ohne Beanspruchung des rechten Kniegelenks noch in ausreichendem Umfang Angebote der Klägerin wahrnehmen, ist ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung bei Abwägung aller gemäß § 543 BGB zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles sowie der beiderseitigen Interessen der Vertragspartner nicht erkennbar und blieb der Beklagte bis zum regulären Ablauf des Vertrages, dem 15. März 2003, zur Zahlung der Nutzungsgebühr von 14-tägig 21,47 € verpflichtet.
41III.
42Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
43Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 519,72 € festgesetzt.
44Hinz Dr. Oudijk Richter Flören
45ist wegen Urlaubs an der Unter-
46schrift gehindert.
47Hinz